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29.7. - 5.8.2000 |
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Plan Du Var - Monte Carlo | Turini - Castillon | 92 km / 1822 Hm |
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Da standen wir nun in Plan du Var und nur noch 92 Kilometer trennten uns vom Ziel,
Monaco - Monte Carlo. Wir waren heiß darauf, es endlich zu sehen, dass Mittelmeer,
den Hafen und alles. Nur noch zwei Pässe lagen vor uns: zunächst der Turini, und dann, als Furz,
der Castillon. Für Tobi noch mal Anlass, kurz vor der Abfahrt alle Konzentration zu sammeln.
Aber zunächst ging es durch die Gorge de la Vesubie auf der D2565 in nordöstliche
Richtung, also vom Mittelmeer weg in kaum merklicher Steigung. Nach 21 km bogen wir auf die D70
ab, für Tobi und Till das Startzeichen, diesen letzten Pass anzugreifen.
Doch zunächst sahen wir, dass es durchaus noch verrücktere Radler in den Alpen gibt als uns in den letzten
Jahren: Ein junges Ehepaar zog auf einem Tandem ihre zwei kleinen Kinder in einem Anhänger, und folgten uns in Richtung Turini.
Von hier sind es 15 km auf den Col de Turini, von 503 m geht es bis auf 1607 m hoch.
Nach drei km im Wald stößt man auf den kleinen Ort la Bollene Vesubie, der mit seiner kleinen Kirche
und all den weißgetünchten, rotbedachten Häusern zusammengewürfelt im Taleinschnitt stand.
Dort waren Andi und ich schon stolz auf die 15 km/h, die wir auf unseren Tachos lasen.
Später hörten wir verwundert, dass Tobi und Till hier mit über 20 die Aufmerksamkeit der Dorfbewohner auf sich gezogen haben.
In aufwendigen Serpentinen mit Steigungen von bis zu zehn Prozent geht es jetzt dem Turini
entgegen. Häufig hat man beim Zurückgucken Aussicht auf mehrere Kilometer Straße, weil es
wirklich in sehr verschachtelten Serpentinen hochgeht. Obwohl es bis zum Gipfel bewaldet ist (natürlich befinden
wir uns hier weit unterhalb der Baumgrenze) kann man vom Hang weg immer gut sehen, weil die Steilhiet
des Tales eine aufwendige Terrassierung nötig machte und so der Blick nach Außen meistens frei ist.
Tobi gewann den Berg vor Till, und im Kampf um Platz drei musste ich mich Andy geschlagen geben,
der mich im Spurt noch überholte.
Natürlich trödelten wir wieder ne Menge rum; erst musste Tobi sich noch was anziehen, dann fiel
Andy ein, während ich noch schnell einen Joghurt aß, dass er sich ja noch einen Müsliriegel reinziehen konnte,
was Tobi und ich erstmal für eine Pinkelpause nutzten. Schließlich ging es aber auf der D2566 ins Tal hinab, und zwar auf einer breiten und recht kurvenreichen Straße.
Schön war das; wie wir uns das wünschten für den letzten echten Pass.
Kurz nach Sospel hielten wir wiederum an - immer noch auf der D2566; die Straße war zur rechten
durch eine Mauer begrenzt, hinter der es ca 30 Meter steil abfiel. Zur allgemeinen Belustigung
stellte ich mich darauf und bescherte dem Ort einen feuchte Wohltat - nötig bei der mediterranen
Hitze.
Von Sospel sind es ja nur noch 358 Hm zum Pass, und die sind wirklich flach. Also war der Erwartungsdruck
wieder auf meiner Seite: Und ein Kilometer vor dem Pass trat ich von vorne weg an, Tobi
verschaltete sich und ließ so die Initialzündung verpuffen - der zweite Pass war mein
und damit die beiden größten Namen auf meinem Konto verbucht.
Nun ging es noch 15,5 km bis nach Menton, die ersten 3 km davon bis nach Castillon durchaus abfahrtstechnisch interessant.
Menton war dann eher eine negative erfahrung, mediterranes Verkehrschaos so weit das Auge reicht.
Aber dennoch, die Augen immer auf den Horizont gerichtet durchfuhren wir auch dies - in
freudiger Erwartung. Und schließlich - an LKW, Verkehrszeichen und Ampelanlagen vorbei konnten wir sie blau schimmern
sehen: Kaum vom leichten Wind gekräuselt, die Wellen des Mittelmeers. Die Sonne schien hell und klar, und jubilierte
für unsere Ankunft: Endlich da. Die letzten neun Kilometer zum Hafen Monte Carlos
vergingen auch noch - die Verheißung war groß: schon bald konnten wir baden gehen im Mittelmeer - alle Viere von uns strecken
und richtig plat du jour sein. Dann schließlich, ein unscheinbares Schild: Principauté de Monaco. Bald war auch das Hafenbecken
gefunden, Andy kennt sich hier ja prächtig aus.
Und dann, als Walter mit dem Sprinter nachkam, unsere 30 Sekunden
Ruhm im Hafen von Monaco, am Heck Lady Mouras, im Schatten der Hotelkomplexe, inmitten
der Stadt der Schönen und Reichen konnten wir ihn auch spüren: den süßen Wind der Verschwendung.
Die Sektflaschen wurden ausgepackt, 820 km begleiteten sie uns allein zu diesem Zweck.
Mitten auf dem Platz am Hafen standen fünf verrückte Gestalten, gekleidet in schwarz weißen
Fahrradtrikots und ließen überschwenglich den Sekt spritzen, das heißt, einer drehte überschwenglich
an seinem Korken, während die anderen ihre kurzen Salven verschossen. Völlig durchnässt
kippte mir Andy seinen Bodensatz in die Hose, eine Salve ging voll über das Haupthaar -
und dann kam Till. Aller Fesseln entledigt ließ er uns spüren, was er von uns hielt.
Die Rache war sein. Widerstandslos ergaben wir uns unserem Schicksal.
Als wir uns aufmachten, die Formel-1-Strecke abzufahren, hinterließen wir ein klebriges
Schlachtfeld. Einige Wagen brauchten dringend eine Wäsche. Tja.
Als wir uns schließlich ins Hotel begaben - Tobi, Till und ich teilten uns ein Zimmer -
waren wir froh, das klebrige Zeug loszuwerden und brauchten Jahre, um uns zu duschen.
Was dazu führte, dass der fertig geduschte Andy abfahrtbereit in unser Zimmer kam und ohne langes Federlesen
abdrückte - zur Begeisterung nicht nur von uns drei, sondern auch mancher Beobachter ob dieser
verbrannten Nasen, wohldefinierten Weiß-Braun-Übergänge und Radlertypischen Körper.
Nun ging es zum Strand, einem aufgeschütteten Kiesbett. Till entschloss sich, nicht mitzuschwimmen,
wir anderen schwammen ein Weilchen aufs Meer hinaus. Wir machten uns auf zum edlen Abendessen und
ließen es uns gutgehen. Die Tour war bestanden - alle waren glücklich.
Damit fingen die Strapazen aber erst an. Eine Stunde lang standen wir vor dem Casino
und betrachteten den Geldadel beim Präsentieren ihrer Schlitten und edlen Manieren.
Wir gingen die Promenade am Casino hinauf und kauften Eis. Als wir uns umdrehten, konnte
man ein hell erleuchtetes Gebäude am Ende des Parkes sehen. Was war das eigentlich?
Nun hieß es noch, den Weg zum Hotel zu suchen - völlig platt und erschlagen kämpften wir uns
dorthin und ließen uns die Flasche Veuve Clicquot kredenzen, die wir vor dem Abendessen
kaltgestellt hatten (danke Papa Wagner, 'tschuldige, Mathis) - und endlich ging's ins Bett.
Wir erzählten noch lang über das in den letzten Tagen Erlebte, wieder einmal hatte alles geklappt,
wir waren durchgekommen und glücklich, schöne Berge gab es, schönes Wetter und so manche Anekdote
wird auch noch in vielen Jahren erzählt werden. Die Abfahrt vom Roselend... Wisst ihr noch, Arslane? Wie war das noch - im Kampf um den Galibier? Tills Triumph am Col de Vars...
Im Nebel am Bonette? Und dann - ausspannen im Mittelmeer - schön war's.