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Paso Ticlio (4818 m) Paso Abra de Antícona

Westliche Seite mit der Abfahrt Richtung Lima.

Auffahrten

Von rudi radlos – Ein ausgewählter, durchaus empfehlenswerter Startpunkt ist ein Parkplatz an der Küstenautobahn in Lima bei Miraflores. Die Gesamtstrecke von hier aus bis auf die Passhöhe beträgt recht exakt 150 Kilometer (Google Maps gibt dabei 149 km an). Von dort aus fährt man zunächst den vierspurigen Zubringer steil bergauf, bis man nach ca. 50 Höhenmetern und 900 m an einem Kreuzungspunkt und gleichzeitig auf dem Plateau der Stadt Lima landet.
Hier gibt es eine Vielzahl von Möglichkeiten, z. B. unter Benutzung der Avenida Nicolas Arriola, den Zugang zur eigentlichen Passstraße Carretera Central oder Nationalstraße Nr. 22 zu erreichen. Mitten in Lima ist der Verlauf der Straßen insgesamt noch weitgehend flach und das ändert sich auch nicht grundlegend, bis man die Vororte Limas erreicht. Die Straße 22-N, die ja offiziell erst von der Panamericana abzweigt, ist ihrem Status als Hauptstraße gemäß in Lima und auch ein Stück danach immer mindestens vierspurig mit Mittelstreifen, oft auch sechsspurig, aber mit dem Rad problemlos zu benutzen, und auch bei Polizeikontrollen wird man nicht behelligt.

Nur die Sammeltaxis und Kleinbusse stellen für Radler ein Problem dar, weil sie meist unvermittelt und direkt vor dem vorbeifahren wollenden Radfahrer anhalten, um Leute aus- und einsteigen zu lassen. Momentan (Ende 2016) befindet sich im mittleren Bereich zudem eine langgezogene, furchtbare Großbaustelle, die das Vorankommen für alle Fahrzeuge teilweise fast unmöglich macht. Es geht ab hier auch schon ein kleines bisschen bergauf, das merkt man am Unterschied zwischen Fahrgeschwindigkeit mit dem Rad aus Lima heraus oder nach Lima hinein, sogar bei Gegenwind.
Nach ca. 30 km wird der Anstieg schon etwas spürbarer (vielleicht 1–3 %), die Straße wird zur normal-zweispurigen Landstraße und nach 50 km und dem Hinter-sich-lassen der letzten noch zum Großraum Lima zählenden Vororte, fährt man schon 2 bis 4 % bergauf, natürlich noch mit vielen dazwischen liegenden völlig flachen Passagen. Die mathematische Durchschnittssteigung der Gesamtstraße beträgt ja auch nicht mehr als 3,2 %, wie sich leicht errechnen lässt.
Man folgt hier zusammen mit einer Bahnlinie dem Rio Rimac aufwärts, dem die Straße zum Glück sehr getreu folgt. Sie unternimmt dabei keinerlei Eskapaden über Höhenzüge zum Abschneiden von Flussschleifen, wie das andere Straßen in Peru so gerne tun.
Die Straße verliert in ihrem Verlauf nach oben nur manchmal etwas an Höhe, kaum mehr als 5 bis 8 m, sehr, sehr selten vielleicht auch mal 10 bis 12 m in kurzen Gefällestrecken, also erwirbt man durch das Fahren in Richtung Passhöhe kontinuierlich wirklich nutzbringende Höhenmeter.
Dabei kommt man an „bekannten“ Orten wie z.B. Los Angeles vorbei, aber natürlich handelt es sich hier nur um eine zufällige Doppelbenennung. Das Flusstal ist dabei immer fruchtbar und wird ausgiebig landwirtschaftlich genutzt, während die umliegenden Berghänge dem Halbwüstencharakter der Gegend entsprechend sehr karg bewachsen sind. Verstreuter Müll und Müllhaufen säumen, wie überall in Peru, natürlich auch diese Straße.

Eine weitere Besonderheit entlang dieser Straße sind die übermäßig vielen Angebote zur LKW-Wäsche, bestehend meist nur aus einem (trotz Wüstenklima!) dauernd spritzenden Gartenschlauch und einem Schrubber. Leider stellt im Verlauf der gesamten Strecke immer in Ortschaften das reichliche Vorhandensein halbwilder Hunde ein Problem dar, die vorbeifahrende Radfahrer als flüchtendes Wild ansehen und demzufolge über 100 m kläffend und aggressiv verfolgen. Beißen tun sie allerdings nicht, man kann sie auch gezielt forttreten.

Allmählich wird die Straße steiler, erreicht 5 % Steigung, windet sich schon manchmal den Berghang entlang und weist einige längere Brücken über seitlich zufließende, meist fast trockene Flussläufe auf. Für Peru ist dies ungewöhnlich, weil längere Brücken (>100 m) ja teuer sind.
Bei Kilometer 85 vom Strand aus (sonst -20 km) in der Nähe von Surco wird der Flusslauf schließlich so steil, dass sich die Straßenbauer zum Glück zu einer ersten kurzen Doppelkehre genötigt fühlten. Dies wiederholt sich noch ein paarmal, das Tal wird zunehmend felsiger und schließlich taucht die Straße durch einen Tunnel hindurch in einen regelrechten Canyon ein. Durch diese wildromantische Schlucht windet sich die Straße mit mehreren bis zu 560 m langen Tunnels und führt hier durchweg um 6 % schon stärker bergauf.
Am Ende der Schluchtpassage befreit sich die Straße mittels einer abenteuerlichen Streckenführung mit mehreren Kehren und fast übereinander liegenden Abschnitten aus dieser Umklammerung und gewinnt jetzt schon mit mehrheitlich 7 % Steigung deutlich an Höhe. Vom Rand oben kann man dann schön in den Beginn der Schlucht mit der verschlungenen Straßenführung hinabschauen.
Ab hier windet sich die Straße noch einige Kilometer am Berghang rechts und schließlich links entlang, bis sie den langgestreckten Ort Casapalca erreicht. Hier gibt es im unteren Bereich mehrere Hostals und Hospedajes, d.h. hier befinden sich die letzten Übernachtungsmöglichkeiten vor der Passhöhe.
Wenn man, wie der Autor, den Pass unbedingt an einem Tag erreichen möchte, lässt man sie rechts liegen, fährt durch eine langgezogene Schleife stetig aufwärts in ein Nebental hinein und wieder hinaus und erreicht schließlich das letzte Hochtal, an dem die Straße mit 6 % ansteigend auf der linken Seite in einem großen Bogen entlang verläuft.
Dann ist das Tal zu Ende und es folgt der grandiose Schlussanstieg den Hang zum Pass hinauf mit einer Kehrengruppe aus sieben bis acht Kehren mit durchweg 7 % Steigung. Der letzte Kilometer vor dem Pass ist dann wieder etwas flacher, ein See wird passiert und nach recht genau 150 Kilometern Fahrtstrecke (wieder -20 km, wenn man mitten aus Lima startet) ist die Passhöhe mit sage und schreibe 4818 m Höhe über dem Meer erreicht.
Das ist höher als der Gipfel des Mont Blanc in den Alpen mit „nur“ 4810 m Höhe! Deshalb besitzt dieser Weltrekordpass – ich habe trotz eifriger Recherche keine einheitliche Straße auf der ganzen Welt mit einem größeren Höhenunterschied entdecken können – auch einen schönen Betonbogen mit Bienvenidos und mehrere Schilder, die auf die außergewöhnliche Höhe hinweisen.

Als „normaler“ Mensch mit 80 kg Gewicht bedeutet der Gesamtanstieg eine erarbeitete Netto-Höhenenergie von W = 4816 * 9,81 * 80 = 3.780.000 [W*s] oder [J] = 1,05 [kWh] oder als leichter Mensch mit Fahrrad und kleinem Gepäck W = 4816 * 9,81 * (69 + 14 + 2) = 1,12 [kWh] an Brutto-Höhenenergie, also mehr als eine ganze Kilowattstunde! Hätte man sie ins öffentliche Netz eingespeist, als Verbraucher zahlt man dafür etwa 25 bis 27, manchmal sogar 30 Cent im Durchschnitt inklusive Grundpreis! Mit dieser erarbeiteten Höhenenergie könnte man gut 10 Liter 10 °C kaltes Wasser bis zum Kochen bei T = 100 °C bringen, also eine ganze Menge heißen Kaffee kochen, oder alternativ einmal ausgiebig duschen.

Hier oben gibt es Parkplätze, hier kann man bei schönem Wetter wunderbar verweilen, aber leider trotz entsprechendem Hinweisschild für Trucker nicht in einer der seitwärts gelegenen Baracken zum heißen Kaffee oder zum Übernachten einkehren. Als ich dort noch zu durchaus ziviler Zeit um 19:00 Uhr, aber bei Sturm und Schneetreiben ankam, waren die Stühle auf die Tische der Gastwirtschaft hochgestellt, alle Lichter aus, alle Zugänge verschlossen und kein Mensch da. So musste ich wieder 14 km bergab rollen, um das erste Hospedaje in Casapalca zu erreichen.
Trotzdem, das Erreichen gerade dieser Passhöhe ist ein Erlebnis der besonderen Art, das man nicht mehr vergessen wird. Die umliegenden Berge sind alle über 5000 m hoch und es scheint an dieser Stelle in den Anden auch keinen bequemeren Gebirgsübergang in der Nähe zu geben. Die parallele Bahnlinie muss ein bisschen abseits des Straßenpasses ebenfalls 4829 m überwinden und war bis zur Eröffnung der Tibet-Lhasa-Bahn die höchste Bahnlinie der Welt.
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Von rudi radlos – Das Zentrum der Stadt Jauja liegt ein wenig abseits der Passstraße schon auf 3400 m Meereshöhe, so dass es bis zum Abra Anticona oder Ticlio nur noch 1418 Höhenmeter sind, was im Vergleich zur gegenüberliegenden Seite natürlich lächerlich wenig erscheint. Landschaftlich schön und auch ein bisschen anstrengend ist dieser Anstieg aber durchaus auch, das macht alleine schon die absolute Höhe. So empfiehlt es sich, den Pass zuerst einmal in dieser Richtung zu überqueren, um sich zu akklimatisieren, bevor man dann die umgekehrte Richtung in Angriff nimmt.
Am Ortsausgang von Jauja gibt es nahe einer Brücke eine größere Straßenkreuzung, von der ab die eigentliche Passstraße auf dieser Seite beginnt. Sie ist zunächst fast flach und landschaftlich lieblich, wobei sie dem Flusstal des Rio Mantaro aufwärts folgt. Auch hier ist der Verlauf vorbildlich: Sie klebt förmlich am Fluss, verlässt ihn nur für ein paar Meter seitwärts und macht kaum unnötige Höhenmeter, die sie später wieder hinabgehen würde.
Nach 77 Kilometern und einem Höhengewinn von 345 Metern erreicht man auf 3745 m Höhe die Bergarbeiter- und Minenstadt La Oroya. Hier gibt es wirklich Industrie pur, riesige grau-schwarze Abraumhalden-Kegel, eine große Fabrik mit sehr dickem Kamin, halb abgetragene Berge, Schmutz und dergleichen. Übernachten und Essen kann man hier aber trotzdem gut.
Kurz hinter La Oroya zweigt direkt neben der Bahnlinie die Nationalstraße 3-N nach rechts ab. Eigentlich stellt diese die Hauptstraße dar, man gewinnt aber vor Ort den Eindruck, als sei die geradeaus verlaufende 22-N die wichtigere Straße, weil sie besser ausgebaut ist und viel mehr Verkehr aufnimmt. Man folgt jedenfalls weiter geradeaus der 22-N oder Carr. Central jetzt entlang des Rio Yauli, und so gewinnt man im Verlauf von mehreren Vorort-Durchfahrten durchaus schon etwas mehr an Höhe.
Bemerkenswert ist eine Stelle weiter oben, wo die Straße ursprünglich einen leichten Bogen um einen natürlichen Bergvorsprung herum gemacht hatte, den neuere Straßenplaner aus schierer Dummheit heraus meinten begradigen zu müssen. Sie haben einen tiefen Durchstich durch diesen Bergvorsprung hindurch angelegt, so dass die neue Straße in diesem Abschnitt jetzt gerade verläuft. Da sie aber zu faul waren, den Durchstich tief genug auszuschachten, haben sie zu Beginn ein ganz unnötiges kurzes Steilstück neu geschaffen, dem dann hinter dem Durchstich ein fast flacher Abschnitt folgt.
Als Radfahrer hat man damit nur unnötige Qualen, statt auf der alten Straße gemütlich mit wenig Steigung um den Gebirgsvorsprung herum zu radeln. So kann man eine gute Sache auch verschlimmbessern, jedenfalls ist das neue Steilstück mit ca. 9 bis 10 % das steilste der gesamten Passstraße bis einschließlich Lima!
Ansonsten ist der Straßenverlauf wieder absolut vorbildlich: Die Straße gewinnt zunächst an einem Berghang entlang des „zu flach verlaufenden“ Tales aufsteigend schon präventiv an Höhe, bevor sie in ein höher gelegenes Seitental abzweigt. Später in der Nähe des nagelneuen Ortes Morococha, den sie dabei umgeht, wiederholt sich noch einmal das gleiche.
Viele Straßen, u.a. in den Alpen, würden ja unten flach bis vor den Einstieg ins Seitental verlaufen und dann plötzlich die steilen seitlichen Höhenmeter in einer wilden Serpentinengruppe überwinden. Nein, das tut diese Straße nicht, auch entlang der folgenden zwei großen Seen weiter aufwärts gewinnt die Straße bereits jeweils bei der Umrundung der Seen an Höhe, die sie dann, wenn das Tal wieder enger und steiler wird, bereits besitzt, statt sie dort erwerben zu müssen.
Unangenehm vom Anblick her ist nochmals eine wild zerwühlte und in Abschnitte zergliederte kreisförmige Talebene im weiteren Verlauf des Weges, in der anscheinend das gemahlene Erz mittels Chemikalien ausgelaugt wird.
Im Verlauf der Auffahrt findet sich sogar eine kleine Talbrücke, etwas absolut ungewöhnliches für peruanische Straßen! So kommt es, dass die Passstraße auf dieser Seite mit nur einer einzigen, sehr weit geschwungenen Kehre kurz vor dem Ende auskommt und nach 121 Kilometern mit höchstens 6 bis 7 % Steigung sehr LKW- und gleichzeitig radfahrerfreundlich die Passhöhe auf 4818 m Höhe in einer Rechtskurve erreicht. Man freut sich auch hier wie ein Schneekönig, wenn man schließlich oben ist, vor allem, wenn das Wetter schön ist. Eine gute Zeit zum Befahren des Passes ist daher der Monat November.
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