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AP – Der Passo di Gualdo ist ein Pass im Südwesten der Marken im Hinterland von Ascoli Piceno, der das Valnerina mit dem nördlichen Teil der Piani di Castelluccio verbindet und somit das Gegenstück zur südlich gelegenen
Forca di Presta ist. Die Piani, also Hochebenen, liegen auf über 1300 m und sind das Herzstück des
Parco Nazionale dei Monti Sibillini. Es gibt insgesamt drei an der Zahl, den Pian Grande, den Pian Perduto und den Pian Piccolo, die sich zusammen über eine Fläche von 30 Quadratkilometern erstrecken.
Am Ende der letzten Eiszeit hatte sich in diesem vollständig von den Gipfeln der Monti Sibillini umgebenen Bergkessel ein zusammenhängender See gebildet, der im Laufe der Zeit austrocknete. Im Südteil des Pian Grande findet man immer noch einen Graben, der
Fosso dei Mergani, durch den im Frühjahr bei Schneeschmelze das Wasser rauscht und weiter unten im Untergrund versickert.
Da Norcia, am Westrand der Monti Sibillini gelegen, vor Hunderten von Jahren den Nordteil dieses Bergkessels bei Grenzstreitigkeiten an Visso im Tal der Nera verlor (
perduto!), führt die Grenze zwischen
Umbrien und den Marken quer durch die Hochebenen. Der Pian Grande und der Pian Piccolo liegen südlich der Grenze und gehören zu Umbrien, der Pian Perduto gehört zu den Marken.
Heutzutage baut man auf dem ehemaligen Seeboden unter anderem Linsen an, für die die Gegend und besonders das umbrische Dorf Castelluccio, eins der höchstgelegenen Dörfer der Apenninen und deswegen im Winter mit sibirischem Klima gesegnet, bekannt ist.
Es sind aber nicht die schmackhaften Linsengerichte, die Ausflügler in Scharen auf die Hochfläche locken, sondern die Blumenblüte im Mai und Juni. Margeriten, Kornblumen, Mohn und die Linsenpflanzen blühen um die Wette und verwandeln die
piani in eine Farbenorgie aus grünen und gelben Feldern voller roter und violetter Tupfen. Ein wahrhaft denkwürdiger Anblick, den unser Autor bei seinem Besuch Ende Juni 2011 gerade noch genießen durfte. Höhepunkt der Blüte ist normalerweise das dritte Wochenende im Juni, an dem in Castelluccio die
Fiorita gefeiert wird.
Ein paar Worte noch zum Valnerina, dem Tal des Flusses Nera. Dieses Tal liegt zum größten Teil in Umbrien und ist im oberen Teil sehr eng, fast schluchtartig, und auch sehr abgelegen. Wer ursprüngliche Dörfer mit mittelalterlicher Bausubstanz sucht, in denen der Hund begraben ist, der wird im Valnerina garantiert fündig. Castelangelo sul Nera, der Startpunkt der Nordanfahrt zum Passo di Gualdo, ist dafür ein nettes Beispiel.
Beide Auffahrten zum Passo di Gualdo sind äußerst reizvoll, wobei der Anstieg von der Hochfläche herauf kurz, aber ungeheuer aussichtsreich ist. Der Weg aus dem Valnerina ist ruhig und idyllisch und dürfte eine der schönsten Bergstrecken der Marken sein. Oben auf der Passhöhe steht eine einsame Kapelle. Man kann an der Kapelle vorbei noch höher fahren bis zum Parkplatz des Skigebiets am Monte Prata auf etwa 1650 m Höhe, wo auch ein Restaurant zu finden ist. Das ist nicht das einzige Skigebiet der Monti Sibillini, oberhalb von Castelangelo sul Nera liegt das Skigebiet von Frontignano, und ebenso kann man an der
Forca Canapine die Skier unterschnallen.