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Regionsbeschreibung Andorra

Das Valiratal vom Coll d'Ordino aus gesehen. Von AP

Allgemeine Informationen:

Max Frisch hat durch sein Theaterstück „Andorra” dafür gesorgt, dass in Literaturkreisen der Name Andorra mit einem fiktiven Land verbunden wird, welches von vorurteilsbehafteten Duckmäusern und skrupellosen Mitläufern bewohnt wird. Ist Andorra tatsächlich das Land der Charakterschwächlinge? Aber natürlich sind die Einwohner des tatsächlich existierenden Andorra auch nicht rückgratloser als andere Menschen in anderen Ländern. Warum Max Frisch sich diesen Namen als Schauplatz seines Dramas herausgesucht hat, bleibt sein Geheimnis.

Was ist aber das wirkliche Andorra? Nun, ein kleiner Staat (offizieller Name: Principat d’Andorra) mit etwas über 80.000 Einwohnern auf der Südseite der Pyrenäen, ähnlich wie Liechtenstein in den Alpen auf ein überschaubares Territorium begrenzt, was im Grunde genommen nur das Tal des Valira und seine Nebentäler umfasst. Höchster Punkt des Landes ist der Coma Pedrosa mit 2946 m Höhe, der niedrigste Punkt liegt immerhin 840 m hoch in der Nähe des Grenzübergangs nach Spanien nördlich von La Seu d’Urgell. Trotz der relativ hohen Lage ist es aber keine Seltenheit, dass im Sommer in der Hauptstadt Andorra la Vella oder anderen Ortschaften über 30 Grad gemessen werden; die Sonne brennt stark in den südlichen Pyrenäen.

Kurios und wahrscheinlich vielen bekannt ist die Tatsache, dass man in Andorra zwei Personen als Staatsoberhaupt hat, nämlich den Bischof von La Seu d’Urgell in Katalonien und den Präsidenten Frankreichs. Im Mittelalter, als die Kirche des katalanisch-aragonesischen Reiches diese Pyrenäentäler kontrollierte, waren ihre Bewohner nämlich sehr daran interessiert, sich gute Beziehungen zu ihren nördlichen Nachbarn zu verschaffen, die gerade dabei waren, Frankreich zu erschaffen. Da man sich nicht einig wurde, welchem Reich das Gebiet zugeschlagen werden sollte, erfand man 1278 die Lösung mit der geteilten Herrschaft (damals war der jeweilige Herrscher der Grafschaft Foix in der Ariège der Partner der Bischöfe; die Grafschaft fiel im 16. Jahrhundert durch Erbschaft an das Haus Bourbon, wodurch in der Neuzeit auf Veranlassung Napoleons der französische Staat in die Fußstapfen der Grafen trat). Erst 1993 wurde in Andorra eine Verfassung auf die Beine gestellt und das Land somit zu einem souveränen, demokratischen Staat. Man wählt sich dort nun einen Ministerpräsidenten, der die Geschicke des Landes bestimmt, während beide Staatsoberhäupter – wenn überhaupt – nur repräsentativ tätig werden.

Die Bewohner Andorras haben eigentlich nur zwei Einnahmequellen, nämlich den Tourismus, insbesondere den Skitourismus, und den Warenverkehr, dank niedriger Umsatz- und anderer Steuern. Der Skitourismus hat dazu geführt, dass es in Andorra fast unmöglich ist, einen Ort zu finden, von dem aus man keinen Sessellift sieht, während die niedrigen Steuern für regelmäßige Verkehrskollapse, verursacht von Schnäppchenjägern, sorgen. Noch vor ein paar Jahren war Andorra gerade in Spanien auch als Schmugglerparadies bekannt; beliebter Übergang war damals der Port de Cabús.

Ein Wort zur Verständigung im Land: offizielle Sprache in Andorra ist Katalanisch. Die engen Verbindungen zu Spanien plus die Anwesenheit vieler nichtkatalanischer Spanier im Land machen Andorra aber quasi zweisprachig, da Kastilisch von jedem Einwohner selbstverständlich auch gesprochen wird. Zudem parlieren die meisten Andorraner auch auf Französisch. Man kann es sich also aussuchen, in welcher Sprache man Kontakt aufnehmen möchte.

Radfahren in Andorra

In Andorra gibt es nur zwei Richtungen, bergauf oder bergab. Aber gerade das enorm hohe Verkehrsaufkommen macht Andorra zu keinem allzu beliebten Ziel der Pässejäger aus aller Welt. Viele wechseln bei einer Pyrenäentour über den Port d’Envalira von Frankreich nach Spanien und sind entsetzt über das Blechspektakel, das sich in Andorra la Vella oder am Grenzübergang Pas de la Casa bietet.

Abseits von dieser am Valira entlang führenden Hauptverkehrsachse glänzt Andorra mit einigen der schönsten Auffahrten auf der Südseite der Pyrenäen, zum Beispiel dem oben erwähnten Port de Cabús, dem Anstieg zur Skistation Arinsal oder dem Serpentinenoverkill Collada de la Gallina. Rundkurse zu fahren ist natürlich schwierig in einem Land mit so vielen Sackgassen. Zudem sind einige Pässe nur auf jeweils einer Seite asphaltiert, zum Beispiel eben die Collada de la Gallina oder die Collada Beixalís zwischen La Massana und Encamps. Wenn Asphalt vorhanden ist, so meistens in hoher Qualität; ein Land, welches davon lebt, dass Autofahrer Zugang zu Skistationen finden, kann sich keine achsbrechenden Schlaglochpisten leisten. Andorra hat übrigens all seine asphaltierten Bergstrecken für Straßenradfahrer vorbildlich gekennzeichnet. Im Internet findet man eine Liste und eine Landkarte mit allen Routen.

Eine der Hauptschwierigkeiten für Andorrainteressierte ist die Wahl eines passenden Standortes. In Andorra la Vella tobt tagsüber das Verkehrs- und Einkaufschaos, eventuell höher gelegene Ortschaften an der Strecke zum Port d’Envalira haben den Nachteil, dass man Touren möglicherweise immer mit einer Abfahrt beginnt und einem Anstieg beendet. Was sich anbietet, ist einer der Orte in den Nebentälern westlich von Andorra la Vella, zum Beispiel La Massana oder Ordino. Von dort aus sind viele Auffahrten direkt erreichbar. Allerdings muss man auch trotzdem immer wieder durch die Gorja de la Grella hinab (dazu unten mehr), wenn man zur Hauptroute durch das Valiratal gelangen möchte (es sei denn, man fährt über den Coll d’Ordino).

Der Horror

Stichwort Gorja de la Grella: diese enge Schlucht verbindet Andorra la Vella mit La Massana und ist somit der Hauptzugang zu den Seitentälern des nordwestlichen Andorra. Mit dem Fahrrad ist diese Strecke eine nervenaufreibende Sache. Man startet am Verkehrskreisel neben der Caldea, dem Riesenspa Andorras mit der abstrusen Spiegelarchitektur, und fährt auf einer ziemlich steilen Straße in den oberen Teil von Escaldes-Engordany, der schon am Anfang der Schlucht liegt.
Das Problem dieser ersten Meter sind die Ampeln, die einen eventuell zwingen, bei fast 10 % Steigung anzuhalten und wieder anzufahren. Aus dem Ort heraus wird es flacher, aber das Flachstück führt direkt auf die Quasi-Schnellstraße, welche die enge Schlucht durchschneidet. Die nächsten Probleme sind dann die rasenden Autofahrer, von denen erstaunlich viele in SUVs sitzen, und zwei Tunnels, die man nicht umgehen kann (es gibt noch einen weiteren Tunnel, der aus Andorra la Vella herausführt: man sollte aufpassen, nicht aus Versehen in ihm zu landen, wenn man von La Massana abfährt). Gerade der zweite Tunnel ist eine harte Nummer, dröhnender Verkehr und wieder 10 % Steigung. Glücklicherweise ist zumindest die Standspur neben den Fahrbahnen recht breit.
Vor diesem zweiten Tunnel führt eine Treppe links herunter zu einer hübschen romanischen Einsiedeleikirche (dem Santuari de Sant Antoni de la Grella), die einen merkwürdigen Kontrast bietet zu dem weiter oben in der Schlucht befindlichen Bauprojekt, einem neuen vierten Tunnel zwischen Encamp und La Massana; vermutlich soll dieser Tunnel die Straße durch die Schlucht entlasten.
Jedenfalls steckt man hinter dem zweiten Tunnel mitten in der Tunnel-Nummer-vier-Baustelle, was zumindest dafür sorgt, dass die Autos langsamer fahren. Hinter der Baustelle wird es wieder flacher und man erreicht nach ungefähr 3,5 km endlos erleichtert La Massana. Mountainbiker und Fußgänger haben es besser, denn es gibt einen recht breiten Fußweg durch die Schlucht, von dem wir aber nicht sagen können, wo in Andorra la Vella er seinen Anfang nimmt.

Der Geheimtip

Andorra hat einen der härtesten Anstiege der Pyrenäen zu bieten, der in der mitteleuropäischen Radszene fast unbekannt ist: der Weg von La Massana über Sispony zu den Antennen auf der Spitze des 2334 m hohen Pic de Carroi. Die Antennen stehen beinahe direkt über Andorra la Vella. Von der Westanfahrt des Coll d’Ordino ist die Strecke schön zu sehen; die Steilheit der Rampen ist selbst von dort aus zu erahnen. Deren Maximalsteigung beträgt 34 %. Somit hat dieser Weg schwierigere Rampen als zum Beispiel die Alpe Fuori. Aber diese Auffahrt ist nur am Anfang asphaltiert, später dann Natur- und am Ende Betonpiste und bleibt damit erstmal den Mountainbikern vorbehalten. Wer weiß, vielleicht baut man das Sträßchen noch aus.

Eine letzte Anmerkung

Und zwar zu den Beschreibungen der Anstiege Andorras. Da Andorra sozusagen am Hang liegt, fangen alle Anstiege des Landes theoretisch unten an. Unten liegt aber nicht mehr in Andorra, sondern unten steht La Seu d’Urgell; dort nämlich beginnt der Weg zum Port d’Envalira, von dem alle anderen Straßen abzweigen. Der Vereinfachung halber setzen wir aber den Startpunkt der Anstiege auf den jeweiligen Abzweig von dieser Hauptstrecke fest, was bei einigen Anstiegen Andorra la Vella als Ausgangsort ergibt. Womit wir beim Horror (siehe oben) angekommen wären. Alle 11 Pässe der Region ansehen