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Regionsbeschreibung Nordpfälzer Bergland

Von bruchpilot – „… Nur die stattlichen Kuhherden beleben die zum Teil dürren Höhen, die Menschen sind hier ganz besonders still. Mit bleichen Gesichtern gehen sie mayen oder an ihre Arbeit, nur der Branntwein ist ihr Tröster und Sorgenstiller. Sie haben auch bei weitem nicht den stattlichen Wuchs der Pfälzer, ja, die unvorteilhafte Statur der Leute am Potzberg ist fast sprichwörtlich geworden. Über das Gehügel und Getal schauen als erhabene Kuppen einzig Potzberg, Hermans-, Sell- und Königsberg …“

So beschrieb weiland 1857 der Heimatforscher August Becker in seinem monumentalen Werk „Die Pfalz und die Pfälzer“ das Land an Glan und Lauter. Angesichts solcher Überheblichkeit und Ignoranz heult der Eingeborene natürlich auf und schwingt empört Keulen, Dreschflegel und Fahrradketten. Doch er sollte Milde walten lassen! Von einem Vorderpfälzer war in dieser Hinsicht nichts Objektives zu erwarten, endet nach seiner Weltsicht die Zivilisation eben am langen Bretterzaun kurz hinter dem Weinbiethaus, der Hellerhütt oder dem Kurpfalzpark. Trotzdem würde Becker sich wahrscheinlich klammheimlich die Hände reiben, wenn er wüsste, dass ein Zugereister aus dem fernen Hessen versuchen muss, den Pfälzer Outback zum Zwecke der radsportlichen Allgemeinbildung zu umreißen.

Für Geographen und andere Neunmalkluge unter uns stellt bereits die Überschrift ein kleines Ärgernis dar. Im Prinzip ist die Bezeichnung Nordpfalz für das hier bei Quäldich beschriebene Gebiet nämlich nicht korrekt. Sehenden Auges werfen wir das gesamte Land nördlich des Pfälzerwaldes und der Sickinger Höhe bis hinauf an die Nahe, zwischen der ehemals (rhein-)hessischen und der saarländischen Grenze in einen Topf. Dieser Raum vereint allerdings neben der eigentlichen Nordpfalz (die genau genommen an der Lauter endet) auch einen Großteil der Westpfalz (des so genannten Westrichs), sowie Gebiete, die noch nie zur Pfalz gehört haben (wie der Baumholderer Gutsbezirk und der Höhenzug von Sien-Lauschied) oder es als Ergebnis von Verwaltungsreformen heute nicht mehr tun (der Raum zwischen Meisenheim und Kreuznach). Auch das Landschaftsbild stellt sich nur auf den ersten Blick einheitlich dar… Gehügel und Getal eben. In Wirklichkeit ist es aber äußert vielgestaltig und im Rahmen einer solchen Einführung kaum mit drei, vier Sätzen zu beschreiben.

Dort, wo die Schichtstufen des Buntsandsteins schroff nach Norden ins Landstuhler Bruch, das Becken von Kaiserslautern, oder die Langmeiler Senke abbrechen, ändert sich schlagartig das Bild. Das geschlossene, hochflächenartige Waldland des Pfälzerwaldes endet abrupt und geht über in eine bucklige Welt mit unzähligen Hügeln und breiten Rücken, offen, mit Dörfern, Feldern, Weiden und versprengten Waldinseln, überragt von mächtigen runden Bergkuppen und durchzogen von breiten, gewundenen Tälern.
Geologisch betrachtet gehört der ganze Bereich zur so genannten Saar-Nahe-Senke und ist aus Gesteinen des Karbon und des Rotliegenden aufgebaut. Hier bestand vor 350 bis 250 Millionen Jahren eine weite Mulde zwischen zwei Gebirgskämmen. Zunächst herrschte feuchtwarmes Klima, später wurde es immer trockener und zum Ende hin wüstenhaft. Urhunsrück und Urvogesen luden hier ihre Gerölle ab, und so findet man in diesem Bereich die unterschiedlichsten Sedimentgesteine, Schiefer, Ton- und Sandsteine, dazwischen Kalksteinbänke, Kohleflöze und waschbetonartige Konglomeratlagen. Entlang der Zentralachse der Saar-Nahe-Senke drückten sich eine Reihe mächtiger Magmablasen bis an die Erdoberfläche und schleppten die umliegenden Sedimente mit sich empor.
Heute bilden diese herausgewitterten Komplexe die mächtigen Pfälzer Kuppeln, allen voran den Donnersberg, der mit 687 m höchste Berg der Pfalz. Auch Königs-, Sel-, Hermanns- und Potzberg sind alle deutlich über 500 m hoch und überragen das umliegende Land um gut 200 bis 300 m. Im Norden, entlang der Nahe, setzen der Lemberg und das Kreuznacher Porphyrmassiv mit Rotenfels, Rheingrafenstein und Gans außergewöhnliche Akzente.
Zum Ende der Rotliegend-Zeit ereigneten sich im Gebiet einige gewaltige Vulkanausbrüche, so in der Region zwischen Rockenhausen und Kirchheimbolanden und zwischen Freisen, Baumholder und Idar-Oberstein. Letzteres verdankt den Gasblasen in der Lava, die sich später mit Mineralien füllten, seinen Ruhm als Edelsteinstadt.
Das sehr dünn besiedelte, bis 600 m hohe Plateau von Baumholder ähnelt bereits der nördlich angrenzenden Hunsrück- und Hochwald-Region und ist an seinen Rändern von reizvollen Felsentälern geprägt. Leider sind große Teile davon nicht zugänglich, da das Gebiet in den dreißiger Jahren von der Wehrmacht requiriert wurde und seither als Truppenübungsplatz dient. Auch heute noch wird hier an Wochentagen weithin hörbar scharf geschossen.

Das Bergland wird von Nord nach Süd von mehreren Bach- und Flussläufen durchschnitten. Jeder von ihnen hat seinen Reiz und seine Eigenarten, das Nahetal sammelt sie früher oder später alle auf. Im Alsenz-, Glan- und Lautertal verlaufen Bundesstraßen und Bahnlinien mit entsprechendem Verkehr, in den übrigen, ganz besonders im Appel-, Moschel- oder Odenbachtal, ist man dagegen sehr beschaulich unterwegs. Motorrad-Exzesse wie auf Johanniskreuz wird man hier nicht antreffen. Alle zwei, drei Kilometer passiert man ein Dorf oder einen Weiler, Städtchen wie Meisenheim, Obermoschel, Lauterecken, Kirchheimbolanden oder Kusel haben durchaus ihre netten Winkel, Ruinen alter Ritterburgen schmücken die Bergkuppen und manchmal auch die Talgründe – man könnte es fast idyllisch nennen.

Doch leider ist die alte bäuerliche Prägung der Landschaft in den Jahrzehnten des Strukturwandels ziemlich vor den Hund gekommen. Große Acker- und Weinbaubranchen bestimmen im Glan- und Alsenztal das Bild, die Dorfbilder mit ihren anmutigen Gehöften aus gelbem Sandstein im Appelbach- oder Moscheltal verkommen. Abwanderung und Pendlertum zeichnet die wirtschafts- und einkommensschwache Region, viele Berghöhen sind durch den planlosen Wildwuchs von Windkraftanlagen verunstaltet oder von gigantisch anmutenden Hartsteinbrüchen zerfressen.

Dass für den Rennradfahrer trotzdem genug übrig geblieben ist, um zu begeistern, werden die Teilnehmer von Etappe 8 der quäldich.de-Deutschland-Rundfahrt 2009 bestätigen können. Die Region bietet mit ihren kleinen, verkehrsarmen Sträßchen und dem welligen Profil viel Abwechslung und unzählige Kombinationsmöglichkeiten. Hat man es gerne gemütlich, folgt man den Talrouten. Liebt man es knackig, fährt man einfach quer. Die Qualität des Fahrbahnbelages ist – besonders in den Ortsdurchfahrten – nicht überall zufrieden stellend. Auch wenn hier in den letzten Jahren einige Verbesserungen zu verzeichnen waren, gibt sich der Asphalt im Schnitt deutlich „französischer“ als südlich von Kaiserslautern. Dafür weisen alle großen Anstiege auch deutlich höhere Prozentzahlen auf als die benachbarten Rampen im Pfälzerwald oder im Hunsrück. Die Kombination von Donnersberg, Schneeweiderhof und Potzberg kommt fast schon einem kleinen Alpenbrevet gleich, Falkenstein mit seiner 25-Prozent-Rampe ist natürlich legendär. Und als Belohnung bieten die „dürren Höhen“ fast immer herrliche Fernblicke.

Ganz toll ist das Touren hier im Frühling, wenn der buschige Wald grünt, die alten Obstbäume weiß blühen, die Rapsfelder leuchten und die Wiesen gelb sind vom Löwenzahn. Dann strahlt dieser Landstrich einen unverwechselbaren Charme aus, und man übersieht gern die vielen kleinen Schönheitsfehler. Der Hochsommer ist auch eine gute Zeit, jedoch sollte man bedenken, dass man unterwegs viel Sonne abbekommen wird. Deswegen an heißen Tagen entweder ganz früh morgens oder spät nachmittags starten oder lieber doch ins schattige Elmsteiner Tal, auf den Eschkopf oder den Ellerspring ausweichen. Im Spätherbst und Winter, bei Regen oder Nebel, meide ich die Gegend, sie hat dann überhaupt keine Reize und macht mich schlicht depressiv!

Wie schrieb Paul Münch 1925 in seiner „Pälzisch Weltgeschicht“ so schön:

„ ’es Paradies is halt verlor
Un das is werklich schad defor.
Die Palz is zwar a jetz noch schenner
Als all die ann’r Herre Länner,
Un in de Palz do sin noch heit
Die scheenschte un die stammschte Leit
Un nerjends is ’es Obst so sieß,
’s is awer nimme ’s Paradies!“

Ich denke, Ihr habt nun eine Vorstellung davon, was Euch hier erwartet. Für nach Highlights schielende Rennradfahrer bietet die Nordpfalz nichts, was man unbedingt gesehen haben müsste oder was es woanders nicht auch noch besser gäbe. Das Paradies ist sie schon gar nicht. Aber ein schönes Stück meiner Radsport-Heimat, das ist sie auf jeden Fall.
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