Frankreich-Italien 2006 835,0 km / 20455 Hm
Alpen, Cottische Alpen, Westliche Provenzalische Alpen, Auvergne-Rhône-Alpes, Piemont, Provence-Alpes-Côte d'Azur
Redaktionell bestätigte Tour von IkeTurner
Von IkeTurner –
Meine Sommertour 2006 führte in einer zweigeteilten Rundfahrt über acht Etappen durch die französischen und italienischen Alpen. Dabei werden im ersten Teil vom Maurienne-Tal ausgehend fast alle namhaften Alpenpässe der Tour de France unter die Räder genommen.
Weitere drei Tage führen über die große Traumrunde der Südalpen. Ausgehend von Guillestre befuhr ich die Pässe im Grenzgebiet zwischen Frankreich und Italien, eher bekannt durch den Giro d'Italia.
Weitere drei Tage führen über die große Traumrunde der Südalpen. Ausgehend von Guillestre befuhr ich die Pässe im Grenzgebiet zwischen Frankreich und Italien, eher bekannt durch den Giro d'Italia.
19 gefahrene Pässe
Col du Galibier, Col du Télégraphe, Alpe d'Huez, Col de l'Iséran, Col de la Croix de Fer, Col de la Madeleine, Col de la Bonette, Col du Glandon, Col de Vars, Col du Lautaret, ...Einzelstrecken
Von IkeTurner –
Es ist mittlerweile Juni, und ich habe das Diplom mit etwas Verspätung gerade in der Tasche. Eigentlich wollte ich schon im März fertig sein und nach 4 Jahren lauen Studentenlebens mittlerweile einer geregelten Tätigkeit nachgehen. Man kann nun mal nicht alles haben. Dafür während der kompletten Fußball-WM Urlaub machen. Kann auch nicht jeder von sich behaupten.
Planmäßig wäre dieses Jahr also gar keine Zeit für einen Radurlaub gewesen. Urlaub in der Probezeit ist ja eher ungewöhnlich. Die zum Trost veranschlagte Teilnahme am Ötztaler Radmarathon sollte wegen ungünstiger Hochzeitsplanungen von guten Bekannten natürlich auch noch ins Wasser fallen. Da kam der verspätete Berufsstart, mittlerweile für den 1. Oktober terminiert, gerade richtig, so dass die an öden Wintertagen nur „so zum Spaß“ geplante Frankreichrundfahrt doch noch Realität werden sollte.
„Frankreichrundfahrt“ trifft es nicht so ganz. Eher eine große Acht durch die französischen und italienischen Alpen. Flachland und Mittelgebirge kann ich schließlich auch zu Hause haben. Der kongeniale Quäldich-Tourenplaner hilft wie schon im letzten Jahr bei der genauen Planung der Streckenführung. Die Vorbereitungen waren dieses Mal recht problemlos. Die einwöchige Schweiz-Italien-Runde im letzten Jahr hatte die Vollständigkeit meiner Packliste ausnahmslos bestätigt.
Angesichts der zu überwindenden Höhenmeter bekam ich eine Woche vor Abfahrt letztlich aber doch noch Muffensausen und schraubte mir kurzerhand eine Dreifachkurbel mit einer Minimalübersetzung von 30-28 ans Rad. Schande über mich... Da die oberste Regel radsportlicher Exzellenz nun gebrochen war, wich die eher dezente Rahmentasche einer kompakten Lenkertasche. Fährt sich zwar etwas schlechter, gerade freihändig, aber Stauraum und Verfügbarkeit sind doch erheblich besser. Gerade, wenn man während der Fahrt mal kurz zum Fotoapparat greifen will.
Planmäßig wäre dieses Jahr also gar keine Zeit für einen Radurlaub gewesen. Urlaub in der Probezeit ist ja eher ungewöhnlich. Die zum Trost veranschlagte Teilnahme am Ötztaler Radmarathon sollte wegen ungünstiger Hochzeitsplanungen von guten Bekannten natürlich auch noch ins Wasser fallen. Da kam der verspätete Berufsstart, mittlerweile für den 1. Oktober terminiert, gerade richtig, so dass die an öden Wintertagen nur „so zum Spaß“ geplante Frankreichrundfahrt doch noch Realität werden sollte.
„Frankreichrundfahrt“ trifft es nicht so ganz. Eher eine große Acht durch die französischen und italienischen Alpen. Flachland und Mittelgebirge kann ich schließlich auch zu Hause haben. Der kongeniale Quäldich-Tourenplaner hilft wie schon im letzten Jahr bei der genauen Planung der Streckenführung. Die Vorbereitungen waren dieses Mal recht problemlos. Die einwöchige Schweiz-Italien-Runde im letzten Jahr hatte die Vollständigkeit meiner Packliste ausnahmslos bestätigt.
Angesichts der zu überwindenden Höhenmeter bekam ich eine Woche vor Abfahrt letztlich aber doch noch Muffensausen und schraubte mir kurzerhand eine Dreifachkurbel mit einer Minimalübersetzung von 30-28 ans Rad. Schande über mich... Da die oberste Regel radsportlicher Exzellenz nun gebrochen war, wich die eher dezente Rahmentasche einer kompakten Lenkertasche. Fährt sich zwar etwas schlechter, gerade freihändig, aber Stauraum und Verfügbarkeit sind doch erheblich besser. Gerade, wenn man während der Fahrt mal kurz zum Fotoapparat greifen will.
Von IkeTurner –
Endlich. Es ist Donnerstag, der 13. Juli, 20 Uhr. Das Auto ist bepackt, getankt und abfahrbereit. Für mich Zeit ins Bett zu gehen. Um halb drei wird der Wecker die Nacht frühzeitig beenden. Der Grund: Am ersten Wochenende nach der WM strömen all jene, die bisher zu Hause geblieben sind, gen Süden. So können aus zehn Stunden geplanter Fahrzeit von Dortmund bis ins Maurienne-Tal im Herzen der Savoyer Alpen auch ganz schnell mal fünfzehn werden. Der ADAC hatte diesbezüglich vorgewarnt.
Planmäßig fahre ich also gegen 3 Uhr morgens los. Vier Stunden lang freie Fahrt für freie Bürger... so dass ich um halb acht am Grenzübergang Basel bin. In der Schweiz mahnt das schlechte Gewissen bei 130, bei den Franzmännern erst bei 140 km/h zum lupfen des Gasfußes.
Den Fehler, über eine Route Nationale abkürzen zu wollen, macht man übrigens auch nur einmal (so wie allerdings das quäldich-Team auch schon hier). Außerdem kommt noch hinzu, dass französischer Nationalfeiertag ist - und alles voller Sonntagsfahrer. Und es ist doch erst Freitag. Die paar Euro Autobahnmaut hätten mich dann auch nicht arm gemacht. Aber was solls.
Um viertel nach eins komme ich schließlich in St. Jean-de-Maurienne an. Laut Roadbook war vorgesehen, dort zunächt im Hotel zu übernachten, um am nächsten morgen in Richtung Galibier zu starten...
Sorry,... aber scheiß aufs Roadbook. Kleine Kinder können es auch nicht abwarten. Es ist wie Weihnachten und Geburtstag zugleich. Frankreich, Berge, Pässe. Der Galibier ruft. Das ist so, als wenn der Sohnemann vor einem Haufen Geschenke sitzt, und erst am nächsten Tag auspacken dürfte. Also parken, umziehen, und los geht’s. Während der zehn Stunden Autofahrt habe ich, rein physikalisch betrachtet, auch keine Arbeit geleistet. Demnach müsste ich ja ausgeruht sein - denkste, man sieht sich immer zweimal... Das gilt auch für den Mann mit dem Hammer.
St. Jean de Maurienne: 14. Juli 2006, 13:40 Ortszeit. Countdown bei Zero. Die Pedale rasten mit einem satten Klacken ein. 98 kg in Form von mir selbst, meinem royalblauem Bauxitesel, 8 kg Gepäck und 2 vollen 1l-Trinkflaschen setzten sich in Bewegung. Keine 200 Höhenmeter sind bis zum Fuße des Col du Telegraphe, dem ersten Pass auf dem Weg zum Galibier, zu überwinden. Kein Problem. Leichter Gegenwind sorgt trotz 35°C für ausreichend Abkühlung. In St. Michel-de-Maurienne beginnt der Anstieg. Nicht sonderlich spektakulär geht es in Serpentinen bis auf eine Höhe von 1566 Meter über dem Meer. Prinzipiell nicht sehr schwer. Dennoch muss ich mich zunächst mal an die 8kg Mehrgewicht gewöhnen, undich muss erstmal meinen Sattel richtig einstellen. Das Rumgerutsche auf dem Sattel nervt. Eine wenig mehr Sattelneigung nach vorn, so dass man am Berg nicht ständig nach hinten rutscht, und weiter geht es. Der Galibier kann kommen. Er kam auch. Schneller als mir lieb war...
Nach einem Foto vom Passchild auf der Passhöhe des Télegraphe verliert man zunächst wieder ca. 160 Höhenmeter in der Abfahrt nach Valloire. Hier ist eine Menge los. In vier Tagen wird hier die Tour de France durchkommen. Unverkennbar... aber mittlerweile ist es schon zwanzig vor vier, also schnell Trinkflaschen füllen und wieder rauf auf das Rad. Brunnen dazu gibt es hier in jedem Ort.
Das untere lange Talstück des Galibier kommt mir endlos vor. Vielleicht hätte ich mir doch die Höhenprofile der Pässe ausdrucken sollen. Aber die hab ich schön zu Hause gelassen. Wenn man weiß, was noch kommt, wird es dadurch ja auch nicht leichter. Der Höhenmesser am Tacho ist schon deprimierend genug. Also immer schön auf Temperatur oder Uhrzeit stellen, dann wird einem nicht ständig vor Augen geführt, was für einen kleinen Teil der geplanten Strecke man erst zurückgelegt hat. Am Ende des Talstücks, nach ca. 6 km, beginnt es zu regnen. Seltsam, konnte ich mich doch erinnern, dass „Wetter.com“ für diese Region feinstes Sommerwetter versprochen hatte. Die Temperatur sinkt auf 15°C. Wenigstens hört es nach einer 3/4 Stunde wieder auf und die Sonne kommt raus. So langsam wird es ernst. In langen Kurven und Serpentinen durch atemberaubende grasgrüne Felslandschaft gewinnt man an Höhe. Mit jedem Meter wird die Luft dünner. Die Kräfte schwinden zusehends. Wie sagte einmal Jens Voigt: „Schmerz ist Schwäche, die den Körper verlässt.“ Demnach hab ich heute eine nicht unbeträchtliches Maß an Schwäche von mir geworfen. Mittlerweile wird mir klar, dass die Rechnung bezüglich der Anstrengung einer zehnstündigen Autofahrt wohl doch eher theoretischer Natur war. Die Tüte „Haribo Weinland“ aus dem Supermarkt und einige Fotostopps retten mich aber doch noch bis zur Passhöhe, den Mann mit dem Hammer immer knapp auf den Fersen. Die Luft in meinen Lungen hätte auch nicht für einen Höhenmeter mehr gereicht. Eine Nacht Akklimatisierung wäre wohl nicht verkehrt gewesen, auch wenn das im Startort mit 540 m Höhe von zweifelhaftem Nutzen gewesen wäre.
Auf der Passhöhe blinzelt die Sonne durch die Wolken. Jedoch ziehen von Süden schon wieder dunkle Gewitterwolken auf. Nach kurzer Verschnaufpause, im wahrsten Sinne des Wortes, und dem Beweisfoto vom Passchild, stürze ich mich auf der Flucht vor dem Regen in die Abfahrt Richtung Col du Lautaret. Eigentlich wollte ich diese auf Film festhalten. Erschöpfung und die herannahenden Gewitterwolken fordern jedoch ihren Tribut. Das Gefrickel mit der Kamera ist mir jetzt zu aufwändig. Es sollten aber noch genug sehenswerte Abfahrten folgen, auf denen das nachgeholt werden kann. Außerdem verhinderte Gegenwind extreme Geschwindigkeiten.
Bis zum Lautaret bleibt es glücklicherweise trocken. Abfahrten im Regen sind ja nicht ganz risikolos. Ab Villar d'Arène öffnet der Himmel dann aber langsam seine Schleusen. Körperlich für heute eh bedient, finde ich in einem Gîte d'Étappe Quartier (Gîte Les Mélèzes). Für 20,40€ mit Frühstück kann man eigentlich zufrieden sein. Die Herberge ist zwar, dezent ausgedrückt, sehr spartanisch ausgestattet. Besser als eingewickelt in eine Rettungsdecke im Straßengraben zu liegen, aber allemal. Zumal ich alleine über den Luxus genießen darf, ein komplettes 4-er Zimmer mein Eigen nennen zu dürfen. Auch ist hier die sanitäre Steinzeit mittlerweile überwunden (Toiletten, bestehend aus einem Loch im Boden sowie einem Haltegriff). Für hochklappbare Toilettenbrillen wird es aber wohl noch ein paar Dekaden brauchen.
Abendessen gibt es gegenüber im Restaurant. Es gibt Pizza mit viel Eis zum Nachtisch. Dazu rauhe Mengen an Cola. Sozusagen als Ausgleich zu den Kohlenhydratarmen Hauptgerichten. Denn obwohl Columbus die Kartoffel schon im späten Mittelalter in einige Teile Europas brachte, scheint sie bis heute noch nicht in allen Teilen Frankreichs angekommen zu sein. Jaja, die Zollbeamten...
Planmäßig fahre ich also gegen 3 Uhr morgens los. Vier Stunden lang freie Fahrt für freie Bürger... so dass ich um halb acht am Grenzübergang Basel bin. In der Schweiz mahnt das schlechte Gewissen bei 130, bei den Franzmännern erst bei 140 km/h zum lupfen des Gasfußes.
Den Fehler, über eine Route Nationale abkürzen zu wollen, macht man übrigens auch nur einmal (so wie allerdings das quäldich-Team auch schon hier). Außerdem kommt noch hinzu, dass französischer Nationalfeiertag ist - und alles voller Sonntagsfahrer. Und es ist doch erst Freitag. Die paar Euro Autobahnmaut hätten mich dann auch nicht arm gemacht. Aber was solls.
Um viertel nach eins komme ich schließlich in St. Jean-de-Maurienne an. Laut Roadbook war vorgesehen, dort zunächt im Hotel zu übernachten, um am nächsten morgen in Richtung Galibier zu starten...
Sorry,... aber scheiß aufs Roadbook. Kleine Kinder können es auch nicht abwarten. Es ist wie Weihnachten und Geburtstag zugleich. Frankreich, Berge, Pässe. Der Galibier ruft. Das ist so, als wenn der Sohnemann vor einem Haufen Geschenke sitzt, und erst am nächsten Tag auspacken dürfte. Also parken, umziehen, und los geht’s. Während der zehn Stunden Autofahrt habe ich, rein physikalisch betrachtet, auch keine Arbeit geleistet. Demnach müsste ich ja ausgeruht sein - denkste, man sieht sich immer zweimal... Das gilt auch für den Mann mit dem Hammer.
St. Jean de Maurienne: 14. Juli 2006, 13:40 Ortszeit. Countdown bei Zero. Die Pedale rasten mit einem satten Klacken ein. 98 kg in Form von mir selbst, meinem royalblauem Bauxitesel, 8 kg Gepäck und 2 vollen 1l-Trinkflaschen setzten sich in Bewegung. Keine 200 Höhenmeter sind bis zum Fuße des Col du Telegraphe, dem ersten Pass auf dem Weg zum Galibier, zu überwinden. Kein Problem. Leichter Gegenwind sorgt trotz 35°C für ausreichend Abkühlung. In St. Michel-de-Maurienne beginnt der Anstieg. Nicht sonderlich spektakulär geht es in Serpentinen bis auf eine Höhe von 1566 Meter über dem Meer. Prinzipiell nicht sehr schwer. Dennoch muss ich mich zunächst mal an die 8kg Mehrgewicht gewöhnen, undich muss erstmal meinen Sattel richtig einstellen. Das Rumgerutsche auf dem Sattel nervt. Eine wenig mehr Sattelneigung nach vorn, so dass man am Berg nicht ständig nach hinten rutscht, und weiter geht es. Der Galibier kann kommen. Er kam auch. Schneller als mir lieb war...
Nach einem Foto vom Passchild auf der Passhöhe des Télegraphe verliert man zunächst wieder ca. 160 Höhenmeter in der Abfahrt nach Valloire. Hier ist eine Menge los. In vier Tagen wird hier die Tour de France durchkommen. Unverkennbar... aber mittlerweile ist es schon zwanzig vor vier, also schnell Trinkflaschen füllen und wieder rauf auf das Rad. Brunnen dazu gibt es hier in jedem Ort.
Das untere lange Talstück des Galibier kommt mir endlos vor. Vielleicht hätte ich mir doch die Höhenprofile der Pässe ausdrucken sollen. Aber die hab ich schön zu Hause gelassen. Wenn man weiß, was noch kommt, wird es dadurch ja auch nicht leichter. Der Höhenmesser am Tacho ist schon deprimierend genug. Also immer schön auf Temperatur oder Uhrzeit stellen, dann wird einem nicht ständig vor Augen geführt, was für einen kleinen Teil der geplanten Strecke man erst zurückgelegt hat. Am Ende des Talstücks, nach ca. 6 km, beginnt es zu regnen. Seltsam, konnte ich mich doch erinnern, dass „Wetter.com“ für diese Region feinstes Sommerwetter versprochen hatte. Die Temperatur sinkt auf 15°C. Wenigstens hört es nach einer 3/4 Stunde wieder auf und die Sonne kommt raus. So langsam wird es ernst. In langen Kurven und Serpentinen durch atemberaubende grasgrüne Felslandschaft gewinnt man an Höhe. Mit jedem Meter wird die Luft dünner. Die Kräfte schwinden zusehends. Wie sagte einmal Jens Voigt: „Schmerz ist Schwäche, die den Körper verlässt.“ Demnach hab ich heute eine nicht unbeträchtliches Maß an Schwäche von mir geworfen. Mittlerweile wird mir klar, dass die Rechnung bezüglich der Anstrengung einer zehnstündigen Autofahrt wohl doch eher theoretischer Natur war. Die Tüte „Haribo Weinland“ aus dem Supermarkt und einige Fotostopps retten mich aber doch noch bis zur Passhöhe, den Mann mit dem Hammer immer knapp auf den Fersen. Die Luft in meinen Lungen hätte auch nicht für einen Höhenmeter mehr gereicht. Eine Nacht Akklimatisierung wäre wohl nicht verkehrt gewesen, auch wenn das im Startort mit 540 m Höhe von zweifelhaftem Nutzen gewesen wäre.
Auf der Passhöhe blinzelt die Sonne durch die Wolken. Jedoch ziehen von Süden schon wieder dunkle Gewitterwolken auf. Nach kurzer Verschnaufpause, im wahrsten Sinne des Wortes, und dem Beweisfoto vom Passchild, stürze ich mich auf der Flucht vor dem Regen in die Abfahrt Richtung Col du Lautaret. Eigentlich wollte ich diese auf Film festhalten. Erschöpfung und die herannahenden Gewitterwolken fordern jedoch ihren Tribut. Das Gefrickel mit der Kamera ist mir jetzt zu aufwändig. Es sollten aber noch genug sehenswerte Abfahrten folgen, auf denen das nachgeholt werden kann. Außerdem verhinderte Gegenwind extreme Geschwindigkeiten.
Bis zum Lautaret bleibt es glücklicherweise trocken. Abfahrten im Regen sind ja nicht ganz risikolos. Ab Villar d'Arène öffnet der Himmel dann aber langsam seine Schleusen. Körperlich für heute eh bedient, finde ich in einem Gîte d'Étappe Quartier (Gîte Les Mélèzes). Für 20,40€ mit Frühstück kann man eigentlich zufrieden sein. Die Herberge ist zwar, dezent ausgedrückt, sehr spartanisch ausgestattet. Besser als eingewickelt in eine Rettungsdecke im Straßengraben zu liegen, aber allemal. Zumal ich alleine über den Luxus genießen darf, ein komplettes 4-er Zimmer mein Eigen nennen zu dürfen. Auch ist hier die sanitäre Steinzeit mittlerweile überwunden (Toiletten, bestehend aus einem Loch im Boden sowie einem Haltegriff). Für hochklappbare Toilettenbrillen wird es aber wohl noch ein paar Dekaden brauchen.
Abendessen gibt es gegenüber im Restaurant. Es gibt Pizza mit viel Eis zum Nachtisch. Dazu rauhe Mengen an Cola. Sozusagen als Ausgleich zu den Kohlenhydratarmen Hauptgerichten. Denn obwohl Columbus die Kartoffel schon im späten Mittelalter in einige Teile Europas brachte, scheint sie bis heute noch nicht in allen Teilen Frankreichs angekommen zu sein. Jaja, die Zollbeamten...
Ich bin diese Etappe gefahren
am
Von IkeTurner –
Um 7:30 weckt mich meine innere Uhr und mein Handy-Wecker versagt mal wieder den Dienst. Die Wolken sind weg und die Sonne lacht schon über den Berg. So muss das sein. Denn es gibt wenig demotivierenderes beim Radfahren, als Regen am morgen.
Da der gestrige Tag doch ein paar Körner gekostet hat, habe ich das Frühstück für 8 Uhr geordert. Mein etwas eingerostetes Französisch reicht dafür noch gerade aus. Die zehnte Klasse am Gymnasium, in der ich das letzte Wort auf französisch wechselte, liegt mittlerweile schon elf Jahre zurück. Da fehlen selbst die einfachsten Vokabeln. Ein Blick ins Wörterbuch ist da manchmal ganz hilfreich.
Beim ausgezeichneten Frühstück, übrigens das zweitbeste in den acht Tagen, erholt sich mein Rücken langsam von der grausam weichen und dünnen Matratze. Neben Milch und O-Saft, Müsli, Schoko-Cornflakes, Brot, Croissants und Pflaumen darf natürlich das obligatorische Baguette nicht fehlen. Letzteres wandert als Verpflegung in den Rucksack. Für mich als „nicht-Frühstücker“ ist es ohnehin schon Überwindung genug, um diese Uhrzeit derartige Mengen fester Nahrung zu verdrücken, aber von nix kommt nix. Also runter damit.
Pünktlich um neun Uhr sitze ich auf dem Rad. Die nächsten 30 km geht es durch das sehr eng eingeschnittene Romanche-Tal in Richtung Bourg d'Oisans. Das Thermometer zeigt angenehme 20°C. Die Anstrengungen des gestrigen Tages sind verkraftet. Dementsprechend locker geht es über steile Bergabpassagen mitsamt Serpentinen, die sich mit flachen Zwischenstücken und dem ein oder anderen kurzen Tunnel abwechseln, in den 800 Meter tiefer gelegenen Ort am Fuß zum Anstieg nach l'Alpe-d'Huez. Dabei wird auf der linken Seite der ebenfalls durch die Tour-de-France bekannte Anstieg zum Skigebiet von Les Deux-Alpes liegen gelassen. Zu wenig Mythos, um sich dort hoch zu quälen. L'Alpe-d'Huez ist da schon ein anderes Kaliber. Heute nicht zuletzt deswegen, weil dort in drei Tagen das Bergzeitfahren der Tour stattfindet.
Am Kreisverkehr biege ich rechts ab und schon geht es los. Bei schwülen 35°C beginnt der Anstieg mit der ersten von 21 Serpentinen. Eine nach der anderen. Die Anwesenheit der schon sehr zahlreichen Wohnmobile, der endlosen auf den Asphalt gepinselten Namen aktueller und vergangener Rennfahrer, sowie der im oberen Teil schon aufgestellten Absperrgitter machen diesen Aufstieg zu einem ganz besonderen Erlebnis. Das ist echtes Tour-Feeling. Außerdem gibt es an solchen Tagen immer ein Hinterrad in der Nähe, an das man sich mental klammern kann. Das motiviert und macht die Schmerzen erträglicher. Nach knapp 1,5 Stunden ist es endlich geschafft und ich sitze neben mindestens weiteren 100 Fahrern, die in der letzten Stunde hier hochgekraxelt sind, oben in der Sonne und schlürfe eine eiskalte Cola. Ganz entspannt. Denn so schwer zu fahren ist der Anstieg gar nicht. Direkt von Anfang schön steil, ohne lange öde Anfahrt. So muss ein Pass sein. Auch wenn l'Alpe-d'Huez gar kein Pass ist. Genug geschwätzt. Zeit ist Geld und Geld hab ich wenig - ich muss langsam weiter in Richtung Col de la Croix de Fer.
Vorher wird man jedoch mit einer genialen Abfahrt entlohnt, für die es sich wirklich gelohnt hat, hier hoch zu schnaufen. Heute kann ich auch endlich mein Vorhaben, eine sehenswerte Abfahrt im Film festzuhalten, in die Tat umsetzen. Ein Ministativ, mit Isolierband am linken Bremshebel befestigt, nimmt die Digicam auf. Klappe l'Alpe-d'Huez die erste... und los geht’s.
Einmal antreten und dann richtig schön laufen lassen. Fast wie Achterbahn. Spaß pur. In den Serpentinen kommt ab und an auch ein ordentlicher Schuss Adrenalin dazu. Nach ca. 13 min. ist der Spaß aber auch schon wieder vorbei. Wenn man bedenkt, dass die Profis bergauf nur dreimal so lange brauchen wie ich runter, ich hingegen ca sechs mal soviel, ist das schon unglaublich... Na klar. Lag am Gepäck!
In Bourg d'Oisans heil wieder angekommen, meint man, man hätte gerade eine Sauna betreten. Furchtbar heiß und schwül. Zeitplanung hin oder her: Zeit für zwei kühle alkoholfreie Amstel im Schatten. Das Thermometer zeigt 42°C. Unglaublich. Nachdem ich noch einmal am Brunnen die Flaschen gefüllt habe, rolle ich Richtung Col de la Croix de Fer. Fast 40 km bis zur Passhöhe. Das sind nicht meine Anstiege. Ich mag die ewig langen Anfahrten nicht, wenn die Straße dabei fast flach aussieht und es sich trotzdem unglaublich mühsam fährt.
Erst relativ flach beginnt dann durch einen Wald verlaufend der richtige Anstieg mit permanenten 10%. Moralische Dämpfer gibt es nach Durchfahrt des nächsten Ortes, wenn die Straße einem urplötzlich in zwei, drei Serpentinen die gerade erkämpften einhundert Höhenmeter wieder weg nimmt. Oben drauf gibt es für die nächsten zwei Kilometer ein sattes Steilstück mit lockeren 15%. Zum Glück hört einen da oben keiner, wenn man lauthals flucht. Als kleinen Trost gibt es anstatt ödem Wald dann etwas mehr von der Landschaft zu sehen. Ein schwacher Trost... Der im Steilhang verlaufenden Straße folgend erreicht man nach einiger Zeit dann doch den Lac du Glandon. Nach wiederum kurzem Höhenverlust steigt die Motivation wieder ungemein, sobald die Passhöhe in Sichtweite kommt. Bevor es über den Col de la Croix de Fer geht, nehme ich noch kurz den Abstecher zum Col du Glandon fürs Fotoalbum. Die letzten 2,5 Km zur Passhöhe des Croix de Fer gehen jetzt locker von der Hand, bzw. den Beinen.
Nach kurzem Smalltalk bei kalter Limo mit drei deutschen Radlern geht es in die nächste Abfahrt. Darauf kann man sich immer freuen, auch wenn es gerade mal gar nicht gut läuft im Anstieg. Einfach losrollen und ab geht die Post. Der Asphalt dort hat aber schon bessere Tage gehabt. Gedanklich bereite ich mich darauf vor, den geplanten Col du Mollard rechts liegen zu lassen. Am Abzweig zum Mollard, gerade an den Gedanken gewöhnt, vor einem Pass zu kneifen, weist aber ein Schild freundlich darauf hin, dass die Abfahrt nach St. Jean de Maurienne gesperrt ist. Umleitung führt über den Col du Mollard - seeehr witzig.
Die Sonne versteckt sich mittlerweile hinter den Wolken, so dass die nächsten 350 Höhenmeter nicht mehr allzu anstrengend werden sollen. Als Zugabe gibt es von oben noch einen leichte Dusche auf halber Höhe. Dort holen mich auch die drei Deutschen ein, die ich an der Passhöhe getroffen hatte. Sie sind heute die selbe Strecke wie ich gefahren und wollen morgen die Mörderrunde von St. Michel-de-Maurienne über Col de la Madeleine und Iseran fahren: 230 km, 4000 Hm. Große Teile davon durchs Tal. Und das bei der Hitze. Da hört der Urlaub langsam aber sicher auf.
Endlich. Die letzten Höhenmeter für heute. Aber wie auf einer Passhöhe fühlt man sich beim Mollard eigentlich nicht. Zu groß sind die Berge um einen herum. Wenigstens stimmt die Asphaltqualität auf der Abfahrt. Zumindest im oberen und mittleren Teil. Da kann man es richtig fliegen lassen. Unten wird es flacher und der Belag deutlich schlechter. Dabei geht es permanent ohne besondere Aussicht durch den Wald. In St. Jean de Maurienne angekommen, finde ich nach einer halben Stunde vergeblicher Hotelsuche ein freies Zimmer im Hotel de l'Europe. Im Fahrradraum stehen mindestens zehn Rennräder. Das nährt die Hoffnung, dass es wenigstens hier Spaghetti oder ähnliches kohlenhydratreiches Essen gibt.
Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt. Hinter dem „Menu de Cyclist“ verbirgt sich allerdings ein wirklich ekelhaftes Schnitzel mit einer kleinen Portion nicht weniger schlechter Spaghetti ohne Sauce. Außerdem wartet man ewig auf die Bedienung. Schnell noch ein paar Ansichtskarten gekritzelt und dann ab in die Federn. Im wahrsten Sinne des Wortes. Denn bei den Zimmern täuscht der erste Eindruck ebenfalls. Die Matratze entpuppt sich als Folterbank, auf der man jede Feder spürt. Erst, nachdem ich die Tagesdecke gefalten über die Matratze gelegt habe, lässt es sich darauf schmerzfrei schlafen. Insgesamt also ein klares: „Nein, Danke“ an das „Hotel de l'Europe“. Trotz den relativ günstigen 36 € incl. Frühstück. Nicht umsonst war das einige Meter weiter liegende und als Sporthotel ausgezeichnete „Hotel Saint Georges“ schon ausgebucht.
Da der gestrige Tag doch ein paar Körner gekostet hat, habe ich das Frühstück für 8 Uhr geordert. Mein etwas eingerostetes Französisch reicht dafür noch gerade aus. Die zehnte Klasse am Gymnasium, in der ich das letzte Wort auf französisch wechselte, liegt mittlerweile schon elf Jahre zurück. Da fehlen selbst die einfachsten Vokabeln. Ein Blick ins Wörterbuch ist da manchmal ganz hilfreich.
Beim ausgezeichneten Frühstück, übrigens das zweitbeste in den acht Tagen, erholt sich mein Rücken langsam von der grausam weichen und dünnen Matratze. Neben Milch und O-Saft, Müsli, Schoko-Cornflakes, Brot, Croissants und Pflaumen darf natürlich das obligatorische Baguette nicht fehlen. Letzteres wandert als Verpflegung in den Rucksack. Für mich als „nicht-Frühstücker“ ist es ohnehin schon Überwindung genug, um diese Uhrzeit derartige Mengen fester Nahrung zu verdrücken, aber von nix kommt nix. Also runter damit.
Pünktlich um neun Uhr sitze ich auf dem Rad. Die nächsten 30 km geht es durch das sehr eng eingeschnittene Romanche-Tal in Richtung Bourg d'Oisans. Das Thermometer zeigt angenehme 20°C. Die Anstrengungen des gestrigen Tages sind verkraftet. Dementsprechend locker geht es über steile Bergabpassagen mitsamt Serpentinen, die sich mit flachen Zwischenstücken und dem ein oder anderen kurzen Tunnel abwechseln, in den 800 Meter tiefer gelegenen Ort am Fuß zum Anstieg nach l'Alpe-d'Huez. Dabei wird auf der linken Seite der ebenfalls durch die Tour-de-France bekannte Anstieg zum Skigebiet von Les Deux-Alpes liegen gelassen. Zu wenig Mythos, um sich dort hoch zu quälen. L'Alpe-d'Huez ist da schon ein anderes Kaliber. Heute nicht zuletzt deswegen, weil dort in drei Tagen das Bergzeitfahren der Tour stattfindet.
Am Kreisverkehr biege ich rechts ab und schon geht es los. Bei schwülen 35°C beginnt der Anstieg mit der ersten von 21 Serpentinen. Eine nach der anderen. Die Anwesenheit der schon sehr zahlreichen Wohnmobile, der endlosen auf den Asphalt gepinselten Namen aktueller und vergangener Rennfahrer, sowie der im oberen Teil schon aufgestellten Absperrgitter machen diesen Aufstieg zu einem ganz besonderen Erlebnis. Das ist echtes Tour-Feeling. Außerdem gibt es an solchen Tagen immer ein Hinterrad in der Nähe, an das man sich mental klammern kann. Das motiviert und macht die Schmerzen erträglicher. Nach knapp 1,5 Stunden ist es endlich geschafft und ich sitze neben mindestens weiteren 100 Fahrern, die in der letzten Stunde hier hochgekraxelt sind, oben in der Sonne und schlürfe eine eiskalte Cola. Ganz entspannt. Denn so schwer zu fahren ist der Anstieg gar nicht. Direkt von Anfang schön steil, ohne lange öde Anfahrt. So muss ein Pass sein. Auch wenn l'Alpe-d'Huez gar kein Pass ist. Genug geschwätzt. Zeit ist Geld und Geld hab ich wenig - ich muss langsam weiter in Richtung Col de la Croix de Fer.
Vorher wird man jedoch mit einer genialen Abfahrt entlohnt, für die es sich wirklich gelohnt hat, hier hoch zu schnaufen. Heute kann ich auch endlich mein Vorhaben, eine sehenswerte Abfahrt im Film festzuhalten, in die Tat umsetzen. Ein Ministativ, mit Isolierband am linken Bremshebel befestigt, nimmt die Digicam auf. Klappe l'Alpe-d'Huez die erste... und los geht’s.
Einmal antreten und dann richtig schön laufen lassen. Fast wie Achterbahn. Spaß pur. In den Serpentinen kommt ab und an auch ein ordentlicher Schuss Adrenalin dazu. Nach ca. 13 min. ist der Spaß aber auch schon wieder vorbei. Wenn man bedenkt, dass die Profis bergauf nur dreimal so lange brauchen wie ich runter, ich hingegen ca sechs mal soviel, ist das schon unglaublich... Na klar. Lag am Gepäck!
In Bourg d'Oisans heil wieder angekommen, meint man, man hätte gerade eine Sauna betreten. Furchtbar heiß und schwül. Zeitplanung hin oder her: Zeit für zwei kühle alkoholfreie Amstel im Schatten. Das Thermometer zeigt 42°C. Unglaublich. Nachdem ich noch einmal am Brunnen die Flaschen gefüllt habe, rolle ich Richtung Col de la Croix de Fer. Fast 40 km bis zur Passhöhe. Das sind nicht meine Anstiege. Ich mag die ewig langen Anfahrten nicht, wenn die Straße dabei fast flach aussieht und es sich trotzdem unglaublich mühsam fährt.
Erst relativ flach beginnt dann durch einen Wald verlaufend der richtige Anstieg mit permanenten 10%. Moralische Dämpfer gibt es nach Durchfahrt des nächsten Ortes, wenn die Straße einem urplötzlich in zwei, drei Serpentinen die gerade erkämpften einhundert Höhenmeter wieder weg nimmt. Oben drauf gibt es für die nächsten zwei Kilometer ein sattes Steilstück mit lockeren 15%. Zum Glück hört einen da oben keiner, wenn man lauthals flucht. Als kleinen Trost gibt es anstatt ödem Wald dann etwas mehr von der Landschaft zu sehen. Ein schwacher Trost... Der im Steilhang verlaufenden Straße folgend erreicht man nach einiger Zeit dann doch den Lac du Glandon. Nach wiederum kurzem Höhenverlust steigt die Motivation wieder ungemein, sobald die Passhöhe in Sichtweite kommt. Bevor es über den Col de la Croix de Fer geht, nehme ich noch kurz den Abstecher zum Col du Glandon fürs Fotoalbum. Die letzten 2,5 Km zur Passhöhe des Croix de Fer gehen jetzt locker von der Hand, bzw. den Beinen.
Nach kurzem Smalltalk bei kalter Limo mit drei deutschen Radlern geht es in die nächste Abfahrt. Darauf kann man sich immer freuen, auch wenn es gerade mal gar nicht gut läuft im Anstieg. Einfach losrollen und ab geht die Post. Der Asphalt dort hat aber schon bessere Tage gehabt. Gedanklich bereite ich mich darauf vor, den geplanten Col du Mollard rechts liegen zu lassen. Am Abzweig zum Mollard, gerade an den Gedanken gewöhnt, vor einem Pass zu kneifen, weist aber ein Schild freundlich darauf hin, dass die Abfahrt nach St. Jean de Maurienne gesperrt ist. Umleitung führt über den Col du Mollard - seeehr witzig.
Die Sonne versteckt sich mittlerweile hinter den Wolken, so dass die nächsten 350 Höhenmeter nicht mehr allzu anstrengend werden sollen. Als Zugabe gibt es von oben noch einen leichte Dusche auf halber Höhe. Dort holen mich auch die drei Deutschen ein, die ich an der Passhöhe getroffen hatte. Sie sind heute die selbe Strecke wie ich gefahren und wollen morgen die Mörderrunde von St. Michel-de-Maurienne über Col de la Madeleine und Iseran fahren: 230 km, 4000 Hm. Große Teile davon durchs Tal. Und das bei der Hitze. Da hört der Urlaub langsam aber sicher auf.
Endlich. Die letzten Höhenmeter für heute. Aber wie auf einer Passhöhe fühlt man sich beim Mollard eigentlich nicht. Zu groß sind die Berge um einen herum. Wenigstens stimmt die Asphaltqualität auf der Abfahrt. Zumindest im oberen und mittleren Teil. Da kann man es richtig fliegen lassen. Unten wird es flacher und der Belag deutlich schlechter. Dabei geht es permanent ohne besondere Aussicht durch den Wald. In St. Jean de Maurienne angekommen, finde ich nach einer halben Stunde vergeblicher Hotelsuche ein freies Zimmer im Hotel de l'Europe. Im Fahrradraum stehen mindestens zehn Rennräder. Das nährt die Hoffnung, dass es wenigstens hier Spaghetti oder ähnliches kohlenhydratreiches Essen gibt.
Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt. Hinter dem „Menu de Cyclist“ verbirgt sich allerdings ein wirklich ekelhaftes Schnitzel mit einer kleinen Portion nicht weniger schlechter Spaghetti ohne Sauce. Außerdem wartet man ewig auf die Bedienung. Schnell noch ein paar Ansichtskarten gekritzelt und dann ab in die Federn. Im wahrsten Sinne des Wortes. Denn bei den Zimmern täuscht der erste Eindruck ebenfalls. Die Matratze entpuppt sich als Folterbank, auf der man jede Feder spürt. Erst, nachdem ich die Tagesdecke gefalten über die Matratze gelegt habe, lässt es sich darauf schmerzfrei schlafen. Insgesamt also ein klares: „Nein, Danke“ an das „Hotel de l'Europe“. Trotz den relativ günstigen 36 € incl. Frühstück. Nicht umsonst war das einige Meter weiter liegende und als Sporthotel ausgezeichnete „Hotel Saint Georges“ schon ausgebucht.
Ich bin diese Etappe gefahren
am
Von IkeTurner –
Heute startet alles etwas langsamer. Nach mittelmäßigem Frühstück in Form von Marmelade und Honig auf Croissant und Baguette, dazu Kakao und O-Saft, geht es zunächst mal zum „Materialwagen“, der ja in St. Jean-de-Muarienne geparkt ist. Luft nachpumpen, Kette ölen, etc. bietet sich eben an. Und da so langsam auch der Wald in meinem Gesicht zusehends Gestalt annimmt, mein Rasierer aber ungeschickterweise im heimischen Badezimmer liegt, suche ich noch kurz auf der Suche nach einem geeignetem Holzvollernter den Supermarkt auf. Bei der Gelegenheit noch ein Griff ins Süßigkeitenregal. Ein bisschen Wegzehrung schadet nicht.
Mittlerweile zeigt die Uhr 10:20. Es wird Zeit, dass ich losfahre, bevor ich unten im Tal so ende wie die vertrockneten Frösche, die am Straßenrand den Hitzetod gestorben sind. Immerhin sind es schon wieder 27°C. Anstatt direkt in den Anstieg nach Montvernier zu gehen, fahre ich die Route Nationale ein paar Kilometer Tal abwärts, um die Serpentinenstraße von Pontamafrey in Angriff zu nehmen. Dort geht es eng geschlängelt über 4km und 350 Hm durch 18 Spitzkehren. Sehr beeindruckend. Sozusagen das „Stilfser Joch für arme“.
Ab Montvernier, einem verschlafenem Bauerndorf, umgeben von Wiesen, kleinen Feldern und Apfelbäumen, geht es ein ganzes Stück durch den Wald bergauf. Oberhalb des Waldes wird die Straße spektakulär um einen Fels geführt, und teilweise in diesen hineingesprengt. Dort ist man auch vor der Sonne geschützt. Nach weiteren Kurven gelangt man wieder in ein licht bewaldetes Gebiet. Über langgezogene Kehren erreicht man schlussendlich den Col de Chaussy. In einer kleinen Hütte gibt es sogar kalte Getränke. Kurze Pause, Passfoto und weiter gehts.
Doch was ist das? Schotterweg!? Das steht so aber nicht in meinem Roadbook!. Die Straße ist in einem wirklich katastrophalem Zustand. Nichts desto trotz geht es steil bergab. Mehr als 15 km/h sind hier beim besten Willen nicht drin. Dementsprechend heiß werden die Felgen vom Dauerbremsen. Hoffentlich halten die Schläuche das aus - sie tun es. Auf den 3 km bis Bonvillard bessert sich der Belag aber nur wenig. Erst unterhalb des kleinen Ortes geht es wieder deutlich besser. Trotzdem ist die Abfahrt nicht ganz ohne. Viele Löcher, Wellen und Splitt. Nichts für den geneigten Raser. Es geht runter bis zum Abzweig des Col de la Madeleine auf ca. 700 m.
Ab hier sind es noch 14 km und ca. 1300 Hm. Die Sonne brennt mal wieder unerbittlich. Bis St. Francois Longchamp ist es eine echte Tortour. Oberhalb der Baumgrenze weht dann aber ein ganz ordentlicher Wind, der einen wieder auf normale Betriebstemperatur herunter kühlt. So lässt es sich aushalten. Nachdem die Bettenburgen von St. Francois Langchamp passiert sind, sind die letzten 300 Hm, wenn auch sehr steil, kein Problem mehr. Die Passhöhe hinter der Kuppe ist schon zu erahnen, und das mobilisiert ungeahnte Kräfte.
Oben darf neben dem Passfoto eine Trinkpause auf der Sonnenterrasse nicht fehlen. Dazu lege ich mein Rad etwas unachtsam ins Gras. Natürlich hatte ich dabei nicht an die schwere Lenkertasche gedacht, wodurch das Vorderrad auf dem Schotter weggrutscht, und das große Kettenblatt sich mit Schwung in mein Schienbein rammt. Schöner Winkelhaken. Und das Blut läuft. Merde! Damit hat sich auch das Verbandszeug im Gepäck gelohnt. Zum Glück hat das Kettenblatt eine Stelle erwischt, wo weder Muskeln noch Sehnen verlaufen. Ein Zahn hat sich bis zum Knochen ins Fleisch gebohrt. Beim Trampeln nachher macht es aber auf den ersten Blick keine Probleme.
Ich sitze noch eine halbe Stunde in der Sonne, bevor ich in die Abfahrt starte. Da heute kilometer-und höhenmetermäßig eher wenig zu tun ist, da ich in Albertville zu nächtigen gedenke, habe ich heute die Ruhe weg. Für die Abfahrt wird wieder die Kamera präpariert. Das sieht von oben zu verlockend aus. Bis auf den etwas welligen Asphalt, dem nach zwei Minuten durch das Gewackel auch ein Bein des Ministativs zum Opfer fällt, ist die Abfahrt zumindest im oberen Drittel allererste Sahne. Auf schmaler Straße geht es in anspruchsvoller Streckenführung das Tal hinunter. Im unteren Teil gibt es noch einmal einen sehr schnellen Abschnitt mit weitläufigen Serpentinen. Kurz darauf kommt man auf die N90 Richtung Albertville, welche ausgebaut ist wie eine Autobahn. Hier gibt es jedoch parallel dazu eine normale Straße, die wenig befahren ist. Die Temperaturen hier unten im Tal sind wieder unerträglich. 39°C zeigt mein Thermometer. Der Gegenwind ändert daran auch nicht viel. Auf den knapp 20 km bis Albertville kommt ein aufziehender Gewitterschauer gerade richtig.
Albertville selbst ist nicht sonderlich schön. Lediglich die Haupteinkaufsstraße ist ganz nett. Da heute Sonntag ist, ist aber bis auf einen Supermarkt zum Flüssigkeit tanken alles geschlossen. Die Suche nach einem Hotel gestaltet sich ebenfalls schwieriger als gedacht. Entweder gibt es hier nur teure ***- bis ****-bunker oder geschlossene **-Hotels. Das einzige **-Hotel(direkt am Bahnhof), was in Frage kam, disqualifizierte sich mit einem geradezu lächerlichen Zimmerpreis von 65€ ohne alles. Da ich neben einem Zimmer auch noch Desinfektionsmittel für meinen Kettenblattbiss kaufen wollte, wäre Albertville mit seinen mindestens zehn Apotheken schon das pharmazeutische Paradies gewesen. Na ja, fahre ich halt bis in den nächsten Ort - Apotheken gibt es ja wie Sand am Meer.
Ganz so einfach wie gedacht war aber auch das nicht. Ganze Ortschaften, an denen ich vorbei kam, waren komplett verlassen. Anscheinend sind das Ferienwohnungen, die nur in der Wintersaison vermietet werden. Bis zum nächsten geöffneten Hotel dauerte es dann noch knapp 20 km und einige hundert Höhenmeter. Die Apotheke musste eben bis morgen warten. Für 47 € mit Abendessen und Frühstück auch erheblich billiger als die Kaschemme in Albertville. Das Zimmer bot sogar den Luxus eines Haartrockners, sowie Tresor und Fernseher. Beim Abendessen auf der Terrasse viel die Auswahl auf Schinken-Champignon Pizza. Im Nachhinein hätte ich aber doch lieber das Steak nehmen sollen. Trotzdem sehr lecker. Als Dessert noch ein Eis und nebenbei noch ein paar Einträge ins Tour-Tagebuch gekritzelt. Zum allabendlichen Ritual gehörte natürlich auch der Anruf in die Heimat. Dank E-plus Holiday special für schlappe 40 Cent/min. Trotzdem bin ich auf die Rechnung gespannt.
Mittlerweile zeigt die Uhr 10:20. Es wird Zeit, dass ich losfahre, bevor ich unten im Tal so ende wie die vertrockneten Frösche, die am Straßenrand den Hitzetod gestorben sind. Immerhin sind es schon wieder 27°C. Anstatt direkt in den Anstieg nach Montvernier zu gehen, fahre ich die Route Nationale ein paar Kilometer Tal abwärts, um die Serpentinenstraße von Pontamafrey in Angriff zu nehmen. Dort geht es eng geschlängelt über 4km und 350 Hm durch 18 Spitzkehren. Sehr beeindruckend. Sozusagen das „Stilfser Joch für arme“.
Ab Montvernier, einem verschlafenem Bauerndorf, umgeben von Wiesen, kleinen Feldern und Apfelbäumen, geht es ein ganzes Stück durch den Wald bergauf. Oberhalb des Waldes wird die Straße spektakulär um einen Fels geführt, und teilweise in diesen hineingesprengt. Dort ist man auch vor der Sonne geschützt. Nach weiteren Kurven gelangt man wieder in ein licht bewaldetes Gebiet. Über langgezogene Kehren erreicht man schlussendlich den Col de Chaussy. In einer kleinen Hütte gibt es sogar kalte Getränke. Kurze Pause, Passfoto und weiter gehts.
Doch was ist das? Schotterweg!? Das steht so aber nicht in meinem Roadbook!. Die Straße ist in einem wirklich katastrophalem Zustand. Nichts desto trotz geht es steil bergab. Mehr als 15 km/h sind hier beim besten Willen nicht drin. Dementsprechend heiß werden die Felgen vom Dauerbremsen. Hoffentlich halten die Schläuche das aus - sie tun es. Auf den 3 km bis Bonvillard bessert sich der Belag aber nur wenig. Erst unterhalb des kleinen Ortes geht es wieder deutlich besser. Trotzdem ist die Abfahrt nicht ganz ohne. Viele Löcher, Wellen und Splitt. Nichts für den geneigten Raser. Es geht runter bis zum Abzweig des Col de la Madeleine auf ca. 700 m.
Ab hier sind es noch 14 km und ca. 1300 Hm. Die Sonne brennt mal wieder unerbittlich. Bis St. Francois Longchamp ist es eine echte Tortour. Oberhalb der Baumgrenze weht dann aber ein ganz ordentlicher Wind, der einen wieder auf normale Betriebstemperatur herunter kühlt. So lässt es sich aushalten. Nachdem die Bettenburgen von St. Francois Langchamp passiert sind, sind die letzten 300 Hm, wenn auch sehr steil, kein Problem mehr. Die Passhöhe hinter der Kuppe ist schon zu erahnen, und das mobilisiert ungeahnte Kräfte.
Oben darf neben dem Passfoto eine Trinkpause auf der Sonnenterrasse nicht fehlen. Dazu lege ich mein Rad etwas unachtsam ins Gras. Natürlich hatte ich dabei nicht an die schwere Lenkertasche gedacht, wodurch das Vorderrad auf dem Schotter weggrutscht, und das große Kettenblatt sich mit Schwung in mein Schienbein rammt. Schöner Winkelhaken. Und das Blut läuft. Merde! Damit hat sich auch das Verbandszeug im Gepäck gelohnt. Zum Glück hat das Kettenblatt eine Stelle erwischt, wo weder Muskeln noch Sehnen verlaufen. Ein Zahn hat sich bis zum Knochen ins Fleisch gebohrt. Beim Trampeln nachher macht es aber auf den ersten Blick keine Probleme.
Ich sitze noch eine halbe Stunde in der Sonne, bevor ich in die Abfahrt starte. Da heute kilometer-und höhenmetermäßig eher wenig zu tun ist, da ich in Albertville zu nächtigen gedenke, habe ich heute die Ruhe weg. Für die Abfahrt wird wieder die Kamera präpariert. Das sieht von oben zu verlockend aus. Bis auf den etwas welligen Asphalt, dem nach zwei Minuten durch das Gewackel auch ein Bein des Ministativs zum Opfer fällt, ist die Abfahrt zumindest im oberen Drittel allererste Sahne. Auf schmaler Straße geht es in anspruchsvoller Streckenführung das Tal hinunter. Im unteren Teil gibt es noch einmal einen sehr schnellen Abschnitt mit weitläufigen Serpentinen. Kurz darauf kommt man auf die N90 Richtung Albertville, welche ausgebaut ist wie eine Autobahn. Hier gibt es jedoch parallel dazu eine normale Straße, die wenig befahren ist. Die Temperaturen hier unten im Tal sind wieder unerträglich. 39°C zeigt mein Thermometer. Der Gegenwind ändert daran auch nicht viel. Auf den knapp 20 km bis Albertville kommt ein aufziehender Gewitterschauer gerade richtig.
Albertville selbst ist nicht sonderlich schön. Lediglich die Haupteinkaufsstraße ist ganz nett. Da heute Sonntag ist, ist aber bis auf einen Supermarkt zum Flüssigkeit tanken alles geschlossen. Die Suche nach einem Hotel gestaltet sich ebenfalls schwieriger als gedacht. Entweder gibt es hier nur teure ***- bis ****-bunker oder geschlossene **-Hotels. Das einzige **-Hotel(direkt am Bahnhof), was in Frage kam, disqualifizierte sich mit einem geradezu lächerlichen Zimmerpreis von 65€ ohne alles. Da ich neben einem Zimmer auch noch Desinfektionsmittel für meinen Kettenblattbiss kaufen wollte, wäre Albertville mit seinen mindestens zehn Apotheken schon das pharmazeutische Paradies gewesen. Na ja, fahre ich halt bis in den nächsten Ort - Apotheken gibt es ja wie Sand am Meer.
Ganz so einfach wie gedacht war aber auch das nicht. Ganze Ortschaften, an denen ich vorbei kam, waren komplett verlassen. Anscheinend sind das Ferienwohnungen, die nur in der Wintersaison vermietet werden. Bis zum nächsten geöffneten Hotel dauerte es dann noch knapp 20 km und einige hundert Höhenmeter. Die Apotheke musste eben bis morgen warten. Für 47 € mit Abendessen und Frühstück auch erheblich billiger als die Kaschemme in Albertville. Das Zimmer bot sogar den Luxus eines Haartrockners, sowie Tresor und Fernseher. Beim Abendessen auf der Terrasse viel die Auswahl auf Schinken-Champignon Pizza. Im Nachhinein hätte ich aber doch lieber das Steak nehmen sollen. Trotzdem sehr lecker. Als Dessert noch ein Eis und nebenbei noch ein paar Einträge ins Tour-Tagebuch gekritzelt. Zum allabendlichen Ritual gehörte natürlich auch der Anruf in die Heimat. Dank E-plus Holiday special für schlappe 40 Cent/min. Trotzdem bin ich auf die Rechnung gespannt.
Ich bin diese Etappe gefahren
am
Von IkeTurner –
7:30, der Handywecker funktioniert. Die Matratze war erste Sahne. Geschlafen hab ich wie ein Stein. Ich zieh die Ausgehschuhe an (Schaumstoffbadelatschen) und gehe zum Frühstück. Viel ist hier noch nicht los. Ich bin der einzige. Getränke gibts per Selbstbedienung am Automaten. Selten hab ich besseren Kakao getrunken. Auch die aufgeschäumte Milch war nicht schlecht. Dafür waren die Baguettescheiben wohl von gestern. Nach dem Croissant wurden die aber auch noch verputzt. Hauptsache Kohlenhydrate. Die sind hier bekanntlich Mangelware.
Um viertel nach 9 heißt es wieder: aufgesessen, Höhenmesser kalibriert und los. Das Thermometer zeigt schon 25°C an. Zumindest in der Garage, wo mein Drahtesel genächtigt hatte. Von hier aus waren es ca. 25 km bis zum Col du Meraillet. Dabei durchfährt man nach drei Kilometern Beaufort. Ein ziemlich lebendiger Ort. Wenn auch nicht sonderlich groß. Damit hatte ich eigentlich nicht gerechnet. Es hätte sich vielleicht doch gelohnt, am Abend bis hierher zu fahren. Der Drops war aber schon gelutscht. Immerhin gab es hier eine Apotheke, wo ich meine Blessur mit Desinfektionsmittel versorgen konnte.
Der ab Beaufort folgende Aufstieg zum Col du Meraillet war einer der entspanntesten der gesamten Tour, weil er erstens gleichmäßig in nicht übermäßig steilen Serpentinen den Steilhang hoch klettert, und zweitens morgens zu überwiegenden Teilen im Schatten liegt. Landschaftlich ist er deswegen natürlich nicht gerade das Highlight. Im oberen Teil hat man jedoch ein gute Aussicht auf das zurückliegende Tal und zur rechten hinauf auf den Col du Pré. Oben wird es dann irgendwann etwas flacher, und nach einer Linkskurve durch den Wald steht man schon vor dem Passchild des Col du Meraillet.
Hm...das soll alles gewesen sein? Nicht gerade viel. Aber da ich an diesem Tag die Möglichkeit habe, drei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen, folge ich dem Wegweiser zum Col du Pré. Kurz durch den Wald und 200m sehr steil hinunter und dann = boah, Posterpanorama! Der Lac du Roselend. Stahlblaues Wasser, grasgrüne Hügel, und strahlend blauer Himmel. Hier fällt der Fotostopp etwas länger aus als sonst. Über die Staumauer geht es in den kurzen Anstieg zum Col du Pré, wo noch einmal einhundert Höhenmeter für die Statistik zu holen sind. Wäre da nicht die tolle Aussicht auf den schneebedeckten Mont Blanc, könnte man sich das aber auch sparen.
Aber genug des Sightseeings. Es geht weiter zum Cormet de Roselend. Dazu wird der See einmal wieder halb umrundet, um auf der anderen Seite in wenigen Serpentinen durch einen Felseinschnitt entlang des von oben kommenden Baches in ein weiteres Hochtal zu gelangen. Grüne Wiesen, umrahmt von Geröllhalden. Mittendrin ist alles voller Wanderern, Picknickern, und einer Gruppe von Paraglydern, die ihre Schirme für den Start vorbereiten.
Nach einer letzten kurzen Steigung ist so auch der Cormet de Roselend erreicht. Für seine Unbekanntheit ein doch sehr sehenswerter Pass, zumindest im oberen Bereich. Die Abfahrt auf der Rückseite steht dem landschaftlich in nichts nach. Auch die Asphaltqualität lädt im oberen Stück zu wahren Kamikazeabfahrten ein. Das mittlerweile reparierte Ministativ tut auch hier wieder hervorragende Dienste bei der Dokumentation solcher Aktionen, nur getrübt durch den heftigen Gegenwind. Nach ein paar Kilometern verläuft die Abfahrt durch ein enges Tal hinunter. Lange Flachstücke wechseln sich mit noch längeren Serpentinenpassagen ab, die in die linke Seite des sehr steilen, und weit in den Himmel ragenden Talkessels gelegt wurden. Da haben die Bremsen nichts zu lachen. Nach einer zwanzig Kilometer langen Abfahrt ist Bourg. St-Maurice erreicht.
Die Hitze am frühen Nachmittag ist wieder unerträglich. Nach einer kurzen Tankpause am Supermarkt zeigt das Thermometer wie in Bourg d'Oisans erneut 42°C. Im Schatten wohlgemerkt. Eigentlich habe ich keine Lust mehr weiter zu fahren, aber nach den Erfahrungen aus Albertville bin ich es leid, ewig nach einem Hotel zu suchen, um dann doch nichts vernünftiges zu finden. Also weiter. Um 15:30 erreiche ich nach einem ersten Steilstück auf dem Weg zum Col de l'Iseran den Ort Sainte Foy Tarentaise. Hier stellt sich die Frage: Zimmer nehmen, oder weiterfahren? Es ist ja noch nicht einmal vier Uhr. Angesichts meiner geröteten Arme, die schon seit gestern auf dem besten Weg zum Sonnenbrand sind, beschließe ich, hier zu übernachten.
Mangels Auswahl an Hotels muss ich in den sauren Apfel beißen und das einzige Hotel im Ort nehmen. Nicht, dass die Asiatin an der Rezeption schon unfreundlich genug wäre. 50€ ohne alles. Da ist die finanzielle Schmerzgrenze erreicht. Normalerweise hätte ich auf dem Absatz kehrt gemacht. Die Wehwehchen sind aber zu groß. Die Sitzfläche, die schon seit zwei Tagen etwas Probleme macht, braucht auch mal eine etwas längere Pause.
Zimmerinspektion: Im Badezimmer bröckelt die Farbe von der Decke. Immerhin gibt es dafür neben einem Fernseher eine Badewanne und ein Bidet - wofür auch immer die Dinger gut sind. Soo, Hunger! Dummerweise ist der Koch erst ab 19:30 da. Dafür macht mir der nette Mann hinter der Bar ein großes Sandwich.
Ein, zwei oder drei alkoholfreie Bier später gibt es dann endlich was zu beißen. Die Preise im Restaurant sind aber ähnlich den Übernachtungspreisen. Schlussendlich bleibt es dann wieder bei Pizza, die zum Ausgleich aber riesengroß und auch ziemlich genießbar ist. Bemerkenswert außerdem das gute deutsch der beiden Kellnerinnen. Bisher hört es bei 98% der Franzosen schon bei einfachsten Englischkenntnissen auf. Von Deutsch einmal völlig abgesehen.
Nach dem Essen geht es sofort ins Bett. Morgen klingelt der Wecker etwas früher als sonst, denn Frühstück ist schon ab 6:30 möglich.
Um viertel nach 9 heißt es wieder: aufgesessen, Höhenmesser kalibriert und los. Das Thermometer zeigt schon 25°C an. Zumindest in der Garage, wo mein Drahtesel genächtigt hatte. Von hier aus waren es ca. 25 km bis zum Col du Meraillet. Dabei durchfährt man nach drei Kilometern Beaufort. Ein ziemlich lebendiger Ort. Wenn auch nicht sonderlich groß. Damit hatte ich eigentlich nicht gerechnet. Es hätte sich vielleicht doch gelohnt, am Abend bis hierher zu fahren. Der Drops war aber schon gelutscht. Immerhin gab es hier eine Apotheke, wo ich meine Blessur mit Desinfektionsmittel versorgen konnte.
Der ab Beaufort folgende Aufstieg zum Col du Meraillet war einer der entspanntesten der gesamten Tour, weil er erstens gleichmäßig in nicht übermäßig steilen Serpentinen den Steilhang hoch klettert, und zweitens morgens zu überwiegenden Teilen im Schatten liegt. Landschaftlich ist er deswegen natürlich nicht gerade das Highlight. Im oberen Teil hat man jedoch ein gute Aussicht auf das zurückliegende Tal und zur rechten hinauf auf den Col du Pré. Oben wird es dann irgendwann etwas flacher, und nach einer Linkskurve durch den Wald steht man schon vor dem Passchild des Col du Meraillet.
Hm...das soll alles gewesen sein? Nicht gerade viel. Aber da ich an diesem Tag die Möglichkeit habe, drei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen, folge ich dem Wegweiser zum Col du Pré. Kurz durch den Wald und 200m sehr steil hinunter und dann = boah, Posterpanorama! Der Lac du Roselend. Stahlblaues Wasser, grasgrüne Hügel, und strahlend blauer Himmel. Hier fällt der Fotostopp etwas länger aus als sonst. Über die Staumauer geht es in den kurzen Anstieg zum Col du Pré, wo noch einmal einhundert Höhenmeter für die Statistik zu holen sind. Wäre da nicht die tolle Aussicht auf den schneebedeckten Mont Blanc, könnte man sich das aber auch sparen.
Aber genug des Sightseeings. Es geht weiter zum Cormet de Roselend. Dazu wird der See einmal wieder halb umrundet, um auf der anderen Seite in wenigen Serpentinen durch einen Felseinschnitt entlang des von oben kommenden Baches in ein weiteres Hochtal zu gelangen. Grüne Wiesen, umrahmt von Geröllhalden. Mittendrin ist alles voller Wanderern, Picknickern, und einer Gruppe von Paraglydern, die ihre Schirme für den Start vorbereiten.
Nach einer letzten kurzen Steigung ist so auch der Cormet de Roselend erreicht. Für seine Unbekanntheit ein doch sehr sehenswerter Pass, zumindest im oberen Bereich. Die Abfahrt auf der Rückseite steht dem landschaftlich in nichts nach. Auch die Asphaltqualität lädt im oberen Stück zu wahren Kamikazeabfahrten ein. Das mittlerweile reparierte Ministativ tut auch hier wieder hervorragende Dienste bei der Dokumentation solcher Aktionen, nur getrübt durch den heftigen Gegenwind. Nach ein paar Kilometern verläuft die Abfahrt durch ein enges Tal hinunter. Lange Flachstücke wechseln sich mit noch längeren Serpentinenpassagen ab, die in die linke Seite des sehr steilen, und weit in den Himmel ragenden Talkessels gelegt wurden. Da haben die Bremsen nichts zu lachen. Nach einer zwanzig Kilometer langen Abfahrt ist Bourg. St-Maurice erreicht.
Die Hitze am frühen Nachmittag ist wieder unerträglich. Nach einer kurzen Tankpause am Supermarkt zeigt das Thermometer wie in Bourg d'Oisans erneut 42°C. Im Schatten wohlgemerkt. Eigentlich habe ich keine Lust mehr weiter zu fahren, aber nach den Erfahrungen aus Albertville bin ich es leid, ewig nach einem Hotel zu suchen, um dann doch nichts vernünftiges zu finden. Also weiter. Um 15:30 erreiche ich nach einem ersten Steilstück auf dem Weg zum Col de l'Iseran den Ort Sainte Foy Tarentaise. Hier stellt sich die Frage: Zimmer nehmen, oder weiterfahren? Es ist ja noch nicht einmal vier Uhr. Angesichts meiner geröteten Arme, die schon seit gestern auf dem besten Weg zum Sonnenbrand sind, beschließe ich, hier zu übernachten.
Mangels Auswahl an Hotels muss ich in den sauren Apfel beißen und das einzige Hotel im Ort nehmen. Nicht, dass die Asiatin an der Rezeption schon unfreundlich genug wäre. 50€ ohne alles. Da ist die finanzielle Schmerzgrenze erreicht. Normalerweise hätte ich auf dem Absatz kehrt gemacht. Die Wehwehchen sind aber zu groß. Die Sitzfläche, die schon seit zwei Tagen etwas Probleme macht, braucht auch mal eine etwas längere Pause.
Zimmerinspektion: Im Badezimmer bröckelt die Farbe von der Decke. Immerhin gibt es dafür neben einem Fernseher eine Badewanne und ein Bidet - wofür auch immer die Dinger gut sind. Soo, Hunger! Dummerweise ist der Koch erst ab 19:30 da. Dafür macht mir der nette Mann hinter der Bar ein großes Sandwich.
Ein, zwei oder drei alkoholfreie Bier später gibt es dann endlich was zu beißen. Die Preise im Restaurant sind aber ähnlich den Übernachtungspreisen. Schlussendlich bleibt es dann wieder bei Pizza, die zum Ausgleich aber riesengroß und auch ziemlich genießbar ist. Bemerkenswert außerdem das gute deutsch der beiden Kellnerinnen. Bisher hört es bei 98% der Franzosen schon bei einfachsten Englischkenntnissen auf. Von Deutsch einmal völlig abgesehen.
Nach dem Essen geht es sofort ins Bett. Morgen klingelt der Wecker etwas früher als sonst, denn Frühstück ist schon ab 6:30 möglich.
Ich bin diese Etappe gefahren
am
Von IkeTurner –
Um 6 Uhr ist die Nacht zu Ende. Noch reichlich müde packe ich schon einmal alle Sachen zusammen. 6:30 Frühstück. Im Speisesaal sitzen schon zwei MTBler. Anscheinend gibt es nur Baguettescheiben und Kaffee. Von der Bedienung ist weit und breit niemand zu sehen. Mir reichts. Ich freue mich über die gesparte halbe Stunde und hole mein Rad aus dem Keller. Dann frühstücke ich eben unterwegs. Schnell noch die Rechnung bezahlt und los gehts. Es ist kurz vor sieben, knapp über 10°C und und verglichen mit den letzten Tagen arschkalt.
Bis Val d'Isère sollte sich das auch nur wenig ändern. Bis dorthin sind es allerdings noch 20 km. Bis Tignes am Lac du Chevril ist es bei den Temperaturen schon etwas ungemütlich zu fahren. Erst schwitzt man, dann bläst einem der Wind kalt um die Ohren. Außerdem ist die Straße bis Val d'Isère für diese Uhrzeit schon ganz gut befahren. Kurz vor dem Lac du Chevril passiert man eine längere Baustelle incl. Tunnels. Nicht sonderlich gut zu fahren. Alles dreckig, aufgerissene Straße und neben einem die drängelnden LKW. Hinter dem Stausee geht es dann ein, zwei Kilometer bergab. Eine der gefährlichsten Stellen der Tour, da ein langer unbeleuchteter Tunnel durchfahren wird. Da benötigt man dringend mindestens ein Rücklicht, sonst besteht, ohne übertreiben zu wollen, akute Lebensgefahr. Die ortsansässigen Handwerker, und was sonst noch so in Kleinbussen nach Val d'Isère hochprescht, haben nämlich nicht viel für Geschwindigkeitsbegrenzungen übrig. In Val d'Isère ist allerdings nicht sonderlich viel los. Im Sommer sind hier nur wenige Hotels voll oder überhaupt geöffnet. Zeit für ein Frühstück aus dem Supermarkt. Croissants, Joghurt, Kakao. Ich gönne mir eine halbe Stunde Pause in der mittlerweile ins Tal scheinenden Sonne.
Von hier aus zieht sich die Straße im Talkessel noch ein paar Kilometer Richtung Osten, um dann am Südrand in langen Kehren in die Steilwand hoch zu klettern. Die Baumgrenze ist hier schon überschritten. Neben großen Gras- und Moosflächen befinden sich hier nur noch Geröllhalden. Dazwischen kreuzt man den einen oder anderen Skilift.
Frischer Wind weht auf der Passhöhe. In den Kurven liegt ab und an ein größeres Schneefeld. Auf einer Bank vor der dort stehenden Hütte hole ich die Reste vom Frühstück aus dem Rucksack. Nie haben ein Croissant und ein Schokojoghurt als Dessert besser geschmeckt. Das ist der Lohn aller körperlichen und mentalen Qualen im Aufstieg, die sich heute zum Glück in engen Grenzen hielten. So schwer ist auch der Iseran nicht zu fahren, wenn man die Mittagshitze meidet. Der Galibier am ersten Tag und der Croix de Fer am zweiten waren deutlich anstrengender. Diese waren die beiden Höhepunkte der ersten fünf Tage, was die Schwierigkeit anbelangt. Wenn ich St. Jean-de-Maurienne am anderen Ende des Talkessels erreicht habe, habe ich fast zwei Drittel der geplanten Kilometer sowie knapp über die Hälfte der zu erklimmenden Höhenmeter hinter mir. Doch noch bin ich nicht da.
In der folgenden Abfahrt pfeift heute extremer Gegenwind. Bis Lanslebourg ist das nicht so schlimm. Es ist es eine richtig schöne Abfahrt. Geröllhalden links und recht, Kurven, Serpentinen, kurze Tunnel. Was will man mehr. Durch den welligen Asphalt sollte man jedoch ein wenig aus dem Sattel gehen, sonst hebt es einen zumindest mit Lenkertasche bei hohem Tempo schnell vornüber. Die nächsten fünfzig Kilometer ab Lanslebourg mit einem Höhenverlust von 1000 Metern sind jedoch teilweise schon sehr flach. Und dabei gibt es nichts nervigeres als diesen ätzenden Gegenwind. Bis zum Abzweig zum Col du Mont Cenis noch landschaftlich beeindruckend, vorbei an tiefen Schluchten und einer alten Festung, muss ab Modane auf der Route Nationale bei nahezu null Gefälle unter Begleitung dichten Verkehrs gegen den Wind gekämpft werden. Die Mittagssonne ist dabei auch nicht zu vergessen. Hätte ich mein Auto, wie anfangs mal geplant, in Modane abgestellt....aber was uns nicht umbringt macht uns hart; naja, zumindest mental. Um 14:30 ist aber auch dieser Drops gelutscht. St. Jean-de-Maurienne ist zum dritten und letzten Mal erreicht. Nach den nötigsten Besorgungen im Supermarkt und einem Tankstopp kann ich mir einen Halt bei McDonalds nicht verkneifen.
Der Rest des Tages ist für den Transfer nach Guillestre veranschlagt. Immerhin 120 km. Die Auswahl der Strecken ist groß: entweder Galibier, Mont Cenis, oder durch den Frejus-Tunnel. Aus Zeit-und Nervenersparnis fällt die Wahl auf letzteren. Manchmal ist sparen aber ganz schön teuer. 30 € für die einfache Fahrt. Hätte ich das vorher gewusst, hätte ich auch über den Galibier geschoben; kein Schild, nichts - Frechheit. Aber Unwissenheit schützt eben vor Strafe nicht. Hinter dem Frejus-Tunnel muss ich noch über den Col du Montgenevre bis Briancon. Der macht mit dem Auto zwar richtig Spaß, muss mit dem Rad aber ein echter Alptraum sein, da dort sehr schnell gefahren wird und die Straße gut ausgebaut ist. Eigentlich rechnet man als Autofahrer dort absolut nicht mit Radfahrern, die trotzdem plötzlich am rechten Straßenrand ängstlich den Berg hochkriechend auftauchen. Nichts für mich. Von Briancon geht es weiter bis Guillestre. Gute Straße, hohe Geschwindigkeiten, kein Seitenstreifen. Des Radfahrers Alptraum. Hier sollte meine letzte Etappe über den Izoard führen. Wir werden sehen...
In Guillestre selbst, ein sehr voller und auf unglaublich engem Raum gebauter Ort, ist natürlich kein erschwingliches Hotel mehr zu bekommen. Aber in der Not frisst der Teufel ja bekanntlich Fliegen. Nicht zuletzt um die hohen Kosten der letzten Nacht zu kompensieren, quartiere ich mich mit meinem Auto für geschenkte 5,70€ auf einem Campingplatz ein. Für alle Fälle lagen im Auto schon Schlafsack, Gaskocher und ein paar Konserven bereit. An Essen mangelt es heute also nicht. Einzig die sanitären Anlagen befinden sich auf einem Niveau, welches deutlich unter allem mir Vorstellbaren lag - da waren sie also wieder, die ominösen Kacklöcher mit Haltegriff. Dazu eine Dusche, wo ein dünner Strahl aus einem völlig verkalktem und verschmodderten Etwas tröpfelte. Hatte eher was von einer Tropfsteinhöhle. Die anderen Camper schienen da etwas resistenter zu sein. Hätte ich Herpes, wäre das der Zeitpunkt für einen ordentlichen Ausschlag. Das war die erste, einzige und hoffentlich auch letzte Erfahrung mit privaten französischen Campingplätzen.
Nachdem es heute das erste mal Spaghetti gab (aus der Dose), wurde das Auto bettfertig gemacht und die Wäsche zum Trocknen aufgehängt. Hoffentlich bleibt die Nacht trocken. Mit Einbruch der Dunkelheit mache ich es mir in meinem Auto bequem, soweit das überhaupt möglich ist.
Bis Val d'Isère sollte sich das auch nur wenig ändern. Bis dorthin sind es allerdings noch 20 km. Bis Tignes am Lac du Chevril ist es bei den Temperaturen schon etwas ungemütlich zu fahren. Erst schwitzt man, dann bläst einem der Wind kalt um die Ohren. Außerdem ist die Straße bis Val d'Isère für diese Uhrzeit schon ganz gut befahren. Kurz vor dem Lac du Chevril passiert man eine längere Baustelle incl. Tunnels. Nicht sonderlich gut zu fahren. Alles dreckig, aufgerissene Straße und neben einem die drängelnden LKW. Hinter dem Stausee geht es dann ein, zwei Kilometer bergab. Eine der gefährlichsten Stellen der Tour, da ein langer unbeleuchteter Tunnel durchfahren wird. Da benötigt man dringend mindestens ein Rücklicht, sonst besteht, ohne übertreiben zu wollen, akute Lebensgefahr. Die ortsansässigen Handwerker, und was sonst noch so in Kleinbussen nach Val d'Isère hochprescht, haben nämlich nicht viel für Geschwindigkeitsbegrenzungen übrig. In Val d'Isère ist allerdings nicht sonderlich viel los. Im Sommer sind hier nur wenige Hotels voll oder überhaupt geöffnet. Zeit für ein Frühstück aus dem Supermarkt. Croissants, Joghurt, Kakao. Ich gönne mir eine halbe Stunde Pause in der mittlerweile ins Tal scheinenden Sonne.
Von hier aus zieht sich die Straße im Talkessel noch ein paar Kilometer Richtung Osten, um dann am Südrand in langen Kehren in die Steilwand hoch zu klettern. Die Baumgrenze ist hier schon überschritten. Neben großen Gras- und Moosflächen befinden sich hier nur noch Geröllhalden. Dazwischen kreuzt man den einen oder anderen Skilift.
Frischer Wind weht auf der Passhöhe. In den Kurven liegt ab und an ein größeres Schneefeld. Auf einer Bank vor der dort stehenden Hütte hole ich die Reste vom Frühstück aus dem Rucksack. Nie haben ein Croissant und ein Schokojoghurt als Dessert besser geschmeckt. Das ist der Lohn aller körperlichen und mentalen Qualen im Aufstieg, die sich heute zum Glück in engen Grenzen hielten. So schwer ist auch der Iseran nicht zu fahren, wenn man die Mittagshitze meidet. Der Galibier am ersten Tag und der Croix de Fer am zweiten waren deutlich anstrengender. Diese waren die beiden Höhepunkte der ersten fünf Tage, was die Schwierigkeit anbelangt. Wenn ich St. Jean-de-Maurienne am anderen Ende des Talkessels erreicht habe, habe ich fast zwei Drittel der geplanten Kilometer sowie knapp über die Hälfte der zu erklimmenden Höhenmeter hinter mir. Doch noch bin ich nicht da.
In der folgenden Abfahrt pfeift heute extremer Gegenwind. Bis Lanslebourg ist das nicht so schlimm. Es ist es eine richtig schöne Abfahrt. Geröllhalden links und recht, Kurven, Serpentinen, kurze Tunnel. Was will man mehr. Durch den welligen Asphalt sollte man jedoch ein wenig aus dem Sattel gehen, sonst hebt es einen zumindest mit Lenkertasche bei hohem Tempo schnell vornüber. Die nächsten fünfzig Kilometer ab Lanslebourg mit einem Höhenverlust von 1000 Metern sind jedoch teilweise schon sehr flach. Und dabei gibt es nichts nervigeres als diesen ätzenden Gegenwind. Bis zum Abzweig zum Col du Mont Cenis noch landschaftlich beeindruckend, vorbei an tiefen Schluchten und einer alten Festung, muss ab Modane auf der Route Nationale bei nahezu null Gefälle unter Begleitung dichten Verkehrs gegen den Wind gekämpft werden. Die Mittagssonne ist dabei auch nicht zu vergessen. Hätte ich mein Auto, wie anfangs mal geplant, in Modane abgestellt....aber was uns nicht umbringt macht uns hart; naja, zumindest mental. Um 14:30 ist aber auch dieser Drops gelutscht. St. Jean-de-Maurienne ist zum dritten und letzten Mal erreicht. Nach den nötigsten Besorgungen im Supermarkt und einem Tankstopp kann ich mir einen Halt bei McDonalds nicht verkneifen.
Der Rest des Tages ist für den Transfer nach Guillestre veranschlagt. Immerhin 120 km. Die Auswahl der Strecken ist groß: entweder Galibier, Mont Cenis, oder durch den Frejus-Tunnel. Aus Zeit-und Nervenersparnis fällt die Wahl auf letzteren. Manchmal ist sparen aber ganz schön teuer. 30 € für die einfache Fahrt. Hätte ich das vorher gewusst, hätte ich auch über den Galibier geschoben; kein Schild, nichts - Frechheit. Aber Unwissenheit schützt eben vor Strafe nicht. Hinter dem Frejus-Tunnel muss ich noch über den Col du Montgenevre bis Briancon. Der macht mit dem Auto zwar richtig Spaß, muss mit dem Rad aber ein echter Alptraum sein, da dort sehr schnell gefahren wird und die Straße gut ausgebaut ist. Eigentlich rechnet man als Autofahrer dort absolut nicht mit Radfahrern, die trotzdem plötzlich am rechten Straßenrand ängstlich den Berg hochkriechend auftauchen. Nichts für mich. Von Briancon geht es weiter bis Guillestre. Gute Straße, hohe Geschwindigkeiten, kein Seitenstreifen. Des Radfahrers Alptraum. Hier sollte meine letzte Etappe über den Izoard führen. Wir werden sehen...
In Guillestre selbst, ein sehr voller und auf unglaublich engem Raum gebauter Ort, ist natürlich kein erschwingliches Hotel mehr zu bekommen. Aber in der Not frisst der Teufel ja bekanntlich Fliegen. Nicht zuletzt um die hohen Kosten der letzten Nacht zu kompensieren, quartiere ich mich mit meinem Auto für geschenkte 5,70€ auf einem Campingplatz ein. Für alle Fälle lagen im Auto schon Schlafsack, Gaskocher und ein paar Konserven bereit. An Essen mangelt es heute also nicht. Einzig die sanitären Anlagen befinden sich auf einem Niveau, welches deutlich unter allem mir Vorstellbaren lag - da waren sie also wieder, die ominösen Kacklöcher mit Haltegriff. Dazu eine Dusche, wo ein dünner Strahl aus einem völlig verkalktem und verschmodderten Etwas tröpfelte. Hatte eher was von einer Tropfsteinhöhle. Die anderen Camper schienen da etwas resistenter zu sein. Hätte ich Herpes, wäre das der Zeitpunkt für einen ordentlichen Ausschlag. Das war die erste, einzige und hoffentlich auch letzte Erfahrung mit privaten französischen Campingplätzen.
Nachdem es heute das erste mal Spaghetti gab (aus der Dose), wurde das Auto bettfertig gemacht und die Wäsche zum Trocknen aufgehängt. Hoffentlich bleibt die Nacht trocken. Mit Einbruch der Dunkelheit mache ich es mir in meinem Auto bequem, soweit das überhaupt möglich ist.
Ich bin diese Etappe gefahren
am
Von IkeTurner –
Die Sonne weckt mich erst um halb acht. So schlecht hat es sich im Auto gar nicht geschlafen. Die Wäsche ist auch trocken geworden. Glück gehabt. Die dunklen Wolken von gestern haben sich über Nacht verzogen. Von gestern Abend sind in der Kühltasche noch ein paar Joghurts übrig geblieben. Runter damit.
Die kommenden Tage stehen unter dem Motto: „333“. Nein, nicht bei „Issos Keilerei“. Das war achte Klasse Geschichtsunterricht. Richtig übersetzt bedeutet es, dass die nächsten „3“ Tage über „3“-hundert Kilometer führen und mit jeweils „3“-tausend Höhenmetern gespickt sind. Es soll ja keine Langeweile aufkommen. Kein Zuckerschlecken, aber auch kein Hexenwerk. Eigentlich genau das, was ich mag. Keine langen und flachen Anfahrten, sondern direkt steil bergauf. Da merkt man, dass man vorwärts, bzw. hinauf kommt. So die Theorie. Gefahren bin ich davon natürlich noch keinen Meter.
Nach kurzer Morgentoilette packe ich meine Sachen ins Auto und parke selbiges irgendwo auf einem Parkstreifen in der Nähe des Supermarktes, wo ich noch schnell was zu beißen für jetzt und unterwegs hole. Bananen und Birnen zum Frühstück erscheinen angemessen. Das trockene Baguette hängt einem so langsam zum Hals raus. Gegen 8:30 Uhr rolle ich los in Richtung Chateau Queyras. Die Straße schlängelt sich hier durch eine enge Schlucht, die Combe du Queyras, an einem kleinen Fluss entlang. Die Straße wurde auf halber Höhe durch den Fels gelegt. Dabei passiert man einige teilweise spärlich beleuchtete Tunnel. Hier empfiehlt sich wieder zwingend die Verwendung eines Rücklichts. Ohne wäre mir das zu gefährlich. Ohnehin sind die Kurven hier sehr eng und von Autos schlecht einsehbar. Also Augen und Ohren auf. Denn hinter der dürftigen Absperrung geht es schon ganz ordentlich abwärts. Auf den letzten Kilometern vor Queyras wird das Tal nach der Passierung eines kleinen Stausees weitläufiger.
Die Straße führt jetzt auf Flusshöhe nur noch sehr flach durchs Tal. Die 280 Hm von Guillestre bis Queyras liegen anscheinend schon hinter mir. In Chateau Queyras selbst wird es nochmal sehr eng. Nach wenigen sehr steilen Metern wird die Straße nach scharfer links-rechts-Kombination eng am Fort Queyras vorbei geführt. Ein echtes Nadelöhr. Hier startet der erste Pass des Tages. Nach wenigen hundert Metern zweigt die Straße nach rechts zum Col d'Agnel ab. Sofort geht es steil bergauf. Die ersten Kilometer führen durch ein Waldgebiet, das bald immer dünner wird, bis der Ort Molines erreicht ist. Hier bin ich nicht der einzige, der am Brunnen Wasser tankt.
Im Ort selbst sind noch ein, zwei sehr kurze, aber dennoch extrem steile Passagen zu überwinden. Danach folgen ca. vier Kilometer durch grüne Wiesenlandschaft, wo es wieder deutlich flacher wird. Das Zirpen der Grillen ist hier extrem. Die Straße ist übersät mit hunderten von diesen Tieren. Macht man einen Abstecher durch den Seitenstreifen, springt es nur so umher. So etwas hab ich bisher noch nicht gesehen. Ab und zu liegt dazwischen ein Riesenexemplar von Grashüpfer, das meistens aber schon ein Opfer der Autoreifen oder Windschutzscheibe geworden ist. Als ich endlich mal einen lebendigen Riesengrashüpfer ausgemacht habe, um das Vieh vor die Linse zu bekommen - patsch, Auto... merde! Jedoch ist heute irgendwas anders als sonst. Gegenwind! Normalerweise ist ja der natürliche Feind des Radfahrers der Berg. Ebenso wie der Wind. Lediglich der Passfahrer macht sich ihn zunutze, kann man doch eigentlich Wetten darauf abschließen, dass der Wind das Tal hinaufweht. Die Wette wäre heute verloren gegangen...
Nach Durchfahrt eines letzten kleinen Ortes nimmt die Steigung vehement zu. Mit nur wenigen Kurven geht es permanent steil den Talkessel hinauf. Der Wind frischt dort merklich auf, leider ohne zu drehen. Vier Kilometer vor dem Pass wird es noch einmal richtig steil. Ich fahre mit einem Franzosen Windschatten. Geteiltes Leid ist halbes Leid. Wenigstens auf den wenigen Serpentinen hat man einige Male Rückenwind. Auf der Passhöhe pfeift der Wind noch heftiger. Nach ein paar Fotos ziehe ich mir meine Jacke über und stürze mich in die Abfahrt nach Sampeyre. Heute wäre man hier besser rauf statt runter gefahren. Die Nordseite ist zwar noch steiler als die südliche, der Rückenwind hätte aber helfend zur Seite gestanden. Die Abfahrt an sich ist problemlos. Kein Splitt, keine Löcher. Einfach runterdonnern.
Sampeyre ist nicht gerade das, was man unter Touristenhochburg versteht. Trostlos und öde, von Tourismus keine Spur. An einer Tankstelle will ich Wasser haben. Ich kann kein Italienisch, der Mann hinterm Tresen weder deutsch noch englisch. Französisch nicht viel besser als ich. Irgendwann hat er dann doch kapiert, dass ich meine Flaschen vollmachen will. Anstatt mir einen Wasserhahn zu zeigen, verkauft er mir 2 Liter Mineralwasser für 2,50 €. Auch noch mit Kohlensäure... Halsabschneider...
Unscheinbar zweigt jetzt rechts der Anstieg zum Colle di Sampeyre ab. Auf den ersten Kilometern geht es zwar schon recht steil bergauf, jedoch wirkt es absolut nicht wie ein Alpenpass. Eher wie die Ausläufer vom Sauerland. Das muss an den Laubbäumen liegen. Da fühlt man sich fast heimisch. Jedoch wäre die Steigung dort nach spätestens 300 Hm vorbei gewesen. Hier geht es immerhin 1400 Hm am Stück bergauf. Bergab wollte ich hier aber auch nicht fahren, so mies ist der Asphalt. An manchen Stellen mehr Schotterweg als Straße. Nach einigen Kilometern lichtet sich der Wald endlich. Damit aber leider auch der Schatten. 32°C meldet das Thermometer auf halber Höhe zum Pass.
Die Straße führt durch ein kleines Bauerndorf und unterquert einen Sessellift. Auf den folgenden Kilometern macht man einen Schlenker rechts um einen Bergvorsprung. Hinter diesem öffnet sich der Blick in Richtung Passhöhe. Auch die Vegetation macht deutlich, dass es jetzt hochalpin wird. Vor einem liegt ein kleines Hochplateau, umgeben von Bergen.
Wie an der Schnur gezogen zieht sich die Straße um den letzten Bergkamm herum. Dort muss die Passhöhe sein. So weit sieht es jetzt nicht mehr aus. Nach ca. 2 km ist man oben. Rundherum fantastische Ausblicke über endlose Graslandschaften. Richtung Südosten erkennt man, wie die Alpen sich langsam senken. Irgendwo dahinter im Dunst muss Turin liegen.
Der obere Teil der Abfahrt nach Ponte Marmora ist genial. In nur leichten Kurven, immer einsehbar, geht es über einen grasbewachsenen Kamm mit Rumdumsicht in Highspeed bergab. Nach einigen Kilometern ist der Spaß jedoch vorbei. Die Straße tritt in den Wald ein, die Kurven werden enger. Die Asphaltqualität ist zwar prinzipiell sehr gut, leider sind aber dicke Schlaglöcher und ausgebesserte Stellen wegen dem Schattenwurf der Bäume kaum zu sehen. Dazu kommt viel Splitt in den Kurven. An einer Gabelung wähle ich den direkten Weg nach Ponte Marmora, statt den Umweg über Stroppo zu fahren. Nachdem man den Ort Elva durchfahren hat, biegt man in eine ziemlich steile und enge Schlucht ein. Die Straße führt an der linken Felsklippe auf halber Höhe mit starkem Gefälle auf perfekten Asphalt bergab.
Hinter dem dürftigem Geländer würde man ziemlich tief fallen. Deshalb sollte sich der geneigte Abfahrkünstler hier zügeln. Der zahlreiche Steinschlag, teilweise kokusnussgroß, der hier und auf der Straße liegt, verhilft einem sonst zu einem Freiflug ins Jenseits. Außerdem entgeht einem sonst dieser einmalige beklemmende Eindruck, den diese Schlucht vermittelt. Kein Vergleich zu der auf dem Weg nach Chateau Queyras. Mit glühenden Felgen geht es mit moderater Geschwindigkeit weiter. Unterwegs durchfährt man etliche kurze, folglich unproblematische Tunnel. Nach kurzem Gegenanstieg und weiterem Gefälle senkt sich die Schlucht und erreicht den Abzweig nach Ponte Marmora, das nach wenigen Metern erreicht ist.
Hier geht es links nach Marmora. Nach weiteren 250 Höhenmetern auf 4 km ist das Etappenziel erreicht. Mit 3300 vernichteten Höhenmetern sogar etwas mehr als geplant. Der Wegweiser zur Pension Trattoria zeigt noch 100m an. An der nächsten Einfahrt, in die ich abbiege, werde ich aber schon empfangen: „Deutsch?“ - „ja..?“, „Pension Ceaglio ist noch 300m weiter. Sie sind schon der sechste heute!“ Wird wohl mal Zeit, dass der Wegweiser aktualisiert wird. Jetzt aber... durch eine kleine Gasse biegt man halb rechts ab. Vor der Pension sitzen sehr viele Leute. Ein italienisches Örtchen wie aus dem Bilderbuch. Enge Gassen, gepflegte Häuser. Ich kämpfe mich zur Rezeption durch. Bis dort hin komme ich aber gar nicht. Ein älterer Mann fängt mich ab und fragt, ob ich Deutscher bin und ob ich reserviert hätte. Ja und nein natürlich. “Ohhhhh, das wird schwierig“. Der ganze Ort ist ausgebucht. Er wollte mal schauen. Nach zwei Minuten war er wieder da. Ich hätte Glück. Eine Mountainbikergruppe ist heute Nachmittag anstatt zu fünft nur zu dritt angekommen. Da könnte ich mit unter kommen. Alles klar. Nach dem Preis frag ich gar nicht. Er führt mich direkt zu meiner Unterkunft. Es stellt sich heraus, dass er gar nicht zum Hotel gehört. Er ist hier lediglich seit zehn Jahren Stammgast für viele Wochen im Jahr.
Da er leidenschaftlich MTB fährt und fließend italienisch spricht, ist er hier nebenbei der ehrenamtlicher Tourguide und Dolmetscher. Meine Zimmernachbarn sind ebenfalls Deutsche. So wie viele hier im Ort. Das 6-er Zimmer ist ganz ok. Wenigstens mit richtiger Dusche und WC. Beim Abendessen, bester piemontesischer Küche in Form eines 5-Gänge Menüs für 18 €, wird insgesamt acht mal serviert. Das absolute kulinarische Highlight der gesamten Tour. Ich komme mit meinen Zimmernachbarn ins Gespräch. Hans, Klaus und Hubert vom MTB-Club „Besorgte-Biker Oer-Erkenschwick“ sind von Susa aus auf dem Weg zum Mittelmeer. Einer musste wegen Krankheit absagen, ein anderer musste am Colle di Sampeyre die Segel streichen. Ich bin gespannt, ob sie tatsächlich angekommen sind. Zehn kleine Negerlein... Genug davon. Hauptsache, ich habe ein Bett zum Schlafen. Wir sitzen noch bis halb elf im Restaurant. Die Nacht wird also etwas kürzer ausfallen. Vorsorglich setze ich meine Ohrenstöpsel ein. Zwei von den dreien sind nach eigenem Bekunden die reinsten Sägewerke.
Die kommenden Tage stehen unter dem Motto: „333“. Nein, nicht bei „Issos Keilerei“. Das war achte Klasse Geschichtsunterricht. Richtig übersetzt bedeutet es, dass die nächsten „3“ Tage über „3“-hundert Kilometer führen und mit jeweils „3“-tausend Höhenmetern gespickt sind. Es soll ja keine Langeweile aufkommen. Kein Zuckerschlecken, aber auch kein Hexenwerk. Eigentlich genau das, was ich mag. Keine langen und flachen Anfahrten, sondern direkt steil bergauf. Da merkt man, dass man vorwärts, bzw. hinauf kommt. So die Theorie. Gefahren bin ich davon natürlich noch keinen Meter.
Nach kurzer Morgentoilette packe ich meine Sachen ins Auto und parke selbiges irgendwo auf einem Parkstreifen in der Nähe des Supermarktes, wo ich noch schnell was zu beißen für jetzt und unterwegs hole. Bananen und Birnen zum Frühstück erscheinen angemessen. Das trockene Baguette hängt einem so langsam zum Hals raus. Gegen 8:30 Uhr rolle ich los in Richtung Chateau Queyras. Die Straße schlängelt sich hier durch eine enge Schlucht, die Combe du Queyras, an einem kleinen Fluss entlang. Die Straße wurde auf halber Höhe durch den Fels gelegt. Dabei passiert man einige teilweise spärlich beleuchtete Tunnel. Hier empfiehlt sich wieder zwingend die Verwendung eines Rücklichts. Ohne wäre mir das zu gefährlich. Ohnehin sind die Kurven hier sehr eng und von Autos schlecht einsehbar. Also Augen und Ohren auf. Denn hinter der dürftigen Absperrung geht es schon ganz ordentlich abwärts. Auf den letzten Kilometern vor Queyras wird das Tal nach der Passierung eines kleinen Stausees weitläufiger.
Die Straße führt jetzt auf Flusshöhe nur noch sehr flach durchs Tal. Die 280 Hm von Guillestre bis Queyras liegen anscheinend schon hinter mir. In Chateau Queyras selbst wird es nochmal sehr eng. Nach wenigen sehr steilen Metern wird die Straße nach scharfer links-rechts-Kombination eng am Fort Queyras vorbei geführt. Ein echtes Nadelöhr. Hier startet der erste Pass des Tages. Nach wenigen hundert Metern zweigt die Straße nach rechts zum Col d'Agnel ab. Sofort geht es steil bergauf. Die ersten Kilometer führen durch ein Waldgebiet, das bald immer dünner wird, bis der Ort Molines erreicht ist. Hier bin ich nicht der einzige, der am Brunnen Wasser tankt.
Im Ort selbst sind noch ein, zwei sehr kurze, aber dennoch extrem steile Passagen zu überwinden. Danach folgen ca. vier Kilometer durch grüne Wiesenlandschaft, wo es wieder deutlich flacher wird. Das Zirpen der Grillen ist hier extrem. Die Straße ist übersät mit hunderten von diesen Tieren. Macht man einen Abstecher durch den Seitenstreifen, springt es nur so umher. So etwas hab ich bisher noch nicht gesehen. Ab und zu liegt dazwischen ein Riesenexemplar von Grashüpfer, das meistens aber schon ein Opfer der Autoreifen oder Windschutzscheibe geworden ist. Als ich endlich mal einen lebendigen Riesengrashüpfer ausgemacht habe, um das Vieh vor die Linse zu bekommen - patsch, Auto... merde! Jedoch ist heute irgendwas anders als sonst. Gegenwind! Normalerweise ist ja der natürliche Feind des Radfahrers der Berg. Ebenso wie der Wind. Lediglich der Passfahrer macht sich ihn zunutze, kann man doch eigentlich Wetten darauf abschließen, dass der Wind das Tal hinaufweht. Die Wette wäre heute verloren gegangen...
Nach Durchfahrt eines letzten kleinen Ortes nimmt die Steigung vehement zu. Mit nur wenigen Kurven geht es permanent steil den Talkessel hinauf. Der Wind frischt dort merklich auf, leider ohne zu drehen. Vier Kilometer vor dem Pass wird es noch einmal richtig steil. Ich fahre mit einem Franzosen Windschatten. Geteiltes Leid ist halbes Leid. Wenigstens auf den wenigen Serpentinen hat man einige Male Rückenwind. Auf der Passhöhe pfeift der Wind noch heftiger. Nach ein paar Fotos ziehe ich mir meine Jacke über und stürze mich in die Abfahrt nach Sampeyre. Heute wäre man hier besser rauf statt runter gefahren. Die Nordseite ist zwar noch steiler als die südliche, der Rückenwind hätte aber helfend zur Seite gestanden. Die Abfahrt an sich ist problemlos. Kein Splitt, keine Löcher. Einfach runterdonnern.
Sampeyre ist nicht gerade das, was man unter Touristenhochburg versteht. Trostlos und öde, von Tourismus keine Spur. An einer Tankstelle will ich Wasser haben. Ich kann kein Italienisch, der Mann hinterm Tresen weder deutsch noch englisch. Französisch nicht viel besser als ich. Irgendwann hat er dann doch kapiert, dass ich meine Flaschen vollmachen will. Anstatt mir einen Wasserhahn zu zeigen, verkauft er mir 2 Liter Mineralwasser für 2,50 €. Auch noch mit Kohlensäure... Halsabschneider...
Unscheinbar zweigt jetzt rechts der Anstieg zum Colle di Sampeyre ab. Auf den ersten Kilometern geht es zwar schon recht steil bergauf, jedoch wirkt es absolut nicht wie ein Alpenpass. Eher wie die Ausläufer vom Sauerland. Das muss an den Laubbäumen liegen. Da fühlt man sich fast heimisch. Jedoch wäre die Steigung dort nach spätestens 300 Hm vorbei gewesen. Hier geht es immerhin 1400 Hm am Stück bergauf. Bergab wollte ich hier aber auch nicht fahren, so mies ist der Asphalt. An manchen Stellen mehr Schotterweg als Straße. Nach einigen Kilometern lichtet sich der Wald endlich. Damit aber leider auch der Schatten. 32°C meldet das Thermometer auf halber Höhe zum Pass.
Die Straße führt durch ein kleines Bauerndorf und unterquert einen Sessellift. Auf den folgenden Kilometern macht man einen Schlenker rechts um einen Bergvorsprung. Hinter diesem öffnet sich der Blick in Richtung Passhöhe. Auch die Vegetation macht deutlich, dass es jetzt hochalpin wird. Vor einem liegt ein kleines Hochplateau, umgeben von Bergen.
Wie an der Schnur gezogen zieht sich die Straße um den letzten Bergkamm herum. Dort muss die Passhöhe sein. So weit sieht es jetzt nicht mehr aus. Nach ca. 2 km ist man oben. Rundherum fantastische Ausblicke über endlose Graslandschaften. Richtung Südosten erkennt man, wie die Alpen sich langsam senken. Irgendwo dahinter im Dunst muss Turin liegen.
Der obere Teil der Abfahrt nach Ponte Marmora ist genial. In nur leichten Kurven, immer einsehbar, geht es über einen grasbewachsenen Kamm mit Rumdumsicht in Highspeed bergab. Nach einigen Kilometern ist der Spaß jedoch vorbei. Die Straße tritt in den Wald ein, die Kurven werden enger. Die Asphaltqualität ist zwar prinzipiell sehr gut, leider sind aber dicke Schlaglöcher und ausgebesserte Stellen wegen dem Schattenwurf der Bäume kaum zu sehen. Dazu kommt viel Splitt in den Kurven. An einer Gabelung wähle ich den direkten Weg nach Ponte Marmora, statt den Umweg über Stroppo zu fahren. Nachdem man den Ort Elva durchfahren hat, biegt man in eine ziemlich steile und enge Schlucht ein. Die Straße führt an der linken Felsklippe auf halber Höhe mit starkem Gefälle auf perfekten Asphalt bergab.
Hinter dem dürftigem Geländer würde man ziemlich tief fallen. Deshalb sollte sich der geneigte Abfahrkünstler hier zügeln. Der zahlreiche Steinschlag, teilweise kokusnussgroß, der hier und auf der Straße liegt, verhilft einem sonst zu einem Freiflug ins Jenseits. Außerdem entgeht einem sonst dieser einmalige beklemmende Eindruck, den diese Schlucht vermittelt. Kein Vergleich zu der auf dem Weg nach Chateau Queyras. Mit glühenden Felgen geht es mit moderater Geschwindigkeit weiter. Unterwegs durchfährt man etliche kurze, folglich unproblematische Tunnel. Nach kurzem Gegenanstieg und weiterem Gefälle senkt sich die Schlucht und erreicht den Abzweig nach Ponte Marmora, das nach wenigen Metern erreicht ist.
Hier geht es links nach Marmora. Nach weiteren 250 Höhenmetern auf 4 km ist das Etappenziel erreicht. Mit 3300 vernichteten Höhenmetern sogar etwas mehr als geplant. Der Wegweiser zur Pension Trattoria zeigt noch 100m an. An der nächsten Einfahrt, in die ich abbiege, werde ich aber schon empfangen: „Deutsch?“ - „ja..?“, „Pension Ceaglio ist noch 300m weiter. Sie sind schon der sechste heute!“ Wird wohl mal Zeit, dass der Wegweiser aktualisiert wird. Jetzt aber... durch eine kleine Gasse biegt man halb rechts ab. Vor der Pension sitzen sehr viele Leute. Ein italienisches Örtchen wie aus dem Bilderbuch. Enge Gassen, gepflegte Häuser. Ich kämpfe mich zur Rezeption durch. Bis dort hin komme ich aber gar nicht. Ein älterer Mann fängt mich ab und fragt, ob ich Deutscher bin und ob ich reserviert hätte. Ja und nein natürlich. “Ohhhhh, das wird schwierig“. Der ganze Ort ist ausgebucht. Er wollte mal schauen. Nach zwei Minuten war er wieder da. Ich hätte Glück. Eine Mountainbikergruppe ist heute Nachmittag anstatt zu fünft nur zu dritt angekommen. Da könnte ich mit unter kommen. Alles klar. Nach dem Preis frag ich gar nicht. Er führt mich direkt zu meiner Unterkunft. Es stellt sich heraus, dass er gar nicht zum Hotel gehört. Er ist hier lediglich seit zehn Jahren Stammgast für viele Wochen im Jahr.
Da er leidenschaftlich MTB fährt und fließend italienisch spricht, ist er hier nebenbei der ehrenamtlicher Tourguide und Dolmetscher. Meine Zimmernachbarn sind ebenfalls Deutsche. So wie viele hier im Ort. Das 6-er Zimmer ist ganz ok. Wenigstens mit richtiger Dusche und WC. Beim Abendessen, bester piemontesischer Küche in Form eines 5-Gänge Menüs für 18 €, wird insgesamt acht mal serviert. Das absolute kulinarische Highlight der gesamten Tour. Ich komme mit meinen Zimmernachbarn ins Gespräch. Hans, Klaus und Hubert vom MTB-Club „Besorgte-Biker Oer-Erkenschwick“ sind von Susa aus auf dem Weg zum Mittelmeer. Einer musste wegen Krankheit absagen, ein anderer musste am Colle di Sampeyre die Segel streichen. Ich bin gespannt, ob sie tatsächlich angekommen sind. Zehn kleine Negerlein... Genug davon. Hauptsache, ich habe ein Bett zum Schlafen. Wir sitzen noch bis halb elf im Restaurant. Die Nacht wird also etwas kürzer ausfallen. Vorsorglich setze ich meine Ohrenstöpsel ein. Zwei von den dreien sind nach eigenem Bekunden die reinsten Sägewerke.
Ich bin diese Etappe gefahren
am
Von IkeTurner –
Gegen sieben wache ich auf. Draußen lugt schon die Sonne über die Berggipfel. Blauer Himmel, wie jeden Tag. Zwei meiner Zimmernachbarn sind schon fertig angezogen. Dank Ohrenstöpsel habe ich geschlafen wie ein Toter. Von Sägewerk keine Spur. Für 7:30 ist das Frühstück angesetzt. Endlich mal ein echtes Radlerfrühstück: Müsli, Milch, Joghurt, Brot, Baguette. Mehr als man hätte essen können. Hier muss sich selbst das Gite d'Etappe in Villar D'Arene geschlagen geben.
Tutto kompletti stehen 60 € auf der Rechnung, incl. Essen und Getränke. Das geht schwer in Ordnung. Um kurz vor 9 Uhr verabschiede ich mich von meinen Zimmernachbarn. Ich fahre direkt weiter über den Esischie. Die drei wollen über unwegsame Pfade am Bergkamm entlang über die Westseite zur Passhöhe des Colle dei Morti. Die Straße verläuft geraume Zeit durch lichter werdenden Nadelwald. Unterwegs trifft man immer wieder auf grasende Kuhherden. Meistens behütet von „Ziegenpeter“ oder „Heidi“. Zwischendurch gilt es mehrfach, über kurze Steilstücke von 15-20% hinwegzudrücken. In der Morgensonne auf dem Weg zum ersten Pass geht das aber noch flüssig von der Hand. Außerdem mache ich immer mal wieder kurze Pausen zwecks Fotodoku. Endlich hab ich einen dieser Riesengrashüpfer vor das Objektiv bekommen. Ein Prachtexemplar. Und ich bin auf 2 Meter an ein Murmeltier herangekommen. Sonst eigentlich ziemlich scheue Gesellen.
Nachdem die Straße aus dem Wald hervortritt, macht man am Ende des Talkessels einen weitläufigen Linksbogen um einen Almhof. Dort werden gerade die Kühe in den Stall getrieben. Wildes Glockengebimmel fast wie in der Schweiz. Die letzten Meter gehen durch nunmehr kargen Fels und grüne Wiesen auf schmaler Straße zum Colle delle Esischie. 2366 Meter üNN sind erreicht. Statt der Abfahrt nach Valgrana zu folgen, geht es die letzten einhundert Höhenmeter auf der anderen Seite des Felskammes weiter bis zum Colle dei Morti, auch als Colle Fauniera bekannt. Zwei, drei Autos und eine Handvoll Radfahrer genießen hier für ein paar Minuten die Aussicht. Ansonsten ist man hier oben fernab des Massentourismus. Keine Hütte, kein Lokal, keine Wohnmobile. Keine typische Passhöhe, sondern eine ganz besondere. Wenn Fuchs und Hase sich irgendwo gute Nacht sagen, dann höchstwahrscheinlich hier oben. Auf dem Weg zum dritten offiziellen Pass über das „Talkreuz“, geht es auf leicht abfallender Straße, links und rechts umzingelt von schroffem Fels zum Abzweig des Colle Valcavera. Wer hier rechts abbiegt, sollte mindestens mit dem Trekkingrad unterwegs sein. Wer die Reifen seines Renners glühen lassen will, hält sich jetzt links und stürzt sich in die Abfahrt nach Demonte. Ich, ich ich! Oben sollte man jedoch auf Splitt in den Kurven achten.
Nach ein paar Kilometern kommt man sogar in den Genuss einer nagelneuen Teerdecke. Dazu werden viele schnelle Kurvenkombinationen serviert. Viel zu schade, um da mit 10 km/h hochzuhecheln. Zum wiederholten Male bestätigt sich meine kurzfristige Planänderung, die südliche Runde im statt gegen den Uhrzeigersinn zu fahren. In Demonte angekommen, empfängt einen die schwüle Mittagshitze. Nach kurzem Zwischenstopp am Markt, zwei saftigen Birnen und zwei Bananen später, geht es mit Rückenwind ein Stück Landstraße hinauf bis Pratolungo, dem Abzweig zum Col de la Lombarde. Die ersten Kilometer fährt man im Schatten des Waldes, so dass die Hitze erträglich wird. Nach einigen Kilometern lichtet sich der Wald wieder. Über ein architektonisch beeindruckendes Serpentinenstück erreicht man eine endlos lange Hochebene, an dessen Ende die Straße links abzweigt. Wem es bis hierhin reicht, kann der Straße folgend den Talkessel umrunden und im Santuario di Santa Anna Station machen. Von hier an sind es jetzt „nur“ noch 9 km bis zur Passhöhe. In einigen flachen Serpentinen betritt man wieder den Wald, durch den sich die Straße in langen Rampen den Hang hinauf schlängelt. Mit erreichen der Baumgrenze wird es wieder etwas flacher. Die Passhöhe ist schon zu erahnen. Noch ein, zwei Kilometer durch grüne Wiesen, unterbrochen von Geröll und kleineren Seen wird diese endlich erreicht.
Landschaftlich bin ich positiv überrascht. Das hätte man im unteren Teil des Passes noch nicht erwartet.
An einer mobilen Imbissbude schütte ich mir eine Dose Orangina runter und schiebe ein Twix hinterher. Orangina ist übrigens der beste Fanta-Ersatz, den ich kenne, und der das Original stehen lässt, wie Testo-Floyd die Konkurrenz. Ich übertrete die italienisch-französische Grenze und rolle bis Isola 2000. Auf dem gegenüberliegenden Hang oberhalb der Retortenstadt sind die unbewachsenen Skipisten zu erkennen. Sieht schon etwas merkwürdig aus. Die Abfahrt unterhalb von Isola ist autobahngleich. 10 m breite Straße, großzügige Kehren, moderates Gefälle. Nur der Gegenwind verhindert hohe Geschwindigkeiten. Ist mir aber gerade auch nicht nach. Entspannt rolle ich im Sattel bis Isola hinunter. Im Gegensatz zu seiner 1000 m höher gelegenen Namenserbin ist Isola ein typisch französisches Dorf. Enge Gassen und alte Häuser in halbwegs gepflegter Erscheinung. Es gibt zwei *-Hotels. Eins davon ist ausgebucht. Das andere halbleer. 33,20€ incl. Frühstück, WC/Dusche auf der Etage. Normaler Preis. Lediglich die Ausstattung scheint aus dem vorletzten Jahrhundert zu stammen. Die Schlösser und Griffe der schweren Holztüren schlackern herum wie ein Sack Nüsse. Die Fensterläden hinterlassen keinen besseren Eindruck. Sehr rustikal. Fast schon romantisch. Ein Bild von 1850 verstärkt meine Annahme, dass sich hier seit der Erbauung nicht viel verändert hat. Okay, Toilettenschüsseln mit hochklappbarer Brille haben auch hier das Ende des sanitären Mittelalters eingeläutet.
Leider ist das Restaurant meines Hotels mangels Personals geschlossen. Geh ich eben 10m weiter. Ich bestelle das Tagesgericht. Es gibt undefinierbares grünes Kompott (sieht etwas aus wie Sesamkörner) auf feinem Schinken. Dazu frittierte Kartoffelviertel. Natürlich darf ein Korb Baguette, das diesmal wirklich genießbar ist, nicht fehlen.
Nebenbei überschlage ich die bisher zurückgelegten Kilometer und Höhenmeter. Selbst wenn ich die Option Izoard nicht wahrnehme, werden die 20.000 Höhenmeter diesmal geknackt - Ziel erreicht. Beim Abendessen wird mir ebenfalls klar, warum das Hotel, in dessen Restaurant ich sitze, ausgebucht war. Eine komplette Mountainbikergruppe von „Serac-Joe.de“, allen voran Achim Zahn, Extrem-MTBler und Autor zweier Alpencrossbücher, haben hier ihr Nachtquartier gebucht und fallen über das Essen her. So einen schwarz-weiß-schwarz-Kontrast zwischen Finger-Hand-Arm hab ich noch nie gesehen. Sollte es vielleicht mal mit „Roeckl Solar“ versuchen - wie auch immer. Ich bezahle und geh ins Bett. Das letzte Mal in diesem Urlaub.
Tutto kompletti stehen 60 € auf der Rechnung, incl. Essen und Getränke. Das geht schwer in Ordnung. Um kurz vor 9 Uhr verabschiede ich mich von meinen Zimmernachbarn. Ich fahre direkt weiter über den Esischie. Die drei wollen über unwegsame Pfade am Bergkamm entlang über die Westseite zur Passhöhe des Colle dei Morti. Die Straße verläuft geraume Zeit durch lichter werdenden Nadelwald. Unterwegs trifft man immer wieder auf grasende Kuhherden. Meistens behütet von „Ziegenpeter“ oder „Heidi“. Zwischendurch gilt es mehrfach, über kurze Steilstücke von 15-20% hinwegzudrücken. In der Morgensonne auf dem Weg zum ersten Pass geht das aber noch flüssig von der Hand. Außerdem mache ich immer mal wieder kurze Pausen zwecks Fotodoku. Endlich hab ich einen dieser Riesengrashüpfer vor das Objektiv bekommen. Ein Prachtexemplar. Und ich bin auf 2 Meter an ein Murmeltier herangekommen. Sonst eigentlich ziemlich scheue Gesellen.
Nachdem die Straße aus dem Wald hervortritt, macht man am Ende des Talkessels einen weitläufigen Linksbogen um einen Almhof. Dort werden gerade die Kühe in den Stall getrieben. Wildes Glockengebimmel fast wie in der Schweiz. Die letzten Meter gehen durch nunmehr kargen Fels und grüne Wiesen auf schmaler Straße zum Colle delle Esischie. 2366 Meter üNN sind erreicht. Statt der Abfahrt nach Valgrana zu folgen, geht es die letzten einhundert Höhenmeter auf der anderen Seite des Felskammes weiter bis zum Colle dei Morti, auch als Colle Fauniera bekannt. Zwei, drei Autos und eine Handvoll Radfahrer genießen hier für ein paar Minuten die Aussicht. Ansonsten ist man hier oben fernab des Massentourismus. Keine Hütte, kein Lokal, keine Wohnmobile. Keine typische Passhöhe, sondern eine ganz besondere. Wenn Fuchs und Hase sich irgendwo gute Nacht sagen, dann höchstwahrscheinlich hier oben. Auf dem Weg zum dritten offiziellen Pass über das „Talkreuz“, geht es auf leicht abfallender Straße, links und rechts umzingelt von schroffem Fels zum Abzweig des Colle Valcavera. Wer hier rechts abbiegt, sollte mindestens mit dem Trekkingrad unterwegs sein. Wer die Reifen seines Renners glühen lassen will, hält sich jetzt links und stürzt sich in die Abfahrt nach Demonte. Ich, ich ich! Oben sollte man jedoch auf Splitt in den Kurven achten.
Nach ein paar Kilometern kommt man sogar in den Genuss einer nagelneuen Teerdecke. Dazu werden viele schnelle Kurvenkombinationen serviert. Viel zu schade, um da mit 10 km/h hochzuhecheln. Zum wiederholten Male bestätigt sich meine kurzfristige Planänderung, die südliche Runde im statt gegen den Uhrzeigersinn zu fahren. In Demonte angekommen, empfängt einen die schwüle Mittagshitze. Nach kurzem Zwischenstopp am Markt, zwei saftigen Birnen und zwei Bananen später, geht es mit Rückenwind ein Stück Landstraße hinauf bis Pratolungo, dem Abzweig zum Col de la Lombarde. Die ersten Kilometer fährt man im Schatten des Waldes, so dass die Hitze erträglich wird. Nach einigen Kilometern lichtet sich der Wald wieder. Über ein architektonisch beeindruckendes Serpentinenstück erreicht man eine endlos lange Hochebene, an dessen Ende die Straße links abzweigt. Wem es bis hierhin reicht, kann der Straße folgend den Talkessel umrunden und im Santuario di Santa Anna Station machen. Von hier an sind es jetzt „nur“ noch 9 km bis zur Passhöhe. In einigen flachen Serpentinen betritt man wieder den Wald, durch den sich die Straße in langen Rampen den Hang hinauf schlängelt. Mit erreichen der Baumgrenze wird es wieder etwas flacher. Die Passhöhe ist schon zu erahnen. Noch ein, zwei Kilometer durch grüne Wiesen, unterbrochen von Geröll und kleineren Seen wird diese endlich erreicht.
Landschaftlich bin ich positiv überrascht. Das hätte man im unteren Teil des Passes noch nicht erwartet.
An einer mobilen Imbissbude schütte ich mir eine Dose Orangina runter und schiebe ein Twix hinterher. Orangina ist übrigens der beste Fanta-Ersatz, den ich kenne, und der das Original stehen lässt, wie Testo-Floyd die Konkurrenz. Ich übertrete die italienisch-französische Grenze und rolle bis Isola 2000. Auf dem gegenüberliegenden Hang oberhalb der Retortenstadt sind die unbewachsenen Skipisten zu erkennen. Sieht schon etwas merkwürdig aus. Die Abfahrt unterhalb von Isola ist autobahngleich. 10 m breite Straße, großzügige Kehren, moderates Gefälle. Nur der Gegenwind verhindert hohe Geschwindigkeiten. Ist mir aber gerade auch nicht nach. Entspannt rolle ich im Sattel bis Isola hinunter. Im Gegensatz zu seiner 1000 m höher gelegenen Namenserbin ist Isola ein typisch französisches Dorf. Enge Gassen und alte Häuser in halbwegs gepflegter Erscheinung. Es gibt zwei *-Hotels. Eins davon ist ausgebucht. Das andere halbleer. 33,20€ incl. Frühstück, WC/Dusche auf der Etage. Normaler Preis. Lediglich die Ausstattung scheint aus dem vorletzten Jahrhundert zu stammen. Die Schlösser und Griffe der schweren Holztüren schlackern herum wie ein Sack Nüsse. Die Fensterläden hinterlassen keinen besseren Eindruck. Sehr rustikal. Fast schon romantisch. Ein Bild von 1850 verstärkt meine Annahme, dass sich hier seit der Erbauung nicht viel verändert hat. Okay, Toilettenschüsseln mit hochklappbarer Brille haben auch hier das Ende des sanitären Mittelalters eingeläutet.
Leider ist das Restaurant meines Hotels mangels Personals geschlossen. Geh ich eben 10m weiter. Ich bestelle das Tagesgericht. Es gibt undefinierbares grünes Kompott (sieht etwas aus wie Sesamkörner) auf feinem Schinken. Dazu frittierte Kartoffelviertel. Natürlich darf ein Korb Baguette, das diesmal wirklich genießbar ist, nicht fehlen.
Nebenbei überschlage ich die bisher zurückgelegten Kilometer und Höhenmeter. Selbst wenn ich die Option Izoard nicht wahrnehme, werden die 20.000 Höhenmeter diesmal geknackt - Ziel erreicht. Beim Abendessen wird mir ebenfalls klar, warum das Hotel, in dessen Restaurant ich sitze, ausgebucht war. Eine komplette Mountainbikergruppe von „Serac-Joe.de“, allen voran Achim Zahn, Extrem-MTBler und Autor zweier Alpencrossbücher, haben hier ihr Nachtquartier gebucht und fallen über das Essen her. So einen schwarz-weiß-schwarz-Kontrast zwischen Finger-Hand-Arm hab ich noch nie gesehen. Sollte es vielleicht mal mit „Roeckl Solar“ versuchen - wie auch immer. Ich bezahle und geh ins Bett. Das letzte Mal in diesem Urlaub.
Ich bin diese Etappe gefahren
am
Von IkeTurner –
Der letzte Sonnenaufgang im schönen Frankreich beendet die Nachtruhe. Pünktlich um 7:30 h sitze ich am Frühstückstisch. Nicht besonders reichhaltig, eher unterer Durchschnitt. Wenigstens ist das Personal freundlich. Der Inhaber kann sogar etwas deutsch. Kurz nach acht sitze ich auf dem Rad. Es verspricht wieder ein warmer Tag zu werden. Vierzig Kilometer sind es von hier aus zum Col de la Bonette. Ein langes Ding. Als Sahnehäubchen obendrauf noch der Cime de la Bonette, eine zu umrundende Bergspitze, die nur dazu da ist, den Franzosen den Titel „höchste befahrbare Route Europas“ zu sichern . Nichtmal das gelingt, weil die Ötztaler Gletscherstraße höher geht. Es ist also nur die höchste Nicht-Sackgasse Europas - ziemlich verklausulierte Einzigartigkeit.
Bis St. Etienne de Tinee ist es überwiegend flach. Lediglich zwei Serpentinen sind zu überwinden, um aber sogleich diese gerade gewonnenen Höhenmeter in einer kurzen Abfahrt wieder zu verlieren. Hätte ich das vorher gewusst, wäre ich wie die beiden Holländer, die ich in St. Etienne treffe, einer kleinen Straße den Fluss entlang gefolgt, ohne unnötig Kraft zu verpulvern (in Google Earth kann man diese Straße erkennen - sie scheint tatsächlich asphaltiert zu sein und biegt hinter dem Dorf Le Bouguet und 200 m hinter der darauf folgenden Brücke über die Tinée nach rechts ab). Von den beiden erfahre ich, dass ich Glück mit dem Wetter habe. Während ich 100 km weiter nördlich bei bestem Wetter über Madeleine, Roselend und Iseran gefahren bin, hat es hier unten jeden Tag gegen Nachmittag teils heftige Gewitterschauer gegeben. Der Wettergott ist eben mit dem Weltmeister der Herzen - und Tschüss Oranje.
Der Aufstieg zum Bonette ist eigentlich recht einfach zu fahren. Erst ab Bousieyas nimmt die Steigung leicht zu. Hier verlässt die Straße den Talkessel und windet sich am rechten Rand der Bergkette am Kamm entlang bis zum Gipfel der Cime de la Bonette, der sich in der Ferne schon erahnen lässt. Ein langer Weg bis dorthin, obwohl die Höhendifferenz nicht soo groß aussieht. Erst der Blick auf den Höhenmesser holt einen wieder auf den Boden der Tatsachen zurück. Noch unglaubliche 800 Höhenmeter sind bis zum Pass zu überwinden.
Nachdem man einige eher flache Kehren im rechten Teil des Anstiegs bewältigt hat, beginnt mit der Durchfahrt der Ruinen eines verlassenen Bergdorfes der mutmaßlich schwerste Teil des Anstiegs. Kurz unterhalb des Bergkammes umrundet man auf steiler Straße das Ende des Talkessels, bis man auf 2715 Meter den Col de la Bonette erreicht. Wer jetzt noch ein paar Körner in Reserve hat, nimmt noch die extrem steile Schleife um den Gipfel des Cime de la Bonette. Knüppelharte achtzig Höhenmeter geht es nach oben. Wer dann noch gut zu Fuß ist, kann nach weiteren sechzig Höhenmeter die Rundumsicht vom Gipfel genießen. Das war mir aber dann doch zu viel des Guten. Das Panorama über die graue Mondlandschaft des Bonette ist auch so ausreichend genial gewesen.
Bei der Abfahrt vom Gipfel kommen mir die beiden Holländer vom Vormittag entgegen. Sie waren doch schneller als ich dachte. An der Passhöhe des Col de la Bonette (leider kein Passchild) mache ich noch einen Fotostopp. Dass die Schleife um den Cime eine Einbahnstraße ist, und ich falsch herum gefahren bin, hab ich erst nachher erfahren. Lag wohl an der sauerstoffarmen Höhenluft.
Die Abfahrt nach Jausiers ist, wie sollte es auch anders sein in Frankreich, auf den ersten Kilometern nagelneu asphaltiert. Da heute der letzte Tag ist, lass ich es etwas langsamer angehen. Nichtsdestotrotz hebt mir im unteren Teil, der wieder etwas älteren Belag hat, eine Welle das Hinterrad an. Adrenalin - und das am letzten Tag. Nach kurzer Tankpause in der schwül-heißen Luft von Jausiers starte ich in den letzten Pass meiner Tour: den Col de Vars. Zwanzig Kilometer, 900 Höhenmeter. Eigentlich nichts besonderes. Aber der nächste Pass ist ja bekanntlich immer der schwerste. Verfolgt von einer fünfköpfigen Mountainbikergruppe quäle ich mich nach den ersten flachen sechs Kilometern die verbleibenden sechzehn Kilometer in Richtung Col de Vars hoch. Auch landschaftlich reißt es einen nicht vom Hocker. Zu stark ist der Kontrast zum Bonette, dessen Mondlandschaft ein ganz anderes Kaliber ist. Nach oben muss ich trotzdem.
2100 müNN. Die Lust ist auf dem Nullpunkt angelangt. Die Steigungsprozente jedoch weit davon entfernt. Unten eher seicht, nimmt die Steigung im oberen Teil deutlich bis auf zweistellige Werte zu. Einen MTBler muss ich ziehen lassen. Die anderen vier konnte ich parieren. Auf den letzten zwei Kilometern tun die Oberschenkel derart weh, dass ich nur noch am Pedal ziehen kann. So langsam kapituliert der Körper vor den Anstrengungen der letzten acht Tage. 20000 Höhenmeter sind doch nicht so ohne. Das merke ich jetzt. Wenigstens passt das Timing. Das war der letzte Pass. Ab hier muss ich nur noch bergab rollen bis Guillestre. Ich sitze noch eine viertel Stunde mit einer Orangina zum letzten Mal in der Sonne auf der Passhöhe und lasse die letzten acht Tage Revue passieren: Warum macht man eigentlich so einen bescheuerten Urlaub? Sollte Urlaub nicht entspannend sein? Nach den Strapazen am Galibier nach zehnstündiger Autofahrt, den 21 Kehren hinauf nach l'Alpe-d'Huez, den endlosen Kilometern zum Croix de Fer, die Hitze am Col de la Madeleine, dem Gegenwind am Col d'Agnel, der miesen Matratze in St. Jean de Maurienne und endlosen weiteren körperlichen Unannehmlichkeiten kann ich nur sagen: Nie war Urlaub entspannender. Wenn auch nicht unbedingt für den Körper. Für den Geist allemal.
Man fährt ja nicht einfach irgendwo her oder hoch. Das gilt vielleicht für die Fahrer motorisierter Zwei- und Vierräder. Gas ist rechts, ein bisschen am Lenkrad kurbeln, schon ist man oben. So leicht geht das. Am Parkplatz auf der Passhöhe Kind und Kegel aus dem Wohnmobil schaufeln, „ooh, aah, wie schön hier oben“ rufen, eine Runde auf Sandalen die Beine vertreten und hier und da ein Foto knipsen, bevor der Sonntagsausflug weiter geht - so kann man natürlich auch einen Alpenpass befahren. Keine Frage. Das ist vielleicht sogar legitim.
Um einen Pass zu ERfahren, muss man aber schon mit eigener Muskelkraft da hoch. Ob zu Fuß, per Rennrad oder, eigentlich die Krönung, per MTB fernab der Straßen. Erst dann kommt man in den Genuss des erhebenden Gefühls, was einen auf den letzten einhundert Metern vor der Passhöhe überkommt. Der Kampf Mann gegen Berg ist beendet. Der Berg hat verloren. Alle Schmerzen sind wie weggeblasen, die Qualen des Anstiegs vergessen. Die zweifelnde Stimme, warum man sich so so eine @#$%&§ überhaupt antut, verstummt. Wenn man dann oben auf der Passhöhe sitzt und sich fragt, über was man die letzten drei Stunden nachgedacht hat - neben dem alleinigen Gedanken, wann man endlich oben ist, oder dem ungeduldigen Blick auf den Höhenmesser gibt es da eigentlich nicht viel. Man denkt an gar nichts. Entspannung pur. So ungefähr stelle ich mir Yoga vor - lässt man die Anwesenheit des zu überwindenden Berges mal außen vor.
Die motorisierte Meute ist in diesem Augenblick in Gedanken nichts mehr wert und eigentlich nicht würdig, hier oben zu sein. Wenn ihr wüsstet, was euch entgeht - nicht zu vergessen den Adrenalinrausch der nachfolgenden Abfahrt. Windweste anziehen, Bremsen lösen und ab gehts. Siebzig, Achtzig Stundenkilometer. Wer Mutig ist, noch mehr. 23 mm breite Reifen, primitive Seilzugbremsen. Keine Federung. Rock`n`roll... auf einmal ist der Berg dein bester Freund. Die größte Belohnung für den schweißtreibenden Anstieg. Schade, dass dieser so viel länger dauert als die Abfahrt.
Lange Rede, kurzer Sinn: Neben den vier Dingen, die man im Leben einmal machen muss, („Einen Baum pflanzen, ein Haus bauen, einen Sohn zeugen, ein Buch schreiben”), sollte „die Befahrung eines Alpenpasses mit dem Rad“ als fünfter Punkt der Liste hinzugefügt werden.
Schnitt. Die Viertelstunde ist schon längst vorbei, und die Abfahrt nach Guillestre gut ausgebaut. Hier ist Vollgas angesagt - nur heute nicht; zehn Autos in Kolonne, als letztes ein Transporter mit Hänger. Nicht zu überholen, keine Chance. Egal, hab ich die letzten Tage meine Schutzengel doch oft genug in Atem gehalten. Am letzten Tag muss ich nichts mehr riskieren.
15:30 Uhr: Ich rolle in Guillestre ein. Mein Auto steht noch dort, wo ich es geparkt hatte. Da ich vergessen hatte zu gucken, ob am Anfang des schmalen Parkstreifens ein Parkverbotsschild oder ähnliches steht, war ich mir dessen nämlich nicht so sicher. Glück gehabt. Jetzt muss ich nur noch nach Hause. Schlappe 1200 km. Nach Verstauen von Rad und Gepäck im Auto gehe ich noch kurz in den Supermarkt. Neben diverser Wegzehrung müssen zwei Flaschen Wasser für eine Katzenwäsche auf offener Straße reichen. Lohnen tut sich das aber eigentlich nicht. Bei 39°C läuft der Schweiß in Strömen.
16:30 Uhr. Abfahrt. Über Briancon und den Col du Lautaret (mein Gott, was für eine Raserstrecke) erreiche ich nach einer halben Ewigkeit Grenoble. Ab hier kann man wieder Autobahn fahren. Gas ist rechts! In Genf biege ich das erste Mal falsch ab. Anstatt direkt am Grenzübergang zu stehen, bin ich am anderen Ende der Stadt abgefahren. Kostenpunkt: Zehn Minuten. Das gleiche Spiel dann nochmal in Lausanne. Die Konzentration nähert sich zusehends ihrem Tiefpunkt. Bis kurz vor Freiburg komme ich noch. Dann fallen mir schließlich langsam die Augen zu. Auf einem Rastplatz mache ich es mir im Auto (un-) bequem, um nach knappen drei Stunden Schlaf wieder aufzubrechen. Mit den ersten Sonnenstrahlen werde ich dann auch wieder hellwach... Um 7:30 Uhr ist es dann soweit, Autobahnkreuz Dortmund Nord-Ost. Home sweet Home!
Bis St. Etienne de Tinee ist es überwiegend flach. Lediglich zwei Serpentinen sind zu überwinden, um aber sogleich diese gerade gewonnenen Höhenmeter in einer kurzen Abfahrt wieder zu verlieren. Hätte ich das vorher gewusst, wäre ich wie die beiden Holländer, die ich in St. Etienne treffe, einer kleinen Straße den Fluss entlang gefolgt, ohne unnötig Kraft zu verpulvern (in Google Earth kann man diese Straße erkennen - sie scheint tatsächlich asphaltiert zu sein und biegt hinter dem Dorf Le Bouguet und 200 m hinter der darauf folgenden Brücke über die Tinée nach rechts ab). Von den beiden erfahre ich, dass ich Glück mit dem Wetter habe. Während ich 100 km weiter nördlich bei bestem Wetter über Madeleine, Roselend und Iseran gefahren bin, hat es hier unten jeden Tag gegen Nachmittag teils heftige Gewitterschauer gegeben. Der Wettergott ist eben mit dem Weltmeister der Herzen - und Tschüss Oranje.
Der Aufstieg zum Bonette ist eigentlich recht einfach zu fahren. Erst ab Bousieyas nimmt die Steigung leicht zu. Hier verlässt die Straße den Talkessel und windet sich am rechten Rand der Bergkette am Kamm entlang bis zum Gipfel der Cime de la Bonette, der sich in der Ferne schon erahnen lässt. Ein langer Weg bis dorthin, obwohl die Höhendifferenz nicht soo groß aussieht. Erst der Blick auf den Höhenmesser holt einen wieder auf den Boden der Tatsachen zurück. Noch unglaubliche 800 Höhenmeter sind bis zum Pass zu überwinden.
Nachdem man einige eher flache Kehren im rechten Teil des Anstiegs bewältigt hat, beginnt mit der Durchfahrt der Ruinen eines verlassenen Bergdorfes der mutmaßlich schwerste Teil des Anstiegs. Kurz unterhalb des Bergkammes umrundet man auf steiler Straße das Ende des Talkessels, bis man auf 2715 Meter den Col de la Bonette erreicht. Wer jetzt noch ein paar Körner in Reserve hat, nimmt noch die extrem steile Schleife um den Gipfel des Cime de la Bonette. Knüppelharte achtzig Höhenmeter geht es nach oben. Wer dann noch gut zu Fuß ist, kann nach weiteren sechzig Höhenmeter die Rundumsicht vom Gipfel genießen. Das war mir aber dann doch zu viel des Guten. Das Panorama über die graue Mondlandschaft des Bonette ist auch so ausreichend genial gewesen.
Bei der Abfahrt vom Gipfel kommen mir die beiden Holländer vom Vormittag entgegen. Sie waren doch schneller als ich dachte. An der Passhöhe des Col de la Bonette (leider kein Passchild) mache ich noch einen Fotostopp. Dass die Schleife um den Cime eine Einbahnstraße ist, und ich falsch herum gefahren bin, hab ich erst nachher erfahren. Lag wohl an der sauerstoffarmen Höhenluft.
Die Abfahrt nach Jausiers ist, wie sollte es auch anders sein in Frankreich, auf den ersten Kilometern nagelneu asphaltiert. Da heute der letzte Tag ist, lass ich es etwas langsamer angehen. Nichtsdestotrotz hebt mir im unteren Teil, der wieder etwas älteren Belag hat, eine Welle das Hinterrad an. Adrenalin - und das am letzten Tag. Nach kurzer Tankpause in der schwül-heißen Luft von Jausiers starte ich in den letzten Pass meiner Tour: den Col de Vars. Zwanzig Kilometer, 900 Höhenmeter. Eigentlich nichts besonderes. Aber der nächste Pass ist ja bekanntlich immer der schwerste. Verfolgt von einer fünfköpfigen Mountainbikergruppe quäle ich mich nach den ersten flachen sechs Kilometern die verbleibenden sechzehn Kilometer in Richtung Col de Vars hoch. Auch landschaftlich reißt es einen nicht vom Hocker. Zu stark ist der Kontrast zum Bonette, dessen Mondlandschaft ein ganz anderes Kaliber ist. Nach oben muss ich trotzdem.
2100 müNN. Die Lust ist auf dem Nullpunkt angelangt. Die Steigungsprozente jedoch weit davon entfernt. Unten eher seicht, nimmt die Steigung im oberen Teil deutlich bis auf zweistellige Werte zu. Einen MTBler muss ich ziehen lassen. Die anderen vier konnte ich parieren. Auf den letzten zwei Kilometern tun die Oberschenkel derart weh, dass ich nur noch am Pedal ziehen kann. So langsam kapituliert der Körper vor den Anstrengungen der letzten acht Tage. 20000 Höhenmeter sind doch nicht so ohne. Das merke ich jetzt. Wenigstens passt das Timing. Das war der letzte Pass. Ab hier muss ich nur noch bergab rollen bis Guillestre. Ich sitze noch eine viertel Stunde mit einer Orangina zum letzten Mal in der Sonne auf der Passhöhe und lasse die letzten acht Tage Revue passieren: Warum macht man eigentlich so einen bescheuerten Urlaub? Sollte Urlaub nicht entspannend sein? Nach den Strapazen am Galibier nach zehnstündiger Autofahrt, den 21 Kehren hinauf nach l'Alpe-d'Huez, den endlosen Kilometern zum Croix de Fer, die Hitze am Col de la Madeleine, dem Gegenwind am Col d'Agnel, der miesen Matratze in St. Jean de Maurienne und endlosen weiteren körperlichen Unannehmlichkeiten kann ich nur sagen: Nie war Urlaub entspannender. Wenn auch nicht unbedingt für den Körper. Für den Geist allemal.
Man fährt ja nicht einfach irgendwo her oder hoch. Das gilt vielleicht für die Fahrer motorisierter Zwei- und Vierräder. Gas ist rechts, ein bisschen am Lenkrad kurbeln, schon ist man oben. So leicht geht das. Am Parkplatz auf der Passhöhe Kind und Kegel aus dem Wohnmobil schaufeln, „ooh, aah, wie schön hier oben“ rufen, eine Runde auf Sandalen die Beine vertreten und hier und da ein Foto knipsen, bevor der Sonntagsausflug weiter geht - so kann man natürlich auch einen Alpenpass befahren. Keine Frage. Das ist vielleicht sogar legitim.
Um einen Pass zu ERfahren, muss man aber schon mit eigener Muskelkraft da hoch. Ob zu Fuß, per Rennrad oder, eigentlich die Krönung, per MTB fernab der Straßen. Erst dann kommt man in den Genuss des erhebenden Gefühls, was einen auf den letzten einhundert Metern vor der Passhöhe überkommt. Der Kampf Mann gegen Berg ist beendet. Der Berg hat verloren. Alle Schmerzen sind wie weggeblasen, die Qualen des Anstiegs vergessen. Die zweifelnde Stimme, warum man sich so so eine @#$%&§ überhaupt antut, verstummt. Wenn man dann oben auf der Passhöhe sitzt und sich fragt, über was man die letzten drei Stunden nachgedacht hat - neben dem alleinigen Gedanken, wann man endlich oben ist, oder dem ungeduldigen Blick auf den Höhenmesser gibt es da eigentlich nicht viel. Man denkt an gar nichts. Entspannung pur. So ungefähr stelle ich mir Yoga vor - lässt man die Anwesenheit des zu überwindenden Berges mal außen vor.
Die motorisierte Meute ist in diesem Augenblick in Gedanken nichts mehr wert und eigentlich nicht würdig, hier oben zu sein. Wenn ihr wüsstet, was euch entgeht - nicht zu vergessen den Adrenalinrausch der nachfolgenden Abfahrt. Windweste anziehen, Bremsen lösen und ab gehts. Siebzig, Achtzig Stundenkilometer. Wer Mutig ist, noch mehr. 23 mm breite Reifen, primitive Seilzugbremsen. Keine Federung. Rock`n`roll... auf einmal ist der Berg dein bester Freund. Die größte Belohnung für den schweißtreibenden Anstieg. Schade, dass dieser so viel länger dauert als die Abfahrt.
Lange Rede, kurzer Sinn: Neben den vier Dingen, die man im Leben einmal machen muss, („Einen Baum pflanzen, ein Haus bauen, einen Sohn zeugen, ein Buch schreiben”), sollte „die Befahrung eines Alpenpasses mit dem Rad“ als fünfter Punkt der Liste hinzugefügt werden.
Schnitt. Die Viertelstunde ist schon längst vorbei, und die Abfahrt nach Guillestre gut ausgebaut. Hier ist Vollgas angesagt - nur heute nicht; zehn Autos in Kolonne, als letztes ein Transporter mit Hänger. Nicht zu überholen, keine Chance. Egal, hab ich die letzten Tage meine Schutzengel doch oft genug in Atem gehalten. Am letzten Tag muss ich nichts mehr riskieren.
15:30 Uhr: Ich rolle in Guillestre ein. Mein Auto steht noch dort, wo ich es geparkt hatte. Da ich vergessen hatte zu gucken, ob am Anfang des schmalen Parkstreifens ein Parkverbotsschild oder ähnliches steht, war ich mir dessen nämlich nicht so sicher. Glück gehabt. Jetzt muss ich nur noch nach Hause. Schlappe 1200 km. Nach Verstauen von Rad und Gepäck im Auto gehe ich noch kurz in den Supermarkt. Neben diverser Wegzehrung müssen zwei Flaschen Wasser für eine Katzenwäsche auf offener Straße reichen. Lohnen tut sich das aber eigentlich nicht. Bei 39°C läuft der Schweiß in Strömen.
16:30 Uhr. Abfahrt. Über Briancon und den Col du Lautaret (mein Gott, was für eine Raserstrecke) erreiche ich nach einer halben Ewigkeit Grenoble. Ab hier kann man wieder Autobahn fahren. Gas ist rechts! In Genf biege ich das erste Mal falsch ab. Anstatt direkt am Grenzübergang zu stehen, bin ich am anderen Ende der Stadt abgefahren. Kostenpunkt: Zehn Minuten. Das gleiche Spiel dann nochmal in Lausanne. Die Konzentration nähert sich zusehends ihrem Tiefpunkt. Bis kurz vor Freiburg komme ich noch. Dann fallen mir schließlich langsam die Augen zu. Auf einem Rastplatz mache ich es mir im Auto (un-) bequem, um nach knappen drei Stunden Schlaf wieder aufzubrechen. Mit den ersten Sonnenstrahlen werde ich dann auch wieder hellwach... Um 7:30 Uhr ist es dann soweit, Autobahnkreuz Dortmund Nord-Ost. Home sweet Home!
Ich bin diese Etappe gefahren
am