Grenzkontrolle 294,6 km / 2879 Hm
Redaktionell bestätigte Tour von Uwe
Von Uwe –
11.06.2016
Grenzkontrolle – nein, das hat nichts mit Flüchtlingen zu tun!
Grenzkontrolle bezieht sich hier auch nicht auf eine Staatsgrenze, bestenfalls auf eine Landesgrenze, bzw. auf eine ehemalige Grenze zwischen 2 Welten.
Grenzkontrolle – die eigenen Grenzen gesucht, gefunden und beinahe überschritten.
Die Idee
…eines kranken Hirns…
In den vergangenen Jahren gab es ja immer mal wieder Radtouren zu Grenzen und darüber hinweg. In 2009 fing alles an, als Sohn Benni und ich eine Tagestour in ein nichtbenachbartes Bundesland (besser: einen nichtbenachbarten Freistaat) machten, indem wir von unserem Wohnort Soest in Westfalen an die bayerische Grenze im Spessart fuhren. In 2010 ging es einmal innerhalb eines Tages von Soest nach Thüringen, was ja auch nicht an NRW angrenzt, aber trotzdem recht einfach zu erreichen ist. 2011 fuhren wir an einem Tag nach Niederlande und zurück. Danach wurden eher die eigenen Grenzen erforscht, also wie viele Pässe an einem Tag, wie viele Höhenmeter an einem Tag oder wie viele verschiedene Auffahrten auf einen einzigen Pass an einem Tag gehen.
Da kam mir irgendwann Anfang 2016 die Idee, einmal von meiner alten Heimat im Wittgensteiner Land nach Thüringen zum Point Alpha und zurück zu fahren. Dass 300 km an einem Tag auch meine absolute persönliche Grenze ist, wusste ich noch aus Erinnerung an eine Tour in 1985, wo ich einmal von meiner alten Heimat bis tief in den Odenwald fuhr.
Wie schon seit vielen Jahren wurde also mit Hilfe des Quaeldich.de-Tourenplaners und GoogleEarth eine möglichst schlanke Strecke bis zum Wendepunkt mit einer möglichst anderen Strecke für den Rückweg geplant. Immer wieder flossen neue Varianten in die Planung ein und da auch die Generierung neuer Wege für unseren Tourenplaner hohe Priorität genießt, kam eine interessante Route dabei heraus. Einzig das längere Teilstück B62 von Kirchhain bis hinter Alsfeld wurde nicht detailliert ausgearbeitet, da mir die Strecke von Autofahrten als unkritisch bekannt war und ich einfach der Nase nach über Nebenwege ausweichen könnte. Dann kam noch eine Pausenplanung hinzu, woraus sich auch die frühe Startzeit errechnet. Da der größte Teil der Fahrt durch tourismusferne Gegenden führt, ist es nicht ganz einfach, aus der Ferne Möglichkeiten auszuloten, wo man mittags etwas auf den Teller bekommt.
Die Tour
Anlässlich eines regelmäßigen Aufenthaltes in meiner alten Heimat, sollte die Aktion am Samstag, 11.06.2016 starten. Nach einer viel zu kurzen Nacht kam ich schon um 3:56 Uhr bei Dunkelheit aus dem Haus und fuhr zunächst über eine Stunde mit Beleuchtung auf einsamer Landstraße nach Nordhessen. Jetzt, wo fast keine Autos und sonstige Lärmquellen am Start waren, konnte ich das Singen der Vögel und andere Naturgeräusche in vollen Zügen genießen. Trotz meines starken Heuschnupfens war auch der Duft von frischem Gras und Heuwiesen herrlich, da ich ja weiß, dass die Reaktionen darauf nicht während der Fahrt auftreten, dafür aber umso heftiger, wenn man mal einen kurzen Stopp macht.
Schon in der Gegend von Wetter / Hessen wird es langsam hell und ich kann ohne Beleuchtung fahren. Bald ist der Lahntalradweg erreicht und die Beschilderung führt zunächst Richtung Marburg, was ich aber rechts liegen lasse und dann weiter nach Kirchhain. Inzwischen bin ich auf dem Weg des geringsten Widerstandes an der Ohm entlang unterwegs. Der Weg ist auf langer Strecke verkehrsfrei, aber zwischen einer Bahnlinie und einer Schnellstraße, die aber zu so früher Stunde noch im Schlaf liegen. In Kirchhain wechsle ich dann auf die normalerweise nicht ganz verkehrsarme B62 Richtung Alsfeld, wo mich tatsächlich auch nach einiger Zeit ein LKW überholt. Demnach auch ein Mensch am Steuer, der nicht mehr schlafen kann… Da mir die B62 trotz der ungewöhnlichen Ruhe etwas langweilig wird, nutze ich jede Gelegenheit, alternative Wege zu fahren und komme bald in einen kleinen Ortsteil von Alsfeld, wo eine Bäckerei geöffnet ist. Hier gibt es erst einmal ein verdientes Frühstück. Danach führt mein Weg durch Alsfeld. Ja, man hätte sich den historischen Stadtkern auch ansehen dürfen, aber ich jongliere über die alten Pflastergassen und bin bald wieder draußen. Wie so oft, wenn ich der Nase nach fahre, obwohl es im Garmin eine saubere Planung gibt, lande ich auf einem netten Naturweg durch den Wald und kreuze die Autobahn A5. Nach wenigen Kilometern Naturpiste hat mich die Zivilisation wieder und jetzt folge ich einer Landstraße durch fast unbewohntes Gebiet mit ausgedehnten Wäldern – eben Waldhessen.
Bei Niederjossa unterquere ich die Autobahn A7 und überquere die Fulda. Hier komme ich normalerweise nur mit dem Auto durch, wenn ich nach Graubünden oder so fahre ;-)
Allmählich wird es etwas hügelig, genauer gesagt kuppig, denn die Kuppenrhön beginnt. Ich muss zum Glück nicht über alle Kuppen, denn die Tour wird auch ohne dieselben hart genug. Landschaftlich ist es ganz nett hier, auch wenn es recht stark bewölkt und grau ist. In Oberstoppel ist noch mal eine kurze Rast fällig, wo einige Riegel aus dem Rucksack in den Magen umgeschichtet werden.
Einige Kilometer weiter erreiche ich bei Eiterfeld einen Bahntrassenradweg, den ich auf einer sehr kompetenten Seite (http://www.achim-bartoschek.de/index.htm) gefunden habe. Der Weg ist zwar schon im Tourenplanerbestand, war mir aber zunächst nicht ins Auge gefallen.
Endlich wird’s erkenntlich und mein Wendepunkt Pont Alpha taucht zunächst auf Schildern auf und bald danach sogar im richtigen Leben. Noch ein kurzer Schlussanstieg und die ehemalige Grenze zwischen zwei Welten ist erreicht. Hier müsste man sich eigentlich etwas mehr Zeit nehmen, um sowohl das Informationszentrum als auch die Außenanlagen und die Umgebung zu besichtigen, aber da ich nur 30 Minuten eingeplant habe, verzichte ich auf das Ausstellungsgebäude und sehe mir kurz die Außenanlagen an und knipse einige Beweisfotos. Mit einem MTB würde man vielleicht sogar eine interessante Tour auf dem Grenzstreifen entlang machen können.
Da ich nun mal den Weg hier hin gemacht habe, muss ich auch wieder zurück fahren. Ich setze noch eine kurze Nachricht an meine Hinterbliebenen ab und dann geht es auf den weiten Rückweg. Eine kurze Abfahrt nach Rasdorf und dann kommt eine schlimm langweilige gerade Strecke über einen Hügel auf der B84. Was bin ich froh, dass ich nach einigen Kilometern endlich wieder in Nebenwege abbiegen darf, obwohl heute auf der Bundesstraße auch nichts los ist. Auch die normalerweise nervige B27 kann ich elegant meiden.
In der Nähe von Großenmoor kreuze ich wieder die A7 und bin damit auch gefühlt wieder auf dem Heimweg. Bei Sandlofs treffe ich auf das Fuldatal, wo ich zunächst bis Schlitz flussaufwärts fahre. In Schlitz finde ich auf die Schnelle kein geeignetes Restaurant, was eigentlich geplant wäre, aber immerhin gibt es leckeren Erdbeerkuchen und Kaffee.
Bald fahre ich durch die Umgebung von Lauterbach, wo in Wallenrod die Zeit stehen geblieben ist, denn hier gibt es noch einen Bahnübergang mit einem Schrankenwärterhaus, in dem ein realer Mensch die Bahnschranke von Hand hoch kurbelt. Hier ist die Welt noch in Ordnung!
Ein Stück weiter mündet mein Weg ins Feldatal ein und somit bin ich wieder in etwas bekannteren Gefilden, denn hier bin ich in 1982 schon mal mit dem Rad durchgefahren und manche Ecken kommen mir tatsächlich noch bekannt vor.
Allmählich merke ich auch, dass ich nicht mehr ganz frisch bin und freue mich schon auf ein Bier in der Hainmühle in Homberg / Ohm. Es gibt sogar noch etwas zu Essen, was auch nicht schaden kann, da ja das Mittagessen in Schlitz nur aus Erdbeerkuchen bestand.
Nach dem verspäteten Mittagessen geht es den Weg des geringen Widerstands an der Ohm entlang weiter flussabwärts über Kirchhain und auf bekannten Wegen zur Mündung in die Lahn. Elektrotechniker würden vielleicht sagen, dass der Weg niederohmig ist ;-) Jedenfalls kann ich auf diesem Weg noch ganz gut vertuschen, dass ich in einem Zustand wie Wasser bin und nur noch bergab vorwärts komme. Ab Cölbe bei Marburg geht es noch etwas die Lahn aufwärts und in Amönau bei Wetter raste ich noch einmal kurz um meine letzten Getränkevorräte zu dezimieren. Ein halber Notschluck bleibt in der Flasche, was aber definitiv zu wenig ist. Leider gibt es an der weiteren Strecke keine Tankstelle, keinen Laden (Samstagabend) und nur noch verfallene Gaststätten. Mit den letzten Tropfen aus der Flasche und den letzten Resten Kraft kämpfe ich mich noch den langweiligen Anstieg hinauf, der mich vom Edertal trennt. Und irgendwie gelingt auch das noch. Inzwischen rechne ich schon die zu erwartenden Restkilometer bis Schwarzenau, meinem alten Heimatdorf, ob es denn wohl für 300 km reichen möge oder ob ich noch eine klägliche Runde durchs Dorf drehen muss. Auch hoffe ich noch auf die letzte Tankstelle in Hessen, die aber schon Feierabend hat. Naja, die letzten ca. 8 km müssen dann trocken laufen, es geht ja auch nur noch flach an der Eder entlang.
Am Ziel in Schwarzenau warten schon meine Frau und mein Vater, dass ich endlich anrufe, wo sie mich mit dem Auto abholen sollen, aber den Gefallen tue ich ihnen nicht und erscheine persönlich um 20:12 Uhr. Sie fragen auch nicht nach dem Sinn meiner Aktion – das haben sie sich schon lange abgewöhnt.
Immerhin habe ich ihnen quasi versprochen, dass ich in diesem Leben nie wieder 300 km an einem Tag fahren möchte, aber so etwas habe ich in 1985 auch schon mal gesagt. Erstaunlicherweise habe ich die damalige Tour aber in weit schrecklicherer Erinnerung und weiß noch dass ich danach eine ganze Nacht mit Krämpfen und Schlaflosigkeit verbracht habe, was dieses Mal nicht der Fall war.
Das Fazit:
Die ehemalige Grenze zur DDR habe ich erreicht, die Grenze zwischen Ost und West. Aber noch mehr habe ich meine persönliche Grenze erreicht. Mehr kann ich nicht, mehr will ich nicht, mehr brauche ich nicht. Paris – Brest – Paris ist mehr, aber so etwas kann haben, wer es haben will – ich bin es nicht! Natürlich bewundere ich die Leute, die so etwas machen, aber meine Grenze heißt Point Alpha und 300 km. Schade nur, dass auch diese Tour wieder solo stattfinden musste.
Nachdem ich ja schon mehrfach beschlossen habe, meine Grenze gefunden zu haben, kam dummerweise am nächsten Abend einer unsere Söhne mit einem Bericht um die Ecke von einem Radler, der soeben innerhalb eines Tages 6 Staaten Europas auf einer Strecke von ca. 330 km erreicht hat… Nein, irgendwann muss der Mensch mal erwachsen werden und seine Grenzen kennen!
Grenzkontrolle – nein, das hat nichts mit Flüchtlingen zu tun!
Grenzkontrolle bezieht sich hier auch nicht auf eine Staatsgrenze, bestenfalls auf eine Landesgrenze, bzw. auf eine ehemalige Grenze zwischen 2 Welten.
Grenzkontrolle – die eigenen Grenzen gesucht, gefunden und beinahe überschritten.
Die Idee
…eines kranken Hirns…
In den vergangenen Jahren gab es ja immer mal wieder Radtouren zu Grenzen und darüber hinweg. In 2009 fing alles an, als Sohn Benni und ich eine Tagestour in ein nichtbenachbartes Bundesland (besser: einen nichtbenachbarten Freistaat) machten, indem wir von unserem Wohnort Soest in Westfalen an die bayerische Grenze im Spessart fuhren. In 2010 ging es einmal innerhalb eines Tages von Soest nach Thüringen, was ja auch nicht an NRW angrenzt, aber trotzdem recht einfach zu erreichen ist. 2011 fuhren wir an einem Tag nach Niederlande und zurück. Danach wurden eher die eigenen Grenzen erforscht, also wie viele Pässe an einem Tag, wie viele Höhenmeter an einem Tag oder wie viele verschiedene Auffahrten auf einen einzigen Pass an einem Tag gehen.
Da kam mir irgendwann Anfang 2016 die Idee, einmal von meiner alten Heimat im Wittgensteiner Land nach Thüringen zum Point Alpha und zurück zu fahren. Dass 300 km an einem Tag auch meine absolute persönliche Grenze ist, wusste ich noch aus Erinnerung an eine Tour in 1985, wo ich einmal von meiner alten Heimat bis tief in den Odenwald fuhr.
Wie schon seit vielen Jahren wurde also mit Hilfe des Quaeldich.de-Tourenplaners und GoogleEarth eine möglichst schlanke Strecke bis zum Wendepunkt mit einer möglichst anderen Strecke für den Rückweg geplant. Immer wieder flossen neue Varianten in die Planung ein und da auch die Generierung neuer Wege für unseren Tourenplaner hohe Priorität genießt, kam eine interessante Route dabei heraus. Einzig das längere Teilstück B62 von Kirchhain bis hinter Alsfeld wurde nicht detailliert ausgearbeitet, da mir die Strecke von Autofahrten als unkritisch bekannt war und ich einfach der Nase nach über Nebenwege ausweichen könnte. Dann kam noch eine Pausenplanung hinzu, woraus sich auch die frühe Startzeit errechnet. Da der größte Teil der Fahrt durch tourismusferne Gegenden führt, ist es nicht ganz einfach, aus der Ferne Möglichkeiten auszuloten, wo man mittags etwas auf den Teller bekommt.
Die Tour
Anlässlich eines regelmäßigen Aufenthaltes in meiner alten Heimat, sollte die Aktion am Samstag, 11.06.2016 starten. Nach einer viel zu kurzen Nacht kam ich schon um 3:56 Uhr bei Dunkelheit aus dem Haus und fuhr zunächst über eine Stunde mit Beleuchtung auf einsamer Landstraße nach Nordhessen. Jetzt, wo fast keine Autos und sonstige Lärmquellen am Start waren, konnte ich das Singen der Vögel und andere Naturgeräusche in vollen Zügen genießen. Trotz meines starken Heuschnupfens war auch der Duft von frischem Gras und Heuwiesen herrlich, da ich ja weiß, dass die Reaktionen darauf nicht während der Fahrt auftreten, dafür aber umso heftiger, wenn man mal einen kurzen Stopp macht.
Schon in der Gegend von Wetter / Hessen wird es langsam hell und ich kann ohne Beleuchtung fahren. Bald ist der Lahntalradweg erreicht und die Beschilderung führt zunächst Richtung Marburg, was ich aber rechts liegen lasse und dann weiter nach Kirchhain. Inzwischen bin ich auf dem Weg des geringsten Widerstandes an der Ohm entlang unterwegs. Der Weg ist auf langer Strecke verkehrsfrei, aber zwischen einer Bahnlinie und einer Schnellstraße, die aber zu so früher Stunde noch im Schlaf liegen. In Kirchhain wechsle ich dann auf die normalerweise nicht ganz verkehrsarme B62 Richtung Alsfeld, wo mich tatsächlich auch nach einiger Zeit ein LKW überholt. Demnach auch ein Mensch am Steuer, der nicht mehr schlafen kann… Da mir die B62 trotz der ungewöhnlichen Ruhe etwas langweilig wird, nutze ich jede Gelegenheit, alternative Wege zu fahren und komme bald in einen kleinen Ortsteil von Alsfeld, wo eine Bäckerei geöffnet ist. Hier gibt es erst einmal ein verdientes Frühstück. Danach führt mein Weg durch Alsfeld. Ja, man hätte sich den historischen Stadtkern auch ansehen dürfen, aber ich jongliere über die alten Pflastergassen und bin bald wieder draußen. Wie so oft, wenn ich der Nase nach fahre, obwohl es im Garmin eine saubere Planung gibt, lande ich auf einem netten Naturweg durch den Wald und kreuze die Autobahn A5. Nach wenigen Kilometern Naturpiste hat mich die Zivilisation wieder und jetzt folge ich einer Landstraße durch fast unbewohntes Gebiet mit ausgedehnten Wäldern – eben Waldhessen.
Bei Niederjossa unterquere ich die Autobahn A7 und überquere die Fulda. Hier komme ich normalerweise nur mit dem Auto durch, wenn ich nach Graubünden oder so fahre ;-)
Allmählich wird es etwas hügelig, genauer gesagt kuppig, denn die Kuppenrhön beginnt. Ich muss zum Glück nicht über alle Kuppen, denn die Tour wird auch ohne dieselben hart genug. Landschaftlich ist es ganz nett hier, auch wenn es recht stark bewölkt und grau ist. In Oberstoppel ist noch mal eine kurze Rast fällig, wo einige Riegel aus dem Rucksack in den Magen umgeschichtet werden.
Einige Kilometer weiter erreiche ich bei Eiterfeld einen Bahntrassenradweg, den ich auf einer sehr kompetenten Seite (http://www.achim-bartoschek.de/index.htm) gefunden habe. Der Weg ist zwar schon im Tourenplanerbestand, war mir aber zunächst nicht ins Auge gefallen.
Endlich wird’s erkenntlich und mein Wendepunkt Pont Alpha taucht zunächst auf Schildern auf und bald danach sogar im richtigen Leben. Noch ein kurzer Schlussanstieg und die ehemalige Grenze zwischen zwei Welten ist erreicht. Hier müsste man sich eigentlich etwas mehr Zeit nehmen, um sowohl das Informationszentrum als auch die Außenanlagen und die Umgebung zu besichtigen, aber da ich nur 30 Minuten eingeplant habe, verzichte ich auf das Ausstellungsgebäude und sehe mir kurz die Außenanlagen an und knipse einige Beweisfotos. Mit einem MTB würde man vielleicht sogar eine interessante Tour auf dem Grenzstreifen entlang machen können.
Da ich nun mal den Weg hier hin gemacht habe, muss ich auch wieder zurück fahren. Ich setze noch eine kurze Nachricht an meine Hinterbliebenen ab und dann geht es auf den weiten Rückweg. Eine kurze Abfahrt nach Rasdorf und dann kommt eine schlimm langweilige gerade Strecke über einen Hügel auf der B84. Was bin ich froh, dass ich nach einigen Kilometern endlich wieder in Nebenwege abbiegen darf, obwohl heute auf der Bundesstraße auch nichts los ist. Auch die normalerweise nervige B27 kann ich elegant meiden.
In der Nähe von Großenmoor kreuze ich wieder die A7 und bin damit auch gefühlt wieder auf dem Heimweg. Bei Sandlofs treffe ich auf das Fuldatal, wo ich zunächst bis Schlitz flussaufwärts fahre. In Schlitz finde ich auf die Schnelle kein geeignetes Restaurant, was eigentlich geplant wäre, aber immerhin gibt es leckeren Erdbeerkuchen und Kaffee.
Bald fahre ich durch die Umgebung von Lauterbach, wo in Wallenrod die Zeit stehen geblieben ist, denn hier gibt es noch einen Bahnübergang mit einem Schrankenwärterhaus, in dem ein realer Mensch die Bahnschranke von Hand hoch kurbelt. Hier ist die Welt noch in Ordnung!
Ein Stück weiter mündet mein Weg ins Feldatal ein und somit bin ich wieder in etwas bekannteren Gefilden, denn hier bin ich in 1982 schon mal mit dem Rad durchgefahren und manche Ecken kommen mir tatsächlich noch bekannt vor.
Allmählich merke ich auch, dass ich nicht mehr ganz frisch bin und freue mich schon auf ein Bier in der Hainmühle in Homberg / Ohm. Es gibt sogar noch etwas zu Essen, was auch nicht schaden kann, da ja das Mittagessen in Schlitz nur aus Erdbeerkuchen bestand.
Nach dem verspäteten Mittagessen geht es den Weg des geringen Widerstands an der Ohm entlang weiter flussabwärts über Kirchhain und auf bekannten Wegen zur Mündung in die Lahn. Elektrotechniker würden vielleicht sagen, dass der Weg niederohmig ist ;-) Jedenfalls kann ich auf diesem Weg noch ganz gut vertuschen, dass ich in einem Zustand wie Wasser bin und nur noch bergab vorwärts komme. Ab Cölbe bei Marburg geht es noch etwas die Lahn aufwärts und in Amönau bei Wetter raste ich noch einmal kurz um meine letzten Getränkevorräte zu dezimieren. Ein halber Notschluck bleibt in der Flasche, was aber definitiv zu wenig ist. Leider gibt es an der weiteren Strecke keine Tankstelle, keinen Laden (Samstagabend) und nur noch verfallene Gaststätten. Mit den letzten Tropfen aus der Flasche und den letzten Resten Kraft kämpfe ich mich noch den langweiligen Anstieg hinauf, der mich vom Edertal trennt. Und irgendwie gelingt auch das noch. Inzwischen rechne ich schon die zu erwartenden Restkilometer bis Schwarzenau, meinem alten Heimatdorf, ob es denn wohl für 300 km reichen möge oder ob ich noch eine klägliche Runde durchs Dorf drehen muss. Auch hoffe ich noch auf die letzte Tankstelle in Hessen, die aber schon Feierabend hat. Naja, die letzten ca. 8 km müssen dann trocken laufen, es geht ja auch nur noch flach an der Eder entlang.
Am Ziel in Schwarzenau warten schon meine Frau und mein Vater, dass ich endlich anrufe, wo sie mich mit dem Auto abholen sollen, aber den Gefallen tue ich ihnen nicht und erscheine persönlich um 20:12 Uhr. Sie fragen auch nicht nach dem Sinn meiner Aktion – das haben sie sich schon lange abgewöhnt.
Immerhin habe ich ihnen quasi versprochen, dass ich in diesem Leben nie wieder 300 km an einem Tag fahren möchte, aber so etwas habe ich in 1985 auch schon mal gesagt. Erstaunlicherweise habe ich die damalige Tour aber in weit schrecklicherer Erinnerung und weiß noch dass ich danach eine ganze Nacht mit Krämpfen und Schlaflosigkeit verbracht habe, was dieses Mal nicht der Fall war.
Das Fazit:
Die ehemalige Grenze zur DDR habe ich erreicht, die Grenze zwischen Ost und West. Aber noch mehr habe ich meine persönliche Grenze erreicht. Mehr kann ich nicht, mehr will ich nicht, mehr brauche ich nicht. Paris – Brest – Paris ist mehr, aber so etwas kann haben, wer es haben will – ich bin es nicht! Natürlich bewundere ich die Leute, die so etwas machen, aber meine Grenze heißt Point Alpha und 300 km. Schade nur, dass auch diese Tour wieder solo stattfinden musste.
Nachdem ich ja schon mehrfach beschlossen habe, meine Grenze gefunden zu haben, kam dummerweise am nächsten Abend einer unsere Söhne mit einem Bericht um die Ecke von einem Radler, der soeben innerhalb eines Tages 6 Staaten Europas auf einer Strecke von ca. 330 km erreicht hat… Nein, irgendwann muss der Mensch mal erwachsen werden und seine Grenzen kennen!
2 gefahrene Pässe
Point Alpha, OberstoppelStrecke
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Ich bin diese Etappe gefahren
am