Von marik –
Am Frühstück diskutierten wir die zu fahrenden Pässe: die Montvernier-Serpentinenstraße, den Col du Glandon, l-Alpe-d'Huez und den Col de Sarenne. Von letzterem versprach ich mir und den anderen einiges. Ebenso versprach ich nicht mehr als 2800 Hm für diese Tour - am Ende des Tages zählten wir aber 3700. Nach dem Frühstück war Kleidungsausgabe. Zu meiner großen Freude fuhren alle neun Männer und Frauen im quäldich-Dress. Nach dem schnellen Zusammenbau der Räder schlossen wir den Bus ab, der nun eine Nacht alleine vor dem Hotel St Georges stehen sollte (und am nächsten Tag glücklicherweise auch noch stand). Nun konnte es losgehen.
In lockerer Formation verließ die Equipe-quäldich St-Jean-de-Maurienne. Ich hielt mich im hinteren Teil und genoss die geballten quäldich-Trikots vor mir.
Es ging leicht abfallend nach Norden aus St-Jean hinaus, zum Kreisel an der N6, die der Maurienne hinauf bis nach Lanslebourg folgt und von dort auf den Col du Mont Cenis abbiegt.
Wir aber strebten talabwärts Pontamafrey zu. Diese Stelle ist die bisher einzige, die meine so hochgelobte Michelin 1:200.000er Karte nicht richtig auflöst:
Statt hier die N6 für 2,5 km zu bemühen, muss man hier noch über die Autobahn hinaus fahren und am nun kommenden Kreisel dem Wegweiser nach Pontamafrey folgen (und nicht etwa dem nach Montvernier, obwohl das das erste Zwischenziel unseres langen Tages ist).
Die 2,5 km nach Pontamafrey folgen einer sehr schmalen, unbefahrenen Straße - ein wahrer Segen gegenüber der N6, und der Michelinkarte unbekannt.
Montvernier-Serpentinenstraße
In Pontamafrey ist der enge Abzweig nach rechts gut versteckt, aber mit Montvernier beschildert. Sobald man auf diesem Weg den Ort verlässt, wird die Straße einspurig - ein kleiner Beitrag zu dem nun folgenden Aufstiegserlebnis der Extraklasse:
Auf 4 km windet sich die Straße in 18! Kehren 350 Hm nach oben - und das teilweise durch enge Felseinschnitte und hart am Hang, der direkt neben der Straße hinter einem Eisengeländer abfällt.
Zwischen vereinzelten Bäumen öffnet sich im Aufstieg immer besser der Blick auf den Talboden, auf dem sich St Jean und davor einiges an Industrie ausbreitet. Hinter diesem unwirklich platten Talboden erhoben sich die Berge im Dunst, die sich zwischen Col de la Croix de Fer und Galibier in den Aigles d'Arves auf bis zu 3510 m erheben.
Diese drei Zinnen allerdings kann man hier nicht sehen, Sie dominieren aber die Auffahrt zum Col de la Croix de Fer und sind auf der oben angedeuteten Alternativroute nach Montvernier sowie in der Weiterfahrt zum Col du Chaussy stets im Blick, wovon wir uns am vierten und letzten Tag unseres Kurztripps überzeugen wollen.
Viel zu schnell lassen wir dieses Serpentinenerlebnis hinter uns, und sofort tritt auch der eben noch anstehende dunkle Fels zuruück, um weiten Wiesen und dichten Hecken Platz zu machen, die uns auf den letzten flachen Metern bis nach Montvernier begleiten.
Hier ginge es nun links nach Montpascal und weiter zum Col du Chaussy, aber das bleibt dem Sonntag vorbehalten, an dem wir hier von rechts über die gemächlichere Alternativroute nach Montvernier kommen werden.
Wieder runter
Obwohl es eigentlich nicht meine Art ist, ohne Not umzudrehen, wollte ich heute doch in Anbetracht des weiteren Tagesverlaufs den Preis für das Kuriosum Montvernier-Serpentinenstraße nicht zu hoch treiben, und so fuhren wir die 4km wieder zurück, die wir eben gekommen waren. In dieser Abfahrt kann man perfekt die Serpentinentechnik trainieren, wir aber genossen die erste Abfahrt gemeinsam und Kette links.
Das erste Highlight des Tages lag also schon hinter uns, und die Stimmung war spätestens jetzt wie das Wetter am heutigen Tag: perfekt!
Diesen zusätzlichen Motivationsschub der ersten Alpensteigung nahmen wir gerne mit auf die ca 5km lange wellige Überführungsstrecke zum Glandon auf dem Nebensträßchen D74.
Diese führt in Ste-Marie-deCuines auf die Nordampe D927 des Col du Glandon, dem ersten richtigen Pass des Tages, und für Jochen und Nils der erste überhaupt. Susi hatte im Mai mit Alpe-d'Huez ihre ersten Erfahrungen gesammelt, und oben sogar Lance Armstrong getroffen.
Col du Glandon
Der nächste Höhepunkt unserer Tour lag noch weit vor uns. Zunächst präsentiert sich der Glandon nämlich noch im Wald auf breiter Straße, aber dennoch mit ansprechender Steigung. Die ersten 11,5 km bis St-Colomban spulten wir daher eher pflichthalber als begeistert ab, aber hier erweitert sich der Ausblick schlagartig, weil der Wald in dem nun weiteren Tal höher an den Hang zurückweicht.
Am Eingang St-Colombans nutzten wir eine Tafel zur Orientierung und Zusammenführen der Gruppe.
Ich zollte der Hitze Tribut und versucht, meine Trinkflasche im Magasin vor Ort aufzufüllen. Der Mann davor schickt mich rein, die Frau drinnen schickte mich raus, zur "Fontaine". Die befindet sich in der rechten Seitenstraße gleich hinter dem Magasin, nach ca 5 m auf der linken Seite.
Ein Ortskundiger zeigte mir den Wasserhahn hinter dem Steintrog, der aus dem dünnen Rinnsal schnell einen Flaschenfüllenden Strahl machte. Nach dem Befüllen, den Hahn bitte wieder zudrehen.
Hinter St Colomban des Villard wird es zum Beginn der zweiten Hälfte des Anstiegs noch einmal flacher, bevor es zunächst im Wald einige Serpentinen zu absolvieren gilt.
Schon hier, aber vor allem von den freien Wiesenflächen nach Verlassen des Waldes hat man einen sich stetig verbessernden Blick auf den Sattel des Col de la Madeleine und den Mont Blanc, der sich direkt dahinter erhebt und immer höher steigt.
Dieser Blick vereinfacht das Fortkommen nicht wirklich. Zwar sorgt er für Motivation, aber auch für das fortwährende Zücken des Fotoapparates.
Das machte das Leben schwer für mich, denn ich war der fotografierfreudigste und musste immer wieder zum eilenden Johannes aufschließen.
Hier waren wir spätestens im Traum Pässefahren angekommen. Hinter uns Mont Blanc und Madeleine, unter uns eine schmale Straße, und vor uns die letzten 4 Kehren des Glandon, die uns mit deutlich 2-stelligen Steigungswerten mehr Körner entlockten, als zumindest mir angesichts des Tagespensums lieb war.
Wir überfuhren den Col du Glandon und sammelten uns auf der Terrasse des Gasthauses an der Abzweigung der Glandon-Rampe von der Croix de Fer-Strecke. Hier lud Johannes die ganze Truppe zu Spaghetti Carbonara ein, eine edle Geste, die wir zu schwach waren, auszuschlagen...
Hier machten wir es uns richtig gemütlich, und genossen die 25° auf fast 2000 m Höhe. Mitte Juli ist das nicht selbstverständlich.
Ein quäldich-Nutzer erkannte unsere Trikots, so dass sich die Runde noch erweiterte und wir noch weniger Anlass zum Aufbruch sahen.
Der nächste Posten auf unserem Tagesplan war l'Alpe-d'Huez, aber natürlich wurde einstimmig die Option gezogen, die 2,5 km und 160 Hm zum Croix de Fer hinauf zu fahren. Sogar Dominik holte sein MTB aus dem Begleitfahrzeug und fuhr diese 5 km mit uns. Am Croix de Fer angekommen, gefiel Johannes der Blick auf den kleinen Bergsee im obersten Teil der anderen Auffahrt so gut, dass wir diesen Km noch hinunter fuhren und ein Bild von uns und dem See machten, und wie sich die Aigles d'Arves darin spiegeln - ein tolles Schauspiel.
Schließlich fiel uns kein weiterer Grund zum Aufschub der Weiterfahrt ein, und wir stürzten uns in die Abfahrt. Zwei merkliche Gegenanstiege gibt es in dieser zu bewältigen, den einen kurz vor dem Stausee Barage de Grand Maison, den anderen mit einigen Kehren einige Kilometer später.
Insgesamt vergingen diese 29 km bis zum Romanchetal zügig, inklusive einer Pause am Stausee Barage du Verney, wo wir auf die langsameren Abfahrer warteten. Hier bogen wir auf die N91 ein und erreichten 7 km später le-Bourg-d'oisans, Ausgangspunkt des vermeintlich letzten wesentlichen Ansteigs des Tages: den 21 Kehren nach l'Alpe-d'Huez.
l'Alpe-d'Huez
Wir waren alle schon leicht angeknockt, und so fuhr jeder sein eigenes Tempo, gerade im ersten, steileren Stück. Um 4 Uhr hatte ich mich an Kehre 7 mit Jürgen verabredet, einem Freund aus Bonn, der hier für das T-mobile-Team einen Wohnmobil bewachte.
Und er war nicht der einzige Camper - anlässlich des TdF-Einzelzeitfahrens in 6 Tagen war die gesamte Strecke mit Yelten und Autos verbaut Tour-feeling machte sich breit.
Für uns war das eine willkommene Motivationshilfe - denn an kontemplatives Fahren wie am Glandon ist auf dieser Touristenstrecke nie zu denken.
Langsam und Kehre um Kehre kämpften wir uns nach oben . Am vereinbarten Treffpunkt setzten wir uns in den willkommenen Schatten des T-mobile-Busses und nagten an PowerBars.
Mir zumindest zog diese Pause den letzten Zahn, und wieder zurück auf dem Rad wollte die Kraft nicht zurück kommen.
Den Anderen ging es nicht viel besserm doch irgendwie kämpften wir uns durch die Gluthitze nach oben - der Ort l'Alpe-d'Huez war erreicht und und bildete die Steigerung der Volksfeststimmung entlang der Auffahrt.
Col de Sarenne
Musik wummerte aus großen Boxen, und wir traten schnellstmöglich die Flucht in Richtung Col de Sarenne an, den kaum bekannten Hinterausgang von l'Alpe-d'Huez. Und unsere Hoffnung trügte nicht. Kaum waren wir am oberen Kreisel nach links abgebogen, umgab uns - Stille. Kaum eine Menschenseele verlor sich hier hoch.
Es war mittlerweile nach 6 Uhr, und die abendlich schräg einfallende Sonne tauchte die Einsamkeit um uns in ein mystisches Licht. Genau die richtige Atmosphäre für die letzten 150 Hm des Tages, dachte ich... und irrte. Zwar liegt der Col de Sarenne mit 1999 m knapp 150 m über l'Alpe-d'Huez, aber leider verliert die Straße dazwischen noch einmal 200 Hm, ein Höhenunterschied, der uns alle zur Verzweiflung trieb.
Die schmale Straße, das späte Licht und die erstklassige Aussicht nach Süden milderten den Schmerz nur zum Teil, den diese zusätzlichen Strapazen mit sich brachten.
Eine Schafherde auf der Straße bildete schließlich das letzte Hindernis vor dem Pass, den wir völlig fertig erreichten.
In der Abfahrt verschlechterte sich der Belag deutlich, und so konnten wir es nicht mehr richtig laufen lassen. Erst weiter unten war ganz neuer Teer aufgebracht, und so rauschten wir nach Mizoen ein.
Ankunft in Mizoen
Die letzten Höhenmeter hinauf zum Hotel Panoramique schafften wir dann auch noch. Völlig erschöpft von unserem Tageswerk, beeindruckt von der Vielzahl unterschiedlichster Strecken und glücklich über unsere Ankunft freuten wir uns auf das Abendessen, das bereits auf der Panoramaterrasse serviert war - zum Duschen blieb keine Zeit, es war schon nach 8, und die Wirtin nahm ihren Zeitplan sehr genau.
Aber wir ließen uns nicht beirren und genossen die Abendsonne, das Gefühl, angekommen zu sein, und unsere Gemeinschaft. Die Tageserlebnisse wurden noch einmal in aller Ausführlichkeit besprochen, und die vielen Digitalbilder angesehen, die Dominik im Laufe des Tages aus seinem Begleitwagen heraus geschossen hatte - toll!
Die Routenbesprechung für den nächsten Tag brachte noch eine Veränderung. Ursprünglich hatte ich geplant, nach der Rückkehr nach St-Jean-de-Maurienne über den Col du Galibier noch die 60 km RUnde über den Col de la Corix de Fer und den Col du Glandon anzuhängen. Diese Planung wurde aber zugunsten der Fernsehübertragung der Tour-de-France-Bergankunft in La Mongie verworfen, so dass für morgen nur die Überfahrt über den Col du Lautaret und den Col du Galibier blieb. In diesem Wissen bestellten wir das Frühstück erst um 8 Uhr und gingen früh ins Bett.
Wie bei solchen Anlässen üblich, war in unserem Dreierzimmer erst nach stundenlangen Gesprächen an Schlaf zu denken, und so wurde die Länge der Nacht auf ein Normalmaß zurückgestutzt. Und als die Anderen längst schliefen, freute ich mich noch zu sehr auf das Wiedersehen mit dem großen Col du Galibier.
Ich bin diese Etappe gefahren und möchte die befahrenen Pässe in mein Palmares eintragen
Ich bin diese Etappe gefahren