Nebelfahrt zum Ventoux 54,2 km / 1786 Hm
Redaktionell bestätigte Tour von 4marschradler
Von 4marschradler –
Mont Ventoux, Frankreich, Juli 2014
Es ist ein leicht bewölkter, warmer Sommermorgen in der Provence.
Unser Ausflug beginnt angenehm. Nach einem klassischen „petit dejeuner“ aus einem Croissant,
einem halben Baguette und einer Tasse Kaffee gehen wir einen der berühmtesten Tour-de-France-
Klassiker an, den Mont Ventoux. Das Frühstück ist eigentlich nicht das, was ein Sportler als richtige
Grundlage für solch eine Tour erachtet, aber Franz, Volker und ich haben am Vorabend genug
Kohlehydrate in Form von Pizza und Pasta zu uns genommen. Als wir nun auf unseren Rennrädern
aus Malaucéne rollen, verspricht die herrliche Morgensonne einen warmen, südfranzösischen Tag.
Eine Tafel am Straßenrand bereitet auf das vor, was uns erwartet: 19 Kilometer Anstieg und 1.635
Höhenmeter bei maximal 12% Steigung bis auf 1.912 Meter Höhe.
Der Anstieg auf den heiligen Berg der Kelten, der einsam aus der Landschaft ragt, beginnt gleich
hinter dem Ortsschild. Konstant kurbeln wir uns langsam hoch. Zu dieser frühen Stunde sind kaum
Autos unterwegs, nur einzelne Rennradfahrer überholen uns. Schon bald zeugen die ersten
ausgequetschten Gelpäckchen auf der Straße vom Ehrgeiz Anderer, möglichst schnell auf den Gipfel
zu kommen. Wir wollen genießen, da wir auch unsere eigenen Grenzen kennen. Die Straße verläuft
durch einen schattigen Pinien- und Mischwald. Immer wieder öffnet sich der Blick auf die grüne
Ebene unter uns. Diese Szenerie entspricht gar nicht der Vorstellung, die ich mir aus Berichten über
den Anstieg auf den Mont Ventoux gebildet habe: eine kahle, felsige Landschaft mit kilometerweiter
Sicht, glühende Hitze bei gleißender Sonne und Wind von vorne. Im Gegenteil, der Wald versperrt
den Blick auf unser Ziel, den Gipfel.
Serpentinen gibt es im ersten Teil des Anstieges noch nicht. Nach etwa der halben Strecke ziehen die
ersten Wolkenfetzen auf unserer Höhe vorbei und es wird merklich frischer. Einige Regentropfen
erwischen uns. Die freie Sicht auf die Landschaft unten begleitet uns jedoch weiterhin. Nun kommen
uns die ersten Rennradler von oben entgegen. Sie haben den Gipfel schon hinter sich. Uns beruhigt,
dass sie nicht regennass sind. Wir passieren die Abzweigung zur Ski-Station du Mont Serein und die
Straße wird steiler. Die ersten Serpentinen fordern uns erstmalig aus dem Sattel. Immer noch
befinden wir uns im Wald. Plötzlich verschlucken uns die Wolken. Die Sicht sinkt. Dass wir die
Baumgrenze passieren, sehen wir nicht. Gleichzeitig setzt ein starker, böiger Wind ein. Wenn ich
nicht direkt hinter Volker und Franz bleibe, verschwinden sie im Dunst, bin ich allein.
Wie Geister tauchen Rennradler aus dem Nebel auf, die nur langsam bergab rollen. Erstaunt
bemerke ich, dass einige für zusätzliche Balance sogar einen Fuß aus dem Pedal geklickt haben. Ich
kämpfe mit dem Wind, als ich meine knallgelbe Regenjacke anziehe. Die Temperatur ist noch einmal
merklich gesunken. Außerdem verspreche ich mir, besser für andere sichtbar zu sein. Noch liegen ca.
100 Höhenmeter vor mir. Der Gipfel ist nun erst recht nicht auszumachen. Die Feuchtigkeit legt sich
wie ein Schleier auf meine Rennbrille und verringert meine Sicht auf null. Ich nehme sie ab. Bei dieser
Sicht spielt meine Kurzsichtigkeit keine Rolle mehr. Ich passiere einen Aussichtspunkt, nur erkennbar
an den großen Tafeln, die das wahrscheinlich großartige Panorama erläutern. Weit kann es nun nicht
mehr bis zum Gipfel sein. Ich bewältige die letzten beiden Serpentinen. Franz und Volker sind schon
oben. Mit Mühe erkenne ich Franz im Nebel zwischen den vielen Rennradlern, die von der anderen
Seite hochgefahren sind. Volker wärmt sich im Souvenir-Shop auf. Es gibt draußen eh nichts zu
sehen. In einer windstillen Ecke am Shop wische ich meine Brille trocken. Wir schießen die Zielfotos
voneinander, mit dem Gipfelschild im Hintergrund. Ob uns das später als Beweis dient erscheint
fraglich, denn Schild und Person vor einem grauen Hintergrund können auch eine Fotomontage sein.
Die ersten zwei Kilometer der Abfahrt sind anspruchsvoller als der Aufstieg, ja sogar anspruchsvoller
als alle Abfahrten, die ich je gefahren bin: geringe Sicht, starker Wind von der Seite und von hinten,
Böen, die mich umzureißen drohen. Nun verstehe ich, warum die Abfahrer mindestens einen Fuß aus
dem Klickpedal nehmen. Ich bin kurz davor abzusteigen. Bergauf kämpfen die Radler frontal gegen
den Wind an. Nicht wenige schieben ihre teuren Carbonräder. Am Denkmal für den ersten Doping-
Toten der Tour-de-France-Geschichte, Tom Simpson, halte ich nur kurz. Weiter geht der Kampf. Die
Finger verkrampfen und schmerzen beim ständigen Anziehen der Felgenbremsen. Aber dann,
plötzlich tauche ich aus der Wolkendecke heraus. Die Sicht ist frei, der Blick kann wieder über die
Ebene schweifen. Ich halte an, hole tief Luft und schaue zurück. Fast wie mit einem Lineal gezogen
liegt die Wolkengrenze am Hang. Der Gipfel versteckt sich, die Straße verschwindet in den Wolken.
Ich rolle weiter hinab, die Anspannung lässt nach. Ich staune über die große Zahl von Rennradlern,
die mir entgegen schnaufen. Fast wie eine Herde Lemminge folgt einer dem anderen nach oben.
Noch ahnen sie nicht, was sie erwartet. Die auf den Asphalt gemalten Namen großer Rennradprofis
zeugen noch vom letzten Mal, als sich der Tour-Tross hier hochkämpfte. 21 Kilometer lang ist die
Abfahrt, weiter unten wenige Serpentinen, alles gut zu fahren. Ein echter Genuss. Am Ortsschild von
Bédoin warten Franz und Volker, die wie immer deutlich schneller abgefahren sind. Wir klatschen
uns ab, freuen uns, den Tour-Klassiker bezwungen zu haben, und vor allem, dass wir heil unten
angekommen sind. Es war vollständig anders als erwartet.
Unser Ausflug endet angenehm. Wir rollen die letzten 16 Kilometer nach Malaucéne gemütlich durch
die leicht hügelige Landschaft. Nur der Blick zurück zum verhangenen Gipfel, der die Wolken
regelrecht festzuhalten scheint, erinnert an unser Erlebnis. Die Spitze des Mont Ventoux entzieht sich
immer noch unseren Augen. Der Berg machte heute seinem Namen alle Ehre.
Es ist ein leicht bewölkter, warmer Sommertag in der Provence
Es ist ein leicht bewölkter, warmer Sommermorgen in der Provence.
Unser Ausflug beginnt angenehm. Nach einem klassischen „petit dejeuner“ aus einem Croissant,
einem halben Baguette und einer Tasse Kaffee gehen wir einen der berühmtesten Tour-de-France-
Klassiker an, den Mont Ventoux. Das Frühstück ist eigentlich nicht das, was ein Sportler als richtige
Grundlage für solch eine Tour erachtet, aber Franz, Volker und ich haben am Vorabend genug
Kohlehydrate in Form von Pizza und Pasta zu uns genommen. Als wir nun auf unseren Rennrädern
aus Malaucéne rollen, verspricht die herrliche Morgensonne einen warmen, südfranzösischen Tag.
Eine Tafel am Straßenrand bereitet auf das vor, was uns erwartet: 19 Kilometer Anstieg und 1.635
Höhenmeter bei maximal 12% Steigung bis auf 1.912 Meter Höhe.
Der Anstieg auf den heiligen Berg der Kelten, der einsam aus der Landschaft ragt, beginnt gleich
hinter dem Ortsschild. Konstant kurbeln wir uns langsam hoch. Zu dieser frühen Stunde sind kaum
Autos unterwegs, nur einzelne Rennradfahrer überholen uns. Schon bald zeugen die ersten
ausgequetschten Gelpäckchen auf der Straße vom Ehrgeiz Anderer, möglichst schnell auf den Gipfel
zu kommen. Wir wollen genießen, da wir auch unsere eigenen Grenzen kennen. Die Straße verläuft
durch einen schattigen Pinien- und Mischwald. Immer wieder öffnet sich der Blick auf die grüne
Ebene unter uns. Diese Szenerie entspricht gar nicht der Vorstellung, die ich mir aus Berichten über
den Anstieg auf den Mont Ventoux gebildet habe: eine kahle, felsige Landschaft mit kilometerweiter
Sicht, glühende Hitze bei gleißender Sonne und Wind von vorne. Im Gegenteil, der Wald versperrt
den Blick auf unser Ziel, den Gipfel.
Serpentinen gibt es im ersten Teil des Anstieges noch nicht. Nach etwa der halben Strecke ziehen die
ersten Wolkenfetzen auf unserer Höhe vorbei und es wird merklich frischer. Einige Regentropfen
erwischen uns. Die freie Sicht auf die Landschaft unten begleitet uns jedoch weiterhin. Nun kommen
uns die ersten Rennradler von oben entgegen. Sie haben den Gipfel schon hinter sich. Uns beruhigt,
dass sie nicht regennass sind. Wir passieren die Abzweigung zur Ski-Station du Mont Serein und die
Straße wird steiler. Die ersten Serpentinen fordern uns erstmalig aus dem Sattel. Immer noch
befinden wir uns im Wald. Plötzlich verschlucken uns die Wolken. Die Sicht sinkt. Dass wir die
Baumgrenze passieren, sehen wir nicht. Gleichzeitig setzt ein starker, böiger Wind ein. Wenn ich
nicht direkt hinter Volker und Franz bleibe, verschwinden sie im Dunst, bin ich allein.
Wie Geister tauchen Rennradler aus dem Nebel auf, die nur langsam bergab rollen. Erstaunt
bemerke ich, dass einige für zusätzliche Balance sogar einen Fuß aus dem Pedal geklickt haben. Ich
kämpfe mit dem Wind, als ich meine knallgelbe Regenjacke anziehe. Die Temperatur ist noch einmal
merklich gesunken. Außerdem verspreche ich mir, besser für andere sichtbar zu sein. Noch liegen ca.
100 Höhenmeter vor mir. Der Gipfel ist nun erst recht nicht auszumachen. Die Feuchtigkeit legt sich
wie ein Schleier auf meine Rennbrille und verringert meine Sicht auf null. Ich nehme sie ab. Bei dieser
Sicht spielt meine Kurzsichtigkeit keine Rolle mehr. Ich passiere einen Aussichtspunkt, nur erkennbar
an den großen Tafeln, die das wahrscheinlich großartige Panorama erläutern. Weit kann es nun nicht
mehr bis zum Gipfel sein. Ich bewältige die letzten beiden Serpentinen. Franz und Volker sind schon
oben. Mit Mühe erkenne ich Franz im Nebel zwischen den vielen Rennradlern, die von der anderen
Seite hochgefahren sind. Volker wärmt sich im Souvenir-Shop auf. Es gibt draußen eh nichts zu
sehen. In einer windstillen Ecke am Shop wische ich meine Brille trocken. Wir schießen die Zielfotos
voneinander, mit dem Gipfelschild im Hintergrund. Ob uns das später als Beweis dient erscheint
fraglich, denn Schild und Person vor einem grauen Hintergrund können auch eine Fotomontage sein.
Die ersten zwei Kilometer der Abfahrt sind anspruchsvoller als der Aufstieg, ja sogar anspruchsvoller
als alle Abfahrten, die ich je gefahren bin: geringe Sicht, starker Wind von der Seite und von hinten,
Böen, die mich umzureißen drohen. Nun verstehe ich, warum die Abfahrer mindestens einen Fuß aus
dem Klickpedal nehmen. Ich bin kurz davor abzusteigen. Bergauf kämpfen die Radler frontal gegen
den Wind an. Nicht wenige schieben ihre teuren Carbonräder. Am Denkmal für den ersten Doping-
Toten der Tour-de-France-Geschichte, Tom Simpson, halte ich nur kurz. Weiter geht der Kampf. Die
Finger verkrampfen und schmerzen beim ständigen Anziehen der Felgenbremsen. Aber dann,
plötzlich tauche ich aus der Wolkendecke heraus. Die Sicht ist frei, der Blick kann wieder über die
Ebene schweifen. Ich halte an, hole tief Luft und schaue zurück. Fast wie mit einem Lineal gezogen
liegt die Wolkengrenze am Hang. Der Gipfel versteckt sich, die Straße verschwindet in den Wolken.
Ich rolle weiter hinab, die Anspannung lässt nach. Ich staune über die große Zahl von Rennradlern,
die mir entgegen schnaufen. Fast wie eine Herde Lemminge folgt einer dem anderen nach oben.
Noch ahnen sie nicht, was sie erwartet. Die auf den Asphalt gemalten Namen großer Rennradprofis
zeugen noch vom letzten Mal, als sich der Tour-Tross hier hochkämpfte. 21 Kilometer lang ist die
Abfahrt, weiter unten wenige Serpentinen, alles gut zu fahren. Ein echter Genuss. Am Ortsschild von
Bédoin warten Franz und Volker, die wie immer deutlich schneller abgefahren sind. Wir klatschen
uns ab, freuen uns, den Tour-Klassiker bezwungen zu haben, und vor allem, dass wir heil unten
angekommen sind. Es war vollständig anders als erwartet.
Unser Ausflug endet angenehm. Wir rollen die letzten 16 Kilometer nach Malaucéne gemütlich durch
die leicht hügelige Landschaft. Nur der Blick zurück zum verhangenen Gipfel, der die Wolken
regelrecht festzuhalten scheint, erinnert an unser Erlebnis. Die Spitze des Mont Ventoux entzieht sich
immer noch unseren Augen. Der Berg machte heute seinem Namen alle Ehre.
Es ist ein leicht bewölkter, warmer Sommertag in der Provence
Ein gefahrener Pass
Mont VentouxStrecke
Ich bin diese Etappe gefahren und möchte die befahrenen Pässe in mein Palmares eintragen
Ich bin diese Etappe gefahren
am