Ötztaler Radmarathon 2004 238,0 km / 5500 Hm
Redaktionell bestätigte Tour von stolpi
Von stolpi –
Zwei grundverschiedene Beschreibungen zweier grundverschiedener Fahrer! Beide berichten beeindruckend von Qualen und Freuden dieses Radmarathons, der zu den schwersten Tagestouren überhaupt gehört. Unbedingt lesen, unbedingt vergleichen!
Am Abend in Sölden regnet es dann überhaupt nicht mehr und ich habe Hoffnung, dass wir am nächsten Morgen wenigstens im Trockenen los fahren können. Um 6:30 wird gestartet. Das heißt wir sollten etwa um 6:00 mit Frühstück fertig sein. Also beschließen wir, um 5:00 aufzustehen.
Auf der Strecke nach Ötz schifft es gleich mal so richtig und bald kommen uns schon haufenweise Fahrer entgegen, die wohl die Schnauze schon gestrichen voll haben oder einfach eingesehen haben, dass es unter diesen Bedingungen keinen Sinn macht, noch weiter zu fahren. Das muss jeder für sich entscheiden.
Brrrrr....
Im Ziel begrüßen mich dann gleich die Kollegen, die leider am Kühtai wegen Schneetreiben und Eiseskälte abbrechen mussten. Das Lachen fällt mir noch etwas schwer. Irgendwie bin ich doch total fertig. Das war mit Sicherheit das Härteste was ich in meinem Leben gemacht habe. Die Rückfahrt ins Hotel ist nur 500m lang aber da muss ich schon wieder schlottern wie heute Morgen am Kühtai, weil ich durch die lange Abfahrt und die Anstrengung völlig ausgekühlt bin. Gut dass es zu Ende ist. Die Dusche und die Sauna sind der wohl verdiente Ausgleich nach dieser Hammertour.
Eine Stunde später bin ich dann wieder im Zielbereich beim Pasta futtern und es gibt viel zu erzählen. Einiges davon habe ich in diesem Fahrbericht beschrieben. Doch den “Ötztaler“ kann man nicht erzählen und nicht nachlesen. Entweder hat man ihn erlebt oder man träumt nur davon.
Ich spüre die Tour natürlich noch in den Knochen und habe auch keinen Bedarf mehr, auf eine Stichtour zum Timmelsjoch. Die “Nicht Finisher“ dürfen noch. Meine Kniegelenke haben auch zu sehr unter der Kälte gelitten. Die nächsten Tage ist erst einmal Ausruhen angesagt.
In der Freizeitarena hole ich dann noch meine Urkunde ab.
Darauf steht: "Dein Traum ging in Erfüllung!"
Ravensburg 20.09.03 Michael Müller
...nichts für Träumer
Ich habe einen Traum... So der Werbespruch des Ötztaler Radmarathon. Es muss wohl an der unglaublichen Herausforderung liegen, 5500 Höhenmeter an einem einzigen Tag zu fahren. Auf einer Strecke von 238km, wo man sich eigentlich nur in den Abfahrten ausruhen kann, weil es sonst immer Berg auf geht. (Ein Höhenprofil, wie das Gebiss eines Raubtiers) – Treten bis die Beine nicht mehr können – Aber wer träumt von solchen Dingen? Es sind wohl diejenigen unter den Radfahrern, die niemals genug bekommen und nach der ultimativen Herausforderung suchen. Dann führt an Sölden kein Weg vorbei. Dennoch hat Radfahren nichts mit Träumen zu tun. Man muss schon Realist sein um zu wissen auf was man sich da einlässt. 5000 Trainingskilometer Minimum, so die Empfehlung von Jan Ulrich, sonst würde es keinen Spaß machen.Ausgeträumt
Nun ist es also soweit. Morgen am Samstag den 30.08.2003 starten wir (9 Mann) mit dem Auto nach Sölden. Was haben wir das ganze Jahr trainiert. Es war überhaupt eine fantastische Fahrrad Saison. Im Frühjahr bin ich nach Landeck geradelt und dann bis auf den Kaunertaler Gletscher. Danach die Drei-Tagestour nach Davos. 600 km in drei Tagen zusammen mit Ralf, Barny und Petzi. Die Sonne hat uns den Pelz verbrannt. Dann mein intensiver Trainingsurlaub im Unterengadin und Livigno. Schließlich haben wir dann im Hochsommer den Schussenrieder Radmarathon bestritten. 300 km an einem Tag. Man muss schon etwas behämmert sein, wenn man sich morgens um vier aufs Rennrad setzt. Als ob die 225 km nicht genug gewesen wären. Nein wir müssen das von Ravensburg aus durchziehen und fahren deswegen nicht mit dem Auto zum Start nach Bad Schussenried. Und dann war da noch diese Wahnsinnstour um den Bodensee, bei der Ralf wegen eines Virus vorzeitig aussteigen musste. Aber der Rest von uns hat es durchgezogen. Auch wenn uns die Hitze ganz schön fertig gemacht hat. Die anderen Touren mit 200 km und mehr möchte ich gar nicht mehr aufzählen. Jedenfalls habe ich jetzt 6500 Trainingskilometer in den Beinen und bin top fit. Auch die Kollegen sind hoch motiviert und haben sich gut auf das Event am Sonntag vorbereitet. Heute geh ich jedenfalls frühzeitig ins Bett. Wer weiß wie gut oder schlecht ich am Tag vor dem Wettkampf schlafen kann. Dann lieber am Tag davor schon mal gut ausgeschlafen.Anreise
Das Wetter am nächsten Tag ist schon einmal gar nicht so toll. Es regnet richtig ausgiebig und ich geh alle halbe Stunde ins Internet und hol mir den aktuellen Wetterbericht für Innsbruck und Umgebung. Sieht ja gar nicht mal so gut aus. Was solls. Ich bringe mein Rennrad noch in Ordnung und packe meine Klamotten zusammen. Erst mal alles rein was da ist. Auch die Winterklamotten. Was dann letztlich gefahren wird, kann man immer noch am Start entscheiden. Als wir dann nachmittags im Auto sitzen gibt es eigentlich nur ein Thema. Das Wetter. Für Sonntag Vormittag sind teils ergiebige Regenmengen vorhergesagt. Schneefallgrenze auf 2300 bis 2000m sinkend und Temperaturen um 3°C auf 2000m.Am Abend in Sölden regnet es dann überhaupt nicht mehr und ich habe Hoffnung, dass wir am nächsten Morgen wenigstens im Trockenen los fahren können. Um 6:30 wird gestartet. Das heißt wir sollten etwa um 6:00 mit Frühstück fertig sein. Also beschließen wir, um 5:00 aufzustehen.
Raues Erwachen
Etwa um 4:30 werde ich dann von einem lauten Donnerkrachen aufgeweckt. Die ganze Nacht war es trocken und nun regnet es wieder und zwar so heftig, dass das Wasser geradewegs die Straße runter läuft. – So eine Scheiße – Egal, erst mal frühstücken. Das ist heute umso wichtiger, wenn wir die Tour tatsächlich fahren wollen.Der Start
Um 6:15 stehen wir dann wie geplant mit unserer spärlichen Regenbekleidung vor dem Hotel. Zum Glück sind es nur 200 m bis zur Startaufstellung. Zum Start scheppert dann aus Lautsprechern der Song "I Have a Dream" (eh klar) aber jetzt träumen nur noch die, welche bei dem Sauwetter erst gar nicht zum Start erschienen sind. Dennoch sind 2295 von ursprünglich ~3400 angemeldeten Teilnehmern bereit für das (jetzt mit Sicherheit) härteste Radrennen in den Alpen. Nach 15 minütiger Wartezeit und Stop and Go passiere ich dann mit meinem Transponder die Startlinie. Die ersten 32 km nach Ötz geht es vorwiegend bergab und ich friere schon auf den ersten Metern. So können wir nicht weiter trödeln. Langstrecke hin oder her. "Los gebt Gas! Mir ist kalt.“ rufe ich meinen Kameraden zu und stelle den Tacho auf 40. Ganz klar, dass Klaus gleich mit dabei ist. Die Anderen wollen irgendwie nicht so recht.Auf der Strecke nach Ötz schifft es gleich mal so richtig und bald kommen uns schon haufenweise Fahrer entgegen, die wohl die Schnauze schon gestrichen voll haben oder einfach eingesehen haben, dass es unter diesen Bedingungen keinen Sinn macht, noch weiter zu fahren. Das muss jeder für sich entscheiden.
Der erste Berg
Die Meisten nehmen aber die Steigung zum Kühtai dann doch noch in Angriff, denn jetzt kann man sich ja wieder warm fahren. 7:38 Uhr: Der Tacho zeigt 32 km an und eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 42 km/h. Das ist mit absoluter Sicherheit der höchste Schnitt des Tages. Von jetzt an geht’s abwärts. (mit dem Schnitt) Ich zieh erst mal die blaue Mülltüte unter meinem Trikot raus, damit der Körper wieder atmen kann. Gott sei Dank gibt der Regen etwas nach und man radelt sich in der mächtigen rund (20 km) langen Steigung wieder warm. 17% soll das steilste Stück ja haben. Man registriert das nicht so richtig aber schwer geht's manchmal schon.Essen und Trinken hält Leib und Seele zusammen.
Oben am Kühtai (hier laufen die Viecher wirklich auf der Straße rum) zeigt der Tacho 52 km an. Hier ist die erste Verpflegungsstation (Labestation AU). Hätte ich einen Thermometer am Tacho gehabt, wäre ich wohl gleich durch gefahren oder sofort wieder zurück. Das Käsebrot bringe ich kaum runter und der Eistee (falsche Entscheidung) schmeckt zum Kotzen. Hunger hab ich sowieso nicht. Teilweise laufen hier schon zitternde Gestalten herum, die heute garantiert nicht mehr weiter fahren. Also nichts wie weg hier. Schnell die Mülltüte unters Trikot gestopft und die Windjacke drüber. Und dann los.Brrrrr....
Zitterpartie
In der Abfahrt versuche ich mir einzureden, dass es eigentlich nicht so kalt ist, aber irgendwann kann ich das Klappern der Zähne nicht mehr unterdrücken. Da es wieder richtig stark angefangen hat zu regnen, kann man auch nicht schnell fahren, das wäre zu riskant. Also kaum eine Chance irgendwie warm zu werden. Bloß nichts riskieren, denn das lohnt sich nicht, aber trotzdem schnell diesen scheiß Berg runter. Ich mag gar nicht dran denken, wie die drei anderen Abfahrten noch werden. Das macht hier wirklich keinen Spaß mehr.Mit Vollgas durch die Sintflut
Irgendwann habe ich dann Kematen erreicht und es geht endlich nicht mehr Berg ab. Bei der Zeitmesseinrichtung Kematen stürzt vor mir ein Fahrer. Keine Ahnung warum der Typ sich da auf die Strasse legt. Jedenfalls rappelt er sich gleich wieder auf. Jetzt sieht es wieder so aus wie am Start. Von den Leuten hier will keiner so richtig in die Gänge kommen und ich stelle meinen Tacho wieder auf 40 und zieh alleine los um wieder warm werden. Zum Glück ist die Umgebungstemperatur hier unten auf ~600m wieder erträglich. Auf einmal bin ich ganz alleine auf der Strecke. Wo sind denn die Anderen abgeblieben? Bin ich hier überhaupt noch richtig? Da vorne ist ein Schild. Ok, das passt. Bei Innsbruck kommt dann endlich ein D-Zug von hinten angebraust. Das sind ja mindestens 30 Leute. Gut, da klinke ich mich mit ein. Dann geht es auch schon in den ersten Anstieg auf der alten Brennerstraße. Die Jacke ausziehen macht eigentlich keinen Sinn, denn es schüttet immer noch wie aus Eimern. Völlig egal wovon man nass wird. Das Tempo das hier gefahren wird ist wirklich heftig. In den flachen Abschnitten hänge ich mich bei den Anderen in den Windschatten und wenn es etwas steiler wird fahre ich wieder vor und sorge dafür, dass die Gruppe nicht einschläft. Kurz vor Brenner wird es nochmals etwas steiler (15%) und bedingt durch den regen Autoverkehr kommt es auch etwas zum Stocken. Ich nutze die Situation um kurz zu pinkeln. Wenn man eh schon tausend Wehwehchen hat braucht nicht auch noch die Blase zu drücken.Hektik bei km 123
An der Labestation Brenner angekommen, möchte ich das Prozedere zügig hinter mich bringen, um nicht unnötig auszukühlen. Mir graust es schon wieder vor der Abfahrt. Schnell einen Red Bull eingekippt, dazu einige Vitamine und die Trinkflaschen randvoll gemacht, denn der nächste Berg wird lang. Einen Riegel schieb ich mir noch ein. Zum Essen ist jetzt keine Zeit. Dann stopfe ich mir noch schnell meine Mülltüte unter die Jacke und los geht's.Halbzeit
Die Abfahrt ist dann gar nicht so schlimm wie erwartet. Der Brenner ist halt doch nur 1374 hoch und das südliche Klima macht sich hier schon leicht bemerkbar. Schnell ist Sterzing erreicht und dann geht es wieder hoch (juchu) Richtung Jaufen. Hier muss jeder sein eigenes Tempo fahren. Wenn du den Berg gut schaffst, dann packst du auch den Rest noch. Es sei denn irgendwann kommt unerwartet der Mann mit dem Hämmerchen. So ähnlich denken auch die Anderen (man spricht ja auch miteinander). Heute ist wohl jeder schon an seine persönliche Grenze gegangen und es ist noch nicht so schnell zu Ende. 142 km zeigt der Tacho erst. Naja immerhin schon über die Hälfte. Und Gott sei Dank regnet es nicht mehr. “Guck mal Micha, da fährt auch noch einer Gazelle“ ...ruft einer aus der Truppe die ich gerade überhole. Den aufmerksamen Kollegen werde ich heute noch öfters treffen. Man ist hier wirklich nicht alleine. Aber mit meiner altmodischen Rahmenschaltung bin ich schon etwas exotisch unterwegs. Kurz vor der Passhöhe sieht es überhaupt nicht freundlich aus. Es ist richtig wolkenverhangen und wird auch langsam wieder ordentlich frisch. 160 km und 2080 hm absolut. Nach meinem Höhenmesser müssten wir eigentlich schon oben sein. Und so ist es dann auch.Die Wende
Was ist denn das? Auf der anderen Seite vom Berg sieht es plötzlich ganz anders aus. Viele blaue Flecken am Himmel und da kommt auch schon die Sonne heraus. Das ist bis jetzt der schönste Moment des Tages. Die Labestation liegt einige Meter unterhalb der Passhöhe. Natürlich wollen wir wissen wie das Wetter am Timmelsjoch ist, aber das weiß hier auch niemand. Hektisch wird etwas gefuttert, dann geht’s weiter. Das Wetter ist freundlich und die Strasse schon halbwegs trocken. Zum ersten mal, dass heute eine Abfahrt auch Spaß macht. Nur in den nassen Kurven muss man etwas aufpassen. Unten in St. Leonhard stehen doch einige Leute auf der Strasse und applaudieren uns. Hier ist ja richtig was los, obwohl die Spitze schon vor 1 1/2 Stunden durch gekommen sein müsste. Hier auf 688 m ist es richtig warm und ich erlaube mir den Luxus, die Beinlinge abzulegen. Bei der Gelegenheit wird auch die gute Mülltüte entsorgt in der Hoffnung, diese nicht mehr zu benötigen. Dann geht es wieder auf die Reise. 13:30 Uhr: 185 km zeigt der Tacho an. Bei einer “normalen Radtour“ sollte man jetzt langsam zuhause sein, denn es reicht. Aber heute stehen mir noch etwa 2 1/2h Berg bevor.Langes Elend
Irgendwie läuft es nicht mehr so richtig. Jetzt kommt womöglich der gefürchtete Schwachpunkt. Ich hätte ja auch an der Labestation mehr essen sollen, aber das ist jetzt zu spät. Für solche Fälle habe ich mir ein Powergel mitgenommen. Das wirkt innerhalb einer Minute und hilft wirklich. Das merke ich daran, dass ich wieder langsam anfange, die Anderen zu überholen, wenn auch langsam. In diesem Streckenteil hat sich das Feld längst sortiert und es fahren etwa alle auf gleichem Niveau. Endlich erreiche ich die Labestation Timmelsjoch auf etwa1700 m. Hier ist auch die Steigung für einige Kilometer etwas flacher. Das tut wirklich gut. Jetzt wird erst mal reingefuttert was geht und ich genehmige mir eine großzügige Pause von mindestens 5 Minuten. Bevor das Ganze aber zur Bummeltour ausartet, rutsche ich wieder schwerfällig auf meinen Sattel (den Hintern spüre ich längst nicht mehr) um die letzten Meter in Angriff zu nehmen. Jetzt kann eigentlich nichts mehr schief gehen, auch wenn die letzten Kehren noch sehr steil sind (bis 15%). Dazu weht noch ein kräftiger, teilweise böiger Wind. Das macht die ohnehin schon langsame Fahrt nicht gerade einfacher. Einmal reißt mir eine Windböe sogar die Radbrille vom Gesicht. Ich kann nur noch zusehen wie diese gleich zehn Meter die Straße hinunter geweht wird. Bei einer Kaufhausbrille hätte ich wahrscheinlich gesagt: "Leck mich" und wäre weiter gefahren. Aber für eine Oakley dreht man schon mal um. Irgendwo ruft mir noch ein Zuschauer die Platzierungen zu: "Bravo, 150'ster, 151'ster...." Dass ich so weit vorne bin, hätte ich nie gedacht aber das Feld wurde heute auch ganz schön dezimiert. Nochmals motiviert nehme ich die letzen Meter in Angriff und dann ist auch bald der Tunnel erreicht. Hier hat der Veranstalter ein Dieselaggregat aufgestellt und den Tunnel mit Strahlern behelfsmäßig etwas ausgeleuchtet. Das ist auch gut so, denn sonst wäre es hier stockfinster. Wenige Meter danach kommt dann die Passhöhe. Ich sehe das Schild "Passo del Rombo 2509m" Das ist mindestens der zweitschönste Moment des Tages.Rasendes Finale
Es ist zwar etwas frisch hier oben, aber eine Umkleideaktion macht mich jetzt nicht an. Also stürze ich mich kurz bekleidet in die Abfahrt. Diesen Streckenabschnitt kenne ich ja schon. 79,9 km/h zeigt der Tacho. Es würde eigentlich noch viel schneller gehen, aber bei dem Gegenwind ist heute einfach nicht mehr drin. Die Abfahrt vom Timmelsjoch ist wirklich "ein Traum" weiter unten stehen immer wieder applaudierende Leute an der Strasse. Das macht zusätzlich gute Laune. Die Abfahrt bis nach Sölden dauert immerhin noch eine gute halbe Stunde. Dass man jetzt schon über 9 Stunden im Sattel sitzt registriert man gar nicht mehr. Ich habe nur noch eines im Kopf: "Da unten ist Sölden und da ist das Ziel" Alles andere ist egal. Sollte mich jetzt noch einer überholen ist das auch egal. Er hätte sich den einen Platz vor mir auch verdient. Aber da kommt niemand mehr. Die schnelleren Fahrer sind eben schon im Ziel. Ich bin wohl der Einzige, der hier noch Lust hat richtig zu treten und so bin ich wieder mal ganz alleine auf der Strecke. Dafür habe ich dann auch die Zieleinfahrt nach Sölden für mich alleine. 16:15 haben wir jetzt. Mit dem angebrochenen Tag könnte man ja noch was anfangen. Natürlich stehen dann auch in Sölden viele applaudierende Zuschauer an der Strasse. Vermutlich ist das der schönste Moment des Tages. Ich weiß auch nicht so recht, denn ich bin ziemlich erschöpft, müde, überwältigt und auch glücklich.Im Ziel begrüßen mich dann gleich die Kollegen, die leider am Kühtai wegen Schneetreiben und Eiseskälte abbrechen mussten. Das Lachen fällt mir noch etwas schwer. Irgendwie bin ich doch total fertig. Das war mit Sicherheit das Härteste was ich in meinem Leben gemacht habe. Die Rückfahrt ins Hotel ist nur 500m lang aber da muss ich schon wieder schlottern wie heute Morgen am Kühtai, weil ich durch die lange Abfahrt und die Anstrengung völlig ausgekühlt bin. Gut dass es zu Ende ist. Die Dusche und die Sauna sind der wohl verdiente Ausgleich nach dieser Hammertour.
Eine Stunde später bin ich dann wieder im Zielbereich beim Pasta futtern und es gibt viel zu erzählen. Einiges davon habe ich in diesem Fahrbericht beschrieben. Doch den “Ötztaler“ kann man nicht erzählen und nicht nachlesen. Entweder hat man ihn erlebt oder man träumt nur davon.
Ende gut, alles Gut
Die “Nicht Finisher“ lassen es sich nicht nehmen, am nächsten Tag wenigstens noch auf den Gletscher zu fahren (Strafarbeit) und einige kommen sogar am folgenden Wochenende noch einmal nach Sölden um die Tour auf eigene Faust und unter bessern Bedingungen zu fahren (Nachsitzen).Ich spüre die Tour natürlich noch in den Knochen und habe auch keinen Bedarf mehr, auf eine Stichtour zum Timmelsjoch. Die “Nicht Finisher“ dürfen noch. Meine Kniegelenke haben auch zu sehr unter der Kälte gelitten. Die nächsten Tage ist erst einmal Ausruhen angesagt.
In der Freizeitarena hole ich dann noch meine Urkunde ab.
Darauf steht: "Dein Traum ging in Erfüllung!"
Ravensburg 20.09.03 Michael Müller
4 gefahrene Pässe
Timmelsjoch, Jaufenpass, Kühtaisattel, BrennerIch bin diese Etappe gefahren und möchte die befahrenen Pässe in mein Palmares eintragen
Ich bin diese Etappe gefahren
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