Von majortom –
Freitag Abend vier Stunden von Annemasse nach Buis-les-Baronnies, Samstag Morgen in der Provence aufwachen. Perfekt! Für ein Frühstück auf der Terrasse des sehr schönen Hotels ist es zwar Ende April noch etwas zu früh im Jahr, dennoch verspricht strahlend blauer Himmel einen herrlichen Tag auf dem Rad. Kurz kläre ich nach dem Frühstück mit dem directeur noch ein paar Details zu unserer für 2017 geplanten quäldich-Reise, dann stehe ich abfahrtbereit auf dem Parkplatz.
Mein Weg führt mich nach Norden über den Col d'Ey. Das heißt, er führt mich zunächst knapp einen Kilometer in den Pass hinein, dann fällt mir auf, dass ich das Eincremen mit Sonnenschutz völlig vergessen habe. Blick zum Himmel - heute ist das keine gute Idee. Also nochmal zurück nach Buis, Sonnencreme auftragen, zweiter Versuch.
Col d'Ey zum zweiten. Es ist ein eher kleiner Pass, 300 Höhenmeter sind eher Mittelgebirgs- als Alpenmaßstab. Aber er ist schön zu fahren, Olivenplantagen unten, schroffe Felsen im oberen Teil. Und die ersten Ausblicke auf den Mont Ventoux, den man hier von fast überall sieht. Der Géant de Provence wäre natürlich auch ein würdiges Ziel für die heutige Tour gewesen, aber ich kenne ihn schon, und heute will ich Neuland betreten.
An den Col d'Ey schließt sich gewissermaßen nahtlos der Col de Soubeyrand an, der mit etwa 600 Höhenmetern ein ernstzunehmenderes Hindernis darstellt. Ich wähle die Variante von Sainte-Jalle über Poet-Sigillat, einem verschlafenen Provence-Dörfchen, dessen Häuser malerisch auf einem Felsen erbaut sind. Eine wunderschöne, einsame Strecke, und die Euphorie des Morgens hält an und trägt mich auf die Passhöhe. Die Abfahrt ist leider in keinem allzu guten Zustand, und ich muss vorsichtig sein.
Hier stoße ich auf das Eygues-Tal, das eine der West-Ost-Routen der französischen Voralpen beherbergt, doch heute ist nicht viel los, und ich bin auch nur ein paar Kilometer flussabwärts hier unterwegs, dann geht es weiter nach Norden, das Oule-Tal hinauf. Hier stoße ich ins Diois-Massiv vor, das zwischen Provence und Vercors wohl das einsamste Voralpenmassiv darstellt. Dafür gibt es eine Vielzahl kaum befahrener Passstraßen, und ich habe die Qual der Wahl. Plangemäß entscheide ich mich für den Col de Roustans, der mit einer markanten Schluchtpassage und karger Weidelandschaft zu überzeugen weiß. 50 Kilometer, und schon drei Pässe abgehakt.
Eine Höhenstraße mit nicht weniger als drei Vorpässen führt mich dann in die Abfahrt nach Saint-Nazaire-le-Désert, wo ich auf ein Mittagessen hoffe. Im einzigen Restaurant des Ortes werde ich mit Verweis auf die fotgeschrittene Tageszeit recht rüde abgefertigt, obwohl im Nebenraum gerade Speisen serviert werden. Wohl würdigeren Gästen als einem verschwitzten Radfahrer - wobei unweigerlich Erinnerungen an einen Vogesentrip vor ein paar Jahren aufkommen...
Seis drum, mangels Alternative also mit leerem Magen hinauf zum Col de Muse, unter all den einsamen Pässen des Tages der allereinsamste. Eine einspurige Straße, null Verkehr, herrliche Voralpenlandschaft - so genieße ich die Passauffahrt trotz des Kalorienmangels. Ich hoffe auf eine mögliche Einkehr im Roubion-Tal, doch auch hier Fehlanzeige. Der Col de l'Homme in Richtung Westen hat den Begriff "Col" glücklicherweise kaum verdient, und so schaffe ich es bis nach La Paillette, wo eine Epicerie gerade nach der Mittagspause wieder ihre Tore öffnet. Leckere Quiche liefert die dringend benötigten Kalorien.
Und somit beginnt der - laut Plan - einfache Teil der Etappe. Die Pässe sind abgehakt, und ohne größere Anstiege soll es über Valréas, Vinsobres und das Ouvèze-Tal nach Buis zurück gehen. So weit so gut, doch heute weht der berüchtigte Mistral mal nicht von Norden, sondern von Süden, was Gegenwind bedeutet. Und ich bin ganz schön abgekämpft, als ich Valréas erreiche, die sogenannte Enclave des Papes - tatsächlich gehörte die Stadt einst dem im Avignon ansässigen Papst und heute zum Département Vaucluse, ist aber vollständig vom Département Drome umgeben.
Hier beginnt auch das Weinanbaugebiet der Côtes du Rhône, was mir einen Anstieg in die Weinberge und in der Abfahrt nach Vinsobres einen sensationellen Aussichtspunkt in Richtung Mont Ventoux und Dentelles de Montmirail beschert. Müde bin ich, doch noch knapp 30 Kilometer fehlen. Der Gegenwind meint es nach wie vor nicht gut mit mir, doch die Motivation trägt mich das leicht ansteigende Ouvèze-Tal hinauf. An einer 20-Höhenmeter-Welle hat man kurioserweise ein Passschild aufgestellt. Col St. Michel heißt das Ding. Gut, nach 150 Kilometern tut auch diese kleine Welle weh. Dann ist Buis erreicht, und eine sensationelle Etappe geht zu Ende.
Ich bin diese Etappe gefahren und möchte die befahrenen Pässe in mein Palmares eintragen
Ich bin diese Etappe gefahren