Von brandw –
Heute gibt's viel zu berichten! Morgens nach einer mäßigen Nacht (Fenster geschlossen wegen zu viel Lärm) erstmal das Frühstücksbuffet geplündert. Wenn die nur Radler hätten wären sie arm. So gegen 8:30 losgeradelt, Richtung Gersau/Vierwaldstätter See. Die Beine sind noch schlapp, aber zum Glück ist es flach. Der Sonnenaufgang über dem VW-See ist traumhaft. Bei Gersau kommen mir schon die Fußgänger entgegen, was mich Böses ahnen lässt. Und richtig: Ich komme um 9:15 an, die Fähre ist weg und die Nächste fährt erst wieder um 10:00. So hänge ich mein gewaschenes Trikot in die Sonne, lege mich daneben und höre Luca Bloom auf dem Ipod. Auch schön. Kurz vor 10:00 fährt einer mit Wiesbadener Kennzeichen vor, dem ich sofort ein Gespräch aufdrücke. Allerdings hat er nichts besseres zu tun, als mir die gesamte Überfahrt von seinem Job und seiner Firma zu erzählen. Das war kein Gespräch sondern ein Monolog! Schon etwas egozentrisch. Ich schicke ihn an seinem freien Tag auf die Klewenalp, damit er wenigstens ein bißchen was von der Schweiz sieht und sich nicht gleich wieder in seinem Hotelzimmer verkriecht.
Nach der Fähre (Beckenried) geht's direkt ins Engelberger Tal- schön flach das macht mit meiner Flachland-Übersetzung richtig Spaß. Aber nicht mehr lange... Dann geht's nämlich in Dallenwil rechts ab zum „Ächerlipass“. Die ersten Kilometer erinnern mich stark an „Pragelpass-West“:-( Zum Glück ist nach der Talstation der Seilbahn wenig Verkehr, so dass ich durch Zickzack ein 34er Kettenblatt simulieren kann. Trotzdem frage ich mich, ob ich mir nicht zu viel zumute. Die Steigungen zwischen 10-15% gehen gnadenlos weiter und mein linkes Bein zieht unschön. Dafür ist die Landschaft wunderschön und ich halte an jeder Kurve um Fotos zu machen.
Nach 5 km erreiche ich Wiesenberg und das Schlimmste ist überstanden- dafür sind die Beine auch schon müde. Hier wird's kurzzeitig flacher um dann in weiteren Rampen anzusteigen. Zwischendurch ein Telefonat aus dem Job, das ich geflissentlich ignoriere: Jobtelefonate werden erst auf der Passhöhe beantwortet.
Ach ja: Die Sonne brennt gnadenlos auf mein Haupt... Kurz vor der Passhöhe wird es dann endgültig flacher und geht in eine wunderschöne Bergalmenlandschaft über. Die letzten Kehren ziehen sich nochmal tierisch – ich treffe noch 2 Mountainbiker mit Panne, die vorsichtshalber die Bahn bis Wiesenberg genommen haben – Weichlinge.
Oben wird das Velo erstmal an eine der vielen Kuh-Badewannen gelehnt, eine Tafel Schoggi gefressen und der traumhafte Blick genossen.
Das Jobtelefonat ist entspannt – es ist nix angebrannt.
Leider geht's nochmal kurz bergauf, was meine Beinchen überhaupt nicht mögen – kein Saft mehr... Ich habe langsam echte Bedenken ob ich den Rest der Tour noch schaffe. Die Abfahrt hat leider viel Split, so dass man sehr vorsichtig fahren muss. Im Tal kaufe ich erstmal Bananen und Nachschub an Schoggi, dann geht's weiter den Sarner See entlang. In Giswil beschliesse ich, ob des traumhaften Blickes und der müden Beine meine Bananen an einer kleinen Kirche zu essen. Es ist wunderschön hier, nur der Lärm – ein metallisches Schlagen – stört. Bis ich sehe, dass hier Almabtrieb ist, mit geschmückten Kühen. Da wir hier am Ende der Welt sind, handelt es sich nicht um Touri-Spektakel sondern um echte Schweizer Tradition!
Nach der Pause orientiere ich mich an den Fahrradwegweisern, was in einem Asphaltweg mit 10%-15% Steigung endet. Ich dachte das sei für heute vorbei... Aber es kommt noch besser: Der Schweizer Radweg endet in einem Schotterweg auf der rechten Seite des Lungernsees – na Klasse! Tipp für alle Nachahmer: Auf jeden Fall die Autostrada links vom See fahren.
Als das überstanden ist beschließe ich, entgegen den Wegweisern, den Brünig auf der Autostraße zu erlegen. Moderate Steigung und überraschend schnell vorbei. Die meiste Steigung ist vor Lungern.
Nach der Passhöhe geht’s runter nach Meiringen. Ich begehe nochmals den Fehler den Radwegweisern von Hasliberg Richtung Meiringen zu folgen, was in einer zweiten Schotterabfahrt :-((. Dort bin ich jetzt in „Simons Herberge“ gelandet. Massenlager – aber außer mir ist kein anderer Gast da. Empfehlenswert: Das Essen im „Hotel Tourist“: Sehr währschaftes Rösti Älplerart – das gibt Kraft für morgen!
Fazit des Tages: ich glaube ich bin „angekommen“. Ich fühle mich wohl mit dem was ich tue, im Einklang mit meinem Körper, der Landschaft und den Menschen.
Ich bin diese Etappe gefahren und möchte die befahrenen Pässe in mein Palmares eintragen
Ich bin diese Etappe gefahren