Kommentare
Einloggen, um einen Kommentar zu verfassenMartelltal: Erdbeeren und Umwelt
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pedalgeist, 24.09.2024, 18:50 Uhr
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el_zet, 25.09.2024, 08:58 UhrGuten Morgen!
Bist Du da nicht ein bisschen streng?
Versiegelt sind die Erdbeerfelder ja nicht, nur zu gewissen Zeiten mit Planen abgedeckt. Das ist hässlich genug (auch die Gerippe in den übrigen Zeiten), aber nicht dasselbe.
Die Muren kommen nach meinem Verständnis von den Hängen, da können die Erdbeerfelder im Tal nichts dafür.
Irgendwovon müssen die Menschen ja leben. Da ist ein Speziallandwirtschaft mit einer höheren Wertschöpfung keine schlechte Sache (wenn sie nicht mit zuviel Dünger und Gift und ähnlichen Schweinereien verbunden ist, da kenne ich mich nicht aus). In meinen Augen auch nicht schlechter als intensiver Tourismus. Neben dem Waldheim entsteht ein gigantischer Campingplatz (für die Camper-Familie aus Meran?), und es gibt wohl durchaus auch Begehrlichkeiten für ein Skigebiet. Dann lieber Erdbeeren. Fahren tatsächlich die Erdbeerbauern mit Sportwagen durchs Tal?
Lukas -
pedalgeist, 25.09.2024, 11:56 Uhr auf el_zetIch muss das etwas akzentuieren, damit der Punkt rauskommt, streng ist nicht der richtige Begriff. Eine Gesamtbetrachtung würde hier vielleicht etwas weit führen, aber ein paar Aspekte noch. Die Wertschöpfung von verarmenden Bergbauern gegenüber urbanen Arbeitsplätzen ist immer wieder ein Thema wie etwa Alpenforscher Werner Bätzing sich schon früh Gedanken gemacht hat, aber auch in Diskussionsrunden mit Christan Neureuther und Reinhold Messner jüngst u.a.m. Diese Erzählung vom armen Bergbauern ist ein bisschen ein Märchen und ich schließe da auch etwas den von mir sonst geschätzen Reinhold Messner ein (hätte mich gerne mit ihm unterhalten, war aber zur falschen Uhrzeit an der Burg Juval, soweit er überhaupt präsent gewesen wäre). Es gibt in allen Welten Einkommensunterschiede je nach Branche usw. Wir können also nicht alle gleichstellen und auf Gehälter von Hollywood-Stars schauen, wenn wir FEnsterreiniger sind. Wertschöpfung in besonders sensiblen Naturgebieten kann da im Zweifel nicht mit allen Entwicklungen mithalten und ist daher eine besondere Verantwortung, für die nicht alle Menschen geeignet ist. Naturrespekt ist auch immer etwas mit VEruicht und Beschiedneheit verbunden. Echte Bergmenschen wissen das auch. Es gibt aber mittlerweile zuviele Menschen in den Bergen oder Zugezogene, die nicht mehr die nötige Verwurzelung in den Bergen und mit der Natur mitbringen (viel Ursachen). Man muss also abwägen, was geht noch in modernen Zeiten, und wo werden Grenzen überschritten.
Ein Beispiel vom armen Bergbauern: Ich war an der Talstation Masen im Langtauerer Tal kurz vor Talende wegen Dauerregen in der Nacht unter dem Dach, das als Garage einem Almbauern dient, der im Winter auch die Bergbahn betreibt/betreut. Ferner hat er eine Alm oben. Tagsüber arbeitet er irgendwo im Tal, wenn die Alm nicht für Gäste betrieben wird. Der Fuhrpark sah so aus: Ein alter Jeep, ein neuerer Jeep, aber stärker verschmutzt, ein polierter SUV und eine hochglanzpolierte Harley. Mit dem SUV ist er zum Job ins Tal, mit dem neueren Jeep zur Alm. Es nutzt wenig, wenn die Almbauern (evtl. die neuen Erdbeerbauern) so gut Kasse machen, dass sie am Ende nichts anderes im Sinn haben, als mit dicken Motorrädern oder Sportwagen genau das machen, was unbedarfte Touristen schon lange zuungunsten der Alpen machen, nämlich Spaßverkehr mit durchgedrücktem Gaspedal und Showpotenzial.
Zweite Story: Ich war im Hofladen am Fuße der Burg Juval, zugleich an der Reschenpassstraße gelegen. Da gibt es die Erdbeerschokolade für 9,70 € (zuvor im Martelltal waren die entsprechenden Läden alle geschlossen, falsche Uhrzeit usw.), ebenso wie Wein nicht unter 14 oder 16 €, eher über 20 €. Herzstück sind die Präsentkörbe für Besserverdienende. Das Lokalprodukte wie Speck usw. mittlerweile extrem teuer verkauft werden, dürfte dir nicht unbekannt sein. Könnte ich auch noch weiter ausführen mittels Erfahrungen aus den letzten 20 Jahren auf der CMT in Stuttgart, was das Produktmarketing Südtirol angeht und ein Speigelbild der Liveerlebnisse ist. Im Holfaden stand vor mir ein Klischee-Yuppie mit Sportwagen draußen, Rückenaufschrift "Roland Garros" (bin sicher, dass er auch dort gewesen ist). Er schätzte seinen Präsentkorb auf über 200 €. Als nach dem Einscannen der Produkte nur 167 € rauskamen, hat er gleich noch ein fette Wurst und einen Schinken draufgelegt "Ist ja billig". Welche Straßen der gefahren ist, weiß ich nicht, aber solche Leute werden durch die Jetset-Preisentwicklungen angelockt. Gleichzeitig könne viel einfache Menschen der Region die Preise nicht mehr zahlen. Andere bekannte Effekte sind steigende Mieten und Immobilienpreise in den Talsohlen, die die heimische Bevölkerung immer mehr entlegene Bergtäler drängt, was weiteren Pendelverkehr erzeugt. Die Probleme sind auch nicht exklusiv Südtirol, sondern gibts in vielen Ecken. wo Gier zu schnell gewachsen ist.
Die Probleme mit den Planatagen-Äpfeln sind ja auch bekannt, redet aber kaum noch einer drüber. ES weiß zudem jeder, der Äpfel liebt, dass trotz Handelsklasse 1 diese Äpfel nach nichts schmecken, fast jeder Apfel von einer Streubobstwiese ist mir lieber und shcmackhafter. Anders sehe ich es bei Weinbergen in Südtirol, die m.E. die Kulturlandschaft positiv prägen. Almen sind ja auch keine wilde Natur, sondern jahrhundertlange Kulturlandschaft, die aber postive Effekte hatten und haben (Vielfalt von Blumen und Kräutern, ursprüngliche Alpen waren oft nur Wald).
Dritte Story, wie Fehlallokation in den Bergen läuft. In Oberhafling oberhalb Meran und abseits aller Infrastruktur stehen dem Aussehen nach zwei Gefängnisbauten nebeneinander - der eine ist ein Zusatzbau eines 4-Sterne-S-Hotels, der andere ein 5-Sterne-Chalet-Hotel. Es versteht sich von selbst, dass der Fuhrpark der Gäste überwiegend aus hochpreisigen Autos besteht bis hin zu Sportwagen. Ob die Betreiber auch solche Autos fahren, weiß ich zwar nicht, aber das gehört da generell nicht hin, egal, ob es solche Fehlbauten schon woanders gibt. Sowas zieht zwangsläufig ein ganze Kette von zunehmende Verkehr nach sich, nicht nur der Gäste. Meiner Schätzuung nach haben auch 80 % der Südtiroler einen SUV, den längst nicht alle beruflich brauchen. Zu den Mieten und dem Verkehr hatte ich u.a. noch ein Gespräch mit einem Ehepaar im Villgraten-Tal (auch SUV, obwohl Rentner) - ebenfalls eine Wetterpause gewesen. Könnte ich jetzt noch weiterdrehen auch in Tirol/Schweiz mit Samnaun, Shoppingmeile für Besserverdienden in der Bergsackgasse oder auf frühereren Touren, wie teils in den frz. Alpen usw. (bzgl. Verkehr aber geradezu noch Robinson-Crusoe-Inseln im Vergliech zu Südtirol und vielen andere Teilen der Südalpen). -
el_zet, 25.09.2024, 12:05 Uhr auf pedalgeistDanke für die ausführliche Antwort.
Als Quintessenz könnte ich daraus aber ablesen: lieber Erdbeeren als Tourismus.
Die Erdbeeren sind m.E. eine komplette Fehlallokation dort in den Alpen. Die Landschaftseintrübung ist im Etschtal und Val di Non ja bereits erschreckend durch die Netze in den Apfelplantagen - auch das hat sich gegenüber den 00er Jahren noch mehr ausgebreitet. Die Erdbeeren gabs 2005 noch gar nicht (bin damals das Martelltal nur angefahren). Wie absurd diese Erdbeerkulturen sind, kann man auch daran sehen, dass die entsprechende Schokolade für 9,70 € in sog. "Hofläden" verkauft werden, wo mittlerweile nur noch Produkte für eine Jetset-Gesellschaft verkauft werden, die mit den Bergen wenig im Sinn haben. Man darf sich auch nicht über zunehmenden Verkehr wundern, z.B. der Sportwagenklasse. Aber auch diese flächige Bewirtschaftung und fortschreitende Besiedlung der hinteren Alpentäler ist ein wachsendes Proble ganz unabhängig vom Tourismus. Es erzeugt gleichermaßen mehr lokalen Autoverkehr.
Ferner tragen versiegelte Flächen weiter zum Klimawandel bei, vor allem in solchen sensiblen Alpenregionen. Und dann steigt auch noch das Erosionsproblem. Es gab heuer in den Ostalpen soviel Murenabgänge wie ich noch nie zuvor erlebt hatte, diverse Meldungen hier bie QD über entsprechende Straßensperrungen stützen das. Diese Warnzeichen werden regelmäßig übersehen und dann schaut man erstaunt, wenn die Katastrophen heftiger und häufiger werden. Die Ursachen werden dabei einfach nicht angegangen oder weggelächelt, und die Spirale weitergedreht. Meine Meinung über das mittlerweile völlig in die falsche Richtung abdriftende Südtirol ist nicht exklusiv. Ich sprach in einer Gewitterpause mit einer Südtiroler Camper-Familie aus Meran, die alle meine Kritik inkl. zu den Erdbeeren teilten.
Grüßle
Matthias