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jansahnerfan – Nachdem Anfang der Neunziger der
Mortirolo beim Giro dItalia für Furore gesorgt hatte, zerbrachen sich die Organisatoren der Vuelta a España die Köpfe, wie sie zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen konnten. Die eine Fliege war die Suche nach einem Schlussanstieg, der einmal international an die Bekanntheit von zum Beispiel
Alpe dHuez heranreichen könnte. In den Achtziger Jahren waren die
Lagos de Covadonga drauf und dran, diese Vorgabe zu erfüllen, aber trotz des anspruchsvollen Profils und der landschaftlichen Schönheit hakte es irgendwie. Die andere Fliege war die Suche nach einem Anstieg, der so hart oder noch härter als der Mortirolo von Mazzo aus wäre. Die Aufmerksamkeit lenkte sich auf einen ultrasteilen Ziegenpfad, der zu einer kleinen Hochfläche in der Sierra del Aramo im Hinterland von Oviedo führte. Die Gemeinde Riosa in den Ausläufern der Sierra ließ sich breitschlagen, den Pfad zu asphaltieren. Nach Abschluss der Arbeiten war es dann im Jahre 1999 soweit: Der Angliru feierte seine Premiere im Profiradsport, und zwar auf der neunten Etappe der Vuelta. Gewonnen wurde die Etappe von José María Jiménez, Gesamtsieger der Vuelta in jenem Jahr war tatsächlich Jan Ullrich.
Exkurs:
Ich kann mich noch an die Übertragung der Etappe im Fernsehen erinnern. Es war neblig und nieselte, wie leider allzu oft im Kantabrischen Gebirge. Die Profis kämpften sich den Berg hinauf auf einer Fahrt ins Ungewisse. Der Endpunkt der Auffahrt lag (und liegt immer noch) nicht am Übergang zur Hochfläche, sondern einige flache hundert Meter dahinter. Jiménez und Tonkov, die beiden ersten, wussten wohl nicht so recht, wo genau das Ziel war. Es tauchte einfach vor ihnen aus dem Nebel auf, und im Nullkommanichts hatten sie auch schon die Ziellinie überquert. So überrascht schienen sie, dass sie gar nicht um den Sieg sprinteten. Ich hatte das Gefühl, Jiménez gewann einfach deswegen, weil er gewollt oder ungewollt einen halben Meter vor Tonkov fuhr. Jedenfalls schon komisch, dass Sieger und Zweiter am Ende einer so steilen Strecke keinen Zeitabstand hatten. So etwas sollte es danach bis heute am Angliru nicht mehr geben.
Von seligen Fernseherinnerungen abgesehen lässt sich zur Lage des Angliru noch anführen, dass die Gipfel um die Hochfläche herum (u.a. der Gamonal und der Berriscal) zu den höchsten der Sierra del Aramo zählen. Weiter südlich liegt der höchste Berg der Sierra, der Gamoniteiru, zu dessen Gipfel man vom Alto de la Cobertoria aus auf einer Knüppel-Asphaltpiste gelangt. Diese Auffahrt ist eine der schwersten des Kantabrischen Gebirges, aber ein ganzes Stück leichter als der Angliru. Die Straße zum Angliru ist mittlerweile mit Hingabe ausgestattet worden: Die steilsten Abschnitte sind mit Namen versehen und beschildert. Und Pola de Lena, quasi das Andermatt des Kantabrischen Gebirges direkt am Fuß der Sierra del Aramo, versucht, aus dem immer prominenter werdenden Angliru Kapital zu schlagen und Radsportler anzulocken.
Aber wie schwer ist der Weg zum Angliru nun wirklich? Ist er wirklich der schwerste Anstieg im Profiradsport? Gerade unter spanischen Radsportbegeisterten ist das eine heiß diskutierte Frage. Man stellt immer wieder Vergleiche mit dem
Zoncolan von Ovaro aus an. Für den Zoncolan spricht die extrem hohe Durchnittssteigung der Kilometer 2,5 bis 7,5. Für den Angliru spricht das Maximalsteigungsstück, die sogenannte Cueña les Cabres, wo man eine hammerharte, fast fünfhundert Meter lange Rampe mit 20 bis 23,5 % bewältigen muss. So ganz außergewöhnlich ist diese Rampe allerdings nicht, in Spanien gibt es praktisch die gleiche Geschichte am
Coll de Pradell. Ob der Angliru nun härter ist als der Zoncolan oder nicht, findet man am besten dadurch heraus, dass man beide fährt. Und wenn man dann auch noch
Punta Veleno, die „neue”
Stentaria oder gar die
fiasköse Alpe absolviert hat, kann man so Einiges erzählen über harte Auffahrten…..
(Wir danken Zenti66 für die ursprüngliche, inzwischen überarbeitete Beschreibung.)