Col de Peyra Taillade (1190 m)

Es gibt für gewöhnlich zwei Indizien dafür, dass ein Pass in den vergangenen Jahren von der Tour de France befahren wurde: 1. Der Asphalt ist ungewöhnlich gut. 2. Die Namen der Protagonisten sind zur Anfeuerung auf die Straße gemalt. Der Col de Peyra Taillade in den Monts du Velay im französischen Zentralmassiv erfüllt beide Kriterien, und tatsächlich wurde er 2017 auf der 15. Etappe zwischen Laissac-Sévérac-l’Eglise und Le Puy-en-Velay befahren. Auffällig ist, dass mehr als 90 % der Anfeuerungs-Schriftzüge auf Romain Bardet entfallen, was sich wiederum dadurch erklären lässt, dass Bardet aus der Gegend stammt; er wurde in Brioude im Département Haute-Loire geboren.
Es war auch Bardet, der der Etappe seinen Stempel aufdrückte. Er ließ in der zum Pass führenden Allier-Schlucht seine AG2R-Equipe das Tempo erhöhen, so dass sein Kontrahent Chris Froome auf der schmalen Straße nicht aus dem hinteren Teil des Feldes nach vorne fahren konnte. Anschließed attackierte Bardet in den Col de Peyra Taillade hinein. Das Ausspielen von Bardets Ortskenntnis war leider nicht von Erfolg gekrönt. Trotz eines Defekts konnte Froome die Lücke im Anstieg wieder schließen und die Attacke neutralisieren. Etappensieger in Le Puy wurde dann Bauke Mollema aus einer Ausreißergruppe heraus.

Soweit zu den 30 Minuten Ruhm des Col de Peyra Taillade anno 2017. Was gibt es sonst noch zum Pass zu sagen? Er markiert einen Übergang zwischen dem Allier-Tal und dem Loire-Tal, was insofern bemerkenswert ist, dass der Allier erst mehr als 200 Kilometer weiter nördlich bei Nevers in die Loire mündet. Während es auf der Ostseite nur sehr sanft hinab ins Loire-Tal bei Le Puy geht, fällt das Gelände auf der Westseite fast senkrecht in die Allier-Schlucht ab. Von der Passhöhe sieht man dann auch das Allier-Tal als äußerst markanten Einschnitt in diesem eher von sanften Hochplateaus geprägten Teil des Zentralmassivs.
So ist der Mittelteil der Westauffahrt, den auch das Tour-Peloton 2017 genommen hat, auch sehr steil. Über einen Kilometer beträgt auf einem ehemaligen Maultierpfad die durchschnittliche Steigung 14 %, mit Maxima jenseits der 20 %. In einem Artikel anlässlich der Tour 2017 schrieb die auvergnatische Lokalzeitung La Montagne folgenden Satz: „Pas étonnant que dans un sondage informel auprès des cyclos chevronnés, cet ancien chemin de muletiers soit considéré comme l’endroit le plus dur à grimper en Haute-Loire…“, übersetzt in etwa: Kein Wunder, dass der alte Maultierpfad einer inoffiziellen Umfrage unter erfahrenen Radsportlern zufolge als der am härtesten zu erkletternde Ort in der Haute-Loire angesehen wird.

Vom westlichen Ausgangspunkt Prades kann man in nördlicher Richtung das Allier-Tal hinunterfahren. In Richtung Süden gibt es dagegen keine Straße im Talgrund; man muss daher auf die Höhen links oder rechts ausweichen. In Richtung Les Hers gibt es eine Auffahrt, die sogar noch steiler ausfällt, man kann das obere Allier-Tal also durchaus als ein Paradies für Quetsch-Fetischisten begreifen.