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poli – Bei Martigny im Unterwallis macht die Rhône einen markanten Knick nach Nordwesten. Diese Stelle wird Rhôneknie genannt. Genau in der Kniekehle beginnt ein steiler Grat, welcher Richtung Norden bis hinauf zum 2091 Meter hohen Aussichtsberg Sex Carro führt. Gut tausend Meter über dem Talboden befindet sich auf einer kleinen Geländeterrasse die kleine Siedlung Jeur Brulee. Die paar Ferienhäuser werden durch eine spektakuläre und stellenweise enorm steile Straße erschlossen.
Der Beginn der Auffahrt liegt rund drei Kilometer östlich des Rhôneknies beim Weindorf Fully. Nachdem die ersten Höhenmeter in den Weinbergen über dem Ort gewonnen werden, quert die Straße nach Westen und erreicht auf knapp 900 Metern Höhe die scharfe Geländekante. Am Ende der Rebberge endet der Asphalt. Der Rest spielt sich vorwiegend auf einer
tadellos unterhaltenen Naturstraße ab. Gegen die Beschädigung der Straße durch durchdrehende Autoräder wurde in den supersteilen Kehren teilweise ein Asphaltbelag aufgebracht.
Die ersten rund 350 Höhenmeter an der Kante könnten
spektakulärer kaum sein. In den über zwanzig dicht übereinanderliegenden
Kehren werden Spitzen von etwa 26 % auf Asphalt und bis zu 24 % auf den Naturstraßenstücken erreicht. Meist lieg die Steigung bei knapp unter oder knapp über 20 %. Flachstücke zur Erholung fehlen hier gänzlich.
Während das Fahren auf dem sehr guten Asphalt im Wiegetritt keine größeren Probleme macht, stellen die mehr oder weniger langen Zwischenstücke auf natürlichem Untergrund ein schier unüberwindbares Hindernis dar. Um da überhaupt genügend Traktion zu haben, müssen diese Abschnitte meist im Sattel sitzend genommen werden. Dies ist äußerst anstrengend. Erschwerend kommt noch hinzu, dass in regelmäßigen Abständen
Rinnen für das Regenwasser eingelassen sind. Um darauf nicht auszurutschen, muss dort jeweils etwas Druck von den Pedalen genommen werden. Damit man dabei nicht gleich stillsteht und umkippt, muss immer vorher ein kurzer Zwischensprint eingelegt werden. Diese Quälerei ist hervorragend dafür geeignet, seinen Maximalpuls festzustellen (ich weiß nun, dass meiner bei 192 liegt).
Wenn man, wie ich, zwischendrin mal anhalten und verschnaufen muss, können an einigen Stellen grandiose Tief- und Weitblicke genossen werden. Die guten Bergfahrer müssen dies halt während der Abfahrt nachholen. Ist dann dieses Monsterstück überstanden, können die restlichen 300 Höhenmeter bereits zur Regeneration gezählt werden.
Diese sehr außergewöhnliche Rampe stellt spezielle Anforderungen ans Material.
Ich kann mir nicht vorstellen, dass jemand nach einem Zwischenstopp wieder in die Look-Pedale einklicken kann. Um nicht wieder auf Feld Nr.1 beginnen zu müssen, ist es sehr hilfreich, wenn man MTB-Pedale montiert hat.
Dass eine bergtaugliche Übersetzung montiert sein sollte, versteht sich von selbst. Bei meinem Rad habe ich 30/27 drauf. Das reichte gerade noch so. Für eine größere Übersetzung sind meine Beine zu dünn und der Bauch zu dick. Um die Kraft auf den Boden zu bringen, sind breitere Reifen sehr hilfreich. Bei meinem 28 mm-Tourenpneu auf dem Hinterrad habe ich zusätzlich den Druck auf etwa 2 bis 3 Bar reduziert. Das erfordert aber, eine Pumpe mitzunehmen. Sonst könnte man sich auf der Abfahrt die Felge zerstören.
Bei einem solchen Unternehmen sind zudem ideale Verhältnisse wichtig. Obwohl der Großteil der Auffahrt durch den
Wald führt, dürfte es hier aufgrund der Südexposition im Sommer oder auch sonst bei warmem Wetter höllisch heiß werden. Sehr günstig ist es außerdem, wenn es am Vortag geregnet hat. Dann ist der Naturbelag noch feucht und bietet eine deutlich bessere Traktion. Der Asphalt sollte aber schon trocken sein.
Die Auffahrt ist mit ihren nur wenig über 1000 Höhenmetern für Walliser Verhältnisse recht kurz. Trotzdem gebe ich ihr klar fünf Härtesterne.