Mount Leinster (790 m) Stua Laighean

Die Gleichung höchster asphaltierter Punkt = schwerster Anstieg geht in den meisten Ländern nicht auf. Man denke nur an unsere Nachbarn im Süden. In der Schweiz ist der Umbrailpass der höchste asphaltierte Punkt, aber wer würde ihn auf eine Schwierigkeitsstufe stellen wollen mit dem Lago del Naret oder all den Walliser Sackgassen? In Österreich ist der Rettenbachferner zwar enorm hoch und ordentlich schwer, aber halt nicht so schwer wie zum Beispiel der Weißsee oder der Große Oscheniksee.
In Irland passt die Gleichung aber. Und das gilt nicht nur für das Land Irland, sondern für die ganze Insel. Dort ist der Mount Leinster in den Blackstairs Mountains der höchste mit dem Rennrad erreichbare Punkt und mit ziemlicher Sicherheit auch der schwerste Anstieg. Egal von welcher Seite aus man den Gipfel angeht, mehr Höhenmetergewinn gibt es nicht auf Éire, wie Irland in irischer Sprache heißt.
Die Höhenmeter sind aber nicht das Entscheidende, vielmehr die letzten zweieinhalb Kilometer des Anstiegs, Spinnerei pur auf dem Rennrad mit Steigungsspitzen von 25 %. Natürlich gibt es noch einige andere steile Straßen in Irland. Aber an die Charakteristika des Mount Leinster, sprich (relativ) lang und steil, kommt meiner Recherche nach nur nur noch ein anderer Anstieg auf der Insel heran. Nämlich der Mullaghanish in den Derrynasaggart Mountains zwischen Cork und Killarney. Allerdings hat der Mullaghanish etwa 100 Höhenmeter weniger, und die letzten Kilometer zum Gipfel sind mit einer Durchschnittssteigung von etwa 11 % doch nicht ganz so brutal wie der Endspurt am Mount Leinster.
Als Vergleich zum Mount Leinster wären noch zwei weitere Anstiege zu erwähnen. Der Brenbradagh in den Sperrin Mountains (Nordirland) ist ebenfalls ein steiler Brocken, aber dort ist das finale heftige Steilstück ewas kürzer und ein oder zwei Prozentpunkte weniger steil. Zudem ist der Gesamthöhenmetergewinn deutlich niedriger als am Mount Leinster. Die Antennenanlage auf dem Kippure in den Wicklow Mountains bei Dublin liegt mit 757m ziemlich hoch, ist aber - von der Old Military Road aus - um einiges weniger heftig als die Sackgasse zum Mount Leinster.
Last but not least sei bezüglich der technischen Daten des Mount Leinster erwähnt, dass man auf dem Ritt von Bunclody zum Gipfel so viele Höhenmeter vernichtet, nämlich knapp 780, wie auf keinem anderen Anstieg im Großraum Britannien. Mehr sogar als am Great Dun Fell oder an schottischen Anstiegen, von denen einige um die 600 Höhenmeter haben.

Bei all den Superlativen sei angemerkt, dass der Mount Leinster mit einer Höhe von 790 m trotz seines prägnanten Namens nicht der höchste Berg der Provinz Leinster ist (und schon lange nicht der höchste von Irland überhaupt). Mit den beiden Titeln schmücken sich Lugnaquilla respektive Carrauntohill. Außerdem liegt er leider ziemlich abseits von den radfahrerischen Hotspots Irlands, sprich der Gegend um Killarney und den eben erwähnten Wicklow Mountains. Die Wicklow Mountains sind zwar vom Mount Leinster aus deutlich zu sehen, aber 40 km Luftlinie bedeuten schon ein gutes Stück Strecke auf dem Erdboden, will man ihn in einer Runde mit den Anstiegen weiter im Norden verbinden.

Der Weg zum Mount Leinster besteht aus zwei Abschnitten, dem Nine Stones und der steilen Sackgasse zum Gipfel ab dem Nine Stones. Was ist der Nine Stones? Er ist so etwas wie eine Passhöhe zwischen der Nordflanke des Mount Leinster und einem vorgelagerten Hügel namens Slievebawn. Neben dem Parkplatz auf der Passhöhe stehen zehn Steine in der Landschaft. Wie die Steine dort hingekommen sind und warum der Ort nicht Ten Stones heißt, weiß kein Mensch.
Jedenfalls ist der Nine Stones ziemlich bekannt in der Gegend und ein Fixpunkt u. a. für Radfahrer. Eine Radrunde, die um Bunclody herum unübersehbar ausgeschildert ist, trägt seinen Namen. Zu erreichen ist er von Nordosten von Bunclody, von Nordwesten über den Corrabut Gap, von Westen, Süden und Südosten über verschiedene Varianten, die sich spätestens an einer Kreuzung unterhalb des Weilers Huntingtown auf knapp 180 m Höhe vereint haben.
Bei den Anstiegsbeschreibungen trennen wir zwischen der Sackgasse zum Gipfel und dem Nine Stones. Die meisten Rennradfahrer fahren halt nur den Nine Stones und lassen die Sackgasse außen vor. Das behaupte ich nicht nur, sondern konnte es mit eigenen Augen sehen, weil mir auf und um den Nine Stones herum doch einige Radfahrer begegneten, von denen keiner den harten Weg zum Gipfel auf sich nehmen wollte.
Durch die getrennte Betrachtung unten können auch QD-User, die „nur” über den Nine Stones gefahren sind, ihre Befahrung eintragen. Aus dem Mount Leinster und dem Nine Stones zwei Pässe zu machen, halte ich für überflüssig. Zudem würden dem Mount Leinster ohne den Vorbau des Nine Stones die oben erwähnten Superlative abhanden kommen.
Wer nicht kneift, sondern den Berg bis zum bitteren Ende befährt, sind bzw. waren die Radprofis, die an der Tour of Ireland teilnahmen. Bei dieser bis 2009 unregelmäßig ausgetragenen Rundfahrt war der Mount Leinster nämlich hin und wieder Etappenziel.