Von Matt_ –
Gegen 11 Uhr entsteige ich in Zernez dem Zug und bin froh dass das Wetter im Engadin tatsächlich so gut wie angesagt ist. Also gleich auf den Sattel geschwungen und den Ofenpass in Angriff genommen.
Bisher kenne ich nur den Abschnitt von Punt la Drossa zur Passhöhe, kam ich doch letztes Jahr per Shuttle-Bus durch den Munt la Schera Tunnel. Die Anfahrt zur Ova Spin ist ohne grosses Warmfahren zuerst doch fordernd, nach ein paar Kilometern sind die Beine aber warm und ich komme gut vorwärts. Kaum habe ich den höhchsten Punkt hinter mir gelassen höre ich einen lauten Knall. Im ersten Moment frage ich mich noch was das wohl war, da fühlt sich das Rad plötzlich arg schwammig an: Plattfuss am Hinterrad. Na das geht ja schon einmal gut los! Aber ich kann ohne Probleme anhalten, der Mantel ist auf der Felge geblieben (die nichts abbekommen hat) und ist unbeschädigt. Der Schlauchwechsel geht zackig vonstatten, die CO2-Patrone sorgt wieder für ausreichend Druck. Ein paar Holländer mit Camper welche gerade Pause machen scheinen meine zügige Operation zu diskutieren, klingt zumindest so (bin ja der Sprache nicht mächtig...).
Bald geht es weiter, Punt la Drossa ist bald erreicht, die zweite Hälfte des Ofenpasses wartet. Kenn ich ja schon und weiss daher, dass die folgenden Kilometer angenehm zu fahren sind. Daher bleibt die Möglichkeit die Landschaft zu geniessen, die mir hier im Nationalpark wirklich sehr gut gefällt. Dazu fällt das Verkehrsaufkommen recht gering aus, umso besser. Die letzten Meter zur Passhöhe fordern mich dann mit höheren Steigungsprozenten wieder, doch heute läuft es gut und ich komme schnell oben an. Rasch die Windweste angezogen (aus dem Münstertal bläst ein scharfer Wind) und einen Biber verdrückt, schon geht's in die Abfahrt. Der Wind bremst ordentlich, je nach Richtung der Strasse treffen mich die Böen plötzlich von der Seite und erfordern einiges an Gegensteuern. Wie das wohl mit Hochprofillaufradsatz wäre? Oder mit 20kg weniger auf den Rippen? Wie dem auch sei, in Santa Maria halte ich kurz an, die Bidons werden nachgefüllt, die Windweste verschwindet in der Trikottasche.
Dann starte ich in die Auffahrt zum Umbrail, für mich Neuland. Die lange Gerade aus dem Ort heraus gibt gleich den Tarif durch: Der Umbrail verlangt einem einige Körner ab. Und so soll es ja auch sein! Etwas überrascht bin ich dann als ich die ersten Serpentinen erblicke, hatte ich gar nicht erwartet, dass wird ja immer besser (Pässe brauchen Serpentinen!). Weniger gut gefällt mir der doch rege motorisierte Verkehr, v.a. die Motorräder. Werde ich nie verstehen was an den Dingern so toll sein soll... Doch auch Radler sind hier einige unterwegs, jedoch kommen mir diese bisher allesamt entgegen. Dürften das Stilfser Joch erklommen haben und den Umbrail zur Abfahrt nutzen.
Da wird die Strasse auf einmal flacher und führt aus dem Wald. Gemäss Passbeschreibung folgt nun also der ungeteerte Abschnitt. Und so ist es auch, da taucht schon die Brücke auf. So geht es also nun auf der Naturpiste weiter. Aber wie erwartet ist das alles halb so wild, der Zustand ist gut. Zudem sind die gut 1.2km bald erledigt. Doch was sehe ich kurz vor Ende? Da machen sich zwei andere Radler am Ende des Abschnitts wieder auf die Socken gen Pass. Die scheinen fit zu sein, zumindest erklimmen sie die folgenden Serpentinen zügig. Ich bleibe bei meinem eher gemächlichen Tempo, es dauert ja noch ein Weilchen bis nach oben. Der Asphalt ist jetzt schlechter als vorher im Wald, dazu ist es hier doch merklich kühler. Als ich wieder eine recht flache Gerade erreiche erblicke ich die beiden Kollegen nicht weit vor mir. Kurzes Durchschnaufen auf den paar flachen Metern, dann geht es in die letzten steilen Kilometer. Die beiden Radler hole ich bald ein, der eine scheint am Anschlag, sein Kumpel redet ihm gut zu. So lasse ich die beiden rasch hinter mir, doch die Anstrengung spüre ich mittlerweile auch ziemlich. Weit kann es aber nicht mehr sein, die Passhöhe des Stilfser Jochs ist schon länger im Blickfeld. und siehe da, nach einer Kurve ist auch die Umbrail-Passhöhe sichtbar. Geschafft. Ich halte kurz an um den Ausblick zu geniessen, dann mache ich mich daran die letzten 3.5 km zum Stelvio zu meistern. Diese sind dann doch hart, für mehrere Leidensgenossen aber augenscheinlich noch härter. Ich überhole bei langsamer Fahrt mehrere Radler die kaum halb so schnell sind. Aber das Ziel ist fast greifbar, sie dürften es genau so erreichen wie ich wenig später. Oben läuft's wie gehabt wie auf dem Rummelplatz, also lieber schnell weiter. Ich beschliesse die berühmten 48 Kehren einmal in umgekehrter Richtung, sprich bergab, zu fahren. Nach einigen Serpentinen bereue ich das ein wenig, der rege Verkehr (Motorräder...) und die üble Asphaltdecke nerven. Weiter unten geht es dann besser, ab Trafoi kann ich dann richtig laufen lassen. in Prad biege ich ab Richtung Glurns, von aus ich ein paar Höhenmeter auf dem Weg nach Mals sammle. Hier finde ich zum Glück den Radweg nach Burgeis (letztes Jahr war ich auf der Reschenstrasse gefahren, völlig verblödet). In Burgeis an meiner Unterkunft angekommen bin ich doch ziemlich geschafft, aber eine lange Dusche und ein sehr reichhaltiges Abendessen bringen mich wieder auf Vordermann. Physisch jedenfalls, Kopf und Herz waren nach diesem tollen Tag mit super Pässen so oder so glücklich.
Ich bin diese Etappe gefahren und möchte die befahrenen Pässe in mein Palmares eintragen
Ich bin diese Etappe gefahren