Von Reinhard –
10.04.2013:
Erst am Vortag auf 2670 m geklettert, und schon wieder durfte ich heute ran, purer Familienurlaubsluxus!
Diese Strecke war eine der schon lange gesetzten: Die Utah State Route 12 führt auf einer Länge von 198 km im Süden des Bundesstaates durch eine beeindruckende Canyon-Landschaft und gilt als eine der empfehlenswertesten Straßen der USA. Um die Sehenswürdigkeiten abseits der Strecke hinreichend zu würdigen, wird üblicherweise eine Befahrung in zwei bis drei Tagen empfohlen – mit dem Auto versteht sich! Klar, dass ich die mit dem Rad gefahren sein muss, zumal sich die Straße auf über 2900 m erheben wird. Eine schneefreie Strecke auf diese Höhe muss man Mitte April erst mal finden!
Der ursprüngliche Gedanke war, die UT-12 einmal komplett abzufahren. Aber 200 km mit gerade einmal 700 Jahreskilometern in den Beinen? Eine Anfrage des groben Höhenprofils an den bikeroutetoaster brachte mich dann schnell zur Vernunft und die Tatsache, dass wir natürlich gemeinsam den Bryce Canyon besuchen wollten, der gegen Ende der Strecke von der UT-12 abzweigt, erforderte dann erst recht eine Umplanung. Mit Buchung der Motelzimmer in Cannonville stand mein Tagesprogramm fest: 2500 Hm auf rund 157 km – immerhin ja fast ein 100-Meilen-Trip.
Mein Startort hätte günstiger nicht liegen können. Vom Parkplatz unseres Motels in Torrey an der UT-24 waren es sage und schrebe 70 m zum nördlichen Beginn der UT-12, dem Journey Through Time Scenic Byway. Ich durfte mich nach dem Frühstück wieder ein paar Minuten eher auf die Strecke begeben, die sich trotz ihrer Popularität zumindest in dieser Zeit des Jahres als absolut leer herausstellte. Das erste Auto, das mich nach einer Viertelstunde überholte, kam mir äußerst bekannt vor und warf in regelmäßigen Abständen meine Frau samt Fotoapparat aus, während ich mich Tagesziel Nummer 1 annäherte: Der meinen Recherchen nach namlose Pass, den ich Boulder Mountain Pass taufte, stellte mit seinen 2926 m zwar den Höhepunkt der gesamten USA-Reise dar, klingt aber gewaltiger, als er sich von Norden kommend anfühlt. Unser Quartier in Torrey hatte bereits eine Meereshöhe von 2080 m, wodurch man erstens schon ganz gut akklimatisiert ist und zweitens nur noch knapp über 1000 Hm (wegen einiger Zwischenabfahrten) zur Passhöhe zu bewältigen hat. Ein bisschen Rückenwind mag mich unterstützt haben und steile Abschnitte gab es sowieso nicht, drum rollte ich trotz Winterklamotten, die mir vormittags auf über 2000 m trotz Sonnenschein einfach erforderlich schienen, ganz gut bis zur Passhöhe. Bis hierher waren es vor allem die Blicke in die reizvolle Ferne über die rötlichen Canyons und die schneebedeckten Henry Mountains im Südosten, die einen Vorgeschmack auf das gaben, was die UT-12 zu bieten hat.
22 km Abfahrt nach Boulder gestatten dem Begleitfahrzeug in der Folge ein zügigeres Vorankommen mit weniger Zwischenstopps. Die folgende Strecke durch Sandsteinfelsen mit einer Reihe grandioser Fotospots steigert nicht nur meine Begeisterung für diese Landschaft, sondern hält auch die Laune der Ganztagsautoinsassen hoch. Mein persönliches Highlight wird die Fahrt über den Hogback, eine kurvenreiche Strecke auf recht schmalem Grat mit zerklüfteten Canyons zu beiden Seiten und Fernsicht in allen Richtungen – leider schwer in ein Foto einzufangen. Dem Hogback folgt der Abstieg zur tiefsten Stelle des Tages auf etwa 1600 m am Escalante River. Hier unten hat die Sonne inzwischen auch beste Dienste geleistet, so dass ich für den Rest der Tour (und übrigens auch den Rest des Urlaubs) auf ein befreiendes Kurz-Kurz umzurüsten kann.
Dieser Winter (2012/13) endet hier!
Aus dem Tal des Escalante River herauskletternd, folgen noch etwa 10 sehr schöne Kilometer, bevor bei Kilometer 90 das Pulver landschaftlicher Spektakularität verschossen scheint. Den Reiz der verbleibenden Strecke macht nun vielleicht vor allem das sich über weite Strecken nicht ändern wollende Landschaftsbild der Prärie aus, das durch gefühlt ewig lange schnurgerade Abschnitte nochmals verstärkt wird. Meine Motivation war immerhin noch, dass jeder gefahrene Meter einen neuen Meter fürs Tourenplanerstreckennetz bedeuten würde. Wer sich nichts selbst beweisen muss und ebenfalls ein Begleitfahrzeug besitzt, dem kann ich hier getrost den Weg ins Auto empfehlen. Für mich stand das nicht zur Debatte, knapp 60 km wollten noch gefahren werden. Dabei hatte ich den noch folgenden, ebefalls namlosen Pass (von mir Blues Pass getauft) gar nicht mehr richtig auf der Rechnung und staunte stundenlang, wie bei minimaler Steigung und nun nicht nachlassen wollendem Gegenwind die Höhenangabe auf meinem Garmin immer weiter anstieg. Ein paar Nutri-Grains und Chocolate Cookies brachten noch mal mikroskopische Energieschübe, aber meine Beine wurden zusehends zu Pudding und insbesondere die Geduld meiner Tochter schien (verständlicherweise) nicht mehr ewig anzuhalten. Eine gefühlte Ewigkeit später brachte das SUMMIT – 7600 FT. - Schild die Erlösung. Nach einem gemeinsamen Blick hinüber zum Powell Point und auf die Ausgrabungsgebiete etlicher Saurierskelette konnte ich meinen Begleitern grün für den 25-km-Endspurt zum Motel in Cannonville geben, den ich natürlich wieder deutlich verlor.
11.04.2013:
Ich verzichte darauf, die verbleibenden 40 km des UT-12 per Rad zurückzulegen. Sie sind landschaftlich wieder schöner, gegen Ende geht es kurvig durch rötliche Felsen hindurch, und versöhnen damit für den etwas schwächeren Abschnitt zwischen Escalante und Cannonville. Der Bryce Canyon raubt uns allen den Atem. Wir unternehmen eine gut einstündige Wanderung durch den Canyon vom Sunrise zum Sunset Point und klappern die restlichen Viewpoints mit dem Auto ab. Anschließend geht's weiter zur Mt Carmel Junction (UT).
Ich bin diese Etappe gefahren und möchte die befahrenen Pässe in mein Palmares eintragen
Ich bin diese Etappe gefahren