Von Jan – Ich möchte mich wahrlich nicht zum Comer See-Experten aufschwingen, tatsächlich habe ich gerade einmal drei Nächte dort verbracht. Zeit genug aber, um die sehr empfehlenswerte San-Marco-San-Pietro-Runde zu drehen, und den Comer See-Monumenten südlich von Bellagio im Schritt des Comer Sees einen Besuch abzustatten, namentlich Madonna del Ghisallo und der Muro di Sormano, beide hinlänglich bekannt von der Lombardei-Rundfahrt.
Die hier vorgestellte Runde eignet sich hervorragend als Halbetappe, um vorher oder hinterher entweder weiter zu reisen, die Beine hoch zu legen oder die Familie zu bespaßen - je nach Lust, Laune und sozialen Erfordernissen. Die Beine sollten jedenfalls genug brennen.
Wir starten in Bellagio, dem nördlichsten Punkt der Landzunge zwischen den beiden Comer Seearmen. Das pittoreske, touristische Hafenstädtchen ist mittels Fähren an Varenna und Cadenabbia angebunden. Ebenso gibt es an der Mole ausreichend Möglichkeiten, sich vor und nach der Tour zu verpflegen, etwa mit köstlichen Pizzoccheri, einer hiesigen Spezialität.
Der Anstieg nach Madonna del Ghisallo bietet nur wenige Ausblicke auf den See und ist angenehm zu fahren. Lediglich der blut-, schweiß und tränengetränkte Asphalt regt uns zu sportlichen Höchstleistungen an, so dass der Selbstzerstörungsgrad oben an der Kapelle relativ frei zu wählen ist. Ein Besuch der Kapelle, des Fausto-Coppi-Denkmals sowie des Mahnmals der gestürzten Radfahrerin (m/w/d) ist hier Pflicht. Besonders beeindruckend in der Kapelle sind die vielen Emaille-Plaketten der auf der Straße verunglückten Radfahrer (m, soweit mir nichts entgangen ist). Ein besonderer Ort!
Auf unserer gemeinsamen Tour zum Hoherodskopf wies mich AP auf die anschließende Verlängerungsoption zum Colle della Madonnina hin, dem wir uns als nächstes zuwenden. Auch dieser Anstieg ist überschaubar und schnell weg gedrückt. Oben ergeben sich dann aber tolle Tiefblicke auf den See. Wer Muße hat kehrt hier in die Gipfelgastronomie ein.
Deutlich dramatischer zeigt sich die Abfahrt nach Lasnigo, hier hoch zu fahren wäre deutlich anstrengender gewesen, die Abfahrt somit mit Vorsicht zu genießen. Und tatsächlich schreibt Axel nur wenig später, ich hätte die falsche Seite genommen. Also: wer sich schon vor der Muro töten will, findet mit einem Blick auf die Karte die richtige Richtung. Mir hat es so gereicht.
Nach nur wenigen hundert Metern zurück auf der Landstraße zweigt rechts die Straße nach Sormano ab. Hier drossele ich das Tempo etwas, denn die Vorahnung auf die Muro di Sormano treibt mir den Angstschweiß auf die Stirn.
Den Ort Sormano lasse ich rechts liegen, die Konzentration erlaubt keinen Zwischenstopp. Noch einmal rechts abbiegen, und schon steht es auf der Straße geschrieben: Muro di Sormano in 100 m links.
Es geht human los, jeder Höhenmeter ist als Marketingmaßnahme für die Lombardei-Rundfahrt 2017 auf die Straße geschrieben, immer noch. Nach der Hälfte denke ich "das ist doch menschenmöglich", aber die zweite Hälfte zieht dann richtig an. Steigungswerte über 20 % auf heute regenfeuchter Straße verlangen den Muskeln und der Radbeherrschung alles ab. Dazu die Namen der Helden aus den 60ern auf der Straße. Schweiß fließt über Gänsehaut. Wie steil es hier ist, sieht man natürlich nur in den Kehren.
Das hier ist Rennradfahren auf asphaltierten Steilrampen vom Feinsten. Unsinnig natürlich, denn es gibt auch eine menschliche Straße außen herum. Aber die Grenze zum Unsinn zieht ja jeder anders. Ich zum Beispiel brauche dieses unsinnige Quetschen auf Schotterpisten ja nicht, wie an der Rigi vor einigen Tagen. Die Muro di Sormano hingegen ist für mich ein wahres Monument!
Die Abfahrt hinunter nach Nesso weist teilweise einen sehr rissigen Belag auf. Schade, sonst könnte man es hier richtig laufen lassen. Ab Nesso dann ein fast Höhenmeter freies 15 km langes Schaulaufen am Comer See entlang zurück nach Bellagio.