Von majortom – Die "ewige Stadt" Rom ist Ziel unserer Grand Tour Garmisch-Rom im Juni 2019. An dieser Stelle berichten Paul und Tom in den kommenden Tagen von ihrer Scouting-Tour.
Von majortom – Die erste Etappe führt uns von Trento das Valsugana herab, und dann über den Monte Grappa nach Bassano del Grappa.
Einschub: ich habe heute lange darüber nachgedacht, ob ich vielleicht meinen Bericht über die Grappa-Etappe einfach ganz konsequent ohne jede Anspielung auf den Schnaps gleichen Namens schreiben soll. Dann hatte ich kurzzeitig die Idee, so oft das Wort "Grappa" zu verwenden, dass Abiturienten beim Googlen vielleicht auf diesen Text stoßen, wenn sie Saufspiele veranstalten wollen – einer liest den Text vor, und jedes Mal, wenn das Wort "Grappa" fällt, muss einer gekippt werden. Allein bis zum Ende dieses zweiten Absatzes wären jetzt fünf Kurze fällig. Aber vielleicht möchte ich diesen jugendlichen Alkoholmissbrauch dann doch nicht verantworten... Und überhaupt ist es schon halb elf, und deshalb wird es heute ein eher rudimentärer Bericht.
Also Aufstehen am heutigen Dienstag in Trento. Ich sollte vielleicht dazu sagen, dass ich schon seit Ligurien 2011 nicht mehr über längere Zeit in Italien Radfahren war, und mich so umso mehr auf diese Scouting-Tour durch unbekannte Gefilde freue. Und natürlich, dass der geschätzte Kulturattaché AP für signifikante Teile der Streckenplanung verantwortlich ist - vielen Dank. (Grappaattaché ist dagegen wohl eher der nicht minder geschätzte Redaktionskollege 72, denn der hat schließlich den Monte Grappe für unser grandioses Pässelexikon erschlossen.) Und ich freue mich außerdem, dass Paul kurzfristig auf den Rom-Zug mit aufgesprungen ist (oder vielelicht doch weniger auf den Zug, denn er ist ja im Gegensatz zu mir geflogen...), und ich somit nicht alleine am Start stehe.
Also Trento. Alleine deswegen, weil es einigermaßen gut mit dem Zug von Deutschland aus zu erreichen ist. Selbst von Aachen aus (Umsteigen in Köln und in Rosenheim). Die Steckenplanung für heute habe ich am Freitag mehr oder weniger mit dem Tourenplaner hingerotzt und habe keine so rechte Ahnung, was mich erwartet. Umso begeisterter sind wir, als sich herausstellt, dass es erstmal 300 Höhenmeter bergauf geht, um vom Etschtal ins Valsugana herüber zu grätschen. 13 Prozent am frühen Morgen. Da die Alpenkulisse dagegen wunderschön ist, nehmen wir es gerne hin. Es geht über Levico Terme ins Valsugana, und dann gute 40 bis 50 Kilometer flach durchs Tal. Teilweise auf schönen Nebenstraßen, kurz auch auf der autobahnartig ausgebauten Hauptstraße, was weniger Spaß macht. Dennoch sind wir gut eingerollt, als wir nach knapp 70 Kilometern in Primolano die Mittagspause einschieben. Ich hatte vor lauter Frankreich-Aufenthalten ganz vergessen, wie lecker, unkompliziert und günstig Mittagessen in Italien ist.
Dann ein kleiner Nupsi, wir verlassen das Tal und steuern auf den Monte Grappa zu. Schändlicherweise habe ich mich nicht zum Thema eingelesen, so dass wir beide weder den genauen Bezug zwischen Schnaps und Berg kennen, sondern auch keiner so recht weiß, wie viele Höhenmeter uns erlauben. 1600 Höhenmeter geistern mir noch so im Hinterkopf herum, das wären ja fast montventouxeske Ausmaße. Tatsächlich empfängt uns der Berg ohne jedes Vorgeplänkel oder Warm-up. Es geht sofort los, Steigung von null auf 9 Prozent oder so. Warum auch nicht. Ich finde überraschend schnell einen angenehmen Tritt, in der begründeten Hoffnung, dass bei ausgeschilderten 28 Kilometern zum Gipfel auch noch ein paar Flachstücke drin sind.
So ist es dann auch. Nach dem ersten Flachstück geht es dann aber erst richtig los. Zum einen offenbaren sich hier zum ersten Mal wiklich schöne Aussichten, denn man kommt nun aus dem Wald heraus. Zum anderen wird der Anstieg hier absolut unrhythmisch, steile Rampen wechseln sich mit Flachpassagen ab. An einem schönen Fotospot beschließe ich, auf Paul zu warten. Zum Glück, denn sobald er bei mir ankommt, beginnt über uns das Donnergrollen, und wir können uns noch in ein Refugio retten und den Wolkenbruch von drinnen beobachten. Genau genommen geht der Wolkenbruch etwa 500 Meter entfernt runter, wie wir kurze Zeit später am Wechsel von trockener auf nasse Straße erkennen. Man könnte es überlegenes Wettermanagement nennen. Aber vermutlich ist es einfach nur unverschämtes Glück.
Kurz darauf sind wir wieder in der Sonne unterwegs, und es wird immer alpiner um uns herum. Der Grappa-Gipfel taucht vor uns auf, noch beeindruckend weit oben. Ein genauerer Blick auf die Garmin-Karte offenbart, dass ich einen Planungsfehler begangen habe und die Stichstraße zum Gipfel gar nicht eingeplant. Die lassen wir uns natürlich nicht entgehen, denn das Gewitter ist inzwischen nach Norden abgezogen. Die Aussichten hinab in die Poebene sind zwar aufgrund der feuchten Luft kaum zu erkennen, aber die Kulisse ist trotzdem atemberaubend schön. Wirklich ein sehr schöner Berg.
Wir verweilen nicht lange am Ende der Straße, kurz Wasserflaschen auffüllen, und dann geht es hinab ins Tal. Ein Lanciafahrer unterbricht unseren Abfahrtsflow, indem er ohne Rücksicht auf Verluste aus einer Hofeinfahrt auf die Straße zieht und mich zu einer Vollbremsung zwingt. Zu allem Überfluss schleicht er daraufhin in Richtung Tal, und aufgrund der verwinkelten Straße können wir auch nicht überholen. Die nächste Gewitterfront machen wir derweil im Westen aus, auch sie scheint an uns vorbei zu ziehen. Was für ein Glück.
Ein Glück, das etwa zehn Kilometer vor dem Ziel ausgereizt ist, als der Starkregen unvermittelt einsetzt, im Nu das Wasser auf der Straße steht, die Sicht fast bei null liegt, und man den Bremsbelägen beim Schrumpfen zusehen könnte (hätte man die Muse, auf der Abfahrt die Bremsbeläge zu beobachten). Zum Glück sind wir schon fast unten, dennoch entscheiden wir uns, ein überdachtes Gartentor zum Unterstellen zu nutzen. Zwei begossene Pudel am Fuße des Monte Grappa. Apropos Pudel: der Wachhund des Anwesens scheint seinen Job zunächst nicht ernst zu nehmen und trottet neugierig zu uns. Erst als wir nach ein paar Minuten immer noch nicht wieder aufgebrochen sind, beginnt er Alarm zu schlagen. Sehr zum Ärger seines Herrchens, der im Feinripp-Unterhemd am Hauseingang auftaucht und vergeblich versucht, den Hund zu beruhigen, ohne raus in den Regen zu müssen. Sehr skurrile Situation.
Als schließlich die Besserung ausbleibt, konsultiere ich mal den Garmin. 5 Kilometer noch bis zum Hotel. "Dreißiger-Schnitt, also 10 Minuten im Regen", rechnet mir Paul vor. Na gut. Also ab in den Regen und nach 15 Minuten unter der Dusche. Sehr schöner Tag! Phänomenaler Monte Grappa. Grappa, Grappa, Grappa (für den Fall, dass doch jemand den Text für das oben skizzierte Saufspiel nutzen möchte...)
Von majortom – Mit einem Tag Verspätung melden wir uns heute von unserem Scouting-Trip aus Bagno di Romagna. Gestern haben wir es leider nach der langen Etappe vom Rand der Alpen bis an die Adria nicht mehr geschafft, einen Bericht zu verfassen. Wir fahren ja schließlich mit Gepäck am Rad uns sind deswegen doch etwas langsamer unterwegs, und dann hat uns auch noch die Gewitterlage aufgehalten. Heute waren wir auch wieder lange unterwegs, haben erneut eine schöne Etappe hinter uns gebracht und freuen uns auf die weitern Tage bis nach Rom.
Unsere Mission nach wie vor: die Streckenplanung unserer gepanten Grand Tour Garmisch-Rom 2019 auf Herz und Nieren prüfen, die Hotels in Augenschein nehmen, und auch sonst alles für eine erfolgreiche Austragung des Events im kommenden Sommer vorbereiten. Aufgrund von Schmutzbierexzessen am Vorabend und einem nachgeholten Strandspaziergang am Morgen starten wir heute etwas später, haben aber erneut herrliches Sommerwetter, und noch sind auch keine Gewitterwolken in Sicht. Die Route führt uns südwärts auf Ravenna zu, und schon nach den ersten zehn Kilometern zeigt sich, dass dieser Scouting-Trip wichtig ist. Die strada statale, auf die wir nun einbiegen, wimmelt nur so von LKW, und was für unser Zweier-Peloton gerade noch so geht, ist 2019 mit Gruppen von 20 Rennradfahrern in Zweierreihe nicht mehr praktikabel. Also Notiz im Kopf, eine Alternativstrecke zu finden (in der Theorie noch bei der Mittagspause erledigt). Für uns bedeutet das 30 Kilometer bis Ravenna unter erschwerten Bedingungen. Paul pedaliert stoisch an der Spitze, ich in seinem Windschatten, wir beide auf dem Seitenstreifen. Immerhin machen wir so schnell Kilometer gut.
Auch hinter Ravenna geht es dann noch durch die Ebene an der Küste. Höhenmeter Fehlanzeige; auf den ersten 80 Kilometern summieren sich die Brückenüberquerungen gerade einmal auf 180 Höhenmeter. Die Straßen sind nun auch weniger stark befahren, allerdings ist es nach wie vor nicht allzu aufregend. Schnurgeradeaus, immer auf den sich langsam am Horizont abzeichnenden Apennin zu. Auch heute braucht die Mittagspause leider wieder sehr lange, weil wir nicht die einzigen sind, die hier bei cucina tipica einkehren. Es schmeckt fantastisch, dauert aber ewig.
Erst auf den letzten sechzig Kilometern ändert sich dann das Bild. Wir sind im Gebirge angekommen. Und beginnen mit einem (für uns) namenlosen Anstieg, der - wie wir später anhand der Schilder erfahren - auch Bestandteil des bekannten Nove Colli-Radmarathons ist. Gerade nach den ganzen eintönigen Kilometern in der Ebene ist dieser Anstieg einfach ein Traum. Sanfte Hügel in gelb-grünem Farbenspiel, und immer wieder knallbunte Farbtupfer von gelben, violetten oder pinken Blumen. Für mich ist die Passage über die Kammstraße, die sich danach anschließt, eindeutig der bisherige Höhepunkt unserer Tour.
Wir fahren dann über eine steile Abfahrt zurück ins Tal, verlassen die Nove Colli-Strecke und sind nun mit einem langgezogenen Anstieg das Tal hinauf nach Spinello konfrontiert. Keine furchterregenden Steigungen, aber am Ende eines erneut langen Tages einfach ein wenig zäh. Aber schön ist es, und wir mobilisieren nochmals die letzten Kräfte, um zum Passo del Carnaio zu kommen, der den finalen Hochpunkt darstellt. Ein Gewitter geht im Tal ab, aber wir bekommen nur die äußersten Ausläufer mit und bleiben wundersamerweise trocken. Auf nasser Straße erfordert die Abfahrt nach Bagno di Romagna nochmals volle Konzentration. Und die Vorfreude steigt auf die nun folgenden Apennin-Etappen.
Von majortom – Heftige Gewitter sind in der Nacht über Bagno di Romagna abgegangen (hat mir Paul berichtet, denn ich habe tief und fest geschlafen). Und am Morgen hängen die Berge im Nebel, die Straßen sind noch nass, immer wieder nieselt es. Keine besonders verlockenden Bedingungen zum Radfahren. Aber wir haben ja einen Auftrag: Streckenscouting für Garmisch-Rom 2019. Also brechen wir tapfer auf. Immerhin gibt es einen (zugegebenermaßen recht dekadenten) Ausweichplan, aber dazu später mehr.
Nach nur wenigen Metern das Tal hinauf kramen wir die Regenjacken heraus, aber es ist nur ein kurzer Pillepalle-Schauer, und so entledigen wir uns wieder der Jacken, als es in den (namenlosen) Anstieg hinauf geht, der das Tal verlässt und in Richtung des Valico Monte Fumaiolo führt. Wir haben hier kein detailliertes Höhenprofil und sind so gespannt, was uns erwartet. Leider schonmal keine besondere Aussicht, denn die Berge hängen im Nebel. Irgendwie ein wenig trostlos. Irgendwie aber auch schön, der Apennin in all seiner Einsamkeit.
Kurze Abfahrt, dann der Anstieg zum Monte Fumaiolo. Hier entspringt übrigens der Tiber. Hätten wir ein Schlauchboot dabei, könnten wir also von hier aus recht unkompliziert bis Rom schippern. Aber Paul hat sein Schlauchboot vergessen, also müssen wir mit dem Rad weiter. Der Pass erinnert mich teils an den Jura. Felsige Wiesen, weite Ausblicke (nur heute ins hellgraue Nirgendwo). Ich finde es schön hier, bei Sonne muss es wunderschön sein. Die Abfahrt ist teils rasant, teils erfordert sie aber auch höchste Konzentration bei höchstens mäßigen Asphaltverhältnissen. Auch das eine Erkenntnis dieses Scoutings: Hier muss man immer mit holprigem und rissigem Asphalt rechnen. Kurioserweise sind wir laut der Straßenschilder für ganze 500 Meter in der Toskana unterwegs, bevor wir wieder in die Emilia-Romagna zurückkehren. Aber die Toskana bekommt mir wohl nicht, denn sie beschert mir einen Platten am Hinterrad. Seis drum, Schlauchwechsel und weiter.
Als nächstes steht dann der Passo Cantoniera auf dem Programm. Während es hinter uns nun die ersten Fetzen blauen Himmels zu beobachten gibt, sind wir immer noch teils im unmotivierten Niesel unterwegs. Hochmotiviert gehen wir jedoch den Anstieg an, der zwar sicher wieder nicht seine komplette Schönheit offenbart, aber vor allem die absolute Einsamkeit ist hier überwältigend. Die Autos, denen wir begegnen, können wir heute an einer Hand abzählen. Na ja, fast. Direkt nach der Passhöhe erreichen wir dann Carpegna, wo Pauls bevorzugte Bar zwar leider zu hat, wir dafür pompös im Restaurant gegenüber speisen. Sensationell, dass es in Italien in jedem noch so kleinen Dorf ein Ristorante gibt, das hausgemachte Pasta serviert.
Währenddessen nimmt folgender Weichei-Plan Gestalt an. "Mi basta il Carpegna", soll Local Hero Marco Pantani gesagt haben, wenn er nach bevorzugten Trainingsrevieren gefragt wurde. Statt an den langen Pässen der Alpen zu trainieren, reichte ihm der Monte Carpegna in seiner Heimat. Pantanis Trainingsberg ist laut Paul eine steile, bei Regen verschmutzte Straße, die keinen Spaß macht. Paul ist ihn schonmal gefahren und hat kein Verlangen, das zu wiederholen. Mich reizt er schon, aber die äußeren Bedingungen sind nicht so wirklich reizvoll. Der Berg ist also bekannt, er ist getrackt, und somit beschließe auch ich, dass er nicht auf dem direkten Weg nach Rom liegt, und wir lassen ihn beide aus. 10 Kilometer gespart! Heute also vielleicht endlich mal etwas früher im Ziel.
Eine langezogene Abfahrt, und die nächsten 25 Kilometer vergehen wie im Flug. Dann geht es mit nur ein paar Wellen das Tal weiter hinab. Und schließlich noch 10 Kilometer leicht bergauf nach Urbino. Bei inzwischen abgetrockneten Straßen. Sensationell.
Von majortom – Irgendwo in der Pampa der Marken, vielleicht 20 Kilometer vor dem heutigen Etappenziel, ruft Paul plötzlich von meinem Hinterrad: "Die Etappe heute ist die schönste bisher, oder?". Kurioserweise habe ich mich die paar Minuten davor ähnliche Gedanken gemacht und bin zu demselben Schluss gekommen. Wir haben schon viele schöne Ecken von Italien auf den bisherigen vier Etappen Streckenscouting Garmisch-Rom 2019 gesehen, aber ja, in der Gesamtschau war heute auch eindeutig mein Favorit.
Hat die Landschaft im Grenzgebiet zwischen Romagna und Marken mich gestern noch eher an Jura oder Schwarzwald erinnert (was vielleicht auch am Wetter lag), die ich ja beide sehr schätze, ist heute vielleicht ein Vergleich mit der Provence angebracht, die ich nicht weniger schätze. Enge felsige Täler und um diese Jahreszeit noch saftig grün bewachsene Berge. Und trotz des Gebirges ein eindeutig südländischer Touch. Aber vielleicht sind diese Vergleiche auch gar nicht angebracht, denn der mittlere Apennin ist eigentlich ziemlich einzigartig.
Und dann als Krönung des heutigen Tages der Monte Nerone, der mit 1500 Metern die Gegend überragt. Er hat es uns heute nicht leicht gemacht, ihn ins Herz zu schließen, denn der Gipfel versteckt sich in den Wolken. Statt Traumpanorama eine Sichtweite von vielleicht 20 Metern. Und dennoch waren die Aussichten überragend, die Straße wunderschön trassiert, der Anstieg toll zu fahren (das lag aber vielleicht auch daran, dass Paul am Fuß der Stichstraße gewartet und solange auf mein Gepäck aufgepasst hat...)
Von majortom – Bevor ich etwas zur heutigen Etappe schreibe, muss ich nochmal unsere Erlebnisse von gestern aufgreifen. Leider haben wir es aus Zeitgründen nicht mehr geschafft, noch einen ausführlichen Bericht zu schreiben (die Bilder sind aber trotzdem online). Die Region um unseren Etappenort Norcia wurde 2016 von einem schweren und verheerenden Erdbeben getroffen. Wir wussten zwar im Vorfeld darüber Bescheid, die Realität war dann aber doch eindrücklicher als ein paar ergooglete Medienberichte. Ganze Dörfer sind komplett zerstört, die Menschen wohnen in Containersiedlungen am Ortsrand. Alle Geschäfte und Restaurants findet man jetzt in weihnachtsmarktartigen Holzbuden. Auch Norcia selbst ist eigentlich nur noch ein Trümmerfeld. Die Kathedrale ist eingestürzt, viele Häuser sind nur noch Ruinen oder aufgrund der Schäden nicht mehr bewohnbar. Und dennoch - auch das ist bemerkenswert - scheinen sich die Einheimischen nicht unterkriegen zu lassen und stemmen sich gegen den kompletten Niedergang der Region. Als einigermaßen gutsituierter Mitteleuropäer steht man angesichts der immensen Zerstörung nur noch fassungslos und staunend daneben.
Für uns als Reiseveranstalter stellt sich natürlich auch die Frage, ob wir ausgerechnet in diese Region fahren wollen. Unter anderem ist die Straße über den Passo di Gualdo, die wir gestern eigentlich fahren wollten, noch unpassierbar, und wir mussten eine (allerdings deutlich leichtere) Alternativstrecke nehmen. Aber natürlich braucht Norcia auch die Touristen, und wir kommen ja auch nicht als Katastrophentouristen, um uns die zerstörte Stadt anzusehen, sondern wir sind wegen der einzigartigen Landschaft hier. Und selbst ohne das große Highlight der Fiorita, der farbenprächtigen Blütezeit auf den Hochebenen um Casteluccio, das uns wegen der unpassierbaren Straße leider verwehrt blieb, ist die Landschaft einfach wunderschön. Der einsame Apennin ist Paul und mir ans Herz gewachsen.
Und so ging es auch heute weiter. Wir sind zwei Passstraßen gefahren, eine unbekannte über die Forca di Civita, und eine sehr bekannte am Monte Terminillo - immerhin auch schon mehrmals Etappenankunft beim Giro oder bei Tirreno-Adriatico gewesen, und der höchste Passübergang des Apennin mit nicht ganz 1900 Metern Höhe. Kaum ein Auto ist uns begegnet, die Straßen führen durch wunderschöne Landschaft mit herrlichen Aussichten auf eine vielleicht nicht superspektakuläre, aber dennoch unglaublich schöne Bergwelt.
Der Terminillo war natürlich noch einmal ein besonderes Highlight. Ein sehr schön zu fahrender Pass, abwechslungsreich trassierte Straße im Wald, und auf den letzten drei Kilometern dann ein richtig hochalpines Feeling mit Schneeresten an der Straße, felsigen Landschaften und einer Straße, die sich in Kehren hindurch windet. Ein würdiger Abschluss einer grandiosen Tour vor der morgigen Ehrenrunde bis nach Rom.