Von Ric – Die Reise beginnt mit einer langen, aber nicht allzu schweren Etappe über den Gerlospass nach Mittersill.
Dolomitengiro 2017. Es kann losgehen. Noch sind die Dolomiten weit, hinter dem Alpenhauptkamm im Süden, doch wir wollen uns heute den ersten Schritt in ihrer Richtung vorarbeiten. Unser Weg führt uns so zunächst nach Osten, erst ein Stück im Inntal, und dann das Zillertal hinauf. Optimale Gelegenheit, die Gruppe kennenzulernen und den Flow in der Ebene zu perfektionieren. Dann geht es hinauf zum Gerlospass, noch kein Riese unter den Alpenpässen, aber ein schöner Vorgeschmack in alpiner Umgebung, und da wir ihn von der leichten Westseite befahren auch kein allzu großes Hindernis. Am Ende der rasanten Abfahrt ist es dann auch nicht mehr weit bis ins Etappenziel nach Mittersill.
Option: Harte Mädels und Jungs können gleich am ersten Tag großes leisten und noch die erbarmungslose Zillertaler Höhenstraße mitnehmen. Das bedeutet allerdings eine Ausbeute von ca. 150 km / 3000 Hm.
Von Ric – Auf der zweiten Etappe steht mit der Großglockner-Hochalpenstraße ein unbestrittenes Highlight an. Die Etappe führt uns bis Lienz, wo die Dolomiten beginnen.
Heute geht es so richtig los. Die Großglockner-Hochalpenstraße in der Nähe des höchsten Punkt Österreichs führt uns über den Alpenhauptkamm nach Süden. Zuerst geht es jedoch noch flach bis Bruck an der Glocknerstraße, wo wir uns gemütlich aufwärmen können. Der Glockner ist ziemlich hart, was vor allem am großen Höhenunterschied und der zwar nicht übermenschlichen, aber dennoch recht hohen Durchschnittssteigung liegt. Doch wenn der Großglockner ist Sicht kommt, ist es nicht mehr weit bis zum Scheiteltunnel am Hochtor. In rasanter Abfahrt geht es nun hinab ins Mölltal, und mit dem Iselsbergpass steht nur noch ein kleines Hindernis im Weg, beovr wir das Tagesziel in Lienz erreichen.
Option: Zwei Stichstraßen erlauben, die Großglockner-Hochalpenstraße noch zu erweitern: die Edelweißspitze (plus 3 km / 171 Hm) und die Franz-Josefs-Höhe (plus 16 km / 550 Hm).
Von Ric – Die dritte Etappe führt uns nach Italien – und mit den bekannten Drei Zinnen zu einem ersten Dolomiten-Highlight.
Lienz ist umgeben von den Lienzer Dolomiten. Wir sind also da. Dolomitengiro meets Dolomiten. Entlang der Drau fahren wir auf der heutigen Etappe zunächst nach Westen und überschreiten die Grenze nach Südtirol, also nach Italien. In Toblach wenden wir uns dann nach süden und rollen gemütlich zum Col Sant'Angelo hinauf. Hier ist es jedoch mit der Gemütlichkeit schnell vorbei, denn die harte Stichstraße zu den berühmten Drei Zinnen – nicht zuletzt durch den Giro d'Italia bekannt – beginnt. Mit dem Passo Tre Croci wartet nur noch ein unbedeutendes Hindernis auf uns, bis wie den Etappenort Cortina d'Ampezzo erreichen.
Variante: 142 km und 3000 Hm stehen an, wenn man über den schönen, einsamen Staller Sattel fährt. Wobei man dann noch 14 km / 600 Hm einsparen kann, wenn man auf die Drei-Zimmen-Stichstraße verzichtet.
Von Ric – Wir sind in den Dolomiten angekommen und befahren heute den wunderschönen Passo di Giau und den hammerharten Passo di Fedaia.
Tag vier. Die heutige Etappe ist kurz, aber mit zwei Pässen alles andere als leicht. Es beginnt in Cortina direkt mit dem Passo di Giau, und wir können die charakteristischen Felsformationen bewundern. Die anschließende Abfahrt führt uns nach Caprile, wo es gleich in den zweiten Pass des Tages geht, den berüchtigten Fedaia. Man kennt ihn von Heldengeschichten über Maximalgeschwindigkeiten, die hier in der Abfahrt erzielt wurden. Wir befahren ihn heute andersherum, müssen die Steilrampen der Ostseite also hinauf. Zuvor bekommen wir mit der wildromantischen Sottoguda-Schlucht jedoch noch ein absolutes Highlight serviert. Mit etwas Ausdauer und zusammengebissenen Zähnen schaffen wir so euphorisiert dann auch den Fedaia – und müssen bis zum Tagesziel in Canazei, wo wir zwei Nächte verbringen werden, nur noch abfahren.
Variante: Aus der kurzen Etappe kann man den ultimativen Dolomitenhammer machen, wenn man noch Forcella Staulanza und Passo Duran ins Programm nimmt. Unglaubliche 119 km / 3800 Hm sind dann die Ausbeute.
Von Ric – Am fünften Tag fahren wir eine erweiterte Version der klassischen Sellarunde, die über vier Pässe führt.
Was wären die Dolomiten ohne die Sella Ronda, die klassische Sellarunde rund um den Sellastock. Wir entscheiden uns heute für eine „extended“-Version dieser Runde, und starten von Canazei aus direkt mit dem langen Anstieg zum Sellajoch. Nach einer kurzen Abfahrt ist das Grödnerjoch als Pass Nummer zwei dann keine allzu große Herausforderung, es heißt aber natürlich auch mit den Kräften so gut wie möglich haushalten. Die Abfahrt führt uns über Corvara – wo wir über den Passo di Campolongo auf die klassische Sellarunde abkürzen könnten – bis nach Stern, wo der lange Anstieg zum Passo die Valparola ansteht. Und den Passo di Falzarego bekommen wir mit einer kurzen Abfahrt gratis dazu. Es geht nun ins Tal hinab, wo zwischen Cernadoi und Arabba das einzig nenneswerte Flachstück des Tages kommt. Eine gute Gelegenheit vielleicht, nochmal die letzten Kräfte zu sammeln, für den finalen Anstieg, den Passo di Pordoi, der uns wieder nach Canazei zurück führt.
Varianten: Der Passo Campolongo, Teil der klassischen Sellarunde, fehlt auf der extended-Version. Man kann ihn optional noch aus Stichstraße fahren und 12 km / 400 Hm zusätzlich gewinnen. Wer stattdessen lieber eine Art Ruhetag genießen möchte, fährt die klassische Sellarunde und kommt auf insgesamt 61 km / 2000 Hm.
Von Ric – Die sechste Etappe führt über den Karerpass und die Salten-Hochstraße quer durch Südtirol nach Meran.
In den vergangenen Tagen haben wir Südtirol bereits mehrmals gestreift, heute lernen wir es so richtig kennen. Ab Canazei beginnt nach einer kurzen Talpassage der nicht allzu lange Anstieg zum Karerpass, der uns schöne Ausblicke auf den berühmten Rosengarten serviert. Für die Abfahrt nach Bozen wählen wir eine mit ein paar kleineren Gegenanstiegen versehene Nebenstrecke über Obergummer, um die Tunnels kurz vor der Einmündung ins Eisacktal zu umgehen. Dann erreichen wir die Hauptstadt Südtirols, und in Bozen bietet sich eine Mittagspause an. Auch die zweite Tageshälfte führt über Nebenstrecken. Wir können auch flach im Tal nach Meran cruisen, entscheiden uns jedoch für die Höhenstraße über Salten, wo wir das einsame Südtirol gezeigt bekommen.
Option: Ein wunderschöner, wenn auch harter Zusatz ist das Rifugio Gardeccia. So summiert sich die Etappe auf 119 km / 3200 Hm.
Von Ric – Für unseren Dolomitengiro mit rund 702 km und 16.000 Höhenmetern haben wir uns die wohl heißeste Woche des Sommers ausgesucht. Während andere Quäldich-Radler Deutschland von Nord nach Süd durchkämmen, haben wir einen Rundkurs ab Innsbruck gespickt mit zahlreichen Herausforderungen in Form von tiefroten Anstiegen und rasanten Talabfahrten gewählt. Nachdem sich die bunt gemischte Truppe relativ gleichmäßig in drei Leistungsstufen auf die drei Guides verteilt hat, rollen wir auch schon hoch motiviert Richtung des ersten von insgesamt 17 zu fahrenden Pässen, dem Gerlospass. Der gibt sich recht gnädig und bietet einen sanften Einstieg in das Berg-Abenteuer. Der ein oder andere Teilnehmer stellt sich aber vielleicht schon an diesem ersten Tag die Sinnfrage, die später niemand mehr zu beantworten in der Lage sein wird... Die Sonne lacht, die Stimmung ist super, die Kaffeepause suggeriert Urlaubsstimmung.
Am zweiten Tag steht der erste Hammer an: der Großglockner stellt sich uns in den Weg nach Lienz. Da die Beine noch recht frisch sind, drücken wir Kehre für Kehre weg bis wir endlich den Gipfel des höchsten Berges Österreichs sehen (welcher war es noch mal?). Die Abfahrt entschädigt für einige Strapazen. Der Iselsberg erscheint lächerlich im Vergleich und schon sitzen wir beim Naturradler im Hotelinnenhof. Check!
Der dritte Tag beginnt gleich mit einem Anstieg, zumindest für die Gruppe 2, die von ihrem Guide gezwungen wird die Pustertaler Höhenstraße zu bezwingen. Entsprechend fällt die Wahl am Frühstücksbuffet aus. Die Aussicht ist dann so gigantisch, dass die Strapazen schnell vergessen sind. Die Euphorie der Überquerung der italienischen Grenze wird erst eingedämpft durch den nicht enden wollenden 18 %-Anstieg zur Bergsteigerhütte unterhalb der Drei Zinnen. Ohne lästige Klicks unter den Schuhen wären wir sicher noch auf die Spitze hinaufgeklettert, denn der Wille war mittlerweile gut geschult worden; wir gaben uns aber vernünftigerweise mit einem spektakulären Gruppenfoto zufrieden. Pünktlich vor dem ersten Regentropfen und Gewitterleuchten stellten wir die Räder in Cortina d'Ampezzo ab.
Angesichts des dort anstehenden Ultra-Trails-Laufs über 112 km und 6.000 Höhenmeter, stiegen wir dankbar am vierten Tag auf die Räder, denn unser Roadbook zeigte nur 60 km und 2.200 Höhenmeter an - "Ruhetag"! Das Profil zeigt zwei gelb-rote Hubbel: Passo di Giau und Passo di Fedaia. Letzterer fährt sich etwas giftiger, aber die Aussicht auf den Marmolada Gletscher entschädigt für einige Prozente Anstieg. Und schon erreichen wir Canazei am frühen Nachmittag und plündern die erstbeste Eisdiele.
Ein Highlight wartet am fünften Tag mit der "Extended Sellarunde" auf. Wir wären nicht Quäldich-Reisende, wenn wir den Passo die Valparola und den Passo di Falzarego (der auf der Abfahrt quasi gratis serviert wird) nicht mitnehmen würden. Vier Pässe auf einen Streich: check!
Der Tourenplaner nimmt uns an Tag sechs noch einmal in die Pflicht. Der Karerpass führt uns in den glühend heißen Kessel um Bozen, wo wir den Cola-Vorrat des Verpflegungsfahrzeugs plündern. Die zurückgelegten Höhenmeter und Kilometer machen sich langsam bemerkbar, dazu brennt die Sonne. Niemand traut es heraufzubeschwören, aber ein kühler Regenschauer - vornehmlich nachts bitte - wäre eine willkommene Abwechslung. Der Guide peitscht die Gruppe auf den steilen ausgesetzten Anstieg nach Jenesien; er bereut es selber kurz nach der Abfahrt, aber Umdrehen ist für einen Quäldich-Reisenden keine Option; es gibt nur die Flucht nach vorn, bzw. (Hauptsache) bergauf. Die Steigung will gar kein Ende nehmen und dann geht es wellig weiter. Die Trinkflaschen sind leer, die Beine auch. Gerade noch rechtzeitig taucht am Wegesrand der rettende Gasthof mit Wasserleitung, Bierfässern und Eistruhe auf; das gibt Kraft für die letzten Meter nach Meran. Mit Schrecken stellen wir fest, dass der offiziell letzte Abend angebrochen ist und trinken dagegen erst mal Alkohol. Der Alkoholkonsum ging in den letzten Tagen Null aus Respekt vor den Etappen, nun zeigt er Wirkung; die letzten Pässe schaffen wir schon irgendwie, denken die meisten.
Natürlich schaffen wir das, auch wenn der Jaufenpass noch mal große vor allem mentale Stärke einfordert, denn er windet sich gefühlt endlos über insgesamt 20 km und 1.200 Höhenmeter. Die Abfahrt ist kein Genuss, da uns eine endlose Kolonne von (historischen?) Knattermaschinen entgegenkommt, die dreist Kurven schneiden. Der Brenner ist ein Klacks dagegen, allein der Verkehr nervt. Und schon sind wir zurück in Innsbruck - Erleichterung mischt sich mit Wehmut. Die einen müssen Abschied nehmen, die anderen stoßen auf die Anschlussnacht an; alle versprechen sich ein Wiedersehen auf dem Rad mit den Bergen. Aber erstmal (zumindest für ein paar Tage) wird das Rad in die Ecke gestellt und die Beine hochgelegt. Respekt an alle Teilnehmer für die tolle, vor allem unfallfreie Tour!
Ursprüngliche Etappenbeschreibung
Am letzten Tag geht es über den Brenner zurück nach Innsbruck. Zuvor ist jedoch noch der vom Ötztaler Radmarathon bekannte Jaufenpass zu überwinden.
Eine Etappe über den Brenner, das klingt langweilig, hat dieser Pass doch den Ruf als verkehrsverseuchter Hauptverkehrspass. Zum Glück gibt es noch den Jaufenpass, einen der vier Pässe des Ötztaler Radmarathons, der zuvor zwischen Meran und Sterzing überwunden werden muss. Es ist ein würdiger Abschied von den hohen Pässen, bevor zum Schluss am Brenner dann vor allem Durchhaltevermögen gefragt ist. Und schon sind wir nach einer ereignisreichen Woche wieder in Innsbruck zurück.
Variante: Man könnte am Schlusstag auch übers Timmelsjoch fahren. Diese Variante hat 2750 Hm auf 155 km und ist deshalb vermutlich nur theoretischer Natur.