Von kletterkünstler –
Tag 2 begann vielversprechend und früh. Um 6:30 Uhr klingelte der Wecker. Nach reichhaltigem Frühstück starteten ich und Ludwig um 7:50 Uhr mit dem Auto in Richtung Malmédy. Noch war es ganz schön frisch, aber die Prognosen waren vielversprechend. Um kurz vor 9 erreichten wir den Treffpunkt. Ed war schon da. Patrick und Oliver konnten an diesem Tag leider nicht. Sie haben etwas verpasst.
Im Gegensatz zum Vortag war es trocken und wärmer, was zunächst aber auch mal daran lag, dass wir fast 400 m tiefer in Malmédy starteten. Das wäre wohl auch nicht die schlechteste Idee am Vortag gewesen. Weiterhin stand heute gleich mal eine Quetscherrampe zum Warmwerden auf dem Programm. Nach kurzem Anlauf verließen wir das Tal der Warche und Warchenne über die Vieille Route de Saint-Vith. Diese Schlaglochpiste führt mit bis zu 20 % den Hang nach Florheid hinauf.
Über Hédomont und ein schmales, verlassenes Sträßchen erreichten wir Bellevaux, wo die nächste Steigung hinauf nach Villers auf dem Programm stand. Hier zeichnete sich schon ab, dass es ein wunderschöner Tag werden sollte.
Auf welligem Terrain rollten wir locker weiter nach Stavelot, wo ich nun den ersten Klassiker eingebaut hatte, die legendäre Côte de Stockeu. Meine erste Attacke konterte Ed geschwind und zog davon. Ich blieb zurück und legte noch die eine oder andere Pause ein, um ein paar Photos vom quetschenden Ludwig zu schießen. Ed kam uns auf den letzten Metern schließlich wieder entgegen. Offenbar hatte er noch nicht genug oder wollte einfach nur auch mal im Bilde sein. Während die Profis bei Liège–Bastogne–Liège am Eddy-Merckx-Denkmal wieder kehrt machen, kletterten wir durch saftig grüne Wiesen und über Wèrhai weiter aufwärts, wo sich uns kurz vor dem Scheitelpunkt dank Sturm oder Kahlschlag rückblickend dieses grandiose Panorama bot.
Über idyllische Asphaltsträßchen mit ein bisschen Rollsplitt kurbelten wir locker fluffig und vom Sonnenschein beflügelt Richtung Spineu, nicht ohne mit der Sonne um die Wette zu strahlen. In der Abfahrt ins Salmtal sollte sich zeigen, wer hier der Abfahrtskünstler ist. Es war ein enges Kopf-an-Kopf-Rennen. Namen sollen an dieser Stelle nicht genannt werden. Wir wollen ja hier niemanden „diskreditieren“. Da wir nur zu dritt waren, wäre der Verlierer schnell ermittelt ;-)
Einige flache Kilometer entlang der Salm sorgten für eine Tempoverschärfung, die so manchen ins Schwitzen brachte und den Anschluss verloren ließ. Auch hier wollen wir keine Namen nennen. So hätte es weiter gehen können, aber dann wären wir ja hier am falschen Ort. So hieß es in Trois-Ponts also wieder "Quäl dich!" Les Hezalles hieß diese nächste gemeine Teerblase – mit einem Maximum von 23 % der steilste Anstieg des Tages.
Auch dieser wurde gemeistert und hinter Bergeval wurde es wieder mal äußerst idyllisch. Da wurden Erinnerungen an den vorangegangenen Tag wach, nur, dass sich das Ganze bei den heutigen Bedingungen deutlich angenehmer gestaltete. Ein Kleinod par excellence. Da musste eine Pause im Steinpilzwald her, ehe es mehrmals über kurze Schotterabschnitte bergab ging. Ein hartnäckiger deutscher … nein nicht Schäferhund, sondern zu meiner Schande, ein deutlich kleineres Exemplar störte unseren Abwärts- und Vorwärtstrieb in Rochelinval.
Hatten wir diese unerwartete Begegnung überstanden, warfen wir uns voller Elan in den Kalenderbild-Anstieg namens Côte de Wanne – der nächste Klassiker. Hier beginnen die Achterbahn- und Sägeblattähnlichen letzten 100 km der Doyenne. Gemeinsam rollten wir über die Bergwertung – okay, Ed mal wieder mehr als einmal.
Erneut in Trois-Ponts angekommen, zeigte sich mal wieder, dass Durchfahrt-verboten-Schilder in den Ardennen nichts gutes bedeuten, was aber auch immer Ansichtssache ist. Tapfere Recken nehmen hier die Kehre ganz innen. Zur Belohnung gabs ein 1A-Ardennen-Panorama, gestört nur von zahlreichen Strommasten.
Oben angekommen, wurde wieder Fahrt aufgenommen. In der anschließenden Abfahrt wurde der scharfe Abzweig trotz Geschwindigkeits- und Endorphinrausch nicht verpasst und über ein sagen wir mal leicht holpriges Sträßchen tasteten wir uns ins Tal der Lienne vor.
Offenbar immer noch nicht genug und voller Tatendrang, überschlugen sich Ludwig und Ed während ihrer GPS-Diskussionen in ihrem Bolzdrang und zogen davon. Vergebens versuchte ich sie lautstark darauf hinzuweisen, dass es gleich links abgehen würde. So wurde der Hes Grevis und damit das nächste Kleinod leider links liegen gelassen. Die 100 gerieten in Gefahr. Später mehr.
Dann also Xhierfomont. O là là, Kehrenrausch statt brachialem Senkrecht-den-Berg-Hochfahren und ein Panorama vom Feinsten. Später im Oktober eröffnet sich dem aufmerksamem Radler hier ein wahres Farbenmeer.
Unter misstrauischen Blicken verließen wir die Straße vor Rahier nach links in einen kleinen Weg. Ein weiteres Experiment, das als äußerst geglückt bezeichnet werden kann. Makelloser Asphalt, makelloser Verlauf, makellose Ausblicke.
Dann wieder Schotter, aber diesmal war ich unschuldig: Baustelle. Dank Sonntag aber problemlos passierbar. Am Ende dann dieses hübsche Schlößchen im Blick.
Langsam ging die Tour ihrem Ende entgegen, nicht ohne eine letzte Quetscheinlage. Am zweifelhaften, natürlich von unseren geliebten westlichen Nachbarn mit dem gelben Kennzeichen überschwemmten Freizeitpark von Coo vorbei stoppte der Abzweig nach links zum Thier de Coo unsere kleine Zeitfahreinlage. Okay, so schnell waren wir dann doch nicht. Hier nahm Ludwig dann den Kampf mit einem Tandem auf und siegte knapp. Natürlich hob er sich seine Kräfte bis zum Schluss auf, um dann wenige Meter vor dem imaginären Zielstrich souverän vorbeizuziehen.
Auf dem neu angelegten Radweg auf einer ehemaligen Eisenbahntrasse nahmen wir dann nochmal Fahrt auf, um den Schnitt noch ein wenig aufzupolieren. In zwei feuchten Tunnels sauten wir uns dann nochmal schön ein. Geduscht waren wir also schon.
Der Kampf um die 100 trieb uns noch zu einem kleinen Umweg durch das Zentrum von Malmédy, wo es einem netten, wohlgeformten Öcher Easy Rider mit sprachlich unverkennbarer Herkunft nach mehreren Versuchen dann schließlich doch gelang ein hübsches Gruppenabschlussphoto von uns vor dem Obelisken auf dem Place Albert ler zu schießen.
Wieder am Euro Center angekommen, endete der Kampf um die 100 nach ungezählten Parkplatzrunden schließlich erfolgreich. Glücklich und zufrieden fiel ich in den Autositz. Den hungrigen Ed verschlug es in ein hier eher unbekanntes Schnellrestaurant. Ludwig sattelte seinen Bock und pedalierte noch weiter bis nach Aachen, wo er den Zug nahm, aber natürlich nicht bis nachhause. Ludwig wäre ja nicht Ludwig, wenn er nicht noch nachts mit dem Rad von Frankfurt heim fahren und so die 200 vollmachen würde. Ich hingegen brauste auf motorisiertem Wege heimwärts, nahm den Zug und erreichte nach 22 Uhr wieder Mannheim.
Ich bin diese Etappe gefahren und möchte die befahrenen Pässe in mein Palmares eintragen
Ich bin diese Etappe gefahren