Graubündner Quartett 150,8 km / 3528 Hm
Redaktionell bestätigte Tour von colin
Von colin –
Widmung
Rein begrifflich ist eine Widmung (oder Dedikation) der Ausdruck freundlicher Verbundenheit,
oder auch des Dankes an eine oder mehrere Personen, die ihm nahestehen. Da ich noch nie in meinem Leben irgendetwas irgendwem gewidmet habe ist heute Zeit für einen Anfang:
Ich widme also diese Tour allen rennradverrückten Familienvätern, die aufgrund ihrer familiären Situation (meist mit Kleinkindern), beruflichen Situation (meist im Kohlebergbau unter Tage),
ihren Verpflichtungen daheim (meist kopfschüttelnde Frau) und drumherum (meist unnötiger Bekanntenkreis) nicht so können, wie sie gerne wollen.
Seid stark Freunde, und lasset uns beten zum "heiligen Jan", dass bessere Zeiten auf uns zukommen mögen.
Die Historie
Wer erinnert sich nicht an die Dalton-Brüder, die im 19. Jahrhundert zu den bekanntesten Bankräubern avancierten, wer kennt nicht Bonnie und Clyde, die um 1930 in ihre mehr oder minder grossen Fussstapfen traten und sich im gleichen Metier versuchten. Wer erinnert sich nicht an Black Jack, der 25 Wells-Fargo Postkutschen um deren Inhalt erleichterte?
Egal - man darf eine gewisse Überlegung und Planung bei Ihren Beutezügen voraussetzen.
Was ist mit Kolumbus und Amerika, was ist mit Cook und Australien und was ist mit Amundsen und dem Südpol? Man war nicht dabei, darf aber unter Umständen eine gewisse Planung und Vorbereitung bei deren Reisen unterstellen.
Wir erinnern uns alle:
Als Ernst Litfass die Säule, Alfred Nobel das Dynamit, Levi Strauss die Jeans, John Dunlop den Reifen und Robert Sputh den Bierdeckel erfand muss ihnen eine gewisse Planung und Zielgerichtheit unterstellt werden, es kann hierbei kaum von Zufall gesprochen werden.
Man sieht, ein Blick in die Geschichte schadet nicht, es finden sich erstaunliche Parallen bis hin zum Hier und Heute, wenn es darum geht ein Vorhaben, einen Plan, eine Idee in die Tat umzusetzen.
Das Werkzeug
Zur Umsetzung werden nur diejenigen 4 Werkzeuge benötigt, die sich in einem durchschnittlichen Haushalt allesamt in der Küchenschublade befinden. Sextant, Geo-Dreieck, schweizer Messer und Tintenkiller. So ist eine schöner Plan relativ schnell und detailliert zusammengeschnitten.
(Anmerkung: Der neumodische Tourenplaner von qd beruht angeblich auf den gleichen 4 Grundbausteinen).
Die Vorbereitung
Zurückliegend möchte ich Langatmigkeit, als die Wichtigste Tugend bezeichnen, die man haben muss.
Weitere Eckpfeiler sind Überstunden auf der Arbeit und natürlich der unbedingte Glaube an sich selbst. Und - ohne dies hätte sich das alles nie umsetzen lassen -, das wochen- und monatelange Pflegen des "arme Wurst-Images" am heimischen Herd. Gerade dieser Punkt darf nicht unterschätzt werden, er muss akribisch, unnachlässig und täglich gepflegt werden, sonst ist alles zum Scheitern verurteilt. Auf das, wie dieses Image am besten zu pflegen ist, kann hier nicht genauer eingegangen werden, dies hängt von zu vielen Einzelfaktoren ab, in denen ich mich hier nicht verlieren möchte.
Die Quäler
Es wimmelt von ihnen, diejenigen, die dich in deiner Konzentration beeinträchtigen und dir hier bei QD nahezu täglich von ihrem süssen Leben abseits von Arbeit und Schweiss berichten. Diejenigen, die dir in der Fussgängerzone 1 Münze in den Hut werfen, auf dass du Armseliger nicht so ganz verhungern mögest, bzw. dass es etwas langsamer vonstatten geht. Es sind alles Quäler, im wahrsten Sinne, deshalb haben sie sich wohl auch hier versammelt. Aus dem Antrieb des eigenen Quälens, und als Abfallprodukt, das Quälen der anderen. Und sie beherrschen es - das eine wie das andere.
Ja, es sind genau
diejenigen, die mit einer Schachtel Streichhölzer nachts um 2 auf den Susten,
diejenigen, die 10 Pässe in 24 Stunden abreissen,
diejenigen, die den Stelvio drei-viermal am Tag fahren, den Grossglockner hin- und zurück,
diejenigen, die ein zartes weibliches zerbrechliches engelsgleiches Wesen zum Wasserflaschenträger missbrauchen,
diejenigen, die in Amerikas Wildem Westen oder den schottischen Highlands touren,
diejenigen, die alle 3500 Alpen-Jugendherbergen an ihrem Geruch erkennen,
diejenigen, die wegen fehlerhafter Auswahl beim Schwiegersohn 350km quer durch die Alpen radeln,
diejenigen, die den Radweg von Trondheim bis Oslo kennen,
diejenigen, komm hör doch auf...
Es darf als gesichert gelten, dass zur Stunde auf den Osterinseln und auf den kleinen Antillen ein Garmin trackt und bald hier die ersten Tourentips zum Nachfahren auftauchen - es wimmelt von ihnen.
Meine Empfehlung: Nicht an sich heranlassen, trotz den Störfeuern strikt Kurs halten.
Sie werden es immer und immer wieder versuchen, es sind Masochisten, die offensichtlich keinem geregelten Leben nachgehen, keinen festen Job und Wohnsitz haben, Studenten, Frührentner, Freimaurer, Vagabunden, Zeugen Jehowas, freischaffende Künstler, Golfer, Kartenspieler, fahrendes Volk.
Sie grinsen dir eiskalt ein "HaHa" zu, wenn sie an dir vorbeiradeln, während du deinen Kinderwagen den Hügel hinauf schiebst, um dir am Abend wenigstens 7 Hm in dein Jahresbuch zu schreiben. Während du in dem Buch "100 Alpenpässe mit dem Rennrad" sehnsüchtig blätterst, sind sie auf der Sella-Runde unterwegs, aber auf der 5. Umrundung versteht sich, sie sind nachts um 3 mit ihrem Streichholz in der Hand schon losgefahren...
Die Träume
Sie treiben dich an. Sie sind der Energie-Riegel deiner Phantasie, das Magnesium deines starken Willens. Aufgerollt auf Klopapier müsste deine wunschgebende todo-Liste auf einer Euro-Palette und Gabelstapler transportiert werden müssen. Vergiss die Sache mit dem Weihnachtsmann, es gibt keinen so grossen Stiefel, um ihm diese Rolle unterzujubeln.
Und blicke nicht herüber zu den anderen Quälern, wenn sie mit ihrer Rolle winken, die nur noch aus dem inneren Karton besteht. Alle Blätter schon abgerollt.
Also halte durch, der Tag wird kommen, wo du ein kleines armseliges Blatt von deiner Rolle abreissen darfst.
Also halte durch und sei stark im Gebet. Bete, dass sich die Alpen, Dolomiten und Pyrenäen noch eine kleine Weile der Erosion widersetzen mögen, bis du denn deine Ketten sprengen kannst, um a la Forrest Gump aufs Rad zu steigen, nur noch zu fahren, zu fahren, zu fahren und einfach nicht mehr abzusteigen...
"Route des Grandes Alpes"...wir sind noch nicht fertig miteinander...hörst du? Noch nicht !!
Die Durchführung
Früh am Morgen ist das Auto in Tiefencastel abgestellt, am dortigen Kreisel gehts rechts ab, der Julierpass wartet. Ich atme die frische Luft ein und jubele in mich hinein. Ein wunderschöner Tag ist angesagt, es kann auch nur ein solcher werden, alles andere ist für heute verboten. Heute erfüllt sich der Wunsch einer schönen Alpentour, ich ziehe meine Bahnen, mit meinen Gedanken wohltuend alleine. Rennradfahren, Pässefahren, mit was wurde es nicht alles klassifiziert. Abenteuer, Freiheit, Landschaften, Schweiss, Schmerzen, das alles vereint sich nun Meter für Meter in einem herzerfrischenden Gefühl.
Frostig ist es, so früh am Morgen, als mir dies zuerst meine Füsse dann auch ein Blick auf das Thermometer signalisieren. Ui, 5°, das war aber so nicht bestellt. Die Sonne ist zwar auf den Berggipfeln schon zu sehen, hat es aber noch nicht bis darüber und auf meine Wegstrecke geschafft. So muss ich meinen Füssen über 1 Stunde Mut zusprechen, bis die ersten Sonnenstrahlen dann auch auf den Asphalt treffen. Aber -erst einmal eingeschnappt- sie sollten es mir bis auf den Julier übel
nehmen und bis dorthin die beiden Beleidigten spielen.
Den Julier stufe ich als sehr angenehmen Pass ein. Zwar zieht er sich unendlich mit seinen 35km von dieser Seite aus, ist dafür aber nirgends gemein. An meinem Wochentage und Vormittag herrscht auch angenehm wenig Verkehr, womit der Genuss hier über der trotzdem vorhandenen Anstrengung steht.
Auf ca. 1500m im kleinen Örtchen Sur ist eine kurze Frühstückspause vor der Dorfbäckerei am Brunnen fällig, da ich bei der Anfahrt im Auto noch keinen Bissen runter bekommen wollte. Mittlerweile hat die Sonne die Strecke vollends geflutet und der Thermometer hat ruckzuck 10 Grad zugelegt, zudem ich akzeptierend einschlage.
Kurze Zeit später taucht die grasbewachsene Staumauer des Marmorera-Stausees auf und wiederum etwas später ist dieser auf knapp 1700m auch schon erreicht. Hatte auch schon mal mehr Wasser, der Kollege, aber die Lage ist schön, und so geht es weiter bis Bivio, einer weiteren kleinen Ortschaft, die man passiert. Danach folgt eine längere Geradeaus-Passage, nach der es voraus dann zum schönsten Stück der Aufahrt geht. Auf nun schon über 1950m warten mehrere schöne Serpentinen, zwar nicht viele aber immerhin. Sie eröffnen die Möglichkeit auch einmal zurück zu blicken, und was man sieht ist wunderbar. Die Glückshormone entern die Gehirnströme.
Das Hospiz erscheint und läutet den letzten Abschnitt vor der Passhöhe ein. Der hat heute den Makel gerade eine neue
Asphaltdecke zu bekommen, wodurch es kurz vor der Passhöhe doch tatsächlich noch zu einem Stau vor einer Ampel kommt.
Mit dem Rad ist man bergauf in einer Grünphase nicht unbedingt bevorteilt, so muss ein ungeplanter Spurt auf der einspurigen Fahrbahn eingelegt werden, ehe wieder Gegenverkehr kommt.
Geschafft, auf 2284m ist der Julier bezwungen, die Baustellen-Atmosphäre und Teergeruch drängt keinen langen Aufenthalt
auf. Den lege ich dann lieber später ein, also geht es nach kurzer rauschender Abfahrt hinunter nach Silvaplana. Der türkisfarbene Silvaplana-See ist wieder einmal eine Augenweide und kurze Zeit später sitze ich zum feudalen Menu mit
Müsliriegel und Wasser am St. Moritzersee auf einer Bank, strecke die Beine aus und geniesse den Tag und die Aussicht.
Lieber Gott - mir gehts gut - vielen Dank und viele Grüsse.
An meinen Zeitplan denkend raffe ich mich auf, die Träumerei zu beenden und biege hinter St.Moritz in Richtung Berninapass
rechts ab. Wieder erwische ich eine Baustelle mit Teerarbeiten, wieder muss ich mich als letzter Depp bergauf quälen, um die Grünphase einigermassen zu schaffen. Danach muss sofort ein Stop her, um die Reifen von den aufgelesenen Teerstücken
zu befreien.
Der herrliche Morteratgletscher schiebt sich alsbald auf der Auffahrt ins Blickfeld, seines Zeichens mit 6,4km der drittlängste Gletscher der Ostalpen. Die Strecke ist auch sonst wunderschön, dazu von der Schwierigkeit nicht im hohen Bereich anzusiedeln. Aus dem Tal heraus benötigt man zwar 20km bis zum Pass, dafür sind aber "nur" 600Hm aus dem Weg zu räumen. Das kann man sich antun und zum Mittag kurz vor der Passhöhe auf 2330m im Hospiz einkehren.
Frisch gestärkt geht es nun Richtung Pass Nummer 3, dem Forcola di Livigno. Nach kurzer knapp 4km langer Abfahrt, geht es schon wieder hinauf, aber auch nur für wiederum knapp 4km. Und so dauert es nicht allzu lange, ehe man auf der Passhöhe und 2315m angelangt ist. Von Bezwingung des Passes möchte man da nicht reden, dafür war der kurze aber durchaus heftige Anstieg nicht lange genug. Sei's drum, ich erlaube mir den Luxus für 20 Meter nach Italien zu flanieren und einen Blick ins gegenüberliegende Tal und die Auffahrt von Livigno kommend zu werfen.
Ein kurzer Smalltalk mit 2 Kollegen, die in Richtung Stelvio unterwegs sind rundet den Besuch hier oben ab, es geht wieder zurück zum Bernina. Also wieder 4km runter und wieder rauf, nun in umgekehrter Richtung und schon hat mich der Bernina wieder. Hier oben sind alle Fotos im Kasten, die Aussicht genossen und die Rechnung im Hospiz bezahlt, also geht es
entspannt an die Abfahrt. Einfach rollen und noch einmal die Augen schweifen lassen, treibt es mich gemütlich zurück nach Samedan. Dort hatte ich in umgekehrter Richtung einmal bösen Gegenwind, heute stelle ich erfreut fest, dass sich vieles ausgleicht im Leben. Mit einer gehörigen Prise Rückenwind treffe ich im grössten Gang schneller als gedacht in La Punt ein.
Hier wartet Pass Nummer 4 und kein geringer als der Albulapass. Ein letzter Break am Brunnen und Bushaltestelle mit
Blick auf die Strassen-Sprungschanze, die vom Albula herunter führt. Nichts für schwache Nerven. Ich beobachte noch eine
Weile den Autoverkehr, wo die Ober-Oberklasse sich ein Stelldichein gibt und in Richtung St.Moritz verschwindet.
Ich besteige kurze später meinen popeligen Drahtesel und mache mich an die letzte Steigung des Tages. Ab hier liegen noch
9km mit gut 600Hm vor mir, die, so signalisieren mir meine Beine, zu schaffen sein werden. Na, wehe wenn nicht !!
Die Strecke ist bissig, hört kilometerlang überhaupt nicht auf zu steigen, offenbart aber wiederum eine wunderbare Fernsicht,
von der man sich kaum lösen mag. Aber nach mittlerweile über 3000hm merkt man auch die Anstrengung und das Passschild auf dem Albula wäre auch keine so schlechte Attraktion.
Es kommt wie es soll, auch dieses ist alsbald erreicht und als ich mein Rad zum Zielfoto am Passschild auf 2315m ablichte
ist eine wunderbare und herrliche Tour im wahrsten Sinne auf ihrem Gipfel angelangt. Sagenhaft und phantastisch.
Ich überquere den Albula und mache mich an die Abfahrt, aber auch hier stosse ich kurz unterhalb des Passes auf erneute
Asphaltarbeiten. Dies soll wohl heute so sein, alle Pässe erhalten einen neuen Anstrich. Immerhin ist mir so für ca. 3km ein
Asphaltband vom Feinsten verlegt worden, kein Krümel, kein Nichts, nur ein herrliches neues Schwarz. Wie kann Teer manchmal so herrlich sein...:-)
Der Albula ist schon bei der Auffahrt eine Attraktion, aber auch bergab nicht zu verschmähen, das macht richtig Laune.
Während der 30km langen Abfahrt bis Tiefencastel versammeln sich dann alle Eindrücke des Tages nochmals auf der Menukarte.
Eine wunderbare 4-Pässe-Tour bei allerbesten Bedingungen. Unzählige schöne Eindrücke, die man unterwegs aufsammelt und gar nicht alle verarbeiten kann. Einen Tag lang - Abenteuer und Freiheit auf dem RR geniessen. Wunderbar - Eine Ode an die Freude. !!
Als ich wieder den Kreisel von Tiefencastel durchfahre schliesst sich der Kreis und die Tour ist beendet. 150km und 3550hm,
ich bedanke mich, dass ich dabei sein durfte.
Rein begrifflich ist eine Widmung (oder Dedikation) der Ausdruck freundlicher Verbundenheit,
oder auch des Dankes an eine oder mehrere Personen, die ihm nahestehen. Da ich noch nie in meinem Leben irgendetwas irgendwem gewidmet habe ist heute Zeit für einen Anfang:
Ich widme also diese Tour allen rennradverrückten Familienvätern, die aufgrund ihrer familiären Situation (meist mit Kleinkindern), beruflichen Situation (meist im Kohlebergbau unter Tage),
ihren Verpflichtungen daheim (meist kopfschüttelnde Frau) und drumherum (meist unnötiger Bekanntenkreis) nicht so können, wie sie gerne wollen.
Seid stark Freunde, und lasset uns beten zum "heiligen Jan", dass bessere Zeiten auf uns zukommen mögen.
Die Historie
Wer erinnert sich nicht an die Dalton-Brüder, die im 19. Jahrhundert zu den bekanntesten Bankräubern avancierten, wer kennt nicht Bonnie und Clyde, die um 1930 in ihre mehr oder minder grossen Fussstapfen traten und sich im gleichen Metier versuchten. Wer erinnert sich nicht an Black Jack, der 25 Wells-Fargo Postkutschen um deren Inhalt erleichterte?
Egal - man darf eine gewisse Überlegung und Planung bei Ihren Beutezügen voraussetzen.
Was ist mit Kolumbus und Amerika, was ist mit Cook und Australien und was ist mit Amundsen und dem Südpol? Man war nicht dabei, darf aber unter Umständen eine gewisse Planung und Vorbereitung bei deren Reisen unterstellen.
Wir erinnern uns alle:
Als Ernst Litfass die Säule, Alfred Nobel das Dynamit, Levi Strauss die Jeans, John Dunlop den Reifen und Robert Sputh den Bierdeckel erfand muss ihnen eine gewisse Planung und Zielgerichtheit unterstellt werden, es kann hierbei kaum von Zufall gesprochen werden.
Man sieht, ein Blick in die Geschichte schadet nicht, es finden sich erstaunliche Parallen bis hin zum Hier und Heute, wenn es darum geht ein Vorhaben, einen Plan, eine Idee in die Tat umzusetzen.
Das Werkzeug
Zur Umsetzung werden nur diejenigen 4 Werkzeuge benötigt, die sich in einem durchschnittlichen Haushalt allesamt in der Küchenschublade befinden. Sextant, Geo-Dreieck, schweizer Messer und Tintenkiller. So ist eine schöner Plan relativ schnell und detailliert zusammengeschnitten.
(Anmerkung: Der neumodische Tourenplaner von qd beruht angeblich auf den gleichen 4 Grundbausteinen).
Die Vorbereitung
Zurückliegend möchte ich Langatmigkeit, als die Wichtigste Tugend bezeichnen, die man haben muss.
Weitere Eckpfeiler sind Überstunden auf der Arbeit und natürlich der unbedingte Glaube an sich selbst. Und - ohne dies hätte sich das alles nie umsetzen lassen -, das wochen- und monatelange Pflegen des "arme Wurst-Images" am heimischen Herd. Gerade dieser Punkt darf nicht unterschätzt werden, er muss akribisch, unnachlässig und täglich gepflegt werden, sonst ist alles zum Scheitern verurteilt. Auf das, wie dieses Image am besten zu pflegen ist, kann hier nicht genauer eingegangen werden, dies hängt von zu vielen Einzelfaktoren ab, in denen ich mich hier nicht verlieren möchte.
Die Quäler
Es wimmelt von ihnen, diejenigen, die dich in deiner Konzentration beeinträchtigen und dir hier bei QD nahezu täglich von ihrem süssen Leben abseits von Arbeit und Schweiss berichten. Diejenigen, die dir in der Fussgängerzone 1 Münze in den Hut werfen, auf dass du Armseliger nicht so ganz verhungern mögest, bzw. dass es etwas langsamer vonstatten geht. Es sind alles Quäler, im wahrsten Sinne, deshalb haben sie sich wohl auch hier versammelt. Aus dem Antrieb des eigenen Quälens, und als Abfallprodukt, das Quälen der anderen. Und sie beherrschen es - das eine wie das andere.
Ja, es sind genau
diejenigen, die mit einer Schachtel Streichhölzer nachts um 2 auf den Susten,
diejenigen, die 10 Pässe in 24 Stunden abreissen,
diejenigen, die den Stelvio drei-viermal am Tag fahren, den Grossglockner hin- und zurück,
diejenigen, die ein zartes weibliches zerbrechliches engelsgleiches Wesen zum Wasserflaschenträger missbrauchen,
diejenigen, die in Amerikas Wildem Westen oder den schottischen Highlands touren,
diejenigen, die alle 3500 Alpen-Jugendherbergen an ihrem Geruch erkennen,
diejenigen, die wegen fehlerhafter Auswahl beim Schwiegersohn 350km quer durch die Alpen radeln,
diejenigen, die den Radweg von Trondheim bis Oslo kennen,
diejenigen, komm hör doch auf...
Es darf als gesichert gelten, dass zur Stunde auf den Osterinseln und auf den kleinen Antillen ein Garmin trackt und bald hier die ersten Tourentips zum Nachfahren auftauchen - es wimmelt von ihnen.
Meine Empfehlung: Nicht an sich heranlassen, trotz den Störfeuern strikt Kurs halten.
Sie werden es immer und immer wieder versuchen, es sind Masochisten, die offensichtlich keinem geregelten Leben nachgehen, keinen festen Job und Wohnsitz haben, Studenten, Frührentner, Freimaurer, Vagabunden, Zeugen Jehowas, freischaffende Künstler, Golfer, Kartenspieler, fahrendes Volk.
Sie grinsen dir eiskalt ein "HaHa" zu, wenn sie an dir vorbeiradeln, während du deinen Kinderwagen den Hügel hinauf schiebst, um dir am Abend wenigstens 7 Hm in dein Jahresbuch zu schreiben. Während du in dem Buch "100 Alpenpässe mit dem Rennrad" sehnsüchtig blätterst, sind sie auf der Sella-Runde unterwegs, aber auf der 5. Umrundung versteht sich, sie sind nachts um 3 mit ihrem Streichholz in der Hand schon losgefahren...
Die Träume
Sie treiben dich an. Sie sind der Energie-Riegel deiner Phantasie, das Magnesium deines starken Willens. Aufgerollt auf Klopapier müsste deine wunschgebende todo-Liste auf einer Euro-Palette und Gabelstapler transportiert werden müssen. Vergiss die Sache mit dem Weihnachtsmann, es gibt keinen so grossen Stiefel, um ihm diese Rolle unterzujubeln.
Und blicke nicht herüber zu den anderen Quälern, wenn sie mit ihrer Rolle winken, die nur noch aus dem inneren Karton besteht. Alle Blätter schon abgerollt.
Also halte durch, der Tag wird kommen, wo du ein kleines armseliges Blatt von deiner Rolle abreissen darfst.
Also halte durch und sei stark im Gebet. Bete, dass sich die Alpen, Dolomiten und Pyrenäen noch eine kleine Weile der Erosion widersetzen mögen, bis du denn deine Ketten sprengen kannst, um a la Forrest Gump aufs Rad zu steigen, nur noch zu fahren, zu fahren, zu fahren und einfach nicht mehr abzusteigen...
"Route des Grandes Alpes"...wir sind noch nicht fertig miteinander...hörst du? Noch nicht !!
Die Durchführung
Früh am Morgen ist das Auto in Tiefencastel abgestellt, am dortigen Kreisel gehts rechts ab, der Julierpass wartet. Ich atme die frische Luft ein und jubele in mich hinein. Ein wunderschöner Tag ist angesagt, es kann auch nur ein solcher werden, alles andere ist für heute verboten. Heute erfüllt sich der Wunsch einer schönen Alpentour, ich ziehe meine Bahnen, mit meinen Gedanken wohltuend alleine. Rennradfahren, Pässefahren, mit was wurde es nicht alles klassifiziert. Abenteuer, Freiheit, Landschaften, Schweiss, Schmerzen, das alles vereint sich nun Meter für Meter in einem herzerfrischenden Gefühl.
Frostig ist es, so früh am Morgen, als mir dies zuerst meine Füsse dann auch ein Blick auf das Thermometer signalisieren. Ui, 5°, das war aber so nicht bestellt. Die Sonne ist zwar auf den Berggipfeln schon zu sehen, hat es aber noch nicht bis darüber und auf meine Wegstrecke geschafft. So muss ich meinen Füssen über 1 Stunde Mut zusprechen, bis die ersten Sonnenstrahlen dann auch auf den Asphalt treffen. Aber -erst einmal eingeschnappt- sie sollten es mir bis auf den Julier übel
nehmen und bis dorthin die beiden Beleidigten spielen.
Den Julier stufe ich als sehr angenehmen Pass ein. Zwar zieht er sich unendlich mit seinen 35km von dieser Seite aus, ist dafür aber nirgends gemein. An meinem Wochentage und Vormittag herrscht auch angenehm wenig Verkehr, womit der Genuss hier über der trotzdem vorhandenen Anstrengung steht.
Auf ca. 1500m im kleinen Örtchen Sur ist eine kurze Frühstückspause vor der Dorfbäckerei am Brunnen fällig, da ich bei der Anfahrt im Auto noch keinen Bissen runter bekommen wollte. Mittlerweile hat die Sonne die Strecke vollends geflutet und der Thermometer hat ruckzuck 10 Grad zugelegt, zudem ich akzeptierend einschlage.
Kurze Zeit später taucht die grasbewachsene Staumauer des Marmorera-Stausees auf und wiederum etwas später ist dieser auf knapp 1700m auch schon erreicht. Hatte auch schon mal mehr Wasser, der Kollege, aber die Lage ist schön, und so geht es weiter bis Bivio, einer weiteren kleinen Ortschaft, die man passiert. Danach folgt eine längere Geradeaus-Passage, nach der es voraus dann zum schönsten Stück der Aufahrt geht. Auf nun schon über 1950m warten mehrere schöne Serpentinen, zwar nicht viele aber immerhin. Sie eröffnen die Möglichkeit auch einmal zurück zu blicken, und was man sieht ist wunderbar. Die Glückshormone entern die Gehirnströme.
Das Hospiz erscheint und läutet den letzten Abschnitt vor der Passhöhe ein. Der hat heute den Makel gerade eine neue
Asphaltdecke zu bekommen, wodurch es kurz vor der Passhöhe doch tatsächlich noch zu einem Stau vor einer Ampel kommt.
Mit dem Rad ist man bergauf in einer Grünphase nicht unbedingt bevorteilt, so muss ein ungeplanter Spurt auf der einspurigen Fahrbahn eingelegt werden, ehe wieder Gegenverkehr kommt.
Geschafft, auf 2284m ist der Julier bezwungen, die Baustellen-Atmosphäre und Teergeruch drängt keinen langen Aufenthalt
auf. Den lege ich dann lieber später ein, also geht es nach kurzer rauschender Abfahrt hinunter nach Silvaplana. Der türkisfarbene Silvaplana-See ist wieder einmal eine Augenweide und kurze Zeit später sitze ich zum feudalen Menu mit
Müsliriegel und Wasser am St. Moritzersee auf einer Bank, strecke die Beine aus und geniesse den Tag und die Aussicht.
Lieber Gott - mir gehts gut - vielen Dank und viele Grüsse.
An meinen Zeitplan denkend raffe ich mich auf, die Träumerei zu beenden und biege hinter St.Moritz in Richtung Berninapass
rechts ab. Wieder erwische ich eine Baustelle mit Teerarbeiten, wieder muss ich mich als letzter Depp bergauf quälen, um die Grünphase einigermassen zu schaffen. Danach muss sofort ein Stop her, um die Reifen von den aufgelesenen Teerstücken
zu befreien.
Der herrliche Morteratgletscher schiebt sich alsbald auf der Auffahrt ins Blickfeld, seines Zeichens mit 6,4km der drittlängste Gletscher der Ostalpen. Die Strecke ist auch sonst wunderschön, dazu von der Schwierigkeit nicht im hohen Bereich anzusiedeln. Aus dem Tal heraus benötigt man zwar 20km bis zum Pass, dafür sind aber "nur" 600Hm aus dem Weg zu räumen. Das kann man sich antun und zum Mittag kurz vor der Passhöhe auf 2330m im Hospiz einkehren.
Frisch gestärkt geht es nun Richtung Pass Nummer 3, dem Forcola di Livigno. Nach kurzer knapp 4km langer Abfahrt, geht es schon wieder hinauf, aber auch nur für wiederum knapp 4km. Und so dauert es nicht allzu lange, ehe man auf der Passhöhe und 2315m angelangt ist. Von Bezwingung des Passes möchte man da nicht reden, dafür war der kurze aber durchaus heftige Anstieg nicht lange genug. Sei's drum, ich erlaube mir den Luxus für 20 Meter nach Italien zu flanieren und einen Blick ins gegenüberliegende Tal und die Auffahrt von Livigno kommend zu werfen.
Ein kurzer Smalltalk mit 2 Kollegen, die in Richtung Stelvio unterwegs sind rundet den Besuch hier oben ab, es geht wieder zurück zum Bernina. Also wieder 4km runter und wieder rauf, nun in umgekehrter Richtung und schon hat mich der Bernina wieder. Hier oben sind alle Fotos im Kasten, die Aussicht genossen und die Rechnung im Hospiz bezahlt, also geht es
entspannt an die Abfahrt. Einfach rollen und noch einmal die Augen schweifen lassen, treibt es mich gemütlich zurück nach Samedan. Dort hatte ich in umgekehrter Richtung einmal bösen Gegenwind, heute stelle ich erfreut fest, dass sich vieles ausgleicht im Leben. Mit einer gehörigen Prise Rückenwind treffe ich im grössten Gang schneller als gedacht in La Punt ein.
Hier wartet Pass Nummer 4 und kein geringer als der Albulapass. Ein letzter Break am Brunnen und Bushaltestelle mit
Blick auf die Strassen-Sprungschanze, die vom Albula herunter führt. Nichts für schwache Nerven. Ich beobachte noch eine
Weile den Autoverkehr, wo die Ober-Oberklasse sich ein Stelldichein gibt und in Richtung St.Moritz verschwindet.
Ich besteige kurze später meinen popeligen Drahtesel und mache mich an die letzte Steigung des Tages. Ab hier liegen noch
9km mit gut 600Hm vor mir, die, so signalisieren mir meine Beine, zu schaffen sein werden. Na, wehe wenn nicht !!
Die Strecke ist bissig, hört kilometerlang überhaupt nicht auf zu steigen, offenbart aber wiederum eine wunderbare Fernsicht,
von der man sich kaum lösen mag. Aber nach mittlerweile über 3000hm merkt man auch die Anstrengung und das Passschild auf dem Albula wäre auch keine so schlechte Attraktion.
Es kommt wie es soll, auch dieses ist alsbald erreicht und als ich mein Rad zum Zielfoto am Passschild auf 2315m ablichte
ist eine wunderbare und herrliche Tour im wahrsten Sinne auf ihrem Gipfel angelangt. Sagenhaft und phantastisch.
Ich überquere den Albula und mache mich an die Abfahrt, aber auch hier stosse ich kurz unterhalb des Passes auf erneute
Asphaltarbeiten. Dies soll wohl heute so sein, alle Pässe erhalten einen neuen Anstrich. Immerhin ist mir so für ca. 3km ein
Asphaltband vom Feinsten verlegt worden, kein Krümel, kein Nichts, nur ein herrliches neues Schwarz. Wie kann Teer manchmal so herrlich sein...:-)
Der Albula ist schon bei der Auffahrt eine Attraktion, aber auch bergab nicht zu verschmähen, das macht richtig Laune.
Während der 30km langen Abfahrt bis Tiefencastel versammeln sich dann alle Eindrücke des Tages nochmals auf der Menukarte.
Eine wunderbare 4-Pässe-Tour bei allerbesten Bedingungen. Unzählige schöne Eindrücke, die man unterwegs aufsammelt und gar nicht alle verarbeiten kann. Einen Tag lang - Abenteuer und Freiheit auf dem RR geniessen. Wunderbar - Eine Ode an die Freude. !!
Als ich wieder den Kreisel von Tiefencastel durchfahre schliesst sich der Kreis und die Tour ist beendet. 150km und 3550hm,
ich bedanke mich, dass ich dabei sein durfte.
4 gefahrene Pässe
Albulapass, Berninapass, Forcola di Livigno, JulierpassStrecke
Ich bin diese Etappe gefahren und möchte die befahrenen Pässe in mein Palmares eintragen
Ich bin diese Etappe gefahren
am