Il Colle doppio plus, 1 HalbReto 127,4 km / 5077 Hm
Redaktionell bestätigte Tour von TicinoBergler46
Von TicinoBergler46 –
Il Colle doppio plus, 1 HalbReto
Cannero-Il Colle-Cappella Fina-Cappella Porta-Alpe di Gabbio-Scareno-Aurano-Il Colle-Cannero
5000Hm, 132 km, 9:17h reine Fahrtzeit
18.07.09
Ursprüngliche Optionen
Ich hatte nur diesen einen ganzen Tag völlig frei fürs Velofahren. Das Pläneschmieden war wunderbar mit der Prioritätenfolge: Berner Oberland, Graubünden mit und ohne Splügen, Passo San Marco doppio, Wallis. Aber das Wetter spielt nicht mit, Schneefall bis 1400m. Nur dem Tessin wird Nordföhn vorhergesagt mit Sonne im Laufe des Tages. In der Nacht schwerer Regen, kräftiger Sturm und heftige Gewitter (tatsächlich liegen dann massenhaft Äste auf meinem Veloweg und regelmäßig umgestürzte Bäume, gerade noch rechtzeitig von der Feuerwehr weggeräumt).
Ich finde noch spät in der Nacht eine südliche Route über nicht hohe Berge. Dafür aber viele Höhenmeter: Il Colle doppio plus, d.h. die bekannten QD-Auffahrten auf den Monte Morissolo von Cannero und durch das Vella Intrasca über Aurano, kombiniert mit 3 Neutouren an den Osthängen von diesem Tal. Reto Tortenbäcker hat mit seinen 10.040 Hm einen neuen Maßstab gesetzt. Es soll ein bescheidener HalbReto werden, also 5000 Hm.
Keine Wahl
Frühmorgens Wetter noch schlecht, Schnee auf 1900m um den Lago Maggiore. Aber der Nordföhn bläst kräftig, die schwarzen Böen sind im Wasser deutlich zu sehen. Der Nordföhn im Tessin ist mein Freund, er sorgt für das schönste und klarste Wetter, das man sich vorstellen kann. Aber er verfolgt die Bergvelofahrer mit seinem Gegenwind, was er gleichzeitig von NO bis NW schafft, in dem er sich von den großen Täler des Sopraceneri drehen lässt.
Also ab nach Cannero. Kräftige Schaumkronen auf dem See. Der Himmel wird schon heller. Das schöne Wetter kommt. Nach ein paar vergeblichen Versuchen des Nordföhns mich vom Velo zu blasen, erreiche ich weiter oben den Windschatten in der Auffahrt zum Il Colle.
Ich genieße die zweck- und ballastfreie Bergauffahrt. Den schönen Lago-Ausblick kurz vor der Zwischenabfahrt auf 1160 m Höhe ignoriere ich fast, weil ich dem Nordföhn vertraue, dass er mir abends bei der Rückkehr wunderbares Fotolicht bescheren wird (was er auch macht, Danke, Nordföhn).
Der unansehnliche „Il Colle“ bleibt rechts liegen. Die Querung hinüber nach Piancavallo (mit der Klinik) ermöglicht einen Blick hinunter zu einem Teil meines Nachmittagsaufstiegs. Durch hübsche italienische Ortschaften geht es dann Richtung Verbania hinunter und zwar nach Cambiasca am Beginn des Valle Intrasca.
Blauer Himmel und warme Sonne verleiht mir (vorübergehend) mediterrane Leichtigkeit am Beginn der 833 Hm Neutour zur Capella Fina (1100m). Aber nur für die schönen und nicht steilen Kehren nach Miazzina. Der zweite, steilere Teil holt mich wieder zurück ins Reich der Schwerkraft. Aber die 2170 Hm in einer (reinen) Fahrtzeit von 3:25h rufen noch keine fundamentalen Zweifel hervor. Dazu sind auch die Ausblicke zu schön.
Kaum unten, lockt schon die 2. Neutour zur Cappella Porta (1070m) mit 755 Hm. Wasser mit Maltodextrin statt Rotwein und tropical-fruit-Gel statt Ravioli con Porcini sichern die nötige Energiezufuhr. Das frugale Mahl stellt sicher, dass der gefüllte Bauch nicht an der Kette streift. Es ruft aber nicht die Lustgefühle hervor, die die Küche dieser Region vermag. Nicht mehr so leichtfüßig wie zuvor, aber immer noch ohne verzerrtes Gesicht (soweit ich das überhaupt beurteilen kann) fahre ich die wenig steilen Kehren nach Caprezzo hinauf. Der obere, steile Teil testet dann erstmals auf dieser Tour meine Widerstandskraft. Aber die 2946 Hm oben in einer Fahrtzeit von 4:45h sind noch im Rahmen mehrerer Touren in diesem Jahr, so dass ich keine Zweifel erlaube.
Die 3. Neutour zur Alpe di Gabbio(1128m) mit 790 Hm beginnt etwas weiter oben im Valle Intrasca. Am Beginn mache ich ganz gesundheitsbewusst eine 20 minütige Bein-Stretch-Pause. Als zwischendurch ein junger Italiener mit seiner chicen Freundin auf 2 Pinarello Velos die Auffahrt anpackt, kann ich fast mühelos das Nachfahren im Affekt unterdrücken. Ein Verkehrsschild warnt mit „serie tornanti“ und tatsächlich sind die kommenden 13 Kehren bis Intragna so schön, dass nur die Müdigkeit den Suchtanfall verhindert.
Die verbleibenden 2,5 km haben 11,5% im Durchschnitt, mit längeren 14% Rampen und Spitzen bis mindestens 16% und dies auf schlechtem Asphalt. Die Rampen lösen folgenden Dialog in meinem Gehirn zwischen den Gehirnhälften „Ratio“ und „Emotio“ aus:
Ratio: „lass ihn doch einfach zurückschalten“
Emotio: „Codexgang 39/30 wird nicht unterschritten!“
Ratio (mit motivierendem Timbre): „auch zurückgeschaltet ist das noch gut für sein Alter“
Emotio (reagiert immer allergisch auf Altershinweise): „das könnte Dir so passen!“
Ratio (heimtückisch, aber in verbrüderndem Tonfall): „lassen wir ihn doch abbrechen“
Emotio (verschwörerisch kurz um sich blickend und hinter vorgehaltener Hand): „ich habe ihn doch absichtlich zu dieser Tour verführt, er kann nicht mehr zurück, der Weg über Verbania und am See zurück ist anstrengender als den letzten Anstieg hinauf und hinunter nach Cannero“
Ratio und Emotio gemeinsam als sie merken, dass ER während ihrer Zwiesprache ganz hinauf gefahren ist: „der kann doch noch, der alte Sack“. Nach 3712 Hm und 6:17h reiner Fahrtzeit lasse ich mir diese Aussage auf der Zunge zergehen und gebe ihnen recht.
Die anschließende 230 Hm-Auffahrt zum hübschen Ort Scareno soll die 5000 Hm am Ende der Tour sicherstellen. Sie sind steil und heiß und erfrischen den müden Körper überhaupt nicht.
Irgendwie geht auch das vorbei und – wieder unten im Valle Intrasca – liegen „nur“ noch 1000 Hm vor mir, eigentlich nur 800 Hm bis zum höchsten Punkt (1285m) oberhalb von Piancavallo. Einteilen in kleine Schritte! Aurano, Corte Giovanoli, Alpe Segletta und dann Piancavallo. Planung ist eben alles! Also die Kehren hinauf nach Aurano! Aber die Beine leisten irgendwie passiven Widerstand: unnötig früh auf den Codex-Gang 39/30, zu müde um aus dem Sattel zu gehen, einfach kein Pflichtbewusstsein. Also unauffällig (zu) viele Fotopausen einlegen. So schön ist es auf diesem Abschnitt gar nicht. Schon 9% Steigung auf dem Garmin machen mir ungewohnte Mühe, obwohl er am Gerät meist mehr anzeigt als bei der Auswertung (zumindest in Waldabschnitten). Für eine größere Pause bin ich einfach schon zu nah am „Vorgipfel“ Piancavallo mit seiner prächtigen Aussicht. Rieche ich ihn schon? Wann wird es denn endlich flacher?? Und tatsächlich, die Steigung rutscht irgendwann unter mir weg und ich stehe am Aussichtspunkt. Verkrampft steige ich vom Velo und genieße euphorisch den Superausblick auf den südlichen Lago Maggiore! Bei schönstem Abendlicht absolviere ich nach einem Blick auf die Monte Rosa Ostwand verschiedene Zwischenanstiege und die Abfahrt nach Cannero geradezu leichtfüßig. Einschließlich der 45 steilen Hm die ich von unten noch „nachsitzen“ muss, um die 5000 Hm in 9:17h reiner Fahrtzeit zu vollenden (die PC Auswertung zeigt dann ironische 5223m).
Ich empfinde es als ein Privileg, solche Touren fahren zu dürfen.
Cannero-Il Colle-Cappella Fina-Cappella Porta-Alpe di Gabbio-Scareno-Aurano-Il Colle-Cannero
5000Hm, 132 km, 9:17h reine Fahrtzeit
18.07.09
Ursprüngliche Optionen
Ich hatte nur diesen einen ganzen Tag völlig frei fürs Velofahren. Das Pläneschmieden war wunderbar mit der Prioritätenfolge: Berner Oberland, Graubünden mit und ohne Splügen, Passo San Marco doppio, Wallis. Aber das Wetter spielt nicht mit, Schneefall bis 1400m. Nur dem Tessin wird Nordföhn vorhergesagt mit Sonne im Laufe des Tages. In der Nacht schwerer Regen, kräftiger Sturm und heftige Gewitter (tatsächlich liegen dann massenhaft Äste auf meinem Veloweg und regelmäßig umgestürzte Bäume, gerade noch rechtzeitig von der Feuerwehr weggeräumt).
Ich finde noch spät in der Nacht eine südliche Route über nicht hohe Berge. Dafür aber viele Höhenmeter: Il Colle doppio plus, d.h. die bekannten QD-Auffahrten auf den Monte Morissolo von Cannero und durch das Vella Intrasca über Aurano, kombiniert mit 3 Neutouren an den Osthängen von diesem Tal. Reto Tortenbäcker hat mit seinen 10.040 Hm einen neuen Maßstab gesetzt. Es soll ein bescheidener HalbReto werden, also 5000 Hm.
Keine Wahl
Frühmorgens Wetter noch schlecht, Schnee auf 1900m um den Lago Maggiore. Aber der Nordföhn bläst kräftig, die schwarzen Böen sind im Wasser deutlich zu sehen. Der Nordföhn im Tessin ist mein Freund, er sorgt für das schönste und klarste Wetter, das man sich vorstellen kann. Aber er verfolgt die Bergvelofahrer mit seinem Gegenwind, was er gleichzeitig von NO bis NW schafft, in dem er sich von den großen Täler des Sopraceneri drehen lässt.
Also ab nach Cannero. Kräftige Schaumkronen auf dem See. Der Himmel wird schon heller. Das schöne Wetter kommt. Nach ein paar vergeblichen Versuchen des Nordföhns mich vom Velo zu blasen, erreiche ich weiter oben den Windschatten in der Auffahrt zum Il Colle.
Ich genieße die zweck- und ballastfreie Bergauffahrt. Den schönen Lago-Ausblick kurz vor der Zwischenabfahrt auf 1160 m Höhe ignoriere ich fast, weil ich dem Nordföhn vertraue, dass er mir abends bei der Rückkehr wunderbares Fotolicht bescheren wird (was er auch macht, Danke, Nordföhn).
Der unansehnliche „Il Colle“ bleibt rechts liegen. Die Querung hinüber nach Piancavallo (mit der Klinik) ermöglicht einen Blick hinunter zu einem Teil meines Nachmittagsaufstiegs. Durch hübsche italienische Ortschaften geht es dann Richtung Verbania hinunter und zwar nach Cambiasca am Beginn des Valle Intrasca.
Blauer Himmel und warme Sonne verleiht mir (vorübergehend) mediterrane Leichtigkeit am Beginn der 833 Hm Neutour zur Capella Fina (1100m). Aber nur für die schönen und nicht steilen Kehren nach Miazzina. Der zweite, steilere Teil holt mich wieder zurück ins Reich der Schwerkraft. Aber die 2170 Hm in einer (reinen) Fahrtzeit von 3:25h rufen noch keine fundamentalen Zweifel hervor. Dazu sind auch die Ausblicke zu schön.
Kaum unten, lockt schon die 2. Neutour zur Cappella Porta (1070m) mit 755 Hm. Wasser mit Maltodextrin statt Rotwein und tropical-fruit-Gel statt Ravioli con Porcini sichern die nötige Energiezufuhr. Das frugale Mahl stellt sicher, dass der gefüllte Bauch nicht an der Kette streift. Es ruft aber nicht die Lustgefühle hervor, die die Küche dieser Region vermag. Nicht mehr so leichtfüßig wie zuvor, aber immer noch ohne verzerrtes Gesicht (soweit ich das überhaupt beurteilen kann) fahre ich die wenig steilen Kehren nach Caprezzo hinauf. Der obere, steile Teil testet dann erstmals auf dieser Tour meine Widerstandskraft. Aber die 2946 Hm oben in einer Fahrtzeit von 4:45h sind noch im Rahmen mehrerer Touren in diesem Jahr, so dass ich keine Zweifel erlaube.
Die 3. Neutour zur Alpe di Gabbio(1128m) mit 790 Hm beginnt etwas weiter oben im Valle Intrasca. Am Beginn mache ich ganz gesundheitsbewusst eine 20 minütige Bein-Stretch-Pause. Als zwischendurch ein junger Italiener mit seiner chicen Freundin auf 2 Pinarello Velos die Auffahrt anpackt, kann ich fast mühelos das Nachfahren im Affekt unterdrücken. Ein Verkehrsschild warnt mit „serie tornanti“ und tatsächlich sind die kommenden 13 Kehren bis Intragna so schön, dass nur die Müdigkeit den Suchtanfall verhindert.
Die verbleibenden 2,5 km haben 11,5% im Durchschnitt, mit längeren 14% Rampen und Spitzen bis mindestens 16% und dies auf schlechtem Asphalt. Die Rampen lösen folgenden Dialog in meinem Gehirn zwischen den Gehirnhälften „Ratio“ und „Emotio“ aus:
Ratio: „lass ihn doch einfach zurückschalten“
Emotio: „Codexgang 39/30 wird nicht unterschritten!“
Ratio (mit motivierendem Timbre): „auch zurückgeschaltet ist das noch gut für sein Alter“
Emotio (reagiert immer allergisch auf Altershinweise): „das könnte Dir so passen!“
Ratio (heimtückisch, aber in verbrüderndem Tonfall): „lassen wir ihn doch abbrechen“
Emotio (verschwörerisch kurz um sich blickend und hinter vorgehaltener Hand): „ich habe ihn doch absichtlich zu dieser Tour verführt, er kann nicht mehr zurück, der Weg über Verbania und am See zurück ist anstrengender als den letzten Anstieg hinauf und hinunter nach Cannero“
Ratio und Emotio gemeinsam als sie merken, dass ER während ihrer Zwiesprache ganz hinauf gefahren ist: „der kann doch noch, der alte Sack“. Nach 3712 Hm und 6:17h reiner Fahrtzeit lasse ich mir diese Aussage auf der Zunge zergehen und gebe ihnen recht.
Die anschließende 230 Hm-Auffahrt zum hübschen Ort Scareno soll die 5000 Hm am Ende der Tour sicherstellen. Sie sind steil und heiß und erfrischen den müden Körper überhaupt nicht.
Irgendwie geht auch das vorbei und – wieder unten im Valle Intrasca – liegen „nur“ noch 1000 Hm vor mir, eigentlich nur 800 Hm bis zum höchsten Punkt (1285m) oberhalb von Piancavallo. Einteilen in kleine Schritte! Aurano, Corte Giovanoli, Alpe Segletta und dann Piancavallo. Planung ist eben alles! Also die Kehren hinauf nach Aurano! Aber die Beine leisten irgendwie passiven Widerstand: unnötig früh auf den Codex-Gang 39/30, zu müde um aus dem Sattel zu gehen, einfach kein Pflichtbewusstsein. Also unauffällig (zu) viele Fotopausen einlegen. So schön ist es auf diesem Abschnitt gar nicht. Schon 9% Steigung auf dem Garmin machen mir ungewohnte Mühe, obwohl er am Gerät meist mehr anzeigt als bei der Auswertung (zumindest in Waldabschnitten). Für eine größere Pause bin ich einfach schon zu nah am „Vorgipfel“ Piancavallo mit seiner prächtigen Aussicht. Rieche ich ihn schon? Wann wird es denn endlich flacher?? Und tatsächlich, die Steigung rutscht irgendwann unter mir weg und ich stehe am Aussichtspunkt. Verkrampft steige ich vom Velo und genieße euphorisch den Superausblick auf den südlichen Lago Maggiore! Bei schönstem Abendlicht absolviere ich nach einem Blick auf die Monte Rosa Ostwand verschiedene Zwischenanstiege und die Abfahrt nach Cannero geradezu leichtfüßig. Einschließlich der 45 steilen Hm die ich von unten noch „nachsitzen“ muss, um die 5000 Hm in 9:17h reiner Fahrtzeit zu vollenden (die PC Auswertung zeigt dann ironische 5223m).
Ich empfinde es als ein Privileg, solche Touren fahren zu dürfen.
4 gefahrene Pässe
Monte Morissolo, Alpe di Gabbio, Cappella Fina, Cappella PortaStrecke
Ich bin diese Etappe gefahren und möchte die befahrenen Pässe in mein Palmares eintragen
Ich bin diese Etappe gefahren
am