Von majortom – Wir können alles, außer Mallorca? Haben wir immer gesagt. Aber Mallorca können wir halt auch! Mit mallorquinischem Lebensgefühl und allen Bergen, die des Rennradfahrers liebste Insel zu bieten hat.
Von majortom – Raus aus dem Flugzeug und ab aufs Rad. Heute wollen wir das Leihrad und die Gruppe kennenlernen und fahren zum Kloster- und Aussichtsberg Randa mit bei gutem Wetter 360-Grad-Rundumblick über die ganze Insel. So sehen wir schon die Schauplätze aller Schandtaten der Woche vor, unter und über uns liegen. Am schönsten ist der Ausblick übrigens in der letzten, weiten Linkskehre.
An der Beton-Radsportbahn Sineu machen wir auf dem Rückweg einen letzten Halt, bevor wir mit viel Flow und Saisonauftakts-Euphorie wieder Inca erreichen.
Von Jan – Anders als gestern noch vorhergesagt, und anders als befürchtet, werden wir heute von der angenehmen Wettervorhersage überrascht, dass es bis zum Abend trocken bleiben soll. Dann holen wir natürlich die Fahrt zum Cap Formentor nach, die eigentlich den Auftakt in diese Reise hätte bilden sollen.
Ein ganzer trockener Tag! Was für ein Glück! Da wird nicht lang überlegt, sondern um halb neun statt um neun losgefahren, damit wir ohne Stress alle Optionen des Tages ziehen können. Ohne die Gruppe zu fragen, klar. Einfach machen. Schon nach drei Kilometern steht der erste optionale Anstieg an, der dem Zeitmangel am Einrollsamstag zum Opfer gefallene Puig de Santa Magdalena, der Hausberg Incas. Entspannte 180 Höhenmeter, wunderschön trassiert durch einen Olivenhain, mit auch heute tollen Blicken über die Insel. Es ist zwar diesig, aber dennoch können wir die Silhouette des Puig de Randa sehen, und die Bucht von Alcudia mit dem Cap de Formentor vor uns im Dunst - da wollen wir hin!
Wir müssen ziemlich gegen den Wind ankämpfen, aber macht nichts, weil wir unsere Lok Simon in den Wind spannen, kurzfristig abgelöst durch alle anderen Mitfahrer (m). Über Campanet fahren wir, noch ohne Rennradhorden im Gegenverkehr, über den Camí vell de Pollenca. Ab der Hauptstraße folgen wir weiter dem Radweg durch die Steingärten, was nur eine bedingt gelungene Entscheidung ist, denn die uns hier entgegenkommenden Horden nehmen die ganze Straßenbreite ein. Ohje!
Aber wir schaffen es kollisionsfrei bis Port de Pollenca, wo wir an der Strandpromenade durch die hoch aufspritzende Gischt fahren. Und schon befinden wir uns im Anstieg zum Coll de la Creueta, dem forderndsten Teilabschnitt zum Cap Formentor. Eine Gruppe Handbiker aus dem Tessin erntet unseren vollen Respekt. Als wir kurz darauf einen Platten zu verarzten haben, tauschen wir uns noch kurz aus - so beeindruckend!
Am Hochpunkt (mit Zugang zum Mirador de Mal Pas), fahren wir ohne Stopp weiter Richtung Talaia d'Albercutx. Simon muss alles mitnehmen, Boris, Raphael, Wolfgang und Joachim lassen sich nicht zweimal bitten. Ich war erst einmal oben. Schon damals haben mich die Blicke in beide Richtungen hinunter zum Meer beeindruckt. Heute wieder. Und diese Stille! Hier fährt auf einmal niemand mehr. Klar, der Belag lässt zu wünschen übrig. Die Böen fegen uns fast vom Rad, aber glücklicherweise halten alle den Lenker fest. Oben markiert ein wenig anheimelnder Unterstand den Hochpunkt. Eine Steintreppe führt hinauf zum Turm, Wolfgang, Raphael und Simon seilen sich an und wagen gemeinsam mit mir den Aufstieg. So toll! Fantastische Ausblicke zum Col de Creueta, zum Mirador und die Bucht. So schön! Klare Empfehlung. Der Talaia d'Albercutx ist die Cime de la Bonette Mallorcas.
Auf dem Weg runter werden wir nochmals beinah vom Rad gefegt, Raphael legt eine Safety-Phase ein, weil er fürchtet, dass ihm der Wind die Brille vom Kopf fegt. Schon heftig. Ab dem Parkplatz vom Plaja de Formentor, nach der Abfahrt vom Creueta, wird wieder gedrückt, was das Zeug hält. Puh... Hier passieren wir auch eine erste Barriere, die aber noch Fahrzeuge passieren lässt. Weit hinter dem Tunnel erst ist der Weg zum Cap derzeit voll für Motorfahrzeuge gesperrt, weil am Leuchtturm gebaut wird. Vor dieser Barriere: Verkehrsinfarkt. Nichts geht mir, die Autos können weder vor noch zurück.
Wir aber fahren weiter, der Wind ist weiterhin stark. Toms entspannte Gruppe kommt uns entgegen und warnt uns vor dem weiteren Abschnitt. Auch sie hat es fast vom Rad gefegt. So schön hier! Und tatsächlich gefährlich, hauptsächlich wegen der vielen Radfahrer, die ihren Untersatz nicht alle unter Kontrolle haben bei diesen Bedingungen. Aber wir kommen gesund ans Cap. Paul hatte uns schon vorgewarnt, dass das Café geschlossen hat, und tatsächlich ist das Portal versperrt. Macht nichts, dann essen wir in Port de Pollenca!
Die Befahrung des Cap Formentor weist im Pässelexikon 18 km und 487 Höhenmeter aus. Pillepalle! Faktisch bedeutet es aber das doppelte, nämlich 36 km und 974 Höhenmeter. Nicht mehr ganz so pillepalle, vor allem, auch schon ohne die Stichstraße zum Talaia d'Albercutx, die zugegebenermaßen nicht mehr ganz so viel beisteuert, nämlich nur 150 Höhenmeter. Dennoch sind wir uns alle einig, dass wir jetzt langsam was zu essen brauchen. Schnell ist die beste Bäckerei Port de Pollencas aufgetan, in der genau kein weiterer Radfahrer sitzt. Zugegebenermaßen befindet sie sich auch an der hässlichsten Straßenkreuzung der Stadt. Macht aber nichts, irgendwann sind alle sieben Radfahrer bedient und insgesamt auch relativ schnell mit tatsächlich ziemlich guten Backwaren gesättigt, so dass wir uns (wenn auch nur durch die effizientere Boxenstoppstrategie) endlich an den beiden anderen Gruppen vorbeischieben.
Nun ist der Coll de Femenia keine große Hürde mehr. Aber die Jungs (m) drücken schon wieder so! Ich mag den Anstieg, und ich mag die verwitterten Felsen zur Linken. Ich mag auch den Blick auf den Puig Major im weiteren Verlauf, der versteckt sich allerdings heute in den Wolken.
Am Coll de Sa Bataia entscheiden wir uns kältebedingt gegen den folkloristisch notwendigen Café und stürzen uns in die tolle Abfahrt nach Caimari. Und schon sind wir, um kurz nach drei, wieder am Hotel, trocken! Wir sind trocken geblieben!
Und haben alles raus geholt, aus diesem schönen Tag auf Mallorca!
Ursprüngliche Etappenbeschreibung
Cap Formentor ist Pflicht. Die herrliche Küstenstraße, die bis an die Nordspitze der Serra de Tramuntana führt, gehört zum absoluten Pflichtprogramm eines Mallorca-Aufenthalts, und so haken wir dieses Highlight gleich auf der ersten regulären Etappe ab. Auf Nebenstraßen fahren wir über Campanet an Pollenca vorbei, durch den Port de Pollenca und dann zum sagenhaften Cap Formentor. Dort angekommen haben wir gerade mal ein Drittel der Höhenmeter absolviert. Auf der gleichen Strecke geht es zurück bis Port de Pollenca, und dann fahren wir direkt hinein in die Sierra de Tramuntana. Über den Coll de Femenia erreichen wir den berühmten Coll de Sa Bataia ("die Tankstelle") und fahren in einer rauschenden Abfahrt hinab nach Caimari und zurück nach Inca.
Von Jan – Was ist sicher in der heutigen Welt? Ziemlich wenig, aber eins ist sicherer denn je: wie privilegiert wir sind, dass wir unserem Hobby nachgehen können. Dass wir Rennrad fahren können. Dass wir Urlaub auf dem Rennrad machen können! In unserem Fall seit gestern: beim mallorquinischen Saisonauftakt,
Dass relativiert doch sehr stark, dass wir lieber bei besserem Wetter Radfahren würden. Das kühl-nasse Wetter, dass unsere beiden Kanarenwochen auf Teneriffa und Gran Canaria ebenso begleitet haben wir das Bergtraining in Ansalusien letzte Woche, haben wir nun also auch hier auf Mallorca. Gestern konnten wir trocken fahren, nach allerlei Startschwierigkeiten inklusive Lenkerbruch (beim Zusammenbau), Sattelstützeneinstellschwierigkeiten und Schuhplatteninkompatibilitäten kamen wir erst gegen 16 Uhr los, konnten mit der sportiven Gruppe aber dennoch auf den Puig de Randa fahren. Trocken geblieben und genau bei Sonnenuntergang zurück im Hotel. Glück gehabt!
Heute morgen regnet es beim Frühstück. Im Norden sieht es dunkler aus, und nach dem Studium diverser konträrer Wetterapps entscheiden wir uns, heute in den wilden Westen zu fahren: Coll des Vent, Galilea, Es Grau, Port d'es Canonge und Coll d'en Claret - das ist schon eine ziemlich lange Etappe mit 130 km zum Auftakt. Da das Wetter in den nächsten Tagen nicht besser aussieht, hilft alles nichts: wir müssen eh bei Regen in die Berge. Und das machen wir.
Der Wind bläst uns erstmal Richtung Palma. Das macht richtig Spaß, wir kreiseln gekonnt per Speeddating. Kaum, dass sich Simon wieder neben mich schiebt und wir somit einmal im Kreis gekreiselt sind, erreichen wir Palma, das wir über schmale Gassen, autobahnähnliche Einfallstraßen durch Gewerbegebiete und am Stadion vorbei durchfahren.
Die sportive Gruppe, aus der ich heute berichte, ist natürlich wieder verspätet losgefahren, weil wir noch ein teilnehmerseitig falsch identifiziertes Leihrad austauschen mussten. Kurz vor Erreichen der berühmten Kaserne Palmas schieben wir uns an Pauls ausdauernder Gruppe vorbei. Toms entspannte Gruppe hatte ich wohl kurz vorher auf dem Radweg übersehen, wie mir Simon erklärt.
An der Kaserne beginnt der Coll des Vent, den wir somit in einem munteren sportiv-ausdauernden Gruppengemisch hochfahren. Eine tolle, schmale Straße, normalerweise auch gar nicht so fordernd. Normalerweise, denn meine Jungs drücken was geht. Boris, Joachim, Morten, Raphael, Rudi, Simon und Wolfgang werden mich heute platt fahren, das zeichnet sich hier schon ab. An der Einmündung in die Hauptstraße Richtung Calvia erwischt uns auch der erste Schauer. Ab hier werden wir die Regenjacke kaum mehr ausziehen. "Normalerweise ist es hier schön", sagt Morten, nachdem wir in Es Capdella rechts Richtung Galilea abgebogen sind. ich finde es trotzdem schön. Natürlich, das Meer unter uns blau in der Sonne glitzern zu sehen wäre schon schöner als das graue Einerlei im Rückblick. Aber der Hochpunkt ist schnell erreicht. Ich entscheide mich spontan, nach links in den Ort hinein zu fahren, und in der Tapasbar an der Kirche unser Mittagessensglück zu versuchen. Eigentlich war die Mittagspause in Puigpunyent vorgesehen, aber das Frito Mallorquin hier oben hatte ich vom letzten Jahr noch in bester Erinnerung, als wir im gleißenden Sonnenschein auf der kleinen Panoramaterrasse zu Mittag gegessen haben.
Und tatsächlich haben wir Glück - schon wieder! Der Wirt stellt uns nach anfänglichem Zögern zwei Tische zusammen (nein, auf der Terrasse wollen wir heute nicht essen!), und als wir dann in kürzester Zeit alle Tapas der Auslage durchbestellt und verköstigt haben, ist auch der Wirt glücklich über so unkomplizierte konsumfreudige Gäste. Tumbet, Albondigas und Frito Mallorquin... einfach gut hier oben! Und falls ihr noch nie Frito Mallorquin gegessen habt, hier die Zutatenliste. Die Zubereitung ist denkbar einfach - alles zusammenschmeißen und in reichlich Olivenöl anbraten:
Innereien vom Lamm
3 Frühlingszwiebeln
ein halber Blumenkohl
6 Kartoffeln
Eine Knolle Knoblauch
2 Lorbeerblätter
roter Pfeffer
schwarzer Pfeffer
Blätter einer Fenchelknolle
Salz
Kaum haben wir unser Blitzmittagessen beendet, steht schon Toms entspannte Gruppe vor der Bar. Claudia ist ihrem Instinkt gefolgt, und auch Toms Gruppe darf noch Tapas essen, bevor die Gäste um ein Uhr ihre Reservierung wahrnehmen wollen. Sensationell!
Wir eiern langsam über glatt-schmierige Straßen hinunter nach Puigpunyent, dennoch kommt es zu einem glimpflichen Sturz. Die Wiederausrichtung von Bremsgriffen und Scheibenbremssockel nimmt dennoch etwas Zeit in Anspruch. Während wir basteln, sitzt der Rest der Gruppe schon wieder bei Café und Kuchen im Ort. Eine Gruppe aus Frauenfeld TG (CH) versüßt unsere Auffahrt zum Es Grau. Oben sind sich aber beide Reisegruppen einig, dass es schöner ist, im Regen Es Grau zu fahren, als dies nicht zu tun. Heute hat mir der Aufstieg wirklich gefallen!
Wieder eiern wir runter, diesmal glücklicherweise sturzfrei. Kurze Diskussion am Abzweig zum Coll d'en Claret: Fahren wir noch hinunter ans Meer zum Port d'es Canonge? Klar machen wir das, schließlich ist es gerade trocken. Und: richtige Entscheidung, der von mir als rein sportliche Bereicherung annoncierte Auffahrt ist nun richtig schön, mit tollen Blicken zum Meer, seit in den letzten zwei Jahren irgendwann ein Sturm über den Hang gefegt ist: alle Bäume sind entwurzelt, der gegenüberliegende Hang sieht apokalyptisch aus, aber die Blicke hinunter zum Meer sind jetzt viel schöner! Glück gehabt!
Unten hisse ich aber die weiße Flagge und kündige an, nun nicht mehr das horrende Tempo jenseits der 1100 Höhenmeter pro Stunde mitzugehen. Raphael und Simon sind freundlich zu mir und eskortieren mich hoch. Danke!
Der Coll d'en Claret ist dann nur noch ein Kinderspiel. 180 Hm bei 4,5 % Steigung, dennoch mit einer alpin angelegten Trasse. Sehr schön! Nicht zuunrecht ist das hier Mortens Lieblingsberg. In Valldemossa essen wir nochmal Kuchen. Höchste Eisenbahn für mich. Ich hatte mich schon geärgert, dass ich in Galilea nicht noch ein Tumbet gegessen habe. Der Mandelkuchen ist toll, viel besser als die 2,6 Google-Sterne vermuten lassen. Und schön warm und trocken ist es auch Cafe Bar Meriendas.
Die Abfahrt von Valldemossa hinunter nach S'Esgleieta ist unter Normalbedingungen toll. Heute trauen wir uns nicht so recht, macht aber trotzdem Spaß. Unten dann eine Wand aus Gegenwind, gegen die sich Simon gekonnt stemmt.
So schön, diese warme Dusche nach einer langen Regenetappe!
So schön, diese Orangen vom Baum nach einem ausschweifenden Abendessen.
Ursprüngliche Etappenbeschreibung
Die zweite Etappe führt uns in den Westen der Insel, auch dieser vom Gebirge der Serra de Tramuntana geprägt. 200 Höhenmeter und 7 km Umweg bescheren uns einen weiteren schnen Pass auf der Küstenstraße, den Coll d'en Claret. 35 Kilometer flache Anfahrt am Südostrand der Tramuntana entlang und an Palma vorbei, dann setzt der Coll des Vent ein erstes Ausrufungszeichen. Er gilt als ein Geheimtipp und einer der schönsten Pässe Mallorcas. Die schöne Gebirgsstraße über den Coll des Grau führt uns hinunter nach Port des Canonge, wo wir vielleicht den ersten Kaffee direkt am Meer trinken können. Über den Coll d'en Claret und Valldemossa verlassen wir dann das Gebirge und kehren nach Inca zurück.
Von majortom – Auf dieser härteren Variante fahren wir den anspruchsvollen Es Verger, und lassen dafür den Abstecher zum Meer zum Port des Canonge links liegen.
Von majortom – Natürlich darf bei einer Mallorca-Woche auch der obligatorische Abstecher nach Sa Calobra nicht fehlen, den ikonischen Anstieg vom gleichnamigen Hafen durch die Felsenlandschaft und die berühmte 270-Grad-Kurve zum Coll dels Reis - eine Sackgasse, die man zuerst bergab befahren muss und dann wohl oder übel wieder etwa 700 Höhenmeter hinauf muss. Zum Glück ist der Anstieg nicht nur ikonisch, sondern auch sagenhaft schön. Wenn wir mit Staunen fertig sind, geht es zum nächsten Tramuntana-Monument: der mit 880 m höchsten Passstraße Mallorcas, die am höchsten Berg der Insel, dem Puig Major, vorbeiführt. Und als wäre das nicht genug, folgt noch das Serpentineninferno am Coll de Soller. Mehr geht nicht auf Mallorca. Oder?
Von Jan – Herzlich Willkommen aus der quaeldich.de-Schaltzentrale im Juniper-Nebengelass des Sa Vinya des Convents zu Inca. Ein langer Radsport-Tag liegt hinter uns, eine lange Redaktionsnacht vor uns, um von den heutigen Heldentaten angemessen berichten zu können.
Nachdem heute erneut der beste Tag der Woche vor uns liegt, wagen wir uns an die Königsetappe über die mallorquinischen Monumente Coll de Sa BataiaSa Calobra, Puig Major, Coll de Sóller und Coll d'Honor als Dreingabe. Während in Gruppe 1 alles beim Alten ist und Simon der Gruppe am Coll de Sa Bataia nach Belieben seinen Stempel aufdrückt, fahren Gruppen 2 und 3 fast geschlossen hinter Jürgen auf den Pass. Dermaßen euphorisiert würdigen Tom und Paul den kuchenessenden Recken (m) von Gruppe 1 am Coll de Sa Bataia keines Blickes und fahren weiter. Weiter, immer weiter Richtung Puig zum Aquädukt und rechts zum Coll dels Reis. Hier ist noch alles ruhig, von der Radsportlerschwemme keine Spur. Fast zeitgleich erreichen alle drei Gruppen nach monumentaler Abfahrt durch Krawattenknoten und Serpentinenabschnitte den Seehafen Sa Calobra, in dem der Wirt der Bestaussichtskaschemme den 1,2 Google-Sternen seines Etablissements alle Ehre macht.
Nach dem zweiten (und bisher schlechtesten Wochen-) Kuchen des Tages gehen wir die berühmteste Auffahrt der Insel zügig an. Meine Beine sind erstaunlich gut, und ich drücke mit Simon mit. Die herabkommenden Radfahrer bilden dabei die bei weitem größte Gefährdung, deutlich gefährlicher als die nur drei Reisebusse, die uns entgegen kommen. Gruppe 2-3 feiert jubelnd die Zusammenkunft mit Rottitom. Am Túnel de Monnàber herrschen nur noch sechs Grad, aber euphorische Grundstimmung, nicht nur wegen des deutschen Crossmeisters Marcel Meisen, sondern auch, weil auf unserer 3000-Hm-Runde im März nun nur noch zwei Pässe zu absolvieren sind, die relativ beschaulichen Coll de Sóller und Coll d'Honor. Der Gruppenkälteste regt eine Pause in Fornalutx an, aber leider sind alle Tische besetzt, und so entscheiden wir unsere Vierstoppstrategie zu verkürzen. Gruppen 2-3 kehren aber hier ein und essen Blumenkohltagessuppe an Schokokuchen mit Vanilleeis.
Währenddessen enteilen Simon, Boris, Wolfgang und Morten dem seinem Husarenritt Tribut zollenden Chef am Coll de Sóller. Oben weht ein eisiger Wind, aber die lange, rüttelhafte Abfahrt endet fast in Bunyola, wo wir den dritten und tagesbesten Mandelkuchen essen. Der Chef verwirrt die ansonsten freundliche Wirtin mit vermeintlichen Taschenspielertricks um einen Fünfeuroschein. Glücklicherweise wird die Situation von einem anwesenden Bunyolischen Bürger deeskaliert.
Erste Unruhe macht sich breit, weil die 3000 Hm eventuell nicht geknackt werden. Auch oben am Coll d'Honor fehlen noch 200 Höhenmeter. Am Horizont dräuen dafür Gewitterwolken, die sich kurz danach, aber nur kurz über uns entleeren. Coll de Tofla, Lloseta, Inca, letzte Ehrenrunden komplettieren die heldenhafte 3000er-Marke im März.
Darauf ein San Pellegrino und drei Carajillo im Can Lau.
Ursprüngliche Etappenbeschreibung
Wir hängen auch noch den Coll d'Honor an und kommen so auf ein monumentales Pässequintett.
Von majortom – Am fünften Tag ist es wohl mal Zeit für eine etwas weniger anspruchsvolle Etappe, um die Beine etwas locker zu fahren. Für verkehrsame Straßen und Aussichtspunkte ist jedoch immer Zeit, und so werden wir auch heute wieder hochzufrieden ins Bett gehen. Die höchsten Pässe Mallorcas findet man ja im Nordwesten in der Serra de Tramuntana - heute wenden wir uns in die entgegengesetzte Richtung, in den flacheren Ostteil der Insel, aus dem aber einige Berge heraus ragen, die mit hervorragender Aussicht locken. So zum Beispiel der etwa 500 m hohe Puig de Sant Salvador, ein - wie könnte es anders sein - beliebter Wallfahrtsort, mit einer imposanten Kirche gekrönt. Zurück geht es über den schönen Ort Petra und schmale Straßen zurück nach Inca.
Von majortom – Da heute die sportive Gruppe und gut die Hälfte der ausdauernd-entspannten Hybridgruppe gerade erst von unserer heutigen Etappe zum Puig de Sant Salvador zurückgekehrt sind, habe ich heute die Ehre der Berichterstattung vom Mallorquinischen Saisonauftakt. Es ist mein erster ausführlicher Rennrad-Aufenthalt auf Mallorca, und so ist die Wochenmitte ja auch vielleicht eine gute Gelegenheit, ein erstes persönliches Zwischenfazit zu ziehen.
Grundsätzlich kann man ja Rennradfahrer in zwei Gruppen einteilen. Die Mallorca-Insider und die Mallorca-Outsider. Die Insider erkennt man vor allem daran, dass sie es gar nicht mehr nötig haben, den Begriff "Mallorca" überhaupt in den Mund zu nehmen, da der regelmäßige Aufenthalt dort zu einer Selbstverständlichkeit geworden ist. Sie sprechen nur noch von "DIE INSEL", und während die Outsider dann automatisch von der weiteren Kommunikation ausgeschlossen sind, wissen andere Insider sofort, dass weder von Sansibar noch Helgoland die Rede ist. Sondern vom einzigen Ort auf der Welt, an dem man zwischen Februar und April legitim Rennrad fahren kann, und an dem man sich schon fast so zu Hause fühlt wie Dieter oder Nick, der schon in den frühen Achtzigern aus Bochum bzw. dem Südwesten Englands auf DIE INSEL ausgewandert ist und dort in seinem kleinen Café die garantiert besten und authentischsten Bocadillos serviert. Mallorca-Insider werfen zudem noch mit weiteren recht kryptischen Begriffen um sich: "Treffen wir uns auf einen Café con leche an DER TANKSTELLE?" Natürlich wissen andere Insider sofort, dass der Kiosk am Coll de Sa Bataia gemeint ist, oder - wenn sie erst vor kurzem zum Mallorca-Insidertum bekehrt wurden - nicken zumindest eifrig und fahren einfach dem Rest des Vierzig-Personen-Pulks von der Hürzeler-Station aus hinterher. Mallorca-Outsider hingegen blicken auf die Insider mit leicht verächtlichen Blicken herab. Sie sehen sich selbst als die Trüffelschweine, die lieber in möglichst entlegenen und unbekannten Rennradrevieren an ihrer Frühfrom feilen. Mallorca - das ist nur schnöder Mainstream, das machen alle. Sonne gibt es schließlich überall, viel zu entdecken auch, schließlich war man schon in Sardinien und in Istrien, dieses Jahr hat man ein kleines Hotel auf dem Peloponnes entdeckt, und für nächstes Jahr könnte man es vielleicht mal mit Albanien versuchen; Berichten zufolge können die auch guten Kaffee. (Wenn es überhaupt etwas gibt, auf das sich Insider und Outsider einigen können, dann ist das die Notwendigkeit von Kaffee.) Über das zahlenmäßige Verhältnis von Insidern zu Outsidern können wir nur spekulieren, die empirischen Daten sowohl vor Ort als auch in der Strava-Timeline deuten jedoch darauf hin, dass sich zu jedem beliebien Zeitpunkt im März und April mindestens 50 Prozent der rennradfahrenden Bevölkerung auf DER INSEL aufhalten.
Nun bin ich also schon seit ein paar Tagen auf DER INSEL. Eigentlich war ja geplant, dass ich hier eine freie Rolle einnehme und mich zur Abwechslung mal von den Insidern im Team guiden lasse. Das hat nicht geklappt, ich musste kurzfristig als Guide einspringen und selbst zum Insider werden. Von Tag eins an erreichen mich nun in unregelmäßigen Abständen bedauernde Nachrichten, in denen das Wort "Wetterpech" vorkommt. Und das, ohne mich im geringsten bedauernswert zu fühlen, denn erstens bedeutet das "Wetterpech" ja höchstens gelegentliche Schauer und kalten Nordostwind (also nichts, was einen grundsätzlich vom Rennradfahren abhält), zweitens ist es hier auf DER INSEL wirklich schön, und so Sachen wie Cap de Formentor (DAS CAP) oder Sa Calobra (DER KRAWATTENKNOTEN) sind einfach touristische Weltklasse, die auch die Insider-Horden nicht entwerten können (und über die können wir uns sowieso nicht beschweren, da wir ja Teil des Problems und nicht Teil der Lösung sind), und drittens lohnten die Frito-mallorquín-Orgien in den celleres von Inca die weite Anreise selbst bei (hypothetischem) Schneesturm. Lange Rede, kurzer Sinn: wir haben Spaß auf Mallorca. Es ist geil. Um nicht zu sagen: episch.
Deshalb ziehe ich mal folgendes Fazit. Die Mallorca-Insider sollten vielleicht mal Dieter oder Nick untreu werden und neue Weltklasse-Trainingslagerziele entdecken - auch wenn man im vergangenen Winter endlich mal das Spanisch-Kursbuch wieder rausgekramt hat, das man schon vor fünf Jahren gekauft hat, da man nach dem zwölften Aufenthalt in Folge doch tatsächlich auch mal anfangen könnte, Spanisch zu lernen. Aber vor allem sollten auch mal die Mallorca-Outsider über ihren Schatten springen, den Albanien-Aufenthalt noch um ein Jahr rauschieben und es doch mal mit DER INSEL versuchen. Es lohnt sich.
Das liebliche Orangental mit seinem Serpentinenanstieg ist eine Erweiterung der Runde an Manacor vorbei wert. Hinter Petra fahren wir ebenfalls noch zur Ermita de Bonany hinauf.
Von Jan – Nun liegt sie also hinter uns, die Mallorca-Woche mit Wetterpech, wie majortom aus aller Welt hörte. Und tatsächlich sah kaum ein Tag der Woche morgens beim Blick aus dem Fenster danach aus, dass heute der Tag wäre, an dem wir zuhause aufs Rad gestiegen wären. Aber wir sind jeden Tag aufs Rad gestiegen, und am Ende der Woche haben wir jeden Kilometer gemacht, den wir uns vorgenommen haben. Nur gestern sind wir wesentlich später los gefahren, um noch ein Regenband durchziehen zu lassen, erst um halb zwölf, aber das reichte für Port de Valldemossa und den Puig Major, an dem sogar kurz die Sonne raus kam (dementsprechend späte Ankunft und keine Zeit für einen Bericht). Das einzige, was nach dieser Woche fehlt, sind also die Tan-Lines. Die holen wir uns jetzt zuhause, von Aachen bis Zürich, von Berlin bis Luxemburg.
Dabei sollte der Puig eigentlich die Woche am Abschlusstag krönen, aber die Tramuntana-Acht hätte in den halben Donnerstag nicht hinein gepasst. Aber am Freitag ist ganztägig Trockenheit vorhergesagt, und so fahren wir einfach um 9 Uhr los, koste es, was es wolle. Über den Coll de Tofla gehen wir heute, abweichend von der Tagesplanung, erstmal den Coll d'Honor an, weil wir die andere Richtung schon von der Königsetappe über die Mallorquiner Monumente kennen. Als hätten wir in den letzten Tagen nicht genug Höhenmeter gemacht, um unsere Beine zu zerstören, schießen Simon, Boris, Wolfgang und Morten zum Pass als gäb's kein Morgen. Ohja... morgen ist es schon wieder vorbei!
Ab Bunyola bekommen wir einen Vorgeschmack auf den Gegenwind auf dem Rückweg: an Palma vorbei werden wir regelrecht nach Puigpunyent geblasen. Hier ist Morten schon abgedreht, ihn plagt seit gestern eine Erkältung. Im abschließenden Flachstück hinauf nach Galilea greife ich Simon an, sicher, dass er diesem Antritt eh nicht folgen wird. Um kurz darauf vernichtend geschlagen hinter ihm den Hochpunkt zu erreichen.
Wir fahren hoch zur Bar Parroqual, wo Toms Gruppe schon bei Tapas und Cola sitzt. Kurzerhand stellt der Wirt noch einen Tapeziertisch für unsere Gruppe dazu. Mittlerwelie schätzt man uns hier oben für unseren Apettit. Tumbet, Frito Mallorquin und Albondigas sind wieder vom Feinsten, auch der Kuchen soll überzeugt haben. Derart gestärkt stürzen wir uns knapp hinter Toms Gruppe in die Abfahrt nach Es Capdella. Einige Meter kann ich sogar mit Tom auf Es Capdella zurollen, ein seltenes Vergnügen für mich! Mit kleinem Vorsprung gehen wir so in die Welle des Coll de n'Esteve Richtung Andratx. Kurz darauf fährt uns Jürgen grinsend von hinten auf, der sich die ganze Woche geschont hat und jetzt Unruhe in Gruppe 1 verbreitet. Der Esteve wird auf dem großen Blatt genommen. Jürgen grinst immer noch.
In der Abfahrt schließt dann René zu uns auf, am Hochpunkt des Coll de Sa Gramola lässt sich Jürgen nochmal blicken, danach entwirren sich die Gruppen. Am Restaurant Es Grau (Ma-10) nehmen wir uns die Zeit für den Ausguck (es lohnt sich), werden aber kurz darauf von einer Busgruppe in die Flucht getrieben. An Estellencs vorbei fahren wir nach Banyalbufar ein, wo wir eigentlich nochmals einkehren wollten, aber die Tapasorgie in Galilea versorgt uns alle noch mit hinreichenden Kalorien. Boris fasst die Gelegenheit am Schopfe und holt sich den Coll de sa Bastida - Simon hatte sich vorher zu sehr über seine vom gestrigen Puigritt beschwerten Beine beschwert...
Spontan beschließen wir, den Küstenritt noch um den Coll d'en Claret zu erweitern und zum Abschluss der Reise im Las Molinas in Valldemossa nochmals Cocas de Patata zu essen und einen letzten Café zu trinken. Am heutigen Freitag ist dort die Hölle los. Kein Vergleich zur Beschaulichkeit gestern, dennoch ein gelungener letzter Halt vor Inca, das wir nach abschließenden 38 km im strammen Gegenwind müde und glücklich erreichen. 152 km und 2500 Höhenmetern stehen letztlich auf der Uhr. Ein herzlicher Dank geht hinaus an Dieter von Bikefriends Schon für die fantastischen Mieträder, die uns perfekt durch die Woche gebracht haben!
Es folgt das in meinen Augen beste Abendessen einer aus meiner Sicht auch kulinarisch gelungenen Woche im Restaurant des Puig de Santa Magdalena! Mit diesem Fazit geben wir ab an die angeschlossenen Funkhäuser und nehmen in der nächsten Woche vom Senderstandort Chiavari die Berichterstattung wieder auf.
Ursprüngliche Etappenbeschreibung
Nach der entspannt rollenden Etappe gestern trommeln wir nun zur Königsetappe. Erneut geht es in die Serra de Tramuntana; heute fahren wir ganz weit in den Südosten, wo der sogenannte Küstenklassiker seinen Ausgang nimmt. Diesmal fahren wir nach Galilea von der Ostseite, dann über die kleine Welle Coll de n'Esteve nach Andratx und von dort auf die Küstenstraße - ein welliger Traum!
Der Coll d'Honor, besser bekannt unter dem Schlagwort Orient, ist dann ein würdiger Abschluss.
Von majortom – Auch auf der Entschärfung der Königsetappe müssen wir uns quälen! Laut quäldich-Härte ist der Es Verger der härteste Anstieg der Insel, aber auch nur ein wenig härter als Sa Calobra. Nicht so lang, aber steiler! Und Orient darf natürlich in keiner Mallorca-Woche fehlen!
Von majortom – Auch Port de Valldemossa ist ein Musthave in einer Mallorca-Rennradwoche - eine Sackgasse zum Meer, die wir zunächst hinunter, und dann wieder hinauf fahren müssen. Dann geht es erneut hinauf zum Puig Major, diesmal jedoch die lange Auffahrt aus Richtung Soller - einer der längsten Anstiege, die auf Mallorca möglich sind, aber bei humanen Steigungswerten gut zu fahren. Ein allerletztes Highlight ist die Abfahrt vom Coll de Sa Bataia, die sozusagen erst am Hotel in Inca endet.