Meine schönste Rennradgeschichte 132,6 km / 2947 Hm
Redaktionell bestätigte Tour von Jan
Von Jan –
Ich habe schon einiges auf dem Rennrad erlebt – fast ausschließlich positive Erfahrungen. Insofern legt dieser Titel die Messlatte schon recht hoch.
Schon beim Saisonauftakt 2011 hatte ich die ligurische Sonne, Küche und Berge genossen. Beim Bergtraining im Juni leistete ich mir den Luxus einer zweiten Woche. Wir waren drei Guides, hatten aber stets nur zwei Gruppen, weil die Stärke der Teilnehmer recht ausgeglichen war.
Mit meiner eigenen unbedeutenden Leistung war ich hochzufrieden. Der Anstieg fiel mir sehr leicht, wohl auch, weil ich erstmals in den Bergen mit einer Kompaktkurbel unterwegs war. Mein eigenes Rad war nämlich schon wieder in maschs Auto auf dem Weg zurück nach Deutschland, und ich war auf einem QD-Ersatzrad unterwegs. Von dem Unsinn meiner Heldenkurbel war ich schon lange überzeugt, allein meine Eitelkeit ließ mich noch an ihr festhalten. Jetzt entschied Ich mich: Mein nächstes Rad sollte eine Kompaktkurbel bekommen.
So war Tobsi kurz vor uns unten, und als wäre es gerade erst gestern gewesen, sehe ich noch heute sein breites Grinsen vor mir, als wir ihn an der Kreuzung im Trebbiatal wieder trafen.
Während wir die Restgruppe unter Heyleluis kompetenter Führung über Barbagelata zurück nach Chiavari schickten, versuchten Lukas und ich, im Trebbiatal einen Rennradreifen aufzutreiben. Aussichtslos. Wir ernteten nur Unverständnis und große Augen. Auf dem Rückweg zur Kreuzung, an der wir Björn zurückgelassen hatten, klärten wir
Der nächste Bus fuhr in fünf Minuten ab Loco, ca 2 km unterhalb der Kreuzung, an der wir zügig die Hinterräder tauschten. Das erste talwärts fahrende Auto hielt gleich an und nahm mich bis Loco zur Bushaltestelle mit (don't try this at home). Fast zeitgleich trafen dort auch Björn und Lukas ein, und mein Rad mit ihnen.
Hm... jaja? Mein Portemonnaie war gar nicht in meinem Rucksack, und insgesamt kramte ich noch 17 Euro zusammen. Etwas wenig für den weiten Weg per Bus und Bahn nach Chiavari. Ursprünglich wollte ich in Torriglia noch versuchen, einen Ersatzreifen zu kaufen, aber diesen Plan verwarf ich nun. Der Busfahrer fragte mich nicht nach einem Ticket, und angesichts meiner desaströsen finanziellen Lage war mir das auch ganz lieb. Außerdem durfte ich mein Rad mit in den Bus nehmen und in den Gang stellen – ein kleiner Minibus mit ca 20 Sitzplätzen ohne Gepäckfächer. In Torriglia stand der Bus nach Genua gleich nebenan, und kaum, dass ich mein Rad in eines der Gepäckfächer verstaut hatte und eingestiegen war, fuhr der Bus auch schon ab. Mit meinem gebrochenen Italienisch machte ich der freundlichen Busfahrerin verständlich, dass ich über Genua nach Chiavari fahren wollte. Sie klärte mich auf, dass ich dafür viel einfacher in Bargagli in einen weiteren Bus umsteigen könnte, der von da aus durch den Tunnel ins Valle Fontanabuona und weiter nach Chiavari fährt. Für ein zwei Stunden gültiges Ticket zahlte ich drei Euro für mich und drei für mein Rad (Rest: 11 Euro), und mit etwas Glück könnte dies bis Chiavari reichen. Am Kreisverkehr in Bargagli kamen wir zeitgleich mit meinem Anschlussbus an, und durch wildes Gestikulieren konnte meine Busfahrerin den Bus zum Warten animieren.
Rad aus dem Gepäckfach, zum anderen Bus gelaufen, am Gepäckfach gezerrt – verschlossen. Der Fahrer rief etwas Unverständliches, ich wusste nicht, was zu tun ist. Der Fahrer muss mich wohl für leicht schwachköpfig gehalten haben ob meines Zögerns... und fuhr weiter. Ohne mich.
Was tun? Auf die Wahrscheinlichkeit, dass mich der nächste Bus mitnahm, wollte ich mich nicht verlassen. Und der würde erst in eineinhalb Stunden kommen, wie mir ein junger Italiener nach telefonischer Konsultation seiner Freundin versicherte. Sein rudimentäres Englisch war da von größter Hilfe, und noch deutlich besser als mein Italienisch.
Ich winkte noch dem Ehepaar aus Recco zu, die den Ausgang meiner Verhandlungen mit Stefano noch abgewartet hatten, dann ging es durch den Tunnel, ins Valle Fontanabuona.
Stefano sprach sehr gut Englisch, was die Kommunikation doch deutlich aufwertete. Er erzählte mir von seiner Jugend, bei der er oft bei seiner Oma in Cicagna war. Den Passo di Portello kannte er allerdings nicht. Dabei suchte er stets nach einer Lösung für mein Reifenproblem. Denn von Cicagna waren es ja noch um die 30 km bis Chiavari. Ein alter Radladen, den Stefano noch kannte, war nicht mehr da („Non c'è piú“). Aber Stefano hatte noch ein As im Ärmel: Ein Freund von ihm kenne jeden im Ort, und wisse sicherlich eine Lösung. In Cicagna kurvten wir durch einige Nebenstraßen. Stefano hielt vor einer riesigen Lagerhalle.
Aus der Lagerhalle trat dann Ermanno. Ermanno war ungefähr 80 Jahre alt und war der Herr über die riesige Halle, die, so sah ich jetzt, vollgestellt war mit Maschinen aus den 70ern, die unter einem Mantel aus ca 2 cm Staub lagen. Stefano erklärte mein Problem, Ermanno holte seinen Kompagnon Luciano dazu, und sie unterhielten sich dann eine Weile auf italienisch. Wohl als Ergebnis der Unterredung ging Ermanno in die Halle, und kam mit einem Mountainbike zurück, das augenscheinlich Ermannos ganzer Stolz war. Gerne bewunderte ich es wie von mir erwartet.
Als nächstes wurde ein celestefarbenes Bianchi-Rennrad aus der Lagerhalle geführt – Zeuge von Ermannos aktiver Jugendzeit. Ich war ehrlich erfreut, und die Bewunderung des Rennrads fiel mir nicht schwer, insbesondere nach Inspektion der Übersetzung: 39:23. Ich verlieh meiner Bewunderung Ausdruck und wies auf die Kurbel. Ein schwerer Fehler, denn nun nahm Ermanno meine Kurbel ins Visier und rief aus: „Una garnitura per le donne!” Mann, war mir das peinlich. Der Plan mit der Kompaktkurbel starb genau hier. Ich wand mich und erklärte verzweifelt, dass dies nicht mein Rad sei, blabla. Es überstieg meine Italienischkenntnisse. Ermanno verzieh mir wohl, oder er half Frauen genauso gerne aus.
Jedenfalls wies er mich nun an, ihm in ein Nebenraum seiner Lagerhalle zu folgen. Er schob zwei Sofagarnituren zur Seite und zog unter einem riesigen Haufen Müll mit traumwandlerischer Sicherheit fünf Rennradreifen hervor. Bei mir fürchtete ich, dass die sicherlich total morsch und unbrauchbar seien.
Aber so war es nicht. Nachdem Ermanno mit einem Kompressor den gröbsten Staub der letzten Jahrzehnte entfernt hatte, sahen zwei sogar sehr brauchbar aus. Ich entschied mich für einen celestefarbenen Michelin Coaxial, den ich selbst vor etwa 10 Jahren einmal gefahren war. Mit dem hatte ich ein gutes Gefühl. Ermannos Metallhaken lehnte ich dankend ab und ging lieber mit meinen Plastikhebeln an Björns Hinterrad. Im Nu waren Reifen und Schlauch gewechselt, und per Kompressor mit Luft gefüllt.
Ihr könnt euch vorstellen, wie glücklich ich war. Ermanno lehnte meine letzten 10 Euro mit solcher Vehemenz ab, dass ich es schließlich aufgab. Abschließend ließ ich mich noch mit meinen neuen Freunden ablichten. Zunächst meine Retter Stefano, Ermanno und Luciano mit beiden Rennrädern, dann noch Ermanno, Luciano und ich. Gerade Luciano war das zuviel Rummel um seine Person. Ermanno lud mich noch ein, in der Zukunft auf ein Glas Rotwein wiederzukommen. Ich werde beim Saisonauftakt darauf zurückkommen.
Jetzt konnte ich aus eigener Kraft nach Chiavari zurückfahren. Ich nahm sogar mit Leivi noch einen kleinen Anstieg mit. Dass ich an dessen Fuße noch einen Platten bekam, ist eine unbedeutende Fußnote und konnte meine gute Laune nicht mehr schmälern. Pünktlich um sieben Uhr abends war ich in Chiavari, und konnte frisch geduscht den Abschlussabend antreten. Wir feierten den Abschluss einer gelungenen Reise und ich das Erlebnis meiner schönsten Rennradgeschichte.
Neue Freunde, die ich gewonnen habe: 2
Begriffe, die ich in diesem Zusammenhang gelernt habe: 2
(Copertone – Reifen, Garnitura per le donne – Damenkurbel)
Noch freie Plätze beim Bergtraining 2012:9 8
Schon beim Saisonauftakt 2011 hatte ich die ligurische Sonne, Küche und Berge genossen. Beim Bergtraining im Juni leistete ich mir den Luxus einer zweiten Woche. Wir waren drei Guides, hatten aber stets nur zwei Gruppen, weil die Stärke der Teilnehmer recht ausgeglichen war.
Die Tour
So kam es, dass ich am fraglichen Tag mit Lukas in der schnellen Gruppe war. Eine Traumrunde lag vor uns. Den wunderschönen Portello kannte ich schon von 2008, als Lukas und ich auf dessen Initiative hin die Ligurientouren gescoutet haben. Seitdem war ich ihn nur noch einmal im Jahr 2009 gefahren, und ich freute mich riesig darauf. Casa del Romano war für mich Neuland, aber Lukas hatte mir im Vorfeld vor allem von der Abfahrt ins Trebbiatal vorgeschwärmt. Zurück sollte es über Barbagelata gehen, das ich aus vielen Befahrungen kenne und liebe. Auch die Aussicht auf die rasante Abfahrt vom Scoglina schürte die Vorfreude weiter.Passo di Portello
Die Welle nach Leivi war schnell genommen, und das Valle Fontanabuona nach Gattorna hochgeflogen. Hier wurde ich gerade noch Zeuge des Beginns eines epischen Kampfes, in dem Lukas und Tobsi die Kräfteverhältnisse innerhalb des Redaktionsteams klärten. Die kolportierten 2000 Hm/h konnten mangels körperlicher Fähigkeiten der internationalen Presse allerdings nicht von unabhängiger Stelle bestätigt werden. Über den Ausgang des Kampfes decken wir den Mantel des Schweigens.Mit meiner eigenen unbedeutenden Leistung war ich hochzufrieden. Der Anstieg fiel mir sehr leicht, wohl auch, weil ich erstmals in den Bergen mit einer Kompaktkurbel unterwegs war. Mein eigenes Rad war nämlich schon wieder in maschs Auto auf dem Weg zurück nach Deutschland, und ich war auf einem QD-Ersatzrad unterwegs. Von dem Unsinn meiner Heldenkurbel war ich schon lange überzeugt, allein meine Eitelkeit ließ mich noch an ihr festhalten. Jetzt entschied Ich mich: Mein nächstes Rad sollte eine Kompaktkurbel bekommen.
Casa del Romano
Der Anstieg zur Casa del Romano enttäuschte mich nicht, und in der Passgastronomie, in der wir einige dunkle Wolken vorüberziehen ließen, steigerte sich die Vorfreude auf die Abfahrt. Wir hatten genügend GPS-Kompetenz hinter uns, so dass Lukas, Tobsi und ich uns egomäßig an die Spitze des Abfahrerfeldes setzten. Die Wolken hatten sich pünktlich verzogen, und so stand dem Abfahrtsspaß nichts mehr im Wege. Ständig die Führung wechselnd schossen wir auf schmalster Straße durch ungezählte Kurven und Kehren nach unten. Rollsplitt. Schaudern. Weiter. Das Grinsen meißelte sich immer weiter in unsere Gesichter. Lukas und ich mussten kurz pausieren, um die SD-Karte meiner Helmkamera zu wechseln. Dazu nutzten wir geschickt das kurze Flachstück in der Abfahrt, in dem Tobsi uns ohnehin mit seinem unwiderstehlichen Druck das Leben schwer machte.So war Tobsi kurz vor uns unten, und als wäre es gerade erst gestern gewesen, sehe ich noch heute sein breites Grinsen vor mir, als wir ihn an der Kreuzung im Trebbiatal wieder trafen.
Der Knall
Bis hierhin war es ein wunderschöner Tag – einer unter Vielen unserer quaeldich-Touren. Die entscheidende Wende leitete der unter Kanonendonner platzende Hinterreifen unseres Mitfahrers Björn ein. Der Reifen war irreparabel hinüber, und auch die geballte verfügbare Guidekompetenz konnte den Mangel an einem Ersatzreifen nicht aufwiegen.Während wir die Restgruppe unter Heyleluis kompetenter Führung über Barbagelata zurück nach Chiavari schickten, versuchten Lukas und ich, im Trebbiatal einen Rennradreifen aufzutreiben. Aussichtslos. Wir ernteten nur Unverständnis und große Augen. Auf dem Rückweg zur Kreuzung, an der wir Björn zurückgelassen hatten, klärten wir
- die Rückfahrmöglichkeit per Bus nach Genua mit Umsteigen in Torriglia, von dort per Bahn nach Chiavari
- die weitere Vorgehensweise: Björn sollte eines unserer Hinterräder bekommen. Fährt er Campa, sollte Lukas seins bereit stellen, fährt er aber Shimano, sollte er meins bekommen.
Der nächste Bus fuhr in fünf Minuten ab Loco, ca 2 km unterhalb der Kreuzung, an der wir zügig die Hinterräder tauschten. Das erste talwärts fahrende Auto hielt gleich an und nahm mich bis Loco zur Bushaltestelle mit (don't try this at home). Fast zeitgleich trafen dort auch Björn und Lukas ein, und mein Rad mit ihnen.
Im Bus
Als ich in den Bus stieg, rief mir Björn noch zu: „Hast du genug Geld?" „Jaja."Hm... jaja? Mein Portemonnaie war gar nicht in meinem Rucksack, und insgesamt kramte ich noch 17 Euro zusammen. Etwas wenig für den weiten Weg per Bus und Bahn nach Chiavari. Ursprünglich wollte ich in Torriglia noch versuchen, einen Ersatzreifen zu kaufen, aber diesen Plan verwarf ich nun. Der Busfahrer fragte mich nicht nach einem Ticket, und angesichts meiner desaströsen finanziellen Lage war mir das auch ganz lieb. Außerdem durfte ich mein Rad mit in den Bus nehmen und in den Gang stellen – ein kleiner Minibus mit ca 20 Sitzplätzen ohne Gepäckfächer. In Torriglia stand der Bus nach Genua gleich nebenan, und kaum, dass ich mein Rad in eines der Gepäckfächer verstaut hatte und eingestiegen war, fuhr der Bus auch schon ab. Mit meinem gebrochenen Italienisch machte ich der freundlichen Busfahrerin verständlich, dass ich über Genua nach Chiavari fahren wollte. Sie klärte mich auf, dass ich dafür viel einfacher in Bargagli in einen weiteren Bus umsteigen könnte, der von da aus durch den Tunnel ins Valle Fontanabuona und weiter nach Chiavari fährt. Für ein zwei Stunden gültiges Ticket zahlte ich drei Euro für mich und drei für mein Rad (Rest: 11 Euro), und mit etwas Glück könnte dies bis Chiavari reichen. Am Kreisverkehr in Bargagli kamen wir zeitgleich mit meinem Anschlussbus an, und durch wildes Gestikulieren konnte meine Busfahrerin den Bus zum Warten animieren.
Rad aus dem Gepäckfach, zum anderen Bus gelaufen, am Gepäckfach gezerrt – verschlossen. Der Fahrer rief etwas Unverständliches, ich wusste nicht, was zu tun ist. Der Fahrer muss mich wohl für leicht schwachköpfig gehalten haben ob meines Zögerns... und fuhr weiter. Ohne mich.
Was tun? Auf die Wahrscheinlichkeit, dass mich der nächste Bus mitnahm, wollte ich mich nicht verlassen. Und der würde erst in eineinhalb Stunden kommen, wie mir ein junger Italiener nach telefonischer Konsultation seiner Freundin versicherte. Sein rudimentäres Englisch war da von größter Hilfe, und noch deutlich besser als mein Italienisch.
Stefano
Also stellte ich mich vor das Tunnelportal und hielt den Daumen raus. Rechts vom Tunnel ist hier eine große asphaltierte Freifläche, wie für mich geschaffen. Und unglaublich: das erste Auto hielt. Ein älteres Ehepaar aus Recco, mit Hund. Recco brachte mir leider nichts, das bedeutete gleich nach dem Tunnel rechts über den Berg ans Meer, und ich wollte weiter das Valle Fontanabuona runter. Während die beiden noch diskutierten, wie sie mir helfen konnten, hielt ich schon wieder den Daumen raus, und (noch unglaublicher) auch das zweite Auto hielt an. Stefano aus Genua auf dem Weg zu seiner Oma nach Cicagna (am Fuße des Scoglina), durch das wir heute morgen schon gefahren waren. Auch der Rückweg der Anderen führte wieder durch den Ort, und Stefano wollte mich mit seinem abgerockten Clio gerne mitnehmen. „Wenn nur das Rad hineinpasst!” Diese Furcht nahm ich ihm durch umgehende Demontage beider Räder, die locker in den Kofferraum gepasst hätten. Aber Stefano hatte die Rückbank schon umgelegt, und damit wirkte mein Rad im Kofferraum fast etwas verloren.Ich winkte noch dem Ehepaar aus Recco zu, die den Ausgang meiner Verhandlungen mit Stefano noch abgewartet hatten, dann ging es durch den Tunnel, ins Valle Fontanabuona.
Stefano sprach sehr gut Englisch, was die Kommunikation doch deutlich aufwertete. Er erzählte mir von seiner Jugend, bei der er oft bei seiner Oma in Cicagna war. Den Passo di Portello kannte er allerdings nicht. Dabei suchte er stets nach einer Lösung für mein Reifenproblem. Denn von Cicagna waren es ja noch um die 30 km bis Chiavari. Ein alter Radladen, den Stefano noch kannte, war nicht mehr da („Non c'è piú“). Aber Stefano hatte noch ein As im Ärmel: Ein Freund von ihm kenne jeden im Ort, und wisse sicherlich eine Lösung. In Cicagna kurvten wir durch einige Nebenstraßen. Stefano hielt vor einer riesigen Lagerhalle.
Ermanno
Während Stefano rein ging und seinen Freund suchte, holte ich schonmal mein Hinterrad raus. Dann wartete ich auf Stefanos Joker, der mein Problem lösen sollte. Ich war gespannt...Aus der Lagerhalle trat dann Ermanno. Ermanno war ungefähr 80 Jahre alt und war der Herr über die riesige Halle, die, so sah ich jetzt, vollgestellt war mit Maschinen aus den 70ern, die unter einem Mantel aus ca 2 cm Staub lagen. Stefano erklärte mein Problem, Ermanno holte seinen Kompagnon Luciano dazu, und sie unterhielten sich dann eine Weile auf italienisch. Wohl als Ergebnis der Unterredung ging Ermanno in die Halle, und kam mit einem Mountainbike zurück, das augenscheinlich Ermannos ganzer Stolz war. Gerne bewunderte ich es wie von mir erwartet.
Als nächstes wurde ein celestefarbenes Bianchi-Rennrad aus der Lagerhalle geführt – Zeuge von Ermannos aktiver Jugendzeit. Ich war ehrlich erfreut, und die Bewunderung des Rennrads fiel mir nicht schwer, insbesondere nach Inspektion der Übersetzung: 39:23. Ich verlieh meiner Bewunderung Ausdruck und wies auf die Kurbel. Ein schwerer Fehler, denn nun nahm Ermanno meine Kurbel ins Visier und rief aus: „Una garnitura per le donne!” Mann, war mir das peinlich. Der Plan mit der Kompaktkurbel starb genau hier. Ich wand mich und erklärte verzweifelt, dass dies nicht mein Rad sei, blabla. Es überstieg meine Italienischkenntnisse. Ermanno verzieh mir wohl, oder er half Frauen genauso gerne aus.
Jedenfalls wies er mich nun an, ihm in ein Nebenraum seiner Lagerhalle zu folgen. Er schob zwei Sofagarnituren zur Seite und zog unter einem riesigen Haufen Müll mit traumwandlerischer Sicherheit fünf Rennradreifen hervor. Bei mir fürchtete ich, dass die sicherlich total morsch und unbrauchbar seien.
Aber so war es nicht. Nachdem Ermanno mit einem Kompressor den gröbsten Staub der letzten Jahrzehnte entfernt hatte, sahen zwei sogar sehr brauchbar aus. Ich entschied mich für einen celestefarbenen Michelin Coaxial, den ich selbst vor etwa 10 Jahren einmal gefahren war. Mit dem hatte ich ein gutes Gefühl. Ermannos Metallhaken lehnte ich dankend ab und ging lieber mit meinen Plastikhebeln an Björns Hinterrad. Im Nu waren Reifen und Schlauch gewechselt, und per Kompressor mit Luft gefüllt.
Ihr könnt euch vorstellen, wie glücklich ich war. Ermanno lehnte meine letzten 10 Euro mit solcher Vehemenz ab, dass ich es schließlich aufgab. Abschließend ließ ich mich noch mit meinen neuen Freunden ablichten. Zunächst meine Retter Stefano, Ermanno und Luciano mit beiden Rennrädern, dann noch Ermanno, Luciano und ich. Gerade Luciano war das zuviel Rummel um seine Person. Ermanno lud mich noch ein, in der Zukunft auf ein Glas Rotwein wiederzukommen. Ich werde beim Saisonauftakt darauf zurückkommen.
Jetzt konnte ich aus eigener Kraft nach Chiavari zurückfahren. Ich nahm sogar mit Leivi noch einen kleinen Anstieg mit. Dass ich an dessen Fuße noch einen Platten bekam, ist eine unbedeutende Fußnote und konnte meine gute Laune nicht mehr schmälern. Pünktlich um sieben Uhr abends war ich in Chiavari, und konnte frisch geduscht den Abschlussabend antreten. Wir feierten den Abschluss einer gelungenen Reise und ich das Erlebnis meiner schönsten Rennradgeschichte.
Schlussbemerkung
Personen, die mir aus der Patsche geholfen haben: 7 (!)Neue Freunde, die ich gewonnen habe: 2
Begriffe, die ich in diesem Zusammenhang gelernt habe: 2
(Copertone – Reifen, Garnitura per le donne – Damenkurbel)
Noch freie Plätze beim Bergtraining 2012:
5 gefahrene Pässe
Leivi, Valico di Barbagelata, Passo di Portello, Passo della Scoglina, Casa del RomanoStrecke
Ich bin diese Etappe gefahren und möchte die befahrenen Pässe in mein Palmares eintragen
Ich bin diese Etappe gefahren
am