Von majortom –
Man soll uns ja nicht nachsagen, wir könnten nicht improvisieren. Also machen wir es heute einfach nochmal. Nun ja, ehrlich gesagt wurden wir zur Improvisation gezwungen, weil eine Verbindungsstraße von Danilovgrad nach Cetinje gebaut wird, und unsere geplante Route deswegen unpassierbar ist. Zum Glück haben wir Local Hero Danilo an Bord, der uns einen kompetenten Vorschlag für eine Alternativroute macht. Also keine Tour A und Tour B, sondern nur eine 124 km lange Etappe für alle mit immerhin 2500 Höhenmetern.
Der grandiose Anfang der Etappe bleibt jedoch glücklicherweise bestehen: der Anstieg zum Krstac über den sensationellen Serpentinenhang in der steil aufragenden Felswand oberhalb der Bucht von Kotor. 900 Höhenmeter Anstieg gleich zu Beginn, was aufgrund sehr regelmäßiger Steigung bei fünf bis sechs Prozent jedoch schlimmer klingt als es ist. Es waren Österreichische k&k-Ingenieure, die die Straße geplant und gebaut haben, als sie noch den kompletten Balkan unter ihrer Herrschaft hatten. Für diese sensationelle Straße (um nicht zu sagen: superleiwand) also vielen Dank etwa 1000 Kilometer nach Norden in die befreundete Alpenrepublik.
Je höher wir uns über die Bucht von Kotor schrauben, desto imposanter werden die Ausblicke, so dass mit zunehmender Höhe auch immer mehr gestaunt wird. Es ist auch einfach atemberaubend, die verschiedenen Arme der Bucht etwa 900 Meter unter uns zu sehen, und Meerblick haben wir auch. Ein Lebenshöhepunkt, würde Jan sagen.
Die Landschaft ändert sich schlagartig, als wir die Passhöhe des Krstac überqueren und auf die Njegusi-Hochebene abfahren. Und mit der Überquerung des folgenden kleinen Passes liegt uns dann auf einmal die komplette Bergwelt im Hinterland der Küste zu Füßen, vermutlich bis zur albanischen Grenze im Süden. Ein Traum, der nur getoppt wird von Danilos Verpflegung, schon im absoluten Niemandsland gelegen und unter strengen Blicken von drei kleinen Hunden, die wohl darauf hoffen, dass etwas Prošuta zu Boden fällt. Dabei handelt es sich um den Montenegrinischen Schinken, der zumindest in meiner entspannten Gruppe der absolute Renner am Buffet ist. (Ich habe keine Ahnung, wie man es schreibt, habe aber einfach mal Buchstaben mit Häkchen drauf eingebaut, in der Hoffnung, damit nicht allzu weit von der wahren Schreibweise entfernt zu liegen. Der eine oder andere Leser mag sich nun an die Pizza Prosciutto bei Luigi im Sportheim erinnert fühlen, und vermutlich handelt es sich dabei um denselben Ursprung...)
Schweren Herzens verlassen wir Danilo und begeben uns auf die Mystery-Straße, die aufgrund der Improvisation neu im Streckenplan ist. Es stellt sich heraus, dass es eine sensationelle schmale Straße durch einsame karlmayeske Landschaften ist, grandioserweise zumindest zum Anfang frisch asphaltiert und deswegen ein reines Vergnügen. Auf der ganzen 30 km langen Straße begegnen uns zwei Autos, ein Heutransporter und Danilos Verpflegungscruiser. Das wellige Profil ist zwar äußerst zäh, aber hinter jeder Kurve und hinter jeder Kuppe offenbart sich uns eine neue Ansicht des praktisch nicht besiedelten Karstgebirges. Vielleicht weniger spektakulär, aber genauso eindrucksvoll wie der Krstac-Anstieg. Es sieht immer so aus, als könnte plötzlich Winnetou auf dem Berggrat auftauchen, um Old Shatterhand mal wieder aus der Patsche zu helfen (die Filme wurden ja größtenteils in Kroatien gedreht, aber hier sieht es irgendwie höflich aus). Auch Margret fühlt sich an Karl-May-Filme erinnert, wir umschiffen das Thema in unserer Philosophiererei jedoch, als sich herausstellt, dass sie immer noch enttäuscht ist, dass Winnetou von einem Franzosen gespielt wurde.
Die Zivilisation erreichen wir wieder in Grahovo, wo ich einen dringenden Kaffeebedarf in der Gruppe disagnostiziere, und wir daher ein kleines Café ansteuern. Peter ist der Mann von Welt und fragt die freundliche Dame nach Cappuccino, das einzige Wort ihrer Antwort, das wir verstehen, ist "Nescafé". Daumen nach oben von Peter, während Margret und ich uns für Cola entscheiden. Im folgenden stellt sich unser Zwischenstopp als bestens geeignet aus, das montenegrinische Dorfleben zu studieren. Neben dem Nes-Café liegt nämlich der örtliche Getränkemarkt, vor dem sich die Nikšićko-Kisten stapeln. Auftritt einer jungen Frau in Adiletten, die ihren VW Passat davor mit laufendem Motor im Markt verschwindet. Gleich darauf hält auch ein Jeep mit mutmaßlich Vater und Tochter, die zwei leere Bierkästen ausladen. Während sich der Vater zu unserer Wirtin setzt, raucht und ein Schwätzchen hält, laden die Adiletten-Dame und die Ladenbesitzerin zwei volle Bierkästen in den Kofferraum des Jeeps. Hier herrschen wohl noch gefestigte Rollenmuster...
Wir haben genug von Sozialstudien und brechen auf. Ein paar hundert Höhenmeter auf der Hauptstraße in der Nachmittagshitze - der vielleicht härteste Teil des Tages. Doch auch das ist wieder vergessen, als wir auf Danilos geheime Abkürzungs-Nebenstrecke einbiegen, die uns direkt Richtung Niksic führt. Zwanzig Kilometer Flow hinab nach Niksic, und wir beenden die Etappe in Montenegros zweitgrößter Stadt, Heimat der größten (und einzigen?) Brauerei des Landes.
Musikalische Untermalung:
Aufgrund des Etappentitels, der fast schon so lang ist wie ein Etappentitel von Jan, wollte der quäldich-DJ uns und euch heute eigentlich eines von Jans Lieblingsliedern auflegen. Doch ein Schild an einem Restaurant kurz vor der finalen Abfahrt nach Niksic, das uns auf montenegrinisch (habe ich mit nicht gemerkt), englisch (Have a nice trip!) und komischerweise französisch (Bon voyage!) eine gute Reise wünschte, hat beim Berichterstatter einen Ohrwurm verursacht, den wir nun auch mit der restlichen Welt teilen möchten: https://youtu.be/OntgdM84SDQ
Ursprüngliche Etappenbeschreibung:
Weil es gestern so schön war, machen wir es noch einmal anders herum: Wir starten mit dem herrlichen Serpentinenanstieg hinauf zum Krstac und ständig neuen Blicken auf den tiefblauen Fjord. Der Anstieg ist zwar lang, aber lediglich die Blicke sind atemberaubend. An der Passhöhe Krstac betreten wir dann Neuland. Es geht nach Norden über den Cekanje-Pass, und nach einem hügeligen Abschnitt hinab nach Danilovgrad. Ab hier könnten wir im Tal bis Niksic fahren. Wir meiden jedoch die Hauptstraße und schlagen uns stattdessen rechts in die Berge, dabei nehmen wir wahlweise noch den Anstieg zum Kloster Ostrog mit. Dann geht es nach Niksic, wo sich nicht nur unser Hotel, sondern erfreulicher Weise auch die größte Brauerei Montenegros befindet.
Blogbeitrag verfassen
Ich bin diese Etappe gefahren und möchte die befahrenen Pässe in mein Palmares eintragen
Ich bin diese Etappe gefahren