Wenn man schon am Ende der Radsaison kurzfristig einmal beruflich ein Seminar in Hamburg, genauer gesagt in HH-Bergedorf besuchen soll, dann muss man auch nach Feierabend noch irgendwie das Beste herausholen, wenn man nicht mit den Kollegen in einer der üblichen verdächtigen Ecken des Großstadtdschungels versacken will.
So ergab die Recherche, dass Bergedorf zwar zu HH gehört, aber quasi wie eine Kleinstadt für sich östlich des Getümmels liegt und man sogar im Umland einige dünn besiedelte Quadratkilometer Landschaft finden kann.
Auch wenn der Ort den verlockenden Namen Bergedorf trägt, so gibt es hier weder Berge noch Dorf.
Zweistellige Höhenangaben sind dem Autor nicht fremd, aber dass nur noch eine einzelne Ziffer auf dem Garmin-Display die Höhenangabe sein soll und manchmal sogar nur eine Null dort steht, geht einem Freund gebirgiger Gegenden schon fast aufs Gemüt.
Zum Glück mischt sich bisher der Vorgesetzte nicht ungünstig in die Wahl des Verkehrsmittels zur Anreise ein und so kann das Rennrad den Platz einnehmen, wo normalerweise ein Stapel Messgeräte und ein Schreibtischstuhl im Auto stehen.
Da an maximal zwei Feierabenden eine Gelegenheit zu einer Radrunde sein würde, kamen drei verschiedene kurze Runden in den Speicher des Garmins, in der Hoffnung, dass vielleicht zwei davon abgearbeitet werden könnten.
Der Wetterbericht versprach für den ersten Tag sehr warmes und sonniges Wetter und für den zweiten Tag aber Regen, der dann aber entgegen aller Aussicht nicht kam.
Auch wenn der Seminarinhalt durchaus interessant ist, so kann ich kaum den Feierabend erwarten, dass ich mich in die Radkleidung stürzen kann. Dummerweise habe ich nur den langen QD-Pässefahrersatz mitgenommen muss also bei herbstlichen ca. 20°C eine verschwitzte Runde drehen. In der Tiefgarage krame ich hastig mein Rad aus dem Auto, vergesse, den Druck in den Reifen zu prüfen, und fahre los. Immerhin habe ich aber an meine Lampe gedacht und auch sonst nichts vergessen.
Zunächst verlasse ich Bergedorf Richtung Süden durch ein Wohngebiet und finde auch schon bald den runden Tritt.
Bald überquere ich die Dove Elbe (Tote Elbe) und folge ihr auf ruhigen kleinen Straßen nach Westen. In den kleinen Dörfern stehen etliche alte Häuser mit Strohdächern und alte Windmühlen, was man ja im Gebirge nicht so kennt. Meistens führen die Wege hinter den Deichen entlang und gelegentliche Abstecher, um einmal zu sehen, ob man auch oben auf dem Deich mit dem Radfahren kann, zeigen nur, dass man unten bleiben muss. So fehlt leider die Sicht auf einer Seite.
Zum Glück ist der Wind nur schwach, so dass ich eine längere Gegenwindpassage gut überstehe, denn normalerweise fahre ich lieber einen Umweg über die Berge als ein Flachstück gegen den Wind. Und hier wäre ich mangels Bergen, schutzlos dem Wind ausgesetzt.
Irgendwo zwischen Moorfleet und Tatenberg treffe ich an die „richtige“ Elbe, die ich aber kaum zu sehen bekomme, da der Deich die Sicht behindert. Immerhin gibt es aber bei Oortkaten einen kleinen Hafen und ein Stück Weg, wo man direkt mit Sicht auf die Elbe fahren kann.
Nach einigen Kilometern komme ich nach Zollenspieker, wo es auch eine Fähre Richtung Winsen / Luhe gibt. Diese hat soeben einen Schwarm Motorräder ausgespuckt, die aber zum Glück bald die Flucht nach vorne antritt und meinen Hörbereich verlässt. Hier verlass ich auch die Elbe und fahre nach Norden weiter über Kirchwerder nach Neuengamme. Etwas abseits meiner Strecke sehe ich auch die Gedenkstätte des ehemaligen KZ Neuengamme, wo ich aber keine Zeit habe, es zu besichtigen, da es allmählich schon dunkel wird.
Kurz später fahre ich mit Licht nach Bergedorf und entscheide vor der Tiefgarage meines Hotels, dass die Akkuleistung meiner Lampe bestimmt noch für die kleinste geplante Runde ausreicht, die dann auch meine 5000 Jahreskilometer füllen wird.
Also starte ich wieder durch und fahre durch Bergedorf zum Boberg mit seiner sagenhaften Höhe von 28 m über dem Meer. Weiter geht mein Radweg in der Nähe der etwas nervenden B5 Richtung Hamburg. Immerhin ist das Verkehrschaos aber nur auf der Bundesstraße, mit der ich keine Berührungspunkte habe. Im Schein meiner Lampe hoffe ich, dass ich keine Scherben oder Löcher erwische. Immerhin habe ich aber inzwischen mit meiner Ixon IQ eine Lampe, womit man ordentlich fahren kann.
Irgendwo bei Billstedt und Billbrook drehe ich wieder nach Südosten ab und mache mich auf den Rückweg, der zuletzt über einen kleinen Feldweg an der S-Bahnlinie nach Bergedorf zurück führen soll. Aber an der Bahnlinie angekommen, entscheide ich mich doch noch zu einem kurzen Abstecher nach Allermöhe und noch einmal bis zur Doven Elbe, wo ich auf meine Strecke von vorhin treffe. Jetzt kehre ich aber endgültig um und fahre zum Hotel, wo mein Kilometerzähler tatsächlich noch fast 70 km anzeigt, womit ich für einen Oktoberabend überhaupt nicht mehr gerechnet habe. Dass man aber 70 km mit weniger als 100 Höhenmeter machen kann, ist eine völlig neue Erfahrung für mich.
Am Hotel angekommen, ist die Tiefgarage verschlossen und so stapfe ich mit geschultertem Rennrad mit meinen klappernden Radschuhen an der Rezeption vorbei und zwischen dümmlich drein schauenden Krawattenträgern zielstrebig zum Aufzug, um mein Rad in der Tiefgarage ins Auto zu verstecken.
Vermutlich möchte niemand mich im Aufzug begleiten und so kann ich meine Duftmarke der Sorte „Schweiß“ solo genießen.
Von Uwe – 23.10.2013
Heute ist das Wetter den ganzen Tag trüb und grau, aber sehr warm. Laut Wetterbericht soll es zum Feierabend regnen, aber entgegen der Erwartung kommt zum Feierabend die Sonne hervor. Heute komme ich sogar noch eine halbe Stunde früher in die Radklamotten als gestern, aber leider habe ich gestern meine Lampe stark beansprucht und mangels Ladegerät bzw. passender Batterien, kann ich heute nur noch eine Tour in Angriff nehmen, die maximal gegen Ende noch etwas Licht benötigt, denn ich weiß bisher nicht aus Erfahrung, ob die Lampe nur schwächer wird, oder ob sie plötzlich abschaltet.
So fahre ich zunächst wieder wie gestern nach Süden und über die Dove Elbe und Richtung Reitbrook, wo ich inzwischen schon die Gegend „kenne“. Dieses Mal biege ich an der Windmühle Reitbrook aber links ab, um ein Stück an der Gose Elbe entlang zu fahren und dann nach Ochsenwerder zu kommen. Auch hier gibt es die üblichen Häuser mit Strohdach und Windmühlen. Ich kann mir vorstellen, dass hier in der Gegend die Mieten bzw. Immobilienpreise nicht ganz billig sind, denn man wohnt auf dem Kaff und hat doch die Großstadt mit allen Einkaufsmöglichkeiten vor der Tür. So sind auch die Dörfer und die Straßen in einem allgemein sehr guten Pflegezustand.
Bei Tatenberg treffe ich auf einen Weg, den ich gestern schon beinahe erkundet hätte, und folge ihm über den Moorfleeter Hauptdeich und über die Elbinsel bis Entenwerder zum Stauwerk an der Elbe. Von hier wäre es nur noch ein kurzes Stück bis Hafen City, aber ich ziehe die Einsamkeit vor und kehre um.
In Moorfleet muss ich ein kurzes Stück durch nervigen Verkehr fahren, kann dabei aber meist einen Radstreifen benutzen. Am Autobahnanschluss Moorfleet ist Verstopfung angesagt und so ist auch auf einer Kreuzung, die ich zu queren habe, das totale Chaos, wo ich aber als Radfahrer ganz einfach zwischen allem Stillstand hindurch verschwinden kann.
Endlich kann ich an der S-Bahnlinie in einen winzigen Weg abbiegen, der an einer Kleingartenanlage und einem Knast entlang nach Osten Richtung Bergedorf führt.
Da ich den weiteren Weg an der Bahn entlang gestern schon hatte, biege ich bei Allermöhe noch einmal ab, um bei wunderschönem Sonnenuntergang am Nordufer der Doven Elbe entlang nach Nettelnburg und Bergedorf zu gelangen.
Beim Sonnentuntergang stehe ich noch auf der Brücke Allermöhe und denke so daran, dass nicht nur der Tag und meine heutige Tour zu ende gehen, sondern auch, dass es wahrscheinlich die letzte Radfahrt in diesem Jahr sein wird, denn die ganzen nächsten Wochen sind randvoll mit anderen Terminen und Aufgaben.
So begann die Radsaison 2013 mit einem Seminar in Stuttgart und zwei, leider vermurksten Radrunden und einem zerstörten Pedal und endete mit einem Seminar in Hamburg und zwei gelungenen Radrunden. Dazwischen lagen einige durchaus gelungene Touren und auch mein radtechnisch bester Monat meines zweiten Radlebens, der Monat Juli mit über 1000 km