Das Riesengebirge – die Heimat von Rübezahl – ist das höchste Gebirge Tschechiens und auch höher als der deutlich bekanntere Schwarzwald oder das Erzgebirge. Mit 1.601 m Meereshöhe ist die Schneekoppe der höchste Berg. Das Klima, die Vegetation und vor allem die Anstiege erinnern ans Hochgebirge. Ob zu Fuß oder mit dem Rad kann man sich an der Natur einfach nicht satt sehen. Die steilsten Anstiege bringen so manchen an seine Grenzen. Zu nennen wären der Spindlerpaß, der Schwarze Berg (Cerná Hora) oder der Wiesensattel (Modre Sedlo), der mit 1.510 m der höchste mit dem Rad befahrbare Punkt. Diese befahren wir alle. Der Muskelschmerz aber ist beim Ausblick auf die Schneekoppe und die weit reichenden Blicke in die polnische Tiefebene (siehe Bild) schnell Vergessen.
Von axscoach – Sonne empfängt uns in Liberec. Die illustre Reisegruppe begibt sich zum historischen Marktplatz mit dem Rathaus aus der Kaiserzeit zum Gruppenfoto.
Schnell haben wir Liberec verlassen und rollen in der kompletten Gruppe über zwei im Wald gelegene Anstiege nach Josefuv Dul, wo wir erstmals auf schmalste Straßen abbiegen, die sogleich rampig gen Himmel streben. Erstaunlich homogen zeigt die Gruppe keinerlei Anstalten, eine Einteilung in zwei Leistungsgruppen anzustreben. So haben wir nur zweispaßbefreiteLeistungstiere, die aber auch keine Fluchttendenzen entwickeln und die Gruppe geschlossen Richtung Klein Iser führen, wo bereits um kurz vor 12, nach knapp 2 Stunden Fahrzeit, die frühe Mittagsverpflegung in der Pyramiden-Baude ansteht, vor der ein pyramideneskes Bauwerk an den Besuch des Grafen von Liberec vor mehr als Einhundert Jahren erinnert.
Die zusätzlichen aufgenommenen Kilos ziehen uns herab nach Harrachov, dem mondän anmutenden tschechischen Skisprungzentrum. Hier biegen wir ins Mumlava-Tal ein, in dem die Straße wunderschön am namensgebenden Bach entlang führt, mit Stromschnellen, Wasserfällen, Felsformationen und vielen, vielen Wanderern. Sobald wir das Tal an der Abfahrts-Roller-Verleihstation links abbiegen, lassen wir die Touristenströme hinter uns und fahren herrlich einsam auf schmalster Straße in Richtung Vosecka-Baude, unterhalb derer wir die Gruppe sammeln. Weiter geht es durch nicht enden wollende Wälder, mit herrlichen Tal- und Jeschkenblicken auf der Hochebene tendenziell bergab. In der Abfahrt zum Neuweltpass dominiert zunehmend Rollsplit die Straße, so dass wir uns vorsichtig nach unten bewegen. Der Neuweltpass ist auf der Europastraße Richtung Stettin schnell erklommen. Ganz bis Stettin kommen wir heute nicht, auch wenn es sensationell rollt und uns ein weißer Renault Clio vorbildlich vom nachfolgenden LKW-Verkehr abschirmt. Kurz, bevor wir rechts abbiegen, überholt der LKW den Clio und unsere zwei letzten Teilnehmer, bevor er erkennt, dass das weitere Manöver nicht von Erfolg gekrönt sein kann und den Zappel beinahe vom Rad holt.
Flach geht es nach Podgórzyn, wo ich meinen Mannschaftskapitän mit einem beherzten Paarzeitfahren in eine aussichtsreiche Position um die HC-Bergwertung auf dem Spindlerpass bringe. In Podgórzyn übernehme ich meine Gruppe wieder und schicke Robert hinter Tobias her. Jetzt darf er auch mal spielen.
Aber wie sensationell ist bitte der Spindlerpass? Sportlich anspruchsvoll geht es über zwei 20-Prozent-Passagen kilometerlang durch einsamsten Kiefernwald, bevor sich oben die sagenhaften Tiefblicke in die polnische Tiefebene eröffnen, die für mich die Hauptmotivation für den Besuch im Riesengebirge war. Oben warten Alex und Silvi mit dem Belohnungsbier. Selten hat ein Bier so gut geschmeckt wie hier, nie hat es so gut gewirkt wie hier, mit der Aussicht unter uns, dem legendären Anstieg hinter uns und dem Hochgefühl, die Etappe geschafft zu haben.
Lange sitzen wir noch in der Spindlerbaude bei einem nächsten Bier und fahren letztlich entspannt die 11 km ins Hotel nach Spindlermühle herab, wo wir uns beeilen müssen, um um 7 rechtzeitig zum Abendessen zu kommen.
Was für ein erfüllter Tag!
Ursprüngliche Etappenbeschreibung
In Liberec, Austragungsort der Nordischen Skiweltmeisterschaften 2009, wird die 1. quaeldich.de-Riesengebirgs-Rundfahrt starten. Von der beeindruckenden Kulisse des Jeschkens, der als Wahrzeichen über der Stadt thront, lassen wir uns noch nicht anziehen und nehmen vom Hauptbahnhof den schnellsten Weg aus der Stadt heraus, um dem Stadtverkehr zu entfliehen und das Isergebirge für uns zu entdecken.
Auf kurvenreicher Strecke werden die ersten Höhenmeter bei sehr angenehmer Steigung erklommen. Es rollt. Aber nicht mehr lange. Denn in Josefův Důl verlassen wir die Landstraße und machen zum ersten Mal Bekanntschaft mit den berüchtigten Forststraßen, die uns in den nächsten Tagen immer wieder begleiten werden. Über ein paar Rampen zum warm werden, gewinnen wir zügig an Höhe und befinden uns alsbald in 1000 m Höhe auf dem Hochplateau des Isergebirges, das wir nun nach Osten überqueren. Bei guter Sicht lockt in der Ferne mit dem Gipfel des Reifträgers schon der Riesengebirgshauptkamm. Bevor es soweit ist, durchqueren wir aber noch die Iserwiesen mit der höchst malerisch gelegenen Ortschaft Klein Iser (tschech. Jizerka). Nun lassen wir es rollen bis ins Tal der Iser. Hier, wo das Isergebirge aufhört, fängt das Riesengebirge an. In Harrachov begrüßt uns das Glasmuseum, wo noch heute traditionell Glas geblasen wird.
Im Tal der Mumlava lassen wir ein weiteres Mal den motorisierten Verkehr hinter uns. Am Tal-Ende biegen wir links ab und begeben uns auf eine hügelige Panoramastraße in luftiger Höhe. Der Neuwelt-Pass stellt keine große Herausforderung dar, aber er bringt uns in den polnischen Teil des Riesengebirges. Viele Kilometer geht es bergab. Unten angelangt, können wir uns mental vorbereiten auf den wohl schwersten Anstieg Polens. Podgórzyn heißt der Ort am Fuße des Spindlerpasses. Da, wo es über 12 km immer steiler werdend hinauf auf den Riesengebirgskamm geht. Am Anfang kann man noch mit flüssigem Tritt an Höhe gewinnen, doch spätestens nach der Schranke bekommt man das Riesengebirge mit voller Härte zu spüren. Immer gerade aus in Richtung des steilsten Gradienten, rauer Asphalt und Steigungen jenseits der 20% lassen jeden von uns leiden. Für manchen Teilnehmer werden es die langsamsten aber intensivsten 4 km auf dem Rennrad sein, doch wenn die letzte Rampe bezwungen ist, darf jeder stolz auf sein verbrachtes Tagewerk sein und die gigantische Aussicht in die polnische Tiefebene genießen. Zur Unterkunft geht es auf breiter Straße entspannt bergab nach Spindlermühle und Labská.
Von axscoach – Heute steht ein 121 km langer Rundkurs von Spindlersmühle an. Trotz der relativ kurzen Distanz zeigt das Roadbook 2900 Hm. Da nicht alle Strecken barometrisch im Tourenplaner erfasst sind, summiert sich die Runde am Ende sogar auf 3350 Hm. Und die haben es in sich. Drei richtige Riesengebirgs-Highlights stehen vor uns.
Aber der Reihe nach: locker gehts durchs Tal der jungen Elbe nach Hohenelbe und über Landstraßen nach Cerny Dul, wo wir nach Links in Richtung Jánské Lázne abbiegen. Der kleine Sattel hinüber nach Svoboda Nad Upou ist schnell erreicht (Wer kennt den Namen dieses Sattels?). Dort geht die Stichstraße zur Cerna Hora ab. Den Vergleich zum Spindlerpass am Vortag kann er zwar bei weitem nicht halten, dennoch überzeugt er mit schönen Tiefblicken entlang der Abfahrts- und Kabinenlift-Schneisen. Vom charakterisch von weither sichtbaren Funkturm gibt es keine Aussicht, daher machen wir nur kurz ein Bild und setzen uns auf einen schnellen Café in die Baude. Als wir gerade zur Abfahrt blasen, kommt auch Thomas an, der vorher noch – nicht ganz ohne unser Zutun – in die Abfahrt nach Svoboda nad Upou irre geleitet wurde und so 260 Hm mehr in den Beinen hat.
Dafür darf er die seehr gut laufende Abfahrt eben dort hin zweimal genießen.
Auf der Landstraße ist dann der Standort der ersten Verpflegung schnell erreicht. Länger dauert es, Silvi und Alex tatsächlich aufzuspüren. Wir finden sie schließlich einen Kilometer weiter in Richtung Pec pod Sneskou, wo pünktlich der Regen einsetzt und wir uns in den Schutz des Kiefernwaldes flüchten um auf Baumstämmen sitzend Krapfen zu vertilgen.
Die Moral bröckelt. Der größere Teil fährt gleich auf der Hauptstraße weiter und gelangt so ohne Verlust von Höhenmetern nach Mala Upa. Fünf aufrechte trotzen dem Regen, 3 km übler Schotterstrecke und den 300 zusätzlichen Höhenmetern an der Lysecinske Boudy vorbei zum Cestnik (1003 m), wie so oft schon in den beiden Tagen herrlich auf schmalstem Asphaltband durch Fichtenwälder.
Mala Upa mit seiner großen Kirche ist schnell erreicht, von dort geht es hinab ins Aupertal, wo wir schnell in den Löwengrund einbiegen. Das Ziel ist hier, der Schneekoppe möglichst nahe zu kommen, die nicht mit dem Rennrad befahren werden darf. Herrlich ist es hier. Den Jeleni Potok entlang (vielleicht Hirschbach?) führt die Straße stetig nach oben, bis sich die Schneekoppe über den Kamm hebt. Den kahlen Berg mit der charakteristischen Baude bewundern wir oben längere Zeit, bevor wir weiterfahren und jäh von einem Forsttrupp ausgebremst werden, die auf einer Länge von ca einem Kilometer die Straße in ein Moloch aus Schnittgut und Baumresten verwandelt hat. Jetzt verstehen wir auch den Zusatz "Letovy Prostor" am Verbotsschild für Fahrzeuge und Fußgänger unten am Eingang zum Löwengrund – es dürfte wohl Forstarbeiten heißen.
Im Löwengrund wurden wir übrigens nicht von Löwen angefallen. Der Name stammt wohl von einem Bergwerk aus dem 16. Jahrhundert mit Namen "Goldener Löwe".
Reichlich ermattet rollen wir wieder in Mala Upa ein und nehmen die wenigen Höhenmeter zum Restaurant Rusalka in Kauf, wo wir tatsächlich üppig und gut essen.
Jetzt steht nur noch eine Schippe Sand zwischen uns und dem Abendessen: der Modre Sedlo. Nun gut. Steil ist er. Sehr steil. Höhenmeter hat er. Viele. Es ist der härteste Anstieg Tschechiens und steht dem gestern befahrenen Spindlerpass nicht nach. In nichts. Schöner ist er sogar mit dem sensationellen Blick über Cerna Hora, Schneekoppe, das Hohe Rad und hinunter zur Wiesenbaude. Heute abend ergibt die Frage des Tages ein Unentschieden. Ein Drittel findet, der Modre Sedlo ist härter als der Spindlerpass, ein Drittel sieht es anders herum und ein Drittel kann sich nicht entscheiden. In Punkto Schönheit geht die Wertung deutlich für den Modre Sedlo aus, auch nach Einbezug der Abzüge, die die 3,5 km Schotter auf dem Weg zurück ins Elbtal mit sich bringen.
Ermattet erreichen wir Spindlersmühle, ermattet sinkt der Berichterstatter nun in Morpheus' Arme.
Ursprüngliche Etappenbeschreibung
Im Elbtal können wir langsam wieder die Beine aktivieren und rollen nach Hohenelbe (tschech. Vrchlabí). Auf dem Tagesplan steht das Ostriesengebirge. Das Massiv der Černá hora breitet sich bald vor uns aus. Der Schwarze Berg ist der erste Anstieg im Programm. In Černý Důl beginnt die Steigung zuzunehmen und nachdem wir in die Stichstraße zum Gipfel eingebogen sind, befinden wir uns endgültig im Anstieg zur Černá hora. Nach ca. 6 km, auf denen knapp 500 Hm und eine weitere 20% Rampe bezwungen werden, darf an der heruntergekommenen Sokolská bouda nach Süden den Ausblick in das tschechische Tiefland bewundert werden. Vom Fernsehturm gibt es leider keine weiteren Aussichten, aber man kann sich schon mal die charakteristische Kegelform des Turms einprägen. Das wird helfen, den Berg im Laufe des Tages schneller wieder zuerkennen.
Wir fahren hinab in den Kurort Janské Lázně und weiter ins Upa-Tal. Immer leicht bergan folgen wir dem Talverlauf nach Albeřice. Im Anstieg zur und vorbei an der Lysečinská bouda darf man erneut Kraftfahrzeug-freie Waldstraße genießen. Nach kurzer Abfahrt erreichen wir das schöne Bergdorf Malá Úpa, in dessen Hintergrund sich die Schneekoppe erhebt. Da die Schneekoppe nicht legal mit dem Rennrad befahren werden darf, versuchen wir zumindest sehr nah heran zu kommen. Das geht nirgendwo besser als im Löwengrund (tschech. Lví důl), der erst vor wenigen Jahren offiziell als Radweg freigeben wurde. Am Ende des Grundes offenbart sich der Osthang der Schneekoppe und vielleicht ist auch der Berggeist Rübezahl irgendwo in der Nähe. Die Straße windet sich aus dem Grund heraus und mit der Černá hora grüßt ein bereits bekannter Berg am Horizont. Am Ende dieser kleinen Exkursion in Landschaftskunde führt uns die Straße wieder ins Upa-Tal. Nach einigen Talabwärts-Kilometern mit hoher Geschwindigkeit halten wir uns rechts und folgen der Beschilderung nach Pec pod Sněžkou.
Was Podgórzyn für Polen ist, ist Pec für Tschechien, nämlich der Ort, an dem der schwerste Berg des Landes beginnt. Nirgendwo in Tschechien kommt man mit dem Rennrad höher als am Modré Sedlo. Mit 1500 m ist man fast in alpinen Gefilden unterwegs und Schnee bis Ende Mai ist hier die Regel. Am Sattel steht eine Kapelle. Einmal innehalten und die Berge auf sich wirken lassen. Vielleicht ist das hier die eindrucksvollste Szenerie im ganzen Riesengebirge. Wer will, kann noch die 2 km hinab zur Wiesenbaude fahren, die mit ihrer Größe in der Tundra-Landschaft ein bisschen unwirklich anmutet. Die Abfahrt vom Modré Sedlo gestaltet sich ein wenig anspruchsvoll und es gibt eine Schotterpassage zu überwinden, die jedoch mit etwas Vorsicht und mindestens 23 mm Reifenbreite niemanden zur Verzweiflung bringen sollte. Am Ende der Abfahrt haben wir beachtliche 1000 Hm vernichtet und befinden uns wieder in Vrchlabí. Zurück nach Labská geht es auf bereits bekannter Route durch das Elbtal. Mit ein bisschen Abstand kann man hier diskutieren ob Spindlerpass oder doch Modré Sedlo der schwerste Berg des Riesengebirges ist.
Von axscoach – Heute aktivieren wir zum Medvedin schlagartig die Beine. Nach 300 m einrollen rampt es wieder gewaltig, was uns allerdings nicht davon abhält, uns an den Ausblicken auf die Martinova Bouda, die Elbfallbaude, die Schneegrubenbaude und den Spindlerpass zu delektieren.
Am Ende der Steigung wechselt die Herausforderung: eine 2 km lange Schotterpassage nach Horni Misecky steht an. Hier schließt nahtlos die Auffahrt zur Vrbatova Bouda an, deren lange Geschichte (z.B. Friedensfahrt, s.u.) teilweise in Form von Kopfsteinpflasterabschnitten aus dem Asphalt hervorscheint. Einige fürs Riesengebirge ungewöhnliche Kehren bescheren uns einen Rolleranstieg, der nach Verlassen der Baumgrenze mit atemberaubenden Tiefblicken in die tschechische Tiefebene aufwartet. Oben die schon vom Medvedin bekannten Ausblicke zu Elbfallbaude und Spindlerpass.
Deutschland genießt den Rundumblick vom Aussichtspunkt, die Schweiz Kaffee aus Plastikbechern. Drei Entdecker (Sebastian, Tobias, Jan) machen sich auf den Weg, das weiterführende Asphaltband zu erkunden, das tatsächlich bis zur Elbfallbaude führt. Auf verbotenen Sandpisten geht es weiter zur Elbquelle und zurück zur Vrbatova Bouda (leider kein Elbquelldoping, da nur ein Brunnenbecken).
Während Robert die Hauptgruppe souverän durch die Ebene führt, versucht sich die Entdeckergruppe im Windwechsel wieder ans Hauptfeld heran zu beißen. Zumindest mir gehen nach dem Steilstück in Richtung Kosakov ziemlich die Lichter aus, und ich bin froh, die erste Pause endlich zu erreichen, die Alex und Silvi auf dem Aussichtsberg errichtet haben, der uns das Riesengebirge noch einmal vor die Füße legt. Schön war es dort, hart war es dort.
Endlich einmal eine Abfahrt mit Schwung! Herrlich gehts vom Kosakov runter, und unten in Eisenbrod (Selsni Prod) gleich wieder hoch nach Jirkov, der sich angenehm durch Wiesen nach oben zieht. Dem Hochpunkt im Wald schließt sich eine äußerst ruppige Abfahrt an, die in den allgäuhaften Anstieg nach führt. Meuterei droht, als weitere 900 Streckenmeter zur Chata Hvezda verbleiben, in der die zugegebener Maßen sehr späte zweite Pause geplant ist. Es ist mittlerweile halb vier.
Hier oben sitzt es sich aber äußerst angenehm, und die Zeit vergeht wie im Fluge. Gestärkt und bestärkt geht es Richtung Schlussanstieg. Jetzt soll auch noch die Rampe nach Studenov fallen. Erneut legt sich Schweigen über das Peloton. Patrick prägt den Spruch des Tages: "Ich hoffe, in eurem Programm wird nicht einmal das Wort Spaß erwähnt". Das finde ich zwar etwas übertrieben, aber er drückt damit die Gruppenmeinung über die Härte des Gegners gelungen aus.
Oben geht es noch leicht wellig weiter, bevor die steile, Regenrinnenbehaftete Abfahrt zum Ziel nach Harrachov beginnt. Dass Zappel sich seinen Durchschlag an der letzten Regenrinne holt, ist für ihn nur ein schwacher Trost. Sensationell allerdings der Service der Waldarbeiter, die am Ort des Defektes einen Montageständer zurückgelassen haben.
Ziemlich zerstört erreichen wir Harrachov und überfallen heuschreckenartig das Buffet.
Ursprünliche Etappenbeschreibung
Der dritte Tag beginnt gleich steil. Von Spindlermühle führt uns der Weg am Berghang des Medvědíns nach oben. Eine weitere Schotterpassage nehmen wir gerne in Kauf um nach Horní Mísečky zu gelangen. Von hier aus führt die Straße weiter bergauf zur Vrbatova bouda in 1400 m Höhe. Dies ist eine legendäre Bergankunft der Friedensfahrt, die hier zuletzt 1996 Halt machte. Im Gegensatz zu den bisherigen Anstiegen rollt dieser Berg aufgrund der fehlenden Rampen sehr gut. Kein Wunder, haben die tschechischen Straßenbauer hier ausnahmsweise von Serpentinen gut Gebrauch gemacht. Oberhalb der Baumgrenze kann der Blick sehr weit schweifen und manch einer wird in weiter Ferne den Ještěd / Jeschken von Liberec erkennen.
Was nun als Belohnung für die Schinderei der letzten Tage folgt, ist eine ausgedehnte Abfahrt, wo der Schnitt aufgebessert werden kann. 40 km geht es bergab bis nach Semily. Vom Riesengebirgskamm haben wir uns dann schon ein gutes Stück entfernt. Nicht ohne Grund, denn mit dem Kozákov erwartet uns jetzt ein Aussichtsberg im Riesengebirgsvorland, von dessen begehbarem Aussichtsturm ein Panorama nicht nur über das gesamte Riesengebirge geboten wird. Die Abfahrt vom Kozákov hat es ebenfalls in sich. Perfekter Asphalt und schöne Kurven laden zu hohen Geschwindigkeiten ein. In Železný Brod nehmen wir Kurs nach Norden und sammeln über ein paar kleinere Berge weiter fleißig Höhenmeter. Wem das nicht genug ist, der darf sich in Rokytnice die 300 steilen Höhenmeter nach Studenov hoch quälen und testen ob Kette und Oberschenkel noch halten, andernfalls geht es durch das Isertal flach nach Harrachov zum Etappenziel, wo es sich z.B. ein Besuch der Skiflugschanze am Teufelsberg anbietet.
Von axscoach – Vorgezogener Start um halb neun in Harrachov. Auf breiter Straße gehts runter ins Isertal und dann hoch zum Tannwaldpass, wo die erste Überraschung des Tages wartet. Eigentlich steht heute nur Flüsterasphalt auf dem Programm. Hier jedoch durchkreuzt die erste Baustelle unser Vorhaben, die leider nicht nur wie gehofft durch den Ort, sondern deutlich weiter führte. Dennoch schöne Abfahrt und in der Kehre rechts hoch Richtung Smedava. Herrlich einsam geht es durch den Wald nach Sous, wo der gleichnamige Stausee Ahs und Ohs und ein Wendemanöver fotowilliger Recken hervorruft. Traumhaft skandinavisch gehts am Stausee entlang, fast unmerklich ansteigend zum Hochpunkt Smedava. Herrliche Abfahrt, unterbrochen nur durch eine Minibaustelle hinunter nach Bily Potok und weiter ins Neißetal durch landwirtschaftlich geprägte Gegend – eine unerwartet schöne Abwechslung nach drei Tagen Wald- und Wieseneinsamkeit.
Der Oldrichovske Sedlo erinnert mich an den Anstieg zum Einsiedler Sattel im Erzgebirge, ist aber deutlich kürzer. Oben ist die erste Verpflegung aufgebaut, die wir nach den gestrigen Erfahrungen hierin vorverlegt haben. Alex und Silvi haben sich wieder richtig ins Zeug gelegt und kredenzen Krapfen und Fruchtplunder in der herrlich im Wald gelegenen Schutzhütte.
Vom Sedlo rollts gut runter und auf breiter Straße sanft ansteigend nach Albrechtice, wo wir auf eine herrlich schmale Straße abbiegen. Rechts grüßen Windräder und ein "Sonnenkraftwerk" - üble Kühltürme mit euphimistischer Sonnenbemalung. Hier befinden wir uns jetzt schon nördlich von Liberec, um nach Südwesten vorzustoßen und somit den Jeschken von hinten erklimmen zu können. Die folgende Abfahrt jedoch hemmt unseren Vorwärtsdrang gewaltig durch eine schier endlose Aneinanderreihung von Baustellen, die erst in Andelska Hora hinter uns gelassen werden. Wir folgen der Beschilderung nach Christofovo Udoli, die uns in ein liebliches, abgeschiedenes Tal führt, in dem die Zeit vor 100 Jahren stehengeblieben zu sein scheint. Christofovo Udoli, auf deutsch Christophsgrund, weiß durch eine Ansammlung von Wirtschaften zu überzeugen, von denen wir blind eine auswählen. Hier sitzen wir schön unter Sonnenschirmen, warten aufs Essen und sind schlussendlich satt, zufrieden und zurück auf dem Rad, um dem Flusstal weiter zu folgen und den gut rollenden Anstieg zum Křižanské sedlo anzugehen, der uns über den Jeschkenkamm führt und somit unserem Endgegner näher bringt.
Oben haben die Wartenden bereits eine tschechische Schönheit ausgemacht, die dort mit ihrem Fitness-Bike samt Platten gestrandet war. Reto zückt seinen 28"-Crosser-Schlauch, die Meute verabschiedet sich ins Tal, und ich und Tobias vollziehen den der Völkerfreundschaft geschuldeten Akt. Die Dame überlässt uns voller Dankbarkeit unserer nun anstehenden Aufgabe. Schnell ist der Anstieg zum Jeschken erreicht, und Tobias sagt "immer schön, so eine Gruppe von hinten aufzurollen". Ich sage nichts und denke: "Ja, wenn man es in seinem eigenen Tempo macht". Ich übergebe Tobias seinem Spielkameraden und sehe mit Erstaunen, welch Wettkampfgeist der nahende Abschluss geweckt hat. Alle Teilnehmer mobilisieren die letzten Reserven. Der Rollerasphalt und die atemberaubenden Rundumblicke auf Liberec im Osten und das Böhmische Becken im Westen verleihen uns auf der Stichstraße zum Gipfel zusätzliche Kräfte. Oben liegen sich die Kontrahenten der Auffahrt versöhnt in den Armen und nach dem obligatorischen Schlussfoto vor dem charakteristischen Jeschken-Mast verlieren sich die Teilnehmer in der Abfahrt nach Liberec, zum Ziel unserer Rundfahrt.
Nur ich muss oben bleiben, mein schönes neues Volagi wurde von einem Vollhonk mit seinem Großstadt-Jeep beim rückwärts einparken in eine Feuerwehrzufahrt geplättet. Als die Polizei eintrifft, entlädt sich das Gewitter. Es ist die erste quaeldich-Reise, die ich nicht auf dem Rad beenden kann.
Herrlich wars. Alle sind sich einig: das Riesengebirge ist nicht nur eine Reise wert. Spindlerpass von einer anderen Welt, Schneekoppen-Ambiente am Löwengrund, Modre Sedlo mit den märchenhaften Blicken ins Kerngebiet des Riesengebirges, und die irre Befahrung der Jeschken-Spirale mit dem sagenhaften Rundumblick – das sind vorerst Zappels eindrücklichste Erinnerungen an vier satte Radtage.
Nach einer hoffentlich erholsamen Nacht und Träumen vom geheimnsvollen Riesengebirge beginnt in Harrachov der Schlusstag. Verglichen mit den letzten Tagen bietet diese Etappe nicht mehr die ganz schweren Anstiege. Zum Ausklang geben wir uns am letzten Tag mit knapp 2000 Hm zufrieden.
Das Riesengebirge lassen wir im Iser-Tal hinter uns. Über Kořenov, Souš und vorbei an der gleichnamigen Talsperre fahren wir hinauf in die Höhen des Isergebirges. Wir kreuzen am Wittichhaus die Strecke vom ersten Tag, stürzen uns in die serpentinenreiche Abfahrt nach Hejnice und lernen nun den nördlichen Teil des tschechischen Isergebirges kennen, dessen Ausläufer noch von uns überquert werden wollen. Durch schöne Buchenwälder gelangen wir nach Oldřichov und nähern uns langsam unserem Ausgangsort Liberec.
Halt, da fehlt was! Der Jeschken darf bei dieser Reise nicht fehlen. Wir kreuzen also noch das Neißetal, überqueren den Kamm des Jeschkengebirges hinter Kryštofovo Údolí und nehmen von Süden den Jeschken unter die Räder. Ab Křižany darf sich jeder nochmal auspowern oder einfach nur genießen. Auf den letzten Kilometern zum Jeschken, hoch über Liberec, kreist die Straße um den 1012 m hohen Berg bis der Kurvenradius immer kleiner wird und der Gipfel erreicht ist. Ein wahrer Höhepunkt und eine geeignete Stelle um die 1. quaeldich.de-Riesengebirgs-Rundfahrt ausklingen zu lassen. Bei gutem Wetter blickt man ins Iser- und Riesengebirge und kann die letzten Tage Revue passieren lassen. Denn vom Jeschken geht es bis nach Liberec nur noch 10 km bergab.