Von tortenbäcker –
05:30 stehe ich auf. Ein paar Kekse befüllen den Energievorrat. Als ich das Hotel verlassen möchte, ist alles noch ruhig und dunkel. Also mal ein Stockwerk runter und hinüber zum Haupteingang. Die Verbindungstür dahin ist allerdings abgeschlossen und mit meinem Zimmerschlüssel nicht aufschliessbar. Weitere Ausgänge gibt es nicht, ich überprüfe hierfür noch den Keller. Schmunzelnd stehe ich also da in einem Foyer und denke zurück an ein ähnliches Problem vor ein paar Jahren am Fusse des Timmelsjochs. Garantiert verstösst das Hotel damit gegen Brandschutzbestimmungen, der Hotelgast muss doch immer im Notfall das Hotel verlassen können. Wie dem auch sei, nach einem kleinen Rundgang scheint ein grosses Fenster im Foyer meine beste Fluchtoption zu sein. Also Fenster auf, Gepäck auf das Fenstersims stellen und rausklettern. Schwierigkeitsgrad vernachlässigbar. Harry Houdini hätte sich gelangweilt. Eine 6b zum Abklettern hätte mir sicher mehr Spass bereitet.
Die Abstellkammer mit meinem Rad ist dafür wie versprochen nicht abgeschlossen, so dass ich ungehindert meine Tour antreten kann. Als erstes geht es Richtung Norden an einem Fluss entlang. Das Tal ist echt hübsch, ich passiere dann auch mehreren Tafeln, wo UNESCO Welterbe draufsteht. Scheinbar hat das Welterbe aber die Österreicher nicht daran gehindert, eine Autobahn etwas höher oben am Hang anzulegen. Interessant.
Das Wetter zeigt sich trotz schlechter Prognose einmal von seiner angenehmen Seite. Wolkig bis heiter. Da hätte ich vielleicht doch die längere Strecke über die Nockalmstrasse angehen sollen? Aber diese Option gibt es jetzt nicht mehr, da ich dazu hätte eine Stunde früher aufstehen müssen. So tuckere ich über den Schönfeldsattel, der auch ganz nett ist. Insbesondere die Abfahrt macht Freude, genau wie es bereits in der qd Beschreibung drinsteht. Ich rolle an einer Kuh vorbei, die mich vorerst nicht wahrnimmt und dann vor Schreck einen richtig grossen Satz rückwärts macht. Auch Kühe sind Akrobaten, man sieht es ihnen einfach nicht an.
Im Tal unten biege ich ein auf den ausserordentlich friedlichen Murradweg. Ein paar Kilometer weiter ist im kleinen Städtchen Tamsweg Zeit für Frühstück. Ich kaufe zwei Brötchen und ein Stück Linzertorte. Die Linzertorte ist echt Klasse, nicht so süss wie die industriellen Dinger vom Supermarkt. Die Bäckerin versichert, dass in den Brötchen kein Kümmel drin ist, und ich verdrücke eines auf der Stelle und packe das zweite ein für später.
Auf geht es weiter nach Osten Richtung Sölkpass. Das Wetter wird immer schlechter, aber die ersten 100 km kann ich noch ohne Regen bewältigen. Ein Novum. Am Ende wird der Sölkpass steiler und hier fängt die Dusche von oben an. Wäre jetzt nicht nötig gewesen. Starker Gegenwind und Nebel gesellen sich hinzu. Gewohnt kriechend erreiche ich die Passhöhe, wo es mir beim umziehen fast den Helm wegblässt. Und die Regenhose wird zur Windhose beim anziehen. Nichts wie weg hier. Ein Radclub ist auch eben oben angekommen. Auf der Abfahrt überholen mich die Clubfahrer mit aus meiner Sicht zum Teil massiv überhöhter Geschwindigkeit. Die Strasse ist nass und teils mit Kuhkacke vollgeschmiert, haben sie sich das wirklich gut überlegt?
Am Ende der Abfahrt, in Stein an der Enns, beende ich meine Tour. Ich bin wesentlich zu früh hier und habe noch Zeit, in einem Restaurant vorbeizuschauen. Zuerst vertilge ich aber noch mein Brötchen, beziehungsweise probiere einen Bissen davon. Kümmel, arrghhh!. Mülleimer auf und rein damit. Ich werfe sehr selten Lebensmittel fort, aber Kümmel ist einfach unausstehlich für meine Geschmacksnerven. Die Bäckerin in Tamsweg kennt scheinbar ihr Sortiment auch nicht wirklich.
Als mein Regionalzug schliesslich fahren soll wird ausgerufen, er habe 15 - 20 Minuten Verspätung. Uuuuhh, Shit. Könnte knapp werden mit meinem Anschlusszug. Wie auf Nadeln warte ich auf den Zug und bin sehr erleichtert, als er nach 15 Minuten tatsächlich einrollt. Alternativen hätte ich nämlich keine Brauchbaren gehabt. Auch die weitere Strecke bis Wien beziehungsweise Marianka verläuft ohne Probleme, abgesehen von einer Vietnamesin die bestimmt eine Stunde nervig in voller Dröhnstärke nebenan telefoniert. Es ist doch aber meistens so: Je mehr jemand redet, desto weniger hat er zu sagen... If you have nothing to say, say nothing (Zitat Mark Twain).
Epilog:
Zwei Tage rauchen in Marianka nur die grauen Zellen, die Beine kriegen eine Pause. Dann muss ich zurück in die Schweiz. Mein slowakischer Kollege Ladislav bestellt mir ein Taxi für Sonntag morgen 04:30, das mich nach Wien Flughafen bringen soll. Ich stehe also um diese Unzeit vor meiner Unterkunft in dunkelster Nacht und warte. Es kommt aber kein Taxi. Naja, dies ist nicht die Schweiz, von ein paar Minuten Verspätung muss man ausgehen. Als 04:40 immer noch kein Taxi in Sicht ist, werde ich langsam nervös. Plötzlich erscheint Ladislav in Unterhose und Handy am Ohr. Scheinbar hat die Feinjustierung des Abholungsortes nicht gepasst, und der Taxifahrer hat ihn mitten in der Nacht angerufen. Zum Glück war das Handy nicht abgeschaltet. Schliesslich findet uns der Taxifahrer. Als wir losfahren bemerke ich wie auf seiner Armaturenanzeige die Lämpchen für Motorproblem und Service aufleuchten. Alle fünf Minuten klickt er bei der Fahrt zudem eine Fehlermeldung weg. Anfänglich geht es dabei nur um den Dieselpartikelfilter, schliesslich lautet eine Meldung dann aber Engine Fault!, was mich schon ziemlich stutzig macht. Aber die Karre hält durch und so erreiche ich den Wiener Flughafen noch rechtzeitig. Mein Radkoffer macht da auch keine Probleme, ausser dass ich 65 Euro bezahlen muss wegen zuviel Gewicht. 2 kg weniger und ich müsste nichts bezahlen. Arrgh. Da haben scheinbar die Bestimmungen geändert. Hätte ich das nur vorher gewusst, die 2 kg wären leicht einzusparen gewesen.
Zurückblickend war die Woche sehr abwechslungsreich und hat sich trotz schlechten Wetters gelohnt. Jeder Tag war anders als der vorangehende, und auch die kleinen Pannen waren ja nicht ernsthafter Natur und haben am Ende nur zum Erlebnis beigetragen. Ich mache das wohl wieder mal...
Ich bin diese Etappe gefahren und möchte die befahrenen Pässe in mein Palmares eintragen
Ich bin diese Etappe gefahren