Rhone, Alpen, Mittelmeer 2003
660,0 km / 0 Hm
Von tourenwerner –
Aus einer Bieridee wird bitterer Ernst. Nur von unserer Muskelkraft getrieben, wollen wir vom Berner Oberland ans Meer fahren. Nach einigen Diskussionen ob besser mit oder ohne Begleitfahrzeug entschließen wir uns für die Minimalvariante. Wir, das sind 4 Arbeitskollegen und ein Freund aus dem grenznahen Deutschland, die gerne mit dem Velo fahren aber – bis auf unseren „Deutschen“ - keine Kilometerfresser sind. Es ist klar, dass sich jeder auf seine Art und Weise – mehr oder weniger – auf diese Tour vorbereitet hat.
Also starten wir am 16. Juni 2003 nur mit unseren Mountain Bikes und mit dem Notwendigsten im Rucksack und guten Mutes zu unserem Abenteuer. In 5 Etappen und nach gut 600 Kilometer wollen wir Stes-Maries-de-la-Mer erreichen.
Ein gefahrener Pass
Col de la Forclaz
Einzelstrecken
Von tourenwerner –
Den Anfang machen wir uns leicht. Mit dem Zug fahren wir von Spiez nach Goppenstein (Wallis). Von hier startet die erste und gleichzeitig längste Etappe. Sie führt uns bei schönstem Wetter nach Chamonix (115 km). Die ersten 9 Kilometer sind easy zu fahren. Es geht hinunter ins Rhonetal nach Gampel. Hier biegen wir auf den Radweg ein, der entlang der Rhone führt. In Susten nehmen wir die Strasse nach Leuk und über Varen fahren wir durch die Rebberge nach –Sierre. Hier biegen wir wieder auf den Rhone-Radweg ein. Kurz nach Sion ereilt uns auf einem Teilstück mit gröberem Schotter der erste Plattfuss und Erhard kann uns seine Mechanikerkünste erstmals demonstrieren!
In Martigny (459 MüM), nach ca. 65 Kilometern, machen wir Mittagspause. Die Stimmung ist bestens. Bei Pasta und reichlich Cola stärken wir uns für den ersten nennenswerten Aufstieg zum Col de la Forclaz (1'526 MüM). Bald sind wir soweit und die Reise geht weiter. Guten Mutes machen wir uns also auf den Weg. Die Strasse steigt kontinuierlich an und das „Feld“ zieht sich in die Länge. Jeder fährt in seinem Tempo den Berg hoch. Die ersten Rampen scheinen endlos und doch rückt die Passhöhe mit jede Pedalumdrehung näher. Die Sonne brennt erbarmungslos auf uns nieder. Auch im Waldstück erreicht uns die Sonne, da die Strasse sehr breit ist. Nach einigen kurzen Pausen und der Massage von ersten Muskelkrämpfen ist der Berg dann doch endlich besiegt. Wir erholen uns auf dem Pass von den Strapazen und lockern die Muskeln. Nun folgt die Abfahrt auf teilweise schlechter Strasse. In Châtelard passieren wir die Grenze nach Frankreich. Gleich nach der Zollstation beginnt der Aufstieg zum Col de Montets (1'461 MüM). Im Gegensatz zum Col de la Forclaz ist die Steigung moderater und wesentlich kürzer. Von der Passhöhe sind es noch 12 Kilometer bis zum Etappenziel in Chamonix. Um keine Zeit zu verlieren, übernehmen es die Spitzenfahrer Erhard und Marco, voraus zu fahren und Zimmer zu organisieren.
Nach den 2 Aufstiegen geniessen wir die Abfahrt über Argentière nach Chamonix. Gratulation an alle – die erste Etappe ist ohne grössere Probleme geschafft und wir haben uns eine erfrischende Dusche verdient. Beim anschliessenden Bier gibt es viel zu erzählen, denn jeder hat die Fahrt anders erlebt und gibt seine Eindrücke wieder. Nach dem stärkenden Nachtessen auf der Piazza und einem Verdauungsspaziergang fallen wir müde ins Bett.
Ich bin diese Etappe gefahren und möchte die befahrenen Pässe in mein Palmares eintragen
Ich bin diese Etappe gefahren
Von tourenwerner –
Wir haben alle gut geschlafen. Beim Frühstücksbuffet stärken wir uns für die heutige Etappe. Falls alles klappt, werden wir heute Abend in Brignoud (ca. 120 km) übernachten. Bevor es richtig losgeht, füllen wir unsere Vorräte auf. Kurz nach 9.00 Uhr verlassen wir dann Chamonix in Richtung Sallanches. Wir zweigen aber ungefähr 10 km links ab. Auf einer angenehmen Steigung erreichen wir St. Gervais und fahren auf der Höhe weiter nach Megève. Hier fallen einige Tropfen, was uns aber nicht gross stört. Nach einem kurzen Halt zum Auffüllen der Bidons fahren wir weiter in Richtung Albertville, der Olympiastadt. Wir geniessen die Abfahrt durch die wunderschöne Schlucht der Arly. In voller Fahrt platzt mir der Vorderreifen. Marco ist bei mir und hilft die Panne beheben. Die anderen 3 sind weg. Nach ein paar Minuten machen wir uns auf die Aufholjagd. Kurz nach Flumet kommen wir an eine Umleitung. Die talwärts führende Strasse ist gesperrt. Wir müssen die stark ansteigende und sehr schmale Strasse über Hery und Château fahren. Das bringt ungeplante Höhenmeter und einige Mehrkilometer mit sich. Von unseren Kollegen ist weit und breit keine Spur zu sehen und ihr Handy ist ausgeschaltet! In Ugine biegen wir endlich wieder auf unsere „Stammstrecke“ ein und erreichen nun nach 8 Kilometern – die wir wie 2 Zeitfahrer zurücklegen – Albertville. Und siehe da, unsere Kollegen warten auf uns!
Wir machen kurze Mittagspause und nehmen dann den beschwerlichen Weg in Richtung Grenoble unter die Räder. Beschwerlich, weil in der langgezogenen Ebene meistens Gegenwind herrscht. Also nichts wie los! Bis nach Ste. Hélène und Aiton ist die Strecke noch einigermassen abwechslungsreich. Sie schlängelt sich auf der linken Talseite durch kleine Bauerndörfer. Ab Chamoux wird die Strasse dann breiter und es herrscht auch wesentlich mehr Verkehr. Über La Rochette und Goncelin erreichen wir dann endlich Brignoud. Aber: das einzige Hotel im Ort ist ausgebucht! Alternativen gibt es wenig. Also steigen wir wieder aufs Rad und fahren weiter in Richtung Grenoble. Nach weiteren 12 Kilometern erreichen wir St. Ismier, wo wir so gegen 19.00 Uhr doch noch Zimmer finden. Wir sind etwas geschafft. Statt der vorgesehenen 120 Kilometer haben wir wegen der Umleitung auf der Anfahrt nach Albertville und weil in Brignoud keine Zimmer mehr verfügbar waren, gute 140 km zurückgelegt.
Eine ausgedehnte Dusche und das gute Abendessen entschädigen uns für die Mühen und Qualen des Tages. Das Highlight bringt der schon traditionelle Verdauungsspaziergang: im Schlosspark erleben wir den Schluss der Aufführung von „La nuit des hommes morts“. Die Frauen sind in lange weisse Gewänder gehüllt und tanzen wie Elfen durch den Park. Diese Szene bleibt in unseren Erinnerungen hängen. Am nächsten Morgen wird sogar hinter vorgehaltener gemunkelt – niemand gibt es aber offen zu - dass die elfenhaften Wesen sich in dieser Nacht in unsere Träume einschlichen und mit ihren zarten Händen die Beinmuskulatur von einigen Teilnehmern gelockert haben sollen...
Von tourenwerner –
In der vergangenen Nacht hat es leicht geregnet. Jetzt hängen noch einige Wolken am Himmel. Voller Tatendrang starten wir nach dem Frühstück zu unserer 3. Etappe. Vor uns liegt Grenoble. Eine weitere Olympiastadt. Die Strasse führt leicht bergab. Schon bald sind wir mitten drin im Morgenverkehr. Es ist trotz Radweg volle Konzentration geboten! Wir verlassen Grenoble in Richtung Sisteron und erreichen bald das Städtchen Vif. Von hier aus nehmen wir die leichte Steigung nach Monestier-de-Clermont in Angriff. Auf den nächsten 9 Kilometern sind rund 500 Höhenmeter zu bewältigen. Die Landschaft ist sehr schön und abwechslungsreich. Die Strasse schlängelt sich an der linken Talseite entlang nach oben. In Monestier füllen wir unsere Bidons auf. Jetzt steigt die Strasse zum Col du Fau an. Der Aufstieg ist sehr kurz aber ruppig.
Oben angelangt hat man einen wunderschönen Ausblick in Richtung Clelles und auf die umliegenden Hügelzüge und Berge. Bei wenig Verkehr geniessen wir die Abfahrt ins 200 Meter tiefer gelegene Tal weiter in Richtung Süden, wo noch kräftig Landschaft betrieben wird. Wieder mal wird unsere flotte Fahrt von einem Reifendefekt gestoppt. Aber auch das haben wir in der Zwischenzeit im Griff und bald geht die Reise weiter. Nach weiteren 15 Kilometern in mehr oder weniger hügeligem Gelände nehmen wir den Aufstieg zum Col de la Croix Haute (1179 MüM) in Angriff. Das „Feld“ oder besser das Peloton – wir sind ja in Frankreich - zieht sich sofort wieder in die Länge. Wir erreichen die Passhöhe um die Mittagszeit und nehmen die Gelegneheit wahr, uns zu verpflegen. Knapp die Hälfte unseres Tagespensums haben wir hinter uns gebracht. Jetzt folgt noch die fahrt durch das wunderschöne Vallée de Buëch. Die Strasse führt meistens am Fluss entlang und wir beneiden die Touristen, die sich in den Pools räkeln. Aber auch wir werden heute noch zu unserem Bad kommen!
Bald wird es etwas flacher und das Tal wird wieder weiter. Das Wetter ist super und glücklicherweise weht der Wind heute von hinten. So passieren wir die Orte bis Serres im Schnellzugstempo. Nach einem weiteren Plattfuss schalten wir hier einen kurzen Fotohalt ein. Bald geht die Fahrt an grossen Obstplantagen vorbei weiter und wir erreichen unser Etappenziel Laragne-Montéglin. Gleich am Eingang des Ortes auf der linken Seite hat es kleines Hotel mit Swimmingpool. Das lassen wir uns natürlich nicht entgehen!
Wir parkieren unsere Räder in der Einstellhalle und beziehen die Zimmer. Dann aber nichts wie ab in den Pool. Es ist herrlich! Beat organisiert für jeden eine Dose Bier und wir entspannen uns am und im Wasser. Zum Abendessen begeben wir uns ins Zentrum des kleinen Städtchens. Es ist schön warm und in einer Gartenwirtschaft verpflegen wir uns. Wir lassen die während den 3 Tagen zurückgelegten Kilometer noch einmal Revue passieren. Es macht riesigen Spass und wir sind froh, dass wir unser kleines Abenteuer auch wirklich gestartet haben.
Von tourenwerner –
Um es gleich vorweg zu nehmen: heute fahren wir die schönste Etappe unserer Tour! Aber alles der Reihe nach. Zuerst wird wiederum ausgiebig gefrühstückt. Dann werden die kleineren und grösseren Wehwehchen versorgt. Nachdem wir uns im Supermarkt mit Getränken und Nahrung eingedeckt haben, geht es los.
Über eine kleine Verbindungsstrasse fahren wir in Richtung der Gorges de la Méouge. Der ziemlich enge Schlucht führt uns in Richtung Südwesten gegen die Provence hin. Die Strasse steigt dabei leicht an und wir geniessen die wunderschöne Fahrt dem Fluss entlang, der sich durch die Felsen windet. Bald erreichen wir ein Hochplateau auf ungefähr 700 MüM. An saftigen Weiden entlang fahren wir bis Séderon. Hier gibt es eine kurze Pause. Nun folgt der Anstieg zum Col d Macuègne (1068 MüM). Die Sonne brennt erbarmungslos auf uns nieder. Es ist obergeil! Oben auf der Passhöhe angelangt bietet sich einem ein wunderschöner Ausblich zum Mont Ventoux, der sich in ungefähr 50 Kilometern Entfernung befindet. Ja, das wäre jetzt auch noch etwas! Aber das heben wir uns für ein anderes Mal auf.
Nach einigen Fotoaufnahmen fahren wir in einigen Kehren direkt weiter zum Col de l’Homme Mort (1212 MüM). Wieso dieser Pass so heisst, ist uns nicht bekannt. Oben angelangt bietet sich uns ein atemberaubender Ausblick über das Plateau d’Albion mit dem Zentrum Sault. Der Geruch der Lavendelfelder, elche gerade zu blühen beginnen, weht uns entgegen. Phantastisch! Nun geht es bergab. Nach einigen Kilometern erreichen wir Ferrassières und biegen nach Sault ab.
In Sault, dem Zentrum der Lavendelfelder. Besuchen wir kurz den Markt und fahtren dann weiter in Richtung Gordes. Wir fahren nun fernab von jeglichem Verkehr duec hden Bois du Défens. Die schmale Strasse windet sich durch Pinienwälder zum Col de la Ligne, welcher über das Plateau de Vaucluse führt . Von hier aus hat man einen schönen Ausblick zur Gorges de la Nesque.
Auf dem Col de la Ligne überrascht uns wieder die Defekthexe. Marco bzw. sein Bike hat eine gebrochene Felge! Erhard repariert das Teil behelfsmässig und wir 3 anderen fahren mal bis Gordes vor und versuchen, uns Hotelzimmer zu reservieren. Von 756 MüM fahren wir nun über Murs nach Gordes, welches auf 368 MüM liegt. Die Suche nach Zimmern gestaltet sich äusserst schwierig. Auf dem Verkehrsbüro bekommen wir die Antwort, dass mehr oder weniger der ganze Ort ausgebucht sei. Aber dank den örtlichen Kenntnissen finden wir dann im wunderschön gelegenen „Domaine de l’Enclos“ doch noch eine passende Unterkunft. Die Domaine liegt sehr ruhig in einem Park mit grandioser Aussicht auf den Luberon und lässt absolut keine Wünsche offen.
Nach der Ankunft der „Pannenfahrer“ beziehen wir unsere Zimmer und begeben uns zum Pool, wo wir uns entsprechend pflegen und erholen. Eines habe ich noch vergessen: das Wetter ist hochsommerlich!
Den grossen Hunger bekämpfen wir in Gordes selber. Das Essen schmeckt vorzüglich und unsere Stimmung ist unübertrefflich. Bei dieser Hitze muss man ja auch etwas gegen den ewigen Durst tun und so wird der Stapel Bierdosen immer höher und höher...
Zurück im Hotel geniessen wir die tolle sommerliche Atmosphäre bei einem Schlummertrunk auf der Terrasse mit Blick über den Luberon und die Lichter von Cavaillon.
Von tourenwerner –
Frühstück ist erst um 08.30 Uhr angesagt. Wir stärken uns für die letzte Etappe auf der Terrasse und geniessen die wärmende Sonne. Wenn alles klappt, erreichen wir heute Abend das Meer!
Als erstes fahren wir dann nach Cavaillon. Marco braucht für sein Bike unbedingt eine neue Felge. Wir finden sofort einen Veloshop und während Erhard und Marco die Reparatur life mit verfolgen, trinken Beat, Rolf und ich Kaffe in einem Bistro.
Bald geht es dann richtig los. Durch die bekannten und von Kaiser Napoléon gepflanzten Platanen-Alleen fahren wir im Schatten nach St. Rémy-de-Provence. Von hier aus nehmen wir die Steigung auf die Châine des Alpilles, diese komischen Gebirgsformation, in Angriff. Bald ist die Höhe erreicht und es geht in schönen Kurven hinunter in die Ebene. Bereits beginnt die Steigung nach Les Baux-de-Provence. Hier in diesem sehr touristischen Ort essen wir ein Sandwich, spazieren wir durch die engen Gassen und geniessen die Aussicht über das Rhonedelta. Man kann am Horizont das Meer erkennen.
Nun kommt noch die Nachspeise: über Arles, das wir nur am Rande berühren, fahren wir in Richtung der Plaine de la Camargue. Die völlig flachen, knapp 50 Kilometer von Arles bis zu unserem Ziel ziehen sich endlos. Zu der Hitze gesellt sich nun der warme und immer stärker werdende Gegenwind. Aber bald ist es dann doch geschafft und wir sind da! Am Ortsschild gibt es das obligate Zielfoto. Wir finden ein Hotel am Meer.
Auf der einen Seite sind wir völlig happy, dass alles gut geklappt hat und wir heil angekommen sind. Auf der anderen Seite verspüren wir eine grosse Leere, denn so lange haben wir uns auf diesen Event gefreut, davon gesprochen und nun soll plötzlich alles fertig sein?
Wir vertreiben die sentimentalen Gedanken und geniessen das Bad im kühlen Meer. Wir feiern unser gelungenes Abenteuer ausgiebig.
Von tourenwerner –
Völlig unmotiviert frühstücken wir und nehmen dann eher widerwillig die Transferetappe zurück nach Arles unter die Räder. Von hier aus fahren wir mit dem Zug nach Avignon. Morgen geht es dann mit dem TGV (Achtung! Für Fahrräder unbedingt auch Reservieren) zurück in die Schweiz.
Aber so weit ist es noch nicht. In Avignon findet das „Fête de la Musique“ statt. In der ganzen Stadt spielen Bands und es ist der Teufel los. Wir feiern den Abschluss unserer „RAM-Tour 2003“ ausgiebig und lang. Wir machen in der Zwischenzeit nicht nur auf dem Velo eine gute Figur sondern versetzen die Südfranzosen auch mit unseren Tanzkünsten in Verzückung!
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