Riding on the backbone of England 146,4 km / 2805 Hm
Redaktionell bestätigte Tour von AP
Von AP –
Riding on the backbone of England oder Ein Wochenende im Peak District
Im November 2009 hatte ich die Gelegenheit, ein paar Kilometer in England unter die Rennradreifen zu nehmen. Wer sich für meine Erlebnisse interessiert, möge nun unter der Tagliste weiterlesen.
Im November 2009 hatte ich die Gelegenheit, ein paar Kilometer in England unter die Rennradreifen zu nehmen. Wer sich für meine Erlebnisse interessiert, möge nun unter der Tagliste weiterlesen.
5 gefahrene Pässe
Holme Moss, Snake Pass, Mam Tor, Winnats Pass, Saddleworth MoorGesamtstrecke
Einzelstrecken
Von AP –
The first day:
Am 7. November 2009 laufe ich gegen 6 Uhr morgens durch die dunklen Straßen Londons in Richtung Euston Station, in einer einen Hand einen kleinen Koffer, in der andern ein Rennrad. Die Straßen sind noch naß vom Regen der vergangenen Nacht (die eigentlich noch nicht ganz vergangen ist) und es sind nur eine Handvoll von Menschen unterwegs. Warum bin ich einer von ihnen? Nun, ich bin auf dem Weg nach Glossop, von wo aus ich - natürlich auf dem Rad - den Peak District erkunden will.
Zur Vorgeschichte: schon seit einiger Zeit wußte ich, daß ich beruflich den ganzen Monat November in London verbringen würde. Eines der Novemberwochenenden war nicht verplant, und ich hatte schon seit dem Spätsommer überlegt, ob ich dieses nicht zu einer kleinen Spritztour mit dem Rad nutzen könnte. Wann hat man schon einmal die Gelegenheit, in England unterwegs zu sein? Urlaub dort zu machen, ist mir nie in den Sinn gekommen, weil ich in meiner Freizeit lieber in Gegenden unterwegs bin, in denen das Wetter vorhersehbarer und nicht noch wechselhafter als in Deutschland ist. Nach langem Überlegen (und einigen E-mail-Diskussionen mit Preuszenfan Renko , dem hier einmal gedankt sei für seine Ratschläge) gab ich mir einen Ruck und ging die Sache an.
Zunächst mal mußte ein Ziel her. Schön wäre eine Reise in den Lake District, aber der ist doch ziemlich weit weg von London. Zudem hoch im Norden Englands, vielleicht zu hoch für November. Wales klingt sehr verlockend, aber die Zugverbindungen ins Landesinnere sind ab Swansea nicht mehr so üppig. Bilder aus Cornwall haben mich immer fasziniert, aber auch bis dort hin wäre ich den halben Samstag unterwegs gewesen. Am Ende blieb der Peak District übrig; der nördliche Teil mit dem hügeligeren Profil ist in 2,5 Zugstunden ab London zu erreichen.
Aber wo schlage ich mein Quartier auf? Zunächst mal tendierte ich zu Chesterfield oder Buxton, entschied mich dann aber für Glossop östlich von Manchester. Keine schlechte Wahl, wie sich später herausstellte. Dort fand ich auch schnell ein Hotel mit Pub-Restaurant, das George Hotel.
Jetzt zum fahrbaren Untersatz: Ein normales Rad in London zu leihen, ist kinderleicht. Mit Rennrädern sieht es aber anders aus. Nach einiger Suche fand ich einen Triathlonladen mit zwei Niederlassungen, einer in Wimbledon und der anderen etwas weiter nordöstlich außerhalb von Londen. 60 Pfund kostet dort die Miete eines Rennrads für eine Woche. Das schien mir nicht zu teuer zu sein, wollte mir doch ein findiger Radladenbesitzer in Barcelona mal 180 Euro für 4 Tage abknöpfen.
Am Ende blieb nur noch der Kauf des Tickets für den Schnellzug nach Manchester, um die Planung abzuschließen. Das war kein Problem; zwar gibt es in England verschiedene Anbieter für verschiedene Strecken, aber wenn man einmal das richtige Bahnunternehmen gefunden hat, ist der Kauf einer Bahnkarte eine Kleinigkeit. Zudem gar nicht so teuer: hätte ich die Strecke London – Manchester für einen bestimmten Zug an einem bestimmten Tag gebucht, würde mich eine Fahrt 19 Pfund gekostet haben. Der Regionalzug von Manchester nach Glossop wiederum beläuft sich auf keine 4 Pfund pro Fahrt.
Hoffentlich würde nun die Ausführung meiner kurzen Reise auch so reibungslos wie die Vorbereitung verlaufen. Darauf hätte ich im Vorfeld nicht gewettet, zu oft sind mir gerade bei Radreisen in der Vergangenheit nämlich kleinere bis größere Mißgeschicke passiert. Über Vieles hat die gnädige Zeit den Mantel des Vergessens gedeckt, aber einiges ist mir noch sehr gut in Erinnerung, zum Beispiel als ich in Arreau in den Pyrenäen mein Rad aus dem Auto hob und kein Vorderrad zu finden war (das hatte ich beim Einladen in St. Marie de Campan vergessen) oder als mir einmal in den Guilleries der gerade montierte Ersatzschlauch platzte (das nächste Dorf war zum Glück nur 3 Kilometer Fußmarsch entfernt).
Zurück zum dunklen Samstagmorgen. Der Schnellzug bringt mich in 2 Stunden nach Manchester, von dort fährt nur eine Viertelstunde später der Regionalzug nach Glossop. Das Wetter vor Ort ist nicht allzu schlecht, in der Nacht ist ein Regengebiet über die Mitte Englands gezogen, hinter dem der Himmel zeitweise aufreißen soll - und das auch tut. Das George Hotel liegt dem Bahnhof in Glossop genau gegenüber. Man gibt mir einen Zimmerschlüssel, ich ziehe mich um und los geht’s!
Zuerst mal kann ich es kaum glauben. Da wackele ich nun auf einem Fahrrad durch die englische Provinz. Wer hätte das gedacht! Erstmal muß ich mich ein wenig auf grundlegende Dinge konzentrieren, schließlich fährt man in England auf der anderen Seite. Zu allem Überfluß sind die Bremsen am Rad auch vertauscht, sprich der Griff der Hinterradbremse ist links.
Schon aus Glossop heraus begegne ich dem ersten anderen Rennradler. Man ist halt doch nie allein. Und was mir wie eine Straße ins Unbekannte vorkommt, ist für den auf der anderen Seite vielleicht seine ganz normale Trainingsstrecke. Später werde ich auch herausfinden, daß es in Glossop einen Radsportclub gibt. Vielleicht hätte ich auch dort ein Rennrad leihen können und mir so die Schlepperei eines solchen durch halb England erspart.
Der Weg nach Südosten zum Snake Pass ist nicht besonders steil. Was mir natürlich sofort ins Auge springt, ist die Landschaft, die es so in Deutschland nicht gibt. Grüne Schafweiden, voneinander getrennt durch niedrige Mauern, darüber die mit Heide bewachsenen runden Hügelkuppen. Hin und wieder kämpft sich die Sonne durch die Wolken, was dazu führt, daß die herbstlichen braunroten und gelben Farben der Heide geradezu strahlen.
Sehr gewöhnungsbedürftig ist das Gefühl, mit dem ich auf enge, unübersichtliche Kurven zufahre. Mein Unterbewußtsein meldet, auf der falschen Seite unterwegs zu sein, und mit kribbelndem Magen rechne ich fast damit, daß mir ein Auto direkt entgegenkommt und mich umfährt. Nach einer Weile gewöhne ich mich aber an die „falsche“ Straßenseite.
Oben auf dem Pass ist es kühl und windig. Schnell ein paar Fotos vom weiten Hochmoor, und dann geht es runter ins Tal des River Ashop. Es dauert nicht lange und ich stelle fest, daß mein Leihrad bei höheren Geschwindigkeiten anfängt zu wackeln und daß man statt normaler Bremsgummis wohl Radiergummis eingebaut hat. Außerdem muß ich gestehen, daß ich keinen Ersatzschlauch oder Luftpumpe dabei habe. Im Triathlonladen wollte man mir nichts dergleichen zur Verfügung stellen, stattdessen verwies man lapidar darauf, daß ich all diese Gegenstände natürlich kaufen könnte. Also verlasse ich mich darauf, daß ich ohne Panne über die Runden komme.
Auf der Abfahrt taucht ein Fichtenforst auf, aus dem Nebelfetzen aufsteigen, weiter unten stehen goldene Eschen und Erlen am Straßenrand. Auch am Snake Inn komme ich vorbei. Das Tal ist einfach herrlich, mit den eindrucksvollen Herbstfarben, dem rauschenden Bach und den grünen Wiesen. Das Ladybower-Reservoir füllt den Talgrund aus. Dort angekommen scheint die Sonne, die Temperatur ist wesentlich höher als auf dem Pass, es mutet dort fast frühlingshaft an. Eine Weile stehe ich auf einer Brücke über das Reservoir und genieße die Atmosphäre. Nach Norden hin führt oberhalb des Reservoirs eine Straße zum darübergelegenen Derwent-Reservoir, auf der andere Radler unterwegs sind. Das ist aber nicht mein Weg, ich biege am östlichen Ende des Reservoirs nach Süden ab in Richtung Bamford.
Kurz hinter der Kreuzung überhole ich einen weiteren Rennradler, der sich an mich hängt. Wir brausen durch Bamford, das ein uriges Dorf zu sein scheint. Ich bin versucht, anzuhalten, um ein paar Fotos zu schießen, lasse es aber bleiben, damit mein Hintermann nicht eventuell beim Bremsen auf mich draufknallt. Hinter Bamford geht es rechts nach Hope und links nach Hathersage. Ich fahre rechts, der „Lutscher“ zieht grußlos nach links. Hope ist nicht weit weg, und bei dem schönen Wetter komme ich richtig in Schwung. Hinter Hope liegt Castleton am Ende des Hope Valley, wo der Anstieg zum zweiten Pass, dem Winnats Pass, beginnt. In Castleton fallen mir die vielen Pensionen und Inns auf, die Leute leben anscheinend vom Tourismus. Überall sind außerdem Hinweisschilder auf Höhlen aufgestellt, die man inspizieren kann.
Hinter Castleton habe ich den Eindruck, daß die Straße zum Pass von der Hügelkette im Westen verschluckt würde. Der Weg ist eng, kurz, steil und spektakulär. Ein wenig nervend sind die vielen Autofahrer, von denen sich eine ganze Menge an mir vorbeiwurschteln, während ich mich über das Steilstück kämpfe. 20% Steigung, wie am Beginn der Steigung angekündigt, hat es aber nicht. Oben komme ich auf einer trist und verlassen wirkenden Hochfläche an, die sich nach Westen zieht. Im Norden wird sie begrenzt durch eine zweite Hügelkette, über welche die Straße am Mam Tor vorbeiführt. Ich fahre den halben Kilometer in Richtung Chapel-en-le-Frith bis zum Abzweig zum Mam Tor, nicht weil ich vorhabe, von dieser Seite zu jenem Pass zu fahren, sondern um die Strecke mit meinem GPS aufzuzeichen. Thomas würde es mir bestimmt nie verzeihen, wenn die 500 Meter im Tourenplaner fehlten.
Beim Rückweg zum Winnats Pass ist es dann soweit: ein Autofahrer fährt hupend und gestikulierend vorbei. Was will denn der, denke ich, und stelle fest, daß ich rechts unterwegs bin. Was solls, ist nichts passiert.
Der nächste Pass auf meinem Weg ist das besagte Mam Tor, aber ich möchte nicht so schnell wie möglich dorthin, sondern vorher noch eine kleine Runde drehen, um ein wenig mehr vom Peak District zu sehen. Also halte ich mich in Richtung Südwest und erreiche über die Hochfläche und vorbei an einer weiteren, diesmal düsteren und kurzen Hügelkette das Dorf Sparrowpit. Dort esse ich ein mitgebrachtes Brötchen. Das Wetter ist umgeschlagen, die Sonne scheint kaum noch, von Westen her werden die Wolken immer dunkler und es weht wieder ein so kühler Wind wie auf dem Snake Pass. Ich fahre schnell weiter in Richtung Südosten auf einer breiteren, stärker befahrenen Straße. Auf meiner Karte machte diese Straße den Eindruck, durch flaches Gelände zu führen, aber tatsächlich geht es bergauf und bergab. Nach ein paar Meilen stehe ich an einer größeren Kreuzung, wo ich wieder nach Norden in Richtung Hope fahre. Am Horizont ist, wer hätte es gedacht, eine Hügelkette zu sehen, die sich mit den nun schon gewohnten Rot- Gelb- und Grüntönen geschmückt hat. Schnell fällt die Straße ab durch Bradwell hindurch. Vor Bradwell führt die Straße für ein paar Meter durch eine mit Bäumen bestandene Schlucht, was eine willkommene Abwechslung ist zur ziemlich kahlen Hochfläche, die ich vorher überquert habe.
Hinter Bradwell halte ich mich links und bin nun wieder im Hope Valley auf der Straße nach Hope unterwegs. In Hope biege ich rechts ab und fahre durch das Tal von Edale. Dieser Abschnitt meiner Tour ist im Rückblick betrachtet der schönste von allen. Es gibt kaum Verkehr auf diesem engen Sträßchen, ein Bach (der River Noe) plätschert munter in die andere Richtung und ringsum stehen die einsamen, bunten Hügel. Die ganze Szenerie hat einen in sich selbst ruhenden, melancholischen Charakter. Man könnte fast meinen, daß sich die Natur noch ein letztes Mal herausgeputzt hätte und nun zufrieden, aber mit leisem Bedauern, die Beine hochlegte, um die letzten Sonnenstrahlen auszukosten, bevor der Winter alle Lebendigkeit wegwischt.
Der Beginn des Anstiegs zum Mam Tor ist unverkennbar, ohne Vorwarnung steigt die Straße steil an. Aber wie anscheinend bei diesen steilen Straßen in England üblich, ist nichts von langer Dauer. Von der Paßhöhe aus sehe ich, wie ein Schauer in Richtung Bradwell niedergeht. Glück gehabt, da bin ich schon vorbei. Ich fahre zur Hauptstraße runter (dort bin ich schon gewesen bei dem GPS-Aufzeichnungsabstecher vom Winnats Pass aus) und folge dieser über eine lange, sanft ansteigende Gerade am Rushup Edge entlang nach Westen hin. Das Ende der Gerade ist gleichzeitig das Ende der Hochfläche, die Straße fällt nun nach Chapel-en-le-Frith ab.
Am Horizont braut sich nichts Gutes zusammen, die Wolken werden immer düsterer, auch das Ende des Tages rückt näher (in England wird es schon Anfang November kurz nach 16:00 Uhr dunkel, dafür ist es morgens früher hell als in Deutschland). Von Chapel-en-le-Frith bis Glossop fehlen mir noch 11 Meilen auf einer nach Norden verlaufenden Straße. Ein Kinderspiel, denke ich mir, aber wiederum belehrt mich die englische Topographie eines Besseren. Tatsächlich liegen zwischen beiden Orten noch zwei Minipässe - einer vor und einer nach Hayfield -, von denen der zweite von den Einheimischen wohl Chunal Summit genannt wird, wie ich bei einer nachträglichen Recherche herausfinde. Beide sind mit zum Glück nur kurzen Steilstücken versehen. Immer wieder tröpfelt es nun auch vom Himmel herab.
Vom Chunal Summit nach Glossop herab verdichtet sich das Getröpfel zu Regen, was aber auch nichts mehr ausmacht, da ich das Hotel erreiche, bevor ich wirklich naß werden kann. Eigentlich hatte ich für den frühen Abend noch einen Rundgang durch Glossop geplant, aber der Regen hört nicht mehr auf, und so sitze ich einfach ein paar Stunden lang zufrieden im Pub des Hotels. Dieser ist gut besucht, immer wieder kommen Leute auf ein Lager herein und gehen wieder. Das Essen ist nicht umwerfend, aber halbwegs in Ordnung. Es gibt nichts weiter zu tun oder zu sehen, also gehe ich früh auf mein Zimmer.
Am 7. November 2009 laufe ich gegen 6 Uhr morgens durch die dunklen Straßen Londons in Richtung Euston Station, in einer einen Hand einen kleinen Koffer, in der andern ein Rennrad. Die Straßen sind noch naß vom Regen der vergangenen Nacht (die eigentlich noch nicht ganz vergangen ist) und es sind nur eine Handvoll von Menschen unterwegs. Warum bin ich einer von ihnen? Nun, ich bin auf dem Weg nach Glossop, von wo aus ich - natürlich auf dem Rad - den Peak District erkunden will.
Zur Vorgeschichte: schon seit einiger Zeit wußte ich, daß ich beruflich den ganzen Monat November in London verbringen würde. Eines der Novemberwochenenden war nicht verplant, und ich hatte schon seit dem Spätsommer überlegt, ob ich dieses nicht zu einer kleinen Spritztour mit dem Rad nutzen könnte. Wann hat man schon einmal die Gelegenheit, in England unterwegs zu sein? Urlaub dort zu machen, ist mir nie in den Sinn gekommen, weil ich in meiner Freizeit lieber in Gegenden unterwegs bin, in denen das Wetter vorhersehbarer und nicht noch wechselhafter als in Deutschland ist. Nach langem Überlegen (und einigen E-mail-Diskussionen mit Preuszenfan Renko , dem hier einmal gedankt sei für seine Ratschläge) gab ich mir einen Ruck und ging die Sache an.
Zunächst mal mußte ein Ziel her. Schön wäre eine Reise in den Lake District, aber der ist doch ziemlich weit weg von London. Zudem hoch im Norden Englands, vielleicht zu hoch für November. Wales klingt sehr verlockend, aber die Zugverbindungen ins Landesinnere sind ab Swansea nicht mehr so üppig. Bilder aus Cornwall haben mich immer fasziniert, aber auch bis dort hin wäre ich den halben Samstag unterwegs gewesen. Am Ende blieb der Peak District übrig; der nördliche Teil mit dem hügeligeren Profil ist in 2,5 Zugstunden ab London zu erreichen.
Aber wo schlage ich mein Quartier auf? Zunächst mal tendierte ich zu Chesterfield oder Buxton, entschied mich dann aber für Glossop östlich von Manchester. Keine schlechte Wahl, wie sich später herausstellte. Dort fand ich auch schnell ein Hotel mit Pub-Restaurant, das George Hotel.
Jetzt zum fahrbaren Untersatz: Ein normales Rad in London zu leihen, ist kinderleicht. Mit Rennrädern sieht es aber anders aus. Nach einiger Suche fand ich einen Triathlonladen mit zwei Niederlassungen, einer in Wimbledon und der anderen etwas weiter nordöstlich außerhalb von Londen. 60 Pfund kostet dort die Miete eines Rennrads für eine Woche. Das schien mir nicht zu teuer zu sein, wollte mir doch ein findiger Radladenbesitzer in Barcelona mal 180 Euro für 4 Tage abknöpfen.
Am Ende blieb nur noch der Kauf des Tickets für den Schnellzug nach Manchester, um die Planung abzuschließen. Das war kein Problem; zwar gibt es in England verschiedene Anbieter für verschiedene Strecken, aber wenn man einmal das richtige Bahnunternehmen gefunden hat, ist der Kauf einer Bahnkarte eine Kleinigkeit. Zudem gar nicht so teuer: hätte ich die Strecke London – Manchester für einen bestimmten Zug an einem bestimmten Tag gebucht, würde mich eine Fahrt 19 Pfund gekostet haben. Der Regionalzug von Manchester nach Glossop wiederum beläuft sich auf keine 4 Pfund pro Fahrt.
Hoffentlich würde nun die Ausführung meiner kurzen Reise auch so reibungslos wie die Vorbereitung verlaufen. Darauf hätte ich im Vorfeld nicht gewettet, zu oft sind mir gerade bei Radreisen in der Vergangenheit nämlich kleinere bis größere Mißgeschicke passiert. Über Vieles hat die gnädige Zeit den Mantel des Vergessens gedeckt, aber einiges ist mir noch sehr gut in Erinnerung, zum Beispiel als ich in Arreau in den Pyrenäen mein Rad aus dem Auto hob und kein Vorderrad zu finden war (das hatte ich beim Einladen in St. Marie de Campan vergessen) oder als mir einmal in den Guilleries der gerade montierte Ersatzschlauch platzte (das nächste Dorf war zum Glück nur 3 Kilometer Fußmarsch entfernt).
Zurück zum dunklen Samstagmorgen. Der Schnellzug bringt mich in 2 Stunden nach Manchester, von dort fährt nur eine Viertelstunde später der Regionalzug nach Glossop. Das Wetter vor Ort ist nicht allzu schlecht, in der Nacht ist ein Regengebiet über die Mitte Englands gezogen, hinter dem der Himmel zeitweise aufreißen soll - und das auch tut. Das George Hotel liegt dem Bahnhof in Glossop genau gegenüber. Man gibt mir einen Zimmerschlüssel, ich ziehe mich um und los geht’s!
Zuerst mal kann ich es kaum glauben. Da wackele ich nun auf einem Fahrrad durch die englische Provinz. Wer hätte das gedacht! Erstmal muß ich mich ein wenig auf grundlegende Dinge konzentrieren, schließlich fährt man in England auf der anderen Seite. Zu allem Überfluß sind die Bremsen am Rad auch vertauscht, sprich der Griff der Hinterradbremse ist links.
Schon aus Glossop heraus begegne ich dem ersten anderen Rennradler. Man ist halt doch nie allein. Und was mir wie eine Straße ins Unbekannte vorkommt, ist für den auf der anderen Seite vielleicht seine ganz normale Trainingsstrecke. Später werde ich auch herausfinden, daß es in Glossop einen Radsportclub gibt. Vielleicht hätte ich auch dort ein Rennrad leihen können und mir so die Schlepperei eines solchen durch halb England erspart.
Der Weg nach Südosten zum Snake Pass ist nicht besonders steil. Was mir natürlich sofort ins Auge springt, ist die Landschaft, die es so in Deutschland nicht gibt. Grüne Schafweiden, voneinander getrennt durch niedrige Mauern, darüber die mit Heide bewachsenen runden Hügelkuppen. Hin und wieder kämpft sich die Sonne durch die Wolken, was dazu führt, daß die herbstlichen braunroten und gelben Farben der Heide geradezu strahlen.
Sehr gewöhnungsbedürftig ist das Gefühl, mit dem ich auf enge, unübersichtliche Kurven zufahre. Mein Unterbewußtsein meldet, auf der falschen Seite unterwegs zu sein, und mit kribbelndem Magen rechne ich fast damit, daß mir ein Auto direkt entgegenkommt und mich umfährt. Nach einer Weile gewöhne ich mich aber an die „falsche“ Straßenseite.
Oben auf dem Pass ist es kühl und windig. Schnell ein paar Fotos vom weiten Hochmoor, und dann geht es runter ins Tal des River Ashop. Es dauert nicht lange und ich stelle fest, daß mein Leihrad bei höheren Geschwindigkeiten anfängt zu wackeln und daß man statt normaler Bremsgummis wohl Radiergummis eingebaut hat. Außerdem muß ich gestehen, daß ich keinen Ersatzschlauch oder Luftpumpe dabei habe. Im Triathlonladen wollte man mir nichts dergleichen zur Verfügung stellen, stattdessen verwies man lapidar darauf, daß ich all diese Gegenstände natürlich kaufen könnte. Also verlasse ich mich darauf, daß ich ohne Panne über die Runden komme.
Auf der Abfahrt taucht ein Fichtenforst auf, aus dem Nebelfetzen aufsteigen, weiter unten stehen goldene Eschen und Erlen am Straßenrand. Auch am Snake Inn komme ich vorbei. Das Tal ist einfach herrlich, mit den eindrucksvollen Herbstfarben, dem rauschenden Bach und den grünen Wiesen. Das Ladybower-Reservoir füllt den Talgrund aus. Dort angekommen scheint die Sonne, die Temperatur ist wesentlich höher als auf dem Pass, es mutet dort fast frühlingshaft an. Eine Weile stehe ich auf einer Brücke über das Reservoir und genieße die Atmosphäre. Nach Norden hin führt oberhalb des Reservoirs eine Straße zum darübergelegenen Derwent-Reservoir, auf der andere Radler unterwegs sind. Das ist aber nicht mein Weg, ich biege am östlichen Ende des Reservoirs nach Süden ab in Richtung Bamford.
Kurz hinter der Kreuzung überhole ich einen weiteren Rennradler, der sich an mich hängt. Wir brausen durch Bamford, das ein uriges Dorf zu sein scheint. Ich bin versucht, anzuhalten, um ein paar Fotos zu schießen, lasse es aber bleiben, damit mein Hintermann nicht eventuell beim Bremsen auf mich draufknallt. Hinter Bamford geht es rechts nach Hope und links nach Hathersage. Ich fahre rechts, der „Lutscher“ zieht grußlos nach links. Hope ist nicht weit weg, und bei dem schönen Wetter komme ich richtig in Schwung. Hinter Hope liegt Castleton am Ende des Hope Valley, wo der Anstieg zum zweiten Pass, dem Winnats Pass, beginnt. In Castleton fallen mir die vielen Pensionen und Inns auf, die Leute leben anscheinend vom Tourismus. Überall sind außerdem Hinweisschilder auf Höhlen aufgestellt, die man inspizieren kann.
Hinter Castleton habe ich den Eindruck, daß die Straße zum Pass von der Hügelkette im Westen verschluckt würde. Der Weg ist eng, kurz, steil und spektakulär. Ein wenig nervend sind die vielen Autofahrer, von denen sich eine ganze Menge an mir vorbeiwurschteln, während ich mich über das Steilstück kämpfe. 20% Steigung, wie am Beginn der Steigung angekündigt, hat es aber nicht. Oben komme ich auf einer trist und verlassen wirkenden Hochfläche an, die sich nach Westen zieht. Im Norden wird sie begrenzt durch eine zweite Hügelkette, über welche die Straße am Mam Tor vorbeiführt. Ich fahre den halben Kilometer in Richtung Chapel-en-le-Frith bis zum Abzweig zum Mam Tor, nicht weil ich vorhabe, von dieser Seite zu jenem Pass zu fahren, sondern um die Strecke mit meinem GPS aufzuzeichen. Thomas würde es mir bestimmt nie verzeihen, wenn die 500 Meter im Tourenplaner fehlten.
Beim Rückweg zum Winnats Pass ist es dann soweit: ein Autofahrer fährt hupend und gestikulierend vorbei. Was will denn der, denke ich, und stelle fest, daß ich rechts unterwegs bin. Was solls, ist nichts passiert.
Der nächste Pass auf meinem Weg ist das besagte Mam Tor, aber ich möchte nicht so schnell wie möglich dorthin, sondern vorher noch eine kleine Runde drehen, um ein wenig mehr vom Peak District zu sehen. Also halte ich mich in Richtung Südwest und erreiche über die Hochfläche und vorbei an einer weiteren, diesmal düsteren und kurzen Hügelkette das Dorf Sparrowpit. Dort esse ich ein mitgebrachtes Brötchen. Das Wetter ist umgeschlagen, die Sonne scheint kaum noch, von Westen her werden die Wolken immer dunkler und es weht wieder ein so kühler Wind wie auf dem Snake Pass. Ich fahre schnell weiter in Richtung Südosten auf einer breiteren, stärker befahrenen Straße. Auf meiner Karte machte diese Straße den Eindruck, durch flaches Gelände zu führen, aber tatsächlich geht es bergauf und bergab. Nach ein paar Meilen stehe ich an einer größeren Kreuzung, wo ich wieder nach Norden in Richtung Hope fahre. Am Horizont ist, wer hätte es gedacht, eine Hügelkette zu sehen, die sich mit den nun schon gewohnten Rot- Gelb- und Grüntönen geschmückt hat. Schnell fällt die Straße ab durch Bradwell hindurch. Vor Bradwell führt die Straße für ein paar Meter durch eine mit Bäumen bestandene Schlucht, was eine willkommene Abwechslung ist zur ziemlich kahlen Hochfläche, die ich vorher überquert habe.
Hinter Bradwell halte ich mich links und bin nun wieder im Hope Valley auf der Straße nach Hope unterwegs. In Hope biege ich rechts ab und fahre durch das Tal von Edale. Dieser Abschnitt meiner Tour ist im Rückblick betrachtet der schönste von allen. Es gibt kaum Verkehr auf diesem engen Sträßchen, ein Bach (der River Noe) plätschert munter in die andere Richtung und ringsum stehen die einsamen, bunten Hügel. Die ganze Szenerie hat einen in sich selbst ruhenden, melancholischen Charakter. Man könnte fast meinen, daß sich die Natur noch ein letztes Mal herausgeputzt hätte und nun zufrieden, aber mit leisem Bedauern, die Beine hochlegte, um die letzten Sonnenstrahlen auszukosten, bevor der Winter alle Lebendigkeit wegwischt.
Der Beginn des Anstiegs zum Mam Tor ist unverkennbar, ohne Vorwarnung steigt die Straße steil an. Aber wie anscheinend bei diesen steilen Straßen in England üblich, ist nichts von langer Dauer. Von der Paßhöhe aus sehe ich, wie ein Schauer in Richtung Bradwell niedergeht. Glück gehabt, da bin ich schon vorbei. Ich fahre zur Hauptstraße runter (dort bin ich schon gewesen bei dem GPS-Aufzeichnungsabstecher vom Winnats Pass aus) und folge dieser über eine lange, sanft ansteigende Gerade am Rushup Edge entlang nach Westen hin. Das Ende der Gerade ist gleichzeitig das Ende der Hochfläche, die Straße fällt nun nach Chapel-en-le-Frith ab.
Am Horizont braut sich nichts Gutes zusammen, die Wolken werden immer düsterer, auch das Ende des Tages rückt näher (in England wird es schon Anfang November kurz nach 16:00 Uhr dunkel, dafür ist es morgens früher hell als in Deutschland). Von Chapel-en-le-Frith bis Glossop fehlen mir noch 11 Meilen auf einer nach Norden verlaufenden Straße. Ein Kinderspiel, denke ich mir, aber wiederum belehrt mich die englische Topographie eines Besseren. Tatsächlich liegen zwischen beiden Orten noch zwei Minipässe - einer vor und einer nach Hayfield -, von denen der zweite von den Einheimischen wohl Chunal Summit genannt wird, wie ich bei einer nachträglichen Recherche herausfinde. Beide sind mit zum Glück nur kurzen Steilstücken versehen. Immer wieder tröpfelt es nun auch vom Himmel herab.
Vom Chunal Summit nach Glossop herab verdichtet sich das Getröpfel zu Regen, was aber auch nichts mehr ausmacht, da ich das Hotel erreiche, bevor ich wirklich naß werden kann. Eigentlich hatte ich für den frühen Abend noch einen Rundgang durch Glossop geplant, aber der Regen hört nicht mehr auf, und so sitze ich einfach ein paar Stunden lang zufrieden im Pub des Hotels. Dieser ist gut besucht, immer wieder kommen Leute auf ein Lager herein und gehen wieder. Das Essen ist nicht umwerfend, aber halbwegs in Ordnung. Es gibt nichts weiter zu tun oder zu sehen, also gehe ich früh auf mein Zimmer.
Ich bin diese Etappe gefahren
am
Von AP –
The next day:
Am Sonntag werde ich schon um 5:30 Uhr wach, weil es im Zimmer kalt und klamm geworden ist. Was ist passiert? Offensichtlich hat man über Nacht die Heizung ausgestellt, und dazu ist die Feuchtigkeit von draußen durch das schlecht isolierte Fenster hereingekrochen.
Das Frühstück ein paar Stunden später entspricht dem gängigen englischen Landhausstil. Toast, Butter, haufenweise Marmelade, gegrillte Tomaten, Schwarzbrot, gekochte Eier, gerührte Eier, Spiegeleier, Speck, Schinken, Würstchen, Müsli usw. Wahrlich eine gargantueske Aufgabe! Mit den Leuten an der Rezeption mache ich aus, daß ich das Zimmer erst gegen Mittag verlasse, so kann ich vor der Rückfahrt nach London noch duschen.
Erst einmal schwinge ich mich wieder auf den Renner und lege diesmal in die andere Richtung als gestern, sprich Westen, los. Die Straßen sind noch naß, die Wolken hängen tiefer als am Vortag, aber es scheint nicht mehr regnen zu wollen. Nach einem halben Kilometer fällt mir auf, daß ich die Landkarte vergessen habe. Nach Umdrehen steht mir nicht der Sinn, also fahre ich nach Gefühl. Es geht zunächst durch den nordöstlichen Teil des Großraums Manchester, in dem eine Ortschaft in die andere übergeht. Als Teiletappenziel habe ich Stalybridge als Namen im Kopf. Tatsächlich finde ich den Ort auch ziemlich schnell.
Obwohl es noch weit vor Mittag ist, gibt es schon einigen Verkehr auf den Straßen. Zudem spazieren alte Männer in Uniformen mit Orden an der Brust umher, die wohl Veteranen aus einem der Kriege sind, die England im Laufe des 20. Jahrhunderts geführt hat. Vielleicht haben die Männer im zweiten Weltkrieg gekämpft, vielleicht in der Suezkrise.
Sowieso ist in England die erste Novemberhälfte vollgepackt mit Kriegsgedenktagen. Da wäre zum Beispiel der 11. November (Remembrance Day), weil am 11.11.1918 der erste Weltkrieg durch die deutsche Unterzeichnung des Waffenstillstand beendet wurde. Im Vorfeld dieses Tages sieht man überall Veteranen (wahrscheinlich eher nicht aus dem ersten Weltkrieg) auf den Straßen, die Papiermohnblumen (poppies) verkaufen, welche man sich dann ans Revers heftet. Das Geld kommt irgendwelchen Veteranenhilfsorganisationen zu Gute. Wer so etwas in jenen Tagen nicht trägt, ist entweder Ausländer oder ein sozialer Pariah. Meiner Meinung nach ist die Sache ein schönes Beispiel dafür, daß Politiker ihre Wähler für unglaublich dumm halten müssen. Erst schicken sie die Armee in einen sinnlosen Krieg, welcher der Bevölkerung mit gefälschten Unterlagen schmackhaft gemacht wird (es sollte wohl jedem klar sein, welcher Krieg gemeint ist), dann lassen sie das nichtkämpfende Volk für die Veteranen aufkommen, und wehe, es machen nicht alle mit!
In Stalybridge nehme ich nicht die Hauptstraße durch das Tame Valley, sondern biege auf eine parallel dazu nach Norden verlaufende Nebenstraße ab, die am Hang des nördlichen Peak Districts entlang verläuft. In einer der kleinen Ortschaften auf dem Weg komme ich an einer stillgelegten Fabrik vorbei, die wohl aus der Hochzeit des Industrialismus stammt. Immerhin war der Peak District eins seiner frühen Zentren neben Lancashire weiter im Norden. Schließlich erreiche ich die Hauptstraße vom Tame Valley nach Huddersfield, die das Saddleworth Moor durchquert. Dort will ich hinauf.
Über die Morde, welche dort begangen wurden, habe ich schon in der Beschreibung des Moors erzählt. Passenderweise sind seine Höhenlagen in düsteren Nebel gehüllt. Der Weg zum Moor ist ganz ähnlich wie der zum Snake Pass, nur bläst mir heute leider ein unangenehmer Nordostwind entgegen. Das Moor oben sieht noch mehr nach Moor aus als das Bleaklow-Moor am Snake Pass gestern, weil es übersät ist mit großen, schlammigen Pfützen. Ich kann mir richtig vorstellen, wie man hier einen falschen Schritt vom Weg weg macht, in eine Pfütze fällt und langsam im kalten Schlamm nach unten sinkt. Im Nebel verhallen alle Schreie ungehört. Und ganz am Ende, wenn man schon bis zum Kinn in der Pfütze steckt, taucht aus dem Nebel der schwarze Hound of the Baskervilles auf und hebt sein Beinchen über dem versinkenden Kopf.
Schluß mit diesen morbiden Gedanken! Tatsächlich bin ich froh, als die Straße nach dem kilometerlangen Geradeausstück durchs Moor ins Holme Valley abfällt. In Holmfirth biege ich rechts ab und fahre nach Südwesten hin dem Talende entgegen. Die Wolken hängen immer noch sehr tief über den grünen Schafsweiden, das Ambiente kann als Muster für eine depressive Sonntagvormittagstimmung herhalten.
Im nächsten Ort, Holmbridge, beginnt der Anstieg zum letzten Pass meines Peak-District-Wochenendes, dem Holme Moss, direkt hinter der großen Kirche im Zentrum. Holmbridge ist vom Saddleworth Moor aus auch über einen kürzeren Weg zu erreichen, wie ich feststelle, man fährt dazu oberhalb von Holmfirth am Digley Reservoir vorbei.
Zwischen dem Paß und Holmbridge liegt noch ein Dorf namens Holme. Dort sehe ich eine Frau im T-Shirt einen Kinderwagen durch die Straßen schieben. Nun ja, 6 oder 7 Grad im grauen November sind ja fast wie im Frühling, da kann man auch mal die Jacke weglassen. Über dem Holme Moss, eigentlich auch ein Hochmoor, liegt wieder Nebel. Die Steigung ist wesentlich spürbarer als am Saddleworth Moor, wenn auch etwas gnädiger als am Mam Tor.
Auf der Abfahrt ins Longdendale ist der Nebel wunderbarerweise wie weggeblasen. Unten im Tal muß ich für ein paar hundert Meter auf die Woodhead-Pass-Road, welche in den Großraum Sheffield hinüberführt und die am stärksten befahrene Straße ist, die ich während der zwei Tage gesehen habe. Zwischen zwei Reservoirs biegt dann eine Landstraße nach Süden in Richtung Glossop ab.
Auf der Landstraße angekommen, bricht noch einmal die Sonne zwischen den Wolken hindurch und bringt die prächtigen herbstlichen Farben der Hügel zum Leuchten. Eine Weile bleibe ich am Straßenrand stehen. Weil die Landstraße höher verläuft als die Hauptstraße, habe ich von dort aus einen weiten Blick über das Tal mit den bunten Hängen und der blauen Kette von Reservoirs. Auf einem Reservoir sind sogar ein paar Windsurfer unterwegs.
Nun heißt es langsam Abschied nehmen vom Peak District. Wer weiß, ob ich hier jemals wieder vorbeikomme. Hinter einer letzten Kuppe breitet sich Glossop im Tal aus. Eine kurze Abfahrt bringt mich direkt zum Hotel. Und damit ist mein Englandabenteuer beendet.
Auch vom Rest meiner Reise möchte ich schnell erzählen. Im Bahnhof sagt man mir, daß kein Zug nach Manchester führe und stattdessen ein Bus käme (Originalton: „There´s a boss!“). Der Busfahrer ist ein netter, ziemlich junger indischstämmiger Mann, der mich ohne viel Federlesens mit dem Rad einsteigen läßt. Um 14:02 Uhr betrete ich den Hauptbahnhof Manchesters. Ein Schnellzug nach London fährt um 14:05 Uhr ab. Ich sprinte zum Bahnsteig und schaffe es gerade noch so. Was für ein Glück! Ein paar Minuten später sehe ich die Außenbezirke Manchesters am Zugfenster vorbeiziehen und fasse es noch gar nicht, daß alles so gut geklappt hat. Zur Feier des Tages muß ein Ale aus dem Zugrestaurant her.
Fare thee well, Peak District!
Am Sonntag werde ich schon um 5:30 Uhr wach, weil es im Zimmer kalt und klamm geworden ist. Was ist passiert? Offensichtlich hat man über Nacht die Heizung ausgestellt, und dazu ist die Feuchtigkeit von draußen durch das schlecht isolierte Fenster hereingekrochen.
Das Frühstück ein paar Stunden später entspricht dem gängigen englischen Landhausstil. Toast, Butter, haufenweise Marmelade, gegrillte Tomaten, Schwarzbrot, gekochte Eier, gerührte Eier, Spiegeleier, Speck, Schinken, Würstchen, Müsli usw. Wahrlich eine gargantueske Aufgabe! Mit den Leuten an der Rezeption mache ich aus, daß ich das Zimmer erst gegen Mittag verlasse, so kann ich vor der Rückfahrt nach London noch duschen.
Erst einmal schwinge ich mich wieder auf den Renner und lege diesmal in die andere Richtung als gestern, sprich Westen, los. Die Straßen sind noch naß, die Wolken hängen tiefer als am Vortag, aber es scheint nicht mehr regnen zu wollen. Nach einem halben Kilometer fällt mir auf, daß ich die Landkarte vergessen habe. Nach Umdrehen steht mir nicht der Sinn, also fahre ich nach Gefühl. Es geht zunächst durch den nordöstlichen Teil des Großraums Manchester, in dem eine Ortschaft in die andere übergeht. Als Teiletappenziel habe ich Stalybridge als Namen im Kopf. Tatsächlich finde ich den Ort auch ziemlich schnell.
Obwohl es noch weit vor Mittag ist, gibt es schon einigen Verkehr auf den Straßen. Zudem spazieren alte Männer in Uniformen mit Orden an der Brust umher, die wohl Veteranen aus einem der Kriege sind, die England im Laufe des 20. Jahrhunderts geführt hat. Vielleicht haben die Männer im zweiten Weltkrieg gekämpft, vielleicht in der Suezkrise.
Sowieso ist in England die erste Novemberhälfte vollgepackt mit Kriegsgedenktagen. Da wäre zum Beispiel der 11. November (Remembrance Day), weil am 11.11.1918 der erste Weltkrieg durch die deutsche Unterzeichnung des Waffenstillstand beendet wurde. Im Vorfeld dieses Tages sieht man überall Veteranen (wahrscheinlich eher nicht aus dem ersten Weltkrieg) auf den Straßen, die Papiermohnblumen (poppies) verkaufen, welche man sich dann ans Revers heftet. Das Geld kommt irgendwelchen Veteranenhilfsorganisationen zu Gute. Wer so etwas in jenen Tagen nicht trägt, ist entweder Ausländer oder ein sozialer Pariah. Meiner Meinung nach ist die Sache ein schönes Beispiel dafür, daß Politiker ihre Wähler für unglaublich dumm halten müssen. Erst schicken sie die Armee in einen sinnlosen Krieg, welcher der Bevölkerung mit gefälschten Unterlagen schmackhaft gemacht wird (es sollte wohl jedem klar sein, welcher Krieg gemeint ist), dann lassen sie das nichtkämpfende Volk für die Veteranen aufkommen, und wehe, es machen nicht alle mit!
In Stalybridge nehme ich nicht die Hauptstraße durch das Tame Valley, sondern biege auf eine parallel dazu nach Norden verlaufende Nebenstraße ab, die am Hang des nördlichen Peak Districts entlang verläuft. In einer der kleinen Ortschaften auf dem Weg komme ich an einer stillgelegten Fabrik vorbei, die wohl aus der Hochzeit des Industrialismus stammt. Immerhin war der Peak District eins seiner frühen Zentren neben Lancashire weiter im Norden. Schließlich erreiche ich die Hauptstraße vom Tame Valley nach Huddersfield, die das Saddleworth Moor durchquert. Dort will ich hinauf.
Über die Morde, welche dort begangen wurden, habe ich schon in der Beschreibung des Moors erzählt. Passenderweise sind seine Höhenlagen in düsteren Nebel gehüllt. Der Weg zum Moor ist ganz ähnlich wie der zum Snake Pass, nur bläst mir heute leider ein unangenehmer Nordostwind entgegen. Das Moor oben sieht noch mehr nach Moor aus als das Bleaklow-Moor am Snake Pass gestern, weil es übersät ist mit großen, schlammigen Pfützen. Ich kann mir richtig vorstellen, wie man hier einen falschen Schritt vom Weg weg macht, in eine Pfütze fällt und langsam im kalten Schlamm nach unten sinkt. Im Nebel verhallen alle Schreie ungehört. Und ganz am Ende, wenn man schon bis zum Kinn in der Pfütze steckt, taucht aus dem Nebel der schwarze Hound of the Baskervilles auf und hebt sein Beinchen über dem versinkenden Kopf.
Schluß mit diesen morbiden Gedanken! Tatsächlich bin ich froh, als die Straße nach dem kilometerlangen Geradeausstück durchs Moor ins Holme Valley abfällt. In Holmfirth biege ich rechts ab und fahre nach Südwesten hin dem Talende entgegen. Die Wolken hängen immer noch sehr tief über den grünen Schafsweiden, das Ambiente kann als Muster für eine depressive Sonntagvormittagstimmung herhalten.
Im nächsten Ort, Holmbridge, beginnt der Anstieg zum letzten Pass meines Peak-District-Wochenendes, dem Holme Moss, direkt hinter der großen Kirche im Zentrum. Holmbridge ist vom Saddleworth Moor aus auch über einen kürzeren Weg zu erreichen, wie ich feststelle, man fährt dazu oberhalb von Holmfirth am Digley Reservoir vorbei.
Zwischen dem Paß und Holmbridge liegt noch ein Dorf namens Holme. Dort sehe ich eine Frau im T-Shirt einen Kinderwagen durch die Straßen schieben. Nun ja, 6 oder 7 Grad im grauen November sind ja fast wie im Frühling, da kann man auch mal die Jacke weglassen. Über dem Holme Moss, eigentlich auch ein Hochmoor, liegt wieder Nebel. Die Steigung ist wesentlich spürbarer als am Saddleworth Moor, wenn auch etwas gnädiger als am Mam Tor.
Auf der Abfahrt ins Longdendale ist der Nebel wunderbarerweise wie weggeblasen. Unten im Tal muß ich für ein paar hundert Meter auf die Woodhead-Pass-Road, welche in den Großraum Sheffield hinüberführt und die am stärksten befahrene Straße ist, die ich während der zwei Tage gesehen habe. Zwischen zwei Reservoirs biegt dann eine Landstraße nach Süden in Richtung Glossop ab.
Auf der Landstraße angekommen, bricht noch einmal die Sonne zwischen den Wolken hindurch und bringt die prächtigen herbstlichen Farben der Hügel zum Leuchten. Eine Weile bleibe ich am Straßenrand stehen. Weil die Landstraße höher verläuft als die Hauptstraße, habe ich von dort aus einen weiten Blick über das Tal mit den bunten Hängen und der blauen Kette von Reservoirs. Auf einem Reservoir sind sogar ein paar Windsurfer unterwegs.
Nun heißt es langsam Abschied nehmen vom Peak District. Wer weiß, ob ich hier jemals wieder vorbeikomme. Hinter einer letzten Kuppe breitet sich Glossop im Tal aus. Eine kurze Abfahrt bringt mich direkt zum Hotel. Und damit ist mein Englandabenteuer beendet.
Auch vom Rest meiner Reise möchte ich schnell erzählen. Im Bahnhof sagt man mir, daß kein Zug nach Manchester führe und stattdessen ein Bus käme (Originalton: „There´s a boss!“). Der Busfahrer ist ein netter, ziemlich junger indischstämmiger Mann, der mich ohne viel Federlesens mit dem Rad einsteigen läßt. Um 14:02 Uhr betrete ich den Hauptbahnhof Manchesters. Ein Schnellzug nach London fährt um 14:05 Uhr ab. Ich sprinte zum Bahnsteig und schaffe es gerade noch so. Was für ein Glück! Ein paar Minuten später sehe ich die Außenbezirke Manchesters am Zugfenster vorbeiziehen und fasse es noch gar nicht, daß alles so gut geklappt hat. Zur Feier des Tages muß ein Ale aus dem Zugrestaurant her.
Fare thee well, Peak District!
Ich bin diese Etappe gefahren
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