Tagestour Albis-Sattel-Ibergeregg 124,2 km / 2143 Hm
Redaktionell bestätigte Tour von Renko
Von Renko –
21. Februar 2010
Der Winter 2010 hat sich wie auch weiter nach Norden hin als überdurchschnittlich kalt und vor allem schneereich präsentiert. Kurz mild, dann wieder Schnee, und heute Sonntag soll es kalt und sonnig sein.
Für die kommende Woche soll sich das Winterwetter in den Norden zurückziehen, und mit jedem helleren Tag verschwinden die Chancen eines neuen Einbruchs.
Bildet dieses Wochenende denn das Ende der geschlossenen Schneedecke in den tiefsten Lagen der Alpennordseite? Ist dieser tolle Winter nun für uns Flachländer nun definitiv vorbei?
Höchste Zeit deshalb, eine (letzte) Runde durch die schneebedeckte Landschaft der Voralpenlandschaft zu drehen, und damit den Abschluss des Winters zu markieren.
Die Tour geht erst um 9:30 los wegen eines Plattreifens. Bei null Grad radle ich den Hügel nach dem Zürcher Knotenpunkt Bellevue hinab. Danach geht es auf schon oft befahrenem Weg: zuerst durch die heute menschenleeren Stadtquartiere von Enge und Wollishofen. Dann steigt die Strasse kurz hinauf und führt weiter hinab ins Sihltal. Hier ist alles bereits weiss. Danach die durch die Öffnung des Üetliberg-Autobahntunnels entlastete Albis-Strasse. Mit jedem Meter Höhengewinn wächst die Schneedecke, die Ausblicke auf die Glarner Alpen im Hintergrund sind heute prächtig.
Meine Knie passen sich nicht ganz schweigend an die Rennrad-Belastungen an - ein schlechtes Zeichen für den weiteren Verlauf, oder lediglich der sprichwörtliche "Storm in a Teacup"?
Am Pass, nicht ganz 800m über Meer, gibt's regen Ausflugsverkehr. Kurze Pause, Bekleidung auf, und los geht's in die Abfahrt.
Der Pass bildet eine Wasserscheide zwischen dem Raum Zürichsee und der Innerschweiz (Zuger Becken). Aber die Seite hinter dem Pass gehört trotzdem zum Kanton Zürich.
Nach kurzer Abfahrt erreicht man den Abzweig zum Türler See. Am 3. Januar war die Bildung der Eisdecke gerade im Gange, nun ist die Eisdecke unter Schnee verschwunden. So populär wie der kleine See im Sommer sein mag, ist er heute komplett menschenleer.
Danach geht es ein wenig flach, dann erreiche ich Hausen am Albis. Nun rechts, direkt in den Süden, folgt Kappel. Von hier öffnet sich der Blick auf die Innerschweizer Ebene des Kanton Zugs mit dem gleichnamigen See. Und dahinter ragt die Ikone der Zentralschweiz, der 1790m hohe Rigi. Zwar für Alpenverhältnisse von bescheidener Höhe, dominiert der Rigi wie andere Vorposten der Alpen, so zum Beispiel der Säntis, Mont Ventoux, Monte Grappa.
Die Abfahrt zum Zuger Steuerparadies Baar ist rasant und entsprechend kalt. Ein Café bietet die Gelegenheit aufzuwärmen. Im Innern ist die Luft stickig mit Rauch. Mich macht es nichts aus, ich rauchte viele Jahre und hörte nur per Zufall auf. 2003 versuchte ich mit einem anderen Rennrad, das ich auch heute noch benütze, vom Genfersee nach Nizza zu fahren. Das problematische linke Knie, das zum Abbruch der jungen Radkarriere sechs Jahre zuvor geführt hatte, benahm sich nach anfänglichen Problemen ganz brav. In Nizza war ich dann eine Wochen mit Kollegen, dann drei Wochen an der Uni in Moskau. Danach war die Nikotinsucht besiegt. Nicht ganz ohne Neid auf die Raucher sitze ich und tanke mit Pain au Chocolat auf.
Dann zurück in die Kälte. Hier unten ist der Schnee beinahe weg. Im serpentinenreichen Aufstieg zur Hauptstrasse Zug-Ägeri ist der Hang weiss. Die Energie fliesst, die Bekleidung kann ich langsam abziehen, Stück für Stück, zuerst die Jacke, dann gepolstertes Langarmtrikott, dann Winterhandschuhe. Die Musik spielt am Walkman, Stimmung traumhaft!
Weiter geht es meist im Schatten. Vorsicht geboten - da und dort vereiste Stellen. An der langen Brücke dann ganz schön rutschig - die Feuchte ist frostig. Bald macht das Tal auf, der Ägerisee ist erreicht. Er ist leider nicht zugefroren, aber im Dorf liegt jede Menge Schnee.
Die Ortschaft bildet auch eine Steueroase. Die ursprüngliche, vom Katholismus geprägte Bevölkerung, mit vielen Zuzüglern aus Zürich, Deutschland, auch Russland und die allgegenwärtigen Expats, aus 100 Nationen aber alle irgendwie eine neue Nationalität - das "Multinational-Volk".
Parallelgesellschaften? Ich frage mich, wie die zwei Welten miteinander umgehen? Oder aneinander vorbeigehen?
Der See am Ufer ist nun teilweise zugefroren. Auf der anderen Seite um so mehr. Dort sind auch die Bäume weiss, Samstag früh hatte es bis 500m herab geschneit, und der Ägerisee ist über 700m hoch.
Am Ufer wird es bei erhöhter Geschwindigkeit rasch kälter, dann folgt die kurze Aufstieg nach Morgarten. Hier beginnen sich leider schon beide Knie zu melden. Kein gutes Zeichen...
An der Kapelle ist es schattig, tief verschneit, tolle Stimmung! Dann der Übergang und die wenigen flachen Meter zum Dorf Sattel.
Von Sattel gibt es eine interessante Variante nach der Mostelegg, dann an der sehr steilen Haggenegg-Strasse hinab nach Schwyz. Versuchung, Neugier sind gross, aber kaum möglich, dass diese Nebenstrassen vollständig schneefrei sind. Es ist ja erst Mitte Februar...
Deshalb wähle ich die Hauptstrasse weiter. Zur grossen Freude ist das Tal komplett weiss, offenbar bläst seit langem der Föhn nicht mehr. Unten liegt die Stadt Schwyz, die ich noch nie in weiss gesehen habe. Klasse...
Schwyz erreicht, bin ich vom Blick auf den Mythen beeindruckt. Der Berg wirkt unbeschreiblich gross hinter den Stadtgebäuden.
Es ist inzwischen bereits halb eins, so fahre ich nun weiter auf einer meiner Lieblingsauffahrten. Die Ibergeregg, nur bescheidene 1404m hoch, ist zwar an Wochenenden verkehrsreich, aber zu meiner Freude nicht ausgebaut, jedoch gut asphaltiert, in der oberen Hälfte sehr aussichtsreich, und mit zwei tollen Varianten unten. Die erste beginnt im vorderen Muotathal und führt über die malerisch gelegene Ortschaft Illgau. Die zweite führt knapp links der normalen Strasse, ist im Gegensatz zu jener Strasse nicht vom Wald zur Aussichtslosigkeit degradiert. Die wähle ich heute.
Im Nachbarort Rickenbach biege ich links, hier geht es mit gut 16% Steigung ziemlich heftig zur Sache. Nach 100m habe ich schon Probleme mit dem rechten Knie. Wenig danach, als die Strasse scharf rechts biegt, zwingt auch das linke Knie zur Pause.
Danach ist die Steigung etwas moderater, aber die Sache ist gekippt, von nun an wird es nur Schmerz geben. Ich quäle mich weiter, bald ist die Strasse kurz schneebedeckt.
Nun Umplanung: die verschneiten Passagen nütze ich, um die Knie zu schonen, sich ein kleines Bisschen zu erholen. Dann wieder rauf und die schneefreien Passagen fahren.
Immerhin sind die Bedingungen sonst perfekt: die Sonne scheint, der Wind ist still, der Hang ist komplett schneebedeckt, und die Ausblicke auf Vierwaldstättersee und Rigi sind uneingeschränkt. Es ist ein Traumtag, und ich geniesse die Laufpassagen nicht weniger als die fahrbaren. Und keine Autos....
Bald ist der Abzweig zur Ibergeregg-Strasse errecht. Zuerst fahrbar, dann nur mit Vorsicht, dann gar nicht mehr. Aber nur wenig weiter ist die Hauptstrasse geschafft...
Die Strasse ist nass, jede Menge Autoverkehr ist unterwegs. Die Knie schmerzen kontinuierlich, wie ich das heute schaffen soll? Auf 1000m Höhe erreicht man einen Skilift, der Parkplatz ist voll. Pause...
Dann weiter. Zur Überraschung ist die Strasse hinter der ersten Kehre schneebedeckt. Wieder laufen...dann wieder fahren. Dann wieder laufen...dann weiter im Sattel. Die letzten zwei Kehren sind schneefrei, aber die Knie schmerzen grausam, ich laufe die steilen Kehren, hier 14%, hoch. Dann wieder im Sattel, die letzten anderthalb Kilometer sind flacher. Inzwischen strömen hohe Wolken aus Südwesten. Mit der Höhe ist es auch spürbar kälter, heute in 2000m Höhe maximal minus fünf Grad, aber dies erst am Abend. Brrrr.....
Quälend wird der Pass erreicht. Ich stelle das Fahrrad ab und benütze den Lift. An der Terrasse bestelle ich Cola und Karottentorte. Hier war der TV-Sender Tele-Züri im Oktober, da es enorm viel geschneit hatte. Die Mundart der Kellnerin war weit weg von Zürcher Dialekt obwohl die Entfernung recht klein ist. Die Schweiz - ein Mikrokosmos Europas?
Die Sonne ist nur mehr milchig. Somit verschwindet auch die Schönheit der Ausblicke auf den Vierwaldstättersee, die im Herbst zu den hübscheren der Schweizer Alpen gehören...
Oben auf der Terrasse mache ich mich auf die kommende Abfahrt bereit. Erfahrung auf Schnee habe ich schon reichlich gesammelt, aber die Erfahrung in den Bergen wirkt irgendwie wichtiger. Ich fühle mich komplett zu Hause, obwohl nicht gerade überraschenderweise kein einziger Radler hier oben ist. Diese Entspannung scheint der Schlüssel zum Erfolg zu sein. Killerauffahrten gehen durch den Kopf: Galibier im 2003, Colle dei Morti, Monte Zoncolàn im 2005, Jenesien-Edelweiss April 2006. Schlimm war's immer dort, wo man vorher nie war. Aber wo man schon war, ist alles anders. Sind es inzwischen sechs, zehn Besuche auf der Ibergeregg? Da müsste man inzwischen jede Kurve kennen!
Diese Auffahrt von Schwyz auf die Ibergeregg begeistert: die gute Asphaltierung und schlängelnde Trassenführung unten erinnern ein wenig an die Auffahrt von Mazzo in Valtellina auf den Passo Mortirolo. Einfach weniger steil. Im Winter zauberhaft, aber im goldenen Herbst ist's hier oben so schön wie vielleicht nur im Oberengadin - meine schönsten Fotos stammen vom Pragelpass und der Ibergeregg aus Oktober 2004 mit einem Analog-Apparat. Und hier ist man kaum eine Stunde von Zürich entfernt!
Die Sonne ist beinahe verschwunden und es ist richtig kalt. Bekleidung auf, Lycra-Kopfschutz am wichtigsten, dann Helm, dann los. Diese schattigere Seite könnte richtig heikel sein, im schlimmsten Fall geht's halt zu Fuss. Aber wie wird es schliesslich sein?
Die folgenden Kilometer gehören zu den anspruchsvollsten, gleichzeitig spannendsten im Sattel. So wie eine steile Skiabfahrt richtig Spass macht, indem man gefordert wird, so auch hier. Die Strasse ist zuerst nass, dann steige ich wegen einer harten Schnee-Eisschicht ab. Danach geht es wieder.
Teilweise ist es schneefrei, dann Abschnitte mit eisigem Schmelzwasser, dann nur feucht, dann ist die Feuchte wieder rutschig, dann gibt es nur eine schneefreie Fahrspur, dann ist nur die Mitte der schmalen Strasse schneefrei und ich bin auf die vorsichtig fahrenden entgegenkommenden, für meine Schwierigkeiten verständnisvollen Autofahrer angewiesen. Dann ist die rechte Fahrspur wieder schneefrei. Und dann, hinter einer leichten Kurve, geht diese Fahrspur zu Ende. Aber kein Problem, heute ist mein Tag, ich bin ja halt zu Hause, und habe mit dieser Gefahr auch schon gerechnet...
Schliesslich folgt die Abfahrt rasch hinab ins Tal. Alles schneefrei, brauche ich nur auf Eisblöcke von Autos aufzupassen. Unten bin ich, schon sehr froh, in dem folgenden, kurzen Gegenanstieg wird der Versuch in den Wiegetritt zu gehen zur Farce: die Knie sind nun auch festgefroren und unbrauchbar. Zurück im Sattel und mit grosser Mühe, durch knirschenden Zähne, ist die Miniauffahrt mit minimalster Geschwindigkeit geschafft...
Ein Café lädt zur Pause, die Knie brauchen dringend Pflege, aber ich ahne kommende Kälte. Weiter geht es flach, möglichst wenig drehen, nun nur die Knie möglichst schonen. Hinter dem schneebedeckten Sihlsee steigt die Strasse etwas an, Schmerz ohne Ende...
Danach mal flach, mal leicht abfallend. Der Rückreiseverkehr aus Hoch Ybrig, einem der beliebten Skigebiete Zürichs, ist heftig, zudem kommen die Langläufer dazu. Das Gebiet um Einsiedeln ist in guten Wintern ein Eldorado für die "liftfreien" Zweibrettler...
Trotz reduzierter Geschwindigkeit bin ich meist schneller als der stockende Autoverkehr. Bald ist Schindellegi erreicht, die Strasse führt nun konstant hinab - freies Rollen. Dann geht die Abfahrt am Zürichsee zu Ende.
Ich halte die Qual noch recht lange aus, die Stadt Wädenswil ist auch schon hinter mir. Aber als ich Horgen nähere, schaffen die Knie nur mehr ein Dutzend Drehungen am Stück, für heute ist es vorbei. Der Zug soll die Tour zu Ende führen.
Der Winter 2010 hat sich wie auch weiter nach Norden hin als überdurchschnittlich kalt und vor allem schneereich präsentiert. Kurz mild, dann wieder Schnee, und heute Sonntag soll es kalt und sonnig sein.
Für die kommende Woche soll sich das Winterwetter in den Norden zurückziehen, und mit jedem helleren Tag verschwinden die Chancen eines neuen Einbruchs.
Bildet dieses Wochenende denn das Ende der geschlossenen Schneedecke in den tiefsten Lagen der Alpennordseite? Ist dieser tolle Winter nun für uns Flachländer nun definitiv vorbei?
Höchste Zeit deshalb, eine (letzte) Runde durch die schneebedeckte Landschaft der Voralpenlandschaft zu drehen, und damit den Abschluss des Winters zu markieren.
Die Tour geht erst um 9:30 los wegen eines Plattreifens. Bei null Grad radle ich den Hügel nach dem Zürcher Knotenpunkt Bellevue hinab. Danach geht es auf schon oft befahrenem Weg: zuerst durch die heute menschenleeren Stadtquartiere von Enge und Wollishofen. Dann steigt die Strasse kurz hinauf und führt weiter hinab ins Sihltal. Hier ist alles bereits weiss. Danach die durch die Öffnung des Üetliberg-Autobahntunnels entlastete Albis-Strasse. Mit jedem Meter Höhengewinn wächst die Schneedecke, die Ausblicke auf die Glarner Alpen im Hintergrund sind heute prächtig.
Meine Knie passen sich nicht ganz schweigend an die Rennrad-Belastungen an - ein schlechtes Zeichen für den weiteren Verlauf, oder lediglich der sprichwörtliche "Storm in a Teacup"?
Am Pass, nicht ganz 800m über Meer, gibt's regen Ausflugsverkehr. Kurze Pause, Bekleidung auf, und los geht's in die Abfahrt.
Der Pass bildet eine Wasserscheide zwischen dem Raum Zürichsee und der Innerschweiz (Zuger Becken). Aber die Seite hinter dem Pass gehört trotzdem zum Kanton Zürich.
Nach kurzer Abfahrt erreicht man den Abzweig zum Türler See. Am 3. Januar war die Bildung der Eisdecke gerade im Gange, nun ist die Eisdecke unter Schnee verschwunden. So populär wie der kleine See im Sommer sein mag, ist er heute komplett menschenleer.
Danach geht es ein wenig flach, dann erreiche ich Hausen am Albis. Nun rechts, direkt in den Süden, folgt Kappel. Von hier öffnet sich der Blick auf die Innerschweizer Ebene des Kanton Zugs mit dem gleichnamigen See. Und dahinter ragt die Ikone der Zentralschweiz, der 1790m hohe Rigi. Zwar für Alpenverhältnisse von bescheidener Höhe, dominiert der Rigi wie andere Vorposten der Alpen, so zum Beispiel der Säntis, Mont Ventoux, Monte Grappa.
Die Abfahrt zum Zuger Steuerparadies Baar ist rasant und entsprechend kalt. Ein Café bietet die Gelegenheit aufzuwärmen. Im Innern ist die Luft stickig mit Rauch. Mich macht es nichts aus, ich rauchte viele Jahre und hörte nur per Zufall auf. 2003 versuchte ich mit einem anderen Rennrad, das ich auch heute noch benütze, vom Genfersee nach Nizza zu fahren. Das problematische linke Knie, das zum Abbruch der jungen Radkarriere sechs Jahre zuvor geführt hatte, benahm sich nach anfänglichen Problemen ganz brav. In Nizza war ich dann eine Wochen mit Kollegen, dann drei Wochen an der Uni in Moskau. Danach war die Nikotinsucht besiegt. Nicht ganz ohne Neid auf die Raucher sitze ich und tanke mit Pain au Chocolat auf.
Dann zurück in die Kälte. Hier unten ist der Schnee beinahe weg. Im serpentinenreichen Aufstieg zur Hauptstrasse Zug-Ägeri ist der Hang weiss. Die Energie fliesst, die Bekleidung kann ich langsam abziehen, Stück für Stück, zuerst die Jacke, dann gepolstertes Langarmtrikott, dann Winterhandschuhe. Die Musik spielt am Walkman, Stimmung traumhaft!
Weiter geht es meist im Schatten. Vorsicht geboten - da und dort vereiste Stellen. An der langen Brücke dann ganz schön rutschig - die Feuchte ist frostig. Bald macht das Tal auf, der Ägerisee ist erreicht. Er ist leider nicht zugefroren, aber im Dorf liegt jede Menge Schnee.
Die Ortschaft bildet auch eine Steueroase. Die ursprüngliche, vom Katholismus geprägte Bevölkerung, mit vielen Zuzüglern aus Zürich, Deutschland, auch Russland und die allgegenwärtigen Expats, aus 100 Nationen aber alle irgendwie eine neue Nationalität - das "Multinational-Volk".
Parallelgesellschaften? Ich frage mich, wie die zwei Welten miteinander umgehen? Oder aneinander vorbeigehen?
Der See am Ufer ist nun teilweise zugefroren. Auf der anderen Seite um so mehr. Dort sind auch die Bäume weiss, Samstag früh hatte es bis 500m herab geschneit, und der Ägerisee ist über 700m hoch.
Am Ufer wird es bei erhöhter Geschwindigkeit rasch kälter, dann folgt die kurze Aufstieg nach Morgarten. Hier beginnen sich leider schon beide Knie zu melden. Kein gutes Zeichen...
An der Kapelle ist es schattig, tief verschneit, tolle Stimmung! Dann der Übergang und die wenigen flachen Meter zum Dorf Sattel.
Von Sattel gibt es eine interessante Variante nach der Mostelegg, dann an der sehr steilen Haggenegg-Strasse hinab nach Schwyz. Versuchung, Neugier sind gross, aber kaum möglich, dass diese Nebenstrassen vollständig schneefrei sind. Es ist ja erst Mitte Februar...
Deshalb wähle ich die Hauptstrasse weiter. Zur grossen Freude ist das Tal komplett weiss, offenbar bläst seit langem der Föhn nicht mehr. Unten liegt die Stadt Schwyz, die ich noch nie in weiss gesehen habe. Klasse...
Schwyz erreicht, bin ich vom Blick auf den Mythen beeindruckt. Der Berg wirkt unbeschreiblich gross hinter den Stadtgebäuden.
Es ist inzwischen bereits halb eins, so fahre ich nun weiter auf einer meiner Lieblingsauffahrten. Die Ibergeregg, nur bescheidene 1404m hoch, ist zwar an Wochenenden verkehrsreich, aber zu meiner Freude nicht ausgebaut, jedoch gut asphaltiert, in der oberen Hälfte sehr aussichtsreich, und mit zwei tollen Varianten unten. Die erste beginnt im vorderen Muotathal und führt über die malerisch gelegene Ortschaft Illgau. Die zweite führt knapp links der normalen Strasse, ist im Gegensatz zu jener Strasse nicht vom Wald zur Aussichtslosigkeit degradiert. Die wähle ich heute.
Im Nachbarort Rickenbach biege ich links, hier geht es mit gut 16% Steigung ziemlich heftig zur Sache. Nach 100m habe ich schon Probleme mit dem rechten Knie. Wenig danach, als die Strasse scharf rechts biegt, zwingt auch das linke Knie zur Pause.
Danach ist die Steigung etwas moderater, aber die Sache ist gekippt, von nun an wird es nur Schmerz geben. Ich quäle mich weiter, bald ist die Strasse kurz schneebedeckt.
Nun Umplanung: die verschneiten Passagen nütze ich, um die Knie zu schonen, sich ein kleines Bisschen zu erholen. Dann wieder rauf und die schneefreien Passagen fahren.
Immerhin sind die Bedingungen sonst perfekt: die Sonne scheint, der Wind ist still, der Hang ist komplett schneebedeckt, und die Ausblicke auf Vierwaldstättersee und Rigi sind uneingeschränkt. Es ist ein Traumtag, und ich geniesse die Laufpassagen nicht weniger als die fahrbaren. Und keine Autos....
Bald ist der Abzweig zur Ibergeregg-Strasse errecht. Zuerst fahrbar, dann nur mit Vorsicht, dann gar nicht mehr. Aber nur wenig weiter ist die Hauptstrasse geschafft...
Die Strasse ist nass, jede Menge Autoverkehr ist unterwegs. Die Knie schmerzen kontinuierlich, wie ich das heute schaffen soll? Auf 1000m Höhe erreicht man einen Skilift, der Parkplatz ist voll. Pause...
Dann weiter. Zur Überraschung ist die Strasse hinter der ersten Kehre schneebedeckt. Wieder laufen...dann wieder fahren. Dann wieder laufen...dann weiter im Sattel. Die letzten zwei Kehren sind schneefrei, aber die Knie schmerzen grausam, ich laufe die steilen Kehren, hier 14%, hoch. Dann wieder im Sattel, die letzten anderthalb Kilometer sind flacher. Inzwischen strömen hohe Wolken aus Südwesten. Mit der Höhe ist es auch spürbar kälter, heute in 2000m Höhe maximal minus fünf Grad, aber dies erst am Abend. Brrrr.....
Quälend wird der Pass erreicht. Ich stelle das Fahrrad ab und benütze den Lift. An der Terrasse bestelle ich Cola und Karottentorte. Hier war der TV-Sender Tele-Züri im Oktober, da es enorm viel geschneit hatte. Die Mundart der Kellnerin war weit weg von Zürcher Dialekt obwohl die Entfernung recht klein ist. Die Schweiz - ein Mikrokosmos Europas?
Die Sonne ist nur mehr milchig. Somit verschwindet auch die Schönheit der Ausblicke auf den Vierwaldstättersee, die im Herbst zu den hübscheren der Schweizer Alpen gehören...
Oben auf der Terrasse mache ich mich auf die kommende Abfahrt bereit. Erfahrung auf Schnee habe ich schon reichlich gesammelt, aber die Erfahrung in den Bergen wirkt irgendwie wichtiger. Ich fühle mich komplett zu Hause, obwohl nicht gerade überraschenderweise kein einziger Radler hier oben ist. Diese Entspannung scheint der Schlüssel zum Erfolg zu sein. Killerauffahrten gehen durch den Kopf: Galibier im 2003, Colle dei Morti, Monte Zoncolàn im 2005, Jenesien-Edelweiss April 2006. Schlimm war's immer dort, wo man vorher nie war. Aber wo man schon war, ist alles anders. Sind es inzwischen sechs, zehn Besuche auf der Ibergeregg? Da müsste man inzwischen jede Kurve kennen!
Diese Auffahrt von Schwyz auf die Ibergeregg begeistert: die gute Asphaltierung und schlängelnde Trassenführung unten erinnern ein wenig an die Auffahrt von Mazzo in Valtellina auf den Passo Mortirolo. Einfach weniger steil. Im Winter zauberhaft, aber im goldenen Herbst ist's hier oben so schön wie vielleicht nur im Oberengadin - meine schönsten Fotos stammen vom Pragelpass und der Ibergeregg aus Oktober 2004 mit einem Analog-Apparat. Und hier ist man kaum eine Stunde von Zürich entfernt!
Die Sonne ist beinahe verschwunden und es ist richtig kalt. Bekleidung auf, Lycra-Kopfschutz am wichtigsten, dann Helm, dann los. Diese schattigere Seite könnte richtig heikel sein, im schlimmsten Fall geht's halt zu Fuss. Aber wie wird es schliesslich sein?
Die folgenden Kilometer gehören zu den anspruchsvollsten, gleichzeitig spannendsten im Sattel. So wie eine steile Skiabfahrt richtig Spass macht, indem man gefordert wird, so auch hier. Die Strasse ist zuerst nass, dann steige ich wegen einer harten Schnee-Eisschicht ab. Danach geht es wieder.
Teilweise ist es schneefrei, dann Abschnitte mit eisigem Schmelzwasser, dann nur feucht, dann ist die Feuchte wieder rutschig, dann gibt es nur eine schneefreie Fahrspur, dann ist nur die Mitte der schmalen Strasse schneefrei und ich bin auf die vorsichtig fahrenden entgegenkommenden, für meine Schwierigkeiten verständnisvollen Autofahrer angewiesen. Dann ist die rechte Fahrspur wieder schneefrei. Und dann, hinter einer leichten Kurve, geht diese Fahrspur zu Ende. Aber kein Problem, heute ist mein Tag, ich bin ja halt zu Hause, und habe mit dieser Gefahr auch schon gerechnet...
Schliesslich folgt die Abfahrt rasch hinab ins Tal. Alles schneefrei, brauche ich nur auf Eisblöcke von Autos aufzupassen. Unten bin ich, schon sehr froh, in dem folgenden, kurzen Gegenanstieg wird der Versuch in den Wiegetritt zu gehen zur Farce: die Knie sind nun auch festgefroren und unbrauchbar. Zurück im Sattel und mit grosser Mühe, durch knirschenden Zähne, ist die Miniauffahrt mit minimalster Geschwindigkeit geschafft...
Ein Café lädt zur Pause, die Knie brauchen dringend Pflege, aber ich ahne kommende Kälte. Weiter geht es flach, möglichst wenig drehen, nun nur die Knie möglichst schonen. Hinter dem schneebedeckten Sihlsee steigt die Strasse etwas an, Schmerz ohne Ende...
Danach mal flach, mal leicht abfallend. Der Rückreiseverkehr aus Hoch Ybrig, einem der beliebten Skigebiete Zürichs, ist heftig, zudem kommen die Langläufer dazu. Das Gebiet um Einsiedeln ist in guten Wintern ein Eldorado für die "liftfreien" Zweibrettler...
Trotz reduzierter Geschwindigkeit bin ich meist schneller als der stockende Autoverkehr. Bald ist Schindellegi erreicht, die Strasse führt nun konstant hinab - freies Rollen. Dann geht die Abfahrt am Zürichsee zu Ende.
Ich halte die Qual noch recht lange aus, die Stadt Wädenswil ist auch schon hinter mir. Aber als ich Horgen nähere, schaffen die Knie nur mehr ein Dutzend Drehungen am Stück, für heute ist es vorbei. Der Zug soll die Tour zu Ende führen.
3 gefahrene Pässe
Ibergeregg, Albispass, LorzentobelStrecke
Ich bin diese Etappe gefahren und möchte die befahrenen Pässe in mein Palmares eintragen
Ich bin diese Etappe gefahren
am