Von Irrer Läufer –
Tag zwei bringt die oben schon erwähnte Episode am Finestre, vor der eine wunderbare Auffahrt direkt aus Susa lag, bei der meine zwei Mitfahrer ein neues Wort gelernt und auch gleich direkt erfahren haben: Serpentinität. Maximal in diesem Fall! Danach Fotopause am Pass, Mittagessen in der Hütte und als erstes wirkliches optisches Highlight die Assietta-Kammstraße, die praktischerweise direkt von der Abfahrt abzweigt. Zudem wird das Wetter immer besser, bis es fast wolkenlos ist und die Ausblicke uns ein permanentes Grinsen ins Gesicht zaubern. So kann Schotter sein, es ist viel besser zu fahren als gestern am Colombardo. Zusätzliche Motivation: wir sind genauso schnell wie zwei bundesdeutsche Motorradfahrerinnen auf Höhentrainingslager, die sichtlich überfordert mit ihren Enduros kaum durch die Kurven kommen und sich trotz Motor nie einen Vorsprung erarbeiten können. Bergab haben sie uns dann aus den Augen verloren, ja, heute läuft's! Jedenfalls fahren wir bis Sestriere, und dort über einen dubiosen Wanderweg (der erste kleine Navigationsfehler des Reiseleiters, ansonsten ist er sehr verläßlich) in ein verträumtes Bergdorf, wo wir - es ist spät und wir sind müde - ein Gasthaus sehen und gleich auch um ein Zimmer fragen. Nein, Zimmer hat er nicht, der Wirt, aber ums Eck ist ein Agriturismo, da fragt er uns gleich einmal nach. Ein Bier bekommen wir auch noch, und dann die gute Nachricht: im Agriturismo ist ein Zimmer frei. Bier austrinken, rüberfahren, vorher noch kurz für den Abend eine Reservierung beim Padrone zu machen. Schaut nämlich fein aus, sein Lokal. Ob das mit dem Minimalgewand geht, das wir mithaben? Eineinhalb Stunden später wissen wir es. Wir sind zurück beim Padrone, diesmal ohne Rad, dafür mit ordentlich Hunger. Wir bekommen die Speisekarte (natürlich nur italienisch) und wie es die Rollenverteilung verlangt, bestelle ich in perfekt gebrochenem Italienisch die Vor- und Hauptspeisen. Im festen Glauben, Entenbrust bestellt zu haben, erhalten wir: immerhin Fleisch. Gutes Rindfleisch, wohlgemerkt, aber meine Kollegen haben ab jetzt natürlich eine Riesenfreude daran, mir bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit die falsche Übersetzung (ich behaupte ja, es war alles nur ein Mißverständnis, aber das klingt jetzt doch sehr nach Ausrede) unter die Nase zu reiben. Bei dieser Gelegenheit erzählt H. noch einen dazu passenden Schwank aus seiner Vergangenheit: Eine Urlaubsbekanntschaft, der bayerische Steuerberater C., hoch gebildet in vielen Wissensgebieten, aber leider absolut frei von Fremdsprachentalent badet im adriatischen Meer. Weil es kühl ist, möchte er den aufsichtsführenden Bademeister an seinen Gefühlen teilhaben lassen und ruft ihm beim Rausgehen zu: "Caldo, caldo!". Währenddessen macht er mit seinen Fingern eine Geste, die die Kürze seines in der Kälte geschrumpften Penis verdeutlichen soll - nur, dass "caldo" nicht kalt heißt. Angeblich hat der ganze Strand gelacht und der Bademeister wird sich seinen Teil gedacht haben. Überhaupt kennt H. viele lustige Geschichten von Leuten, G. dafür fast alle Berge und Straßen. Sehr praktisch für mich - tagsüber fahr ich einfach dem Vordermann nach und abends werde ich königlich unterhalten. Und ich kenne jetzt sowohl das italienische Wort für Ente (anatra) als auch jenes für Rind (manzo).
Ich bin diese Etappe gefahren und möchte die befahrenen Pässe in mein Palmares eintragen
Ich bin diese Etappe gefahren