Von KirstenHe – Die geführte Rennrad-Reise startet und endet in Grenoble und führt in sieben Etappen durch die Dauphiné-Alpen. Neben unbekannten Schönheiten wie den Voralpenmassiven Vercors und Dévoluy stehen natürlich auch die bekannten Tour-de-France-Klassiker wie Galibier, Croix de Fer und Izoard auf dem Programm.
Streckenänderungen vorbehalten.
quäldich-Reise Tour du Dauphiné – Vercors und Hautes-Alpes
Von KirstenHe – Ausgangspunkt der Reise ist Grenoble. Die Universitätsstadt im Isèretal ist günstig gelegen für unsere Zwecke, schließt sich der Vercors mit seinen schroffen Gipfeln doch unmittelbar südwestlich an. Und so starten wir direkt in den ersten Anstieg nach Saint-Nizier-du-Moucheroutte, das nach ca. 18 km und 1000 Hm erreicht ist. Über die überraschend liebliche Hochebene des Vercors fahren wir bis Villard de Lans, von wo aus es die herrliche Schlucht Gorges de la Bourne hinab geht. So gelangen wir an den Ostrand des Massivs, und nach einigen Kilometern in südlicher Richtung geht es wieder bergauf. Zunächst recht unspektakulär bis zum Col Gaudissart, doch gleich im Anschluss wird die sensationelle Combe Laval gefahren, wo die Straße in abenteuerlicher Weise an eine Steilwand gebaut wurde. Auf den restlichen Kilometern ist dann Durchhaltevermögen angesagt. Über hügeliges Gebiet dringen wir weiter nach Süden vor bis zum Col de Rousset, der uns eine tolle lange Abfahrt ins Drome-Tal beschert. In Die, einem putzigen kleinen Örtchen, können wir dann die Etappe mit einem Gläschen Clairette de Die ausklingen lassen.
Von Jan – Mittlerweile liegt die zweite Etappe unserer Dauphiné-Reise hinter uns, auf der wir, zumindest aus meiner eingeschränkten Perspektive, sehr viel Spaß haben.
Die erste gestrige Etappe ist ohne Bericht geblieben, was angesichts spektakulärer Abschnitte in der Gorges de la Bourne und der Combe Laval schade ist. Die Combe Laval hatte ich am Vorabend als Weltklasse angekündigt, und dafür einiges Lächeln geerntet. Und später recht bekommen. Alle waren begeistert von diesem Abschnitt, auch ich, trotz Regentendenz und tief hängender Wolken. Aber der klaffende Abgrund, die Felswand gegenüber und die waghalsig in den Fels geschlagene Straße muss man gesehen haben, da waren sich alle einig.
Und für den heutigen Tag hatte ich eine überraschende Etappe angekündigt. Dem Papier nach war von der heutigen Etappe nichts zu erwarten, denn vom Col de Menée und den Col du Noyer hatte noch nie jemand gehört. Außer Denis, der die gleiche Reise vor 4 Jahren schon einmal gemacht hatte.
Bei bestem Wetter starten wir morgens in Die. Ich bin noch etwas müde von der gestrigen Nachtfahrt nach Grenoble. Einem Teilnehmer war der Gabelschaft gebrochen, zum Glück bergauf, und mit Markus' Auto hatten wir noch Charlys Ersatzrad von dort geholt. So bin ich froh, dass wir bis zum Col de Menée 20 km einrollen können, und der Pass mit 5 % nicht anspruchsvoll ist. Aber die dolomitesken Felsformationen überzeugen. "Wie die Sellraunde", höre ich unten. "Wie am Peyresourde", finde ich, und tatsächlich hätte der Pass in etwa seine Höhe, wenn nicht ein Scheiteltunnel die Höhe verknappen würde. Auf der anderen Seite ist es bitter kalt, und wir ziehen uns an, was geht. Unten im Tal, an der D1075, ist es zum Glück deutlich wärmer, die Sonne kommt raus, und wir stärken uns mit Café und Cola.
Es geht immer weiter runter und auf schmalen, abseitigen Wegen in die Schlucht der Souloise, der wir nach oben bis St Etienne en Devoluy folgen, Die Sonne ist raus gekommen, es macht richtig Spaß! Ich leiste mir sogar eine kleine Übermütigkeit in Form eines sinnlosen Angrifss bergab in die nächste Welle, die die aus Gruppe 1 eingekaufte Julia allerdings mühelos kontert. Hinter St Etienne wird es einfach nur traumhaft. Die massiven Felsformationen wechseln je nach Fahrtrichtung von rechts nach links, die Sgtraße wird schmal und biegt unvermittelt zunächst nach Norden, dann nach Osten ab, wo wir vorher gedacht haben, dass der Übergang im Südosten zu finden wäre.
"Wie der Albulapass", sagt Jörg. "Wie am Würzjoch", finde ich. Nur mit 1664 m deutlich niedriger, und dennoch sehr hochalpin. Bleibt noch zu erwähnen, dass uns Alex und Nicole aus Gruppe 3 mühelos gestellt und abgehängt haben. Und oben an der Passhöhe schon mit Uwe am Kaffee saßen, als wir kommen. Gruppe 2, dadurch irgendwie nervös geworden, verweigert die Kaffeeaufnahme und schiebt das auf "die Kälte an der Passhöhe", die ich allerdings nachempfinden kann.
Wir reißen uns also mit Mühe los von der Almfläche rund um den Noyer und entschließen uns zur Abfahrt. Wir beeilen uns noch, vor dem herannnahenden PKW abzufahren, damit er uns nicht ausbremst. Kurz darauf bremsen wir ihn aus, denn an dem sich nun eröffnenden Panorama kann man nicht ohne Fotostopp vorbeifahren. Unvermittelt öffnet sich rechs ein riesiger Talkessel, mit massiven Felsformationen am Horizont. Wahnsinn! Große Begeisterung!
Nun noch etwas zähes Pflichtprogramm hinauf nach Ancelle, dann im Ort gebrautes Bier der Brasserie d'Ancelle und ausschweifendes Abendessen. Fazit aus zwei Etappen durch die Dauphiné-Voralpen durch Vercors und Dévoluy lautet: nicht nur die Combe Laval muss man gesehen haben, sondern auch den Col du Noyer! Wunderbar! Ein toller Tag. Und morgen warten die Hochalpen, morgen wartet der Izoard! Bis dann!
Ursprüngliche Etappenbeschreibung
Wieder haben wir mit über 130 km eine recht lange Etappe vor uns. Unser Weg führt uns von Die zunächst das Drome-Tal hinauf. Der Col de Menée im Anschluss ist zwar kein richtig harter Brocken, setzt mit über 700 Hm jedoch auch etwas Ausdauer voraus. Das schönste am Pass ist definitiv die Abfahrt mit schönen Ausblicken auf den markanten Mont Aiguille. Wir halten uns weiter ostwärts, bis wir das Soulouise-Tal erreichen, dem wir flussaufwärts folgen. Überraschend wildromantisch ist es hier in der engen Schlucht, und je weiter wir ins Dévoluy vordringen, desto einsamer scheint es zu werden. Am Ende des Tales erwartet uns mit dem Col du Noyer dann das Highlight der Etappe - ein schmales Asphaltband windet sich in die Höhe bis zum Übergang, dann führt uns ein spektakuläres Serpentinenstück wieder hinab. Wir queren die Route Napoleon, und haben dann nur noch wenige Kilometer bis in unseren Etappenort Ancelle vor uns.
Von Jan – Nach einem sehr schönen Abend und einer ruhigen Nacht im Mini-Skigebiet Ancelle erwartet uns ein überzeugendes Frühstück im ohnehin sehr schönen Hotel. Das Wetter verheißt eine trockene, sogar warme Etappe, und so starten alle in kurz/kurz.
Gleich vom Hotel weg beginnt die kurze Steigung zum Col de Moissière, den wir mit Leichtigkeit als zweites Frühstück nehmen. Alex ist mit Gruppe 3 vor uns oben, weil ich mir noch die Flaschen am Dorfbrunnen in Ancelle gefüllt habe. So starten wir mit Gruppe 2 mit 45 Sekunden Rückstand, der sich über den Tag immer stärker ausbauen soll.
Zum einen, weil wir mehr und länger Fotos machen. Oben am Moissière, der sicher keine Pflicht für dein Palmares ist, aber eben doch unaufgeregt schön. Dann in der Abfahrt zum Lac de Serre Poncons, der smaragdgrün unter uns mit dem blauen Himmel um die Wette strahlt. Und wieder oben an der Côte de St Appolinaire, wo der See erst richtig zur Geltung kommt.
Zum anderen, weil wir länger Pause machen. Oben an der Côte gebe ich Alex einen Café-Scoutingauftrag, den er auch kurz darauf erfolgreich abschließt. In Embrun hat er ein tolles Altstadtcafé gefunden, während wir noch auf dem Sonnenbalkon nördlich des Stausees das Auf und Ab genießen. Ich aber möchte nicht im Ort Pause machen, ich möchte ein süßes, schnuckeliges Café auf dem Balcon de la Durance ansteuern, der sich im östlichen Anschluss südlich der Durance erhebt, und dem wir nun folgen. Hier lohnt es sich, eine kleine geographische Randnotiz einzustreuen, denn mit der Durance-Querung haben wir den Dauphiné-Alpen den Rücken gekehrt und befinden uns nunmehr in den Cottischen Alpen.
Was Leider aber nicht darüber hinweg täuscht, dass der Sonnenbalkon, Cottische Alpen hin oder her, kein Wunschcafé hervorbringt, und so wächst der innere Druck auf den Reiseleiter, seine Boxenstopp-Strategie noch zum Erfolg zu bringen, bevor wir mit der N94 den stressigen Teil vor der Mittagspause einläuten. Glücklicherweise und sehr zu meiner Beruhigung befindet sich direkt an der Einmündung ein Rafting-Center mit Übungspool und Restaurant, in das wir heuschreckenartig, aber freundlich einfallen. Dass der Kaffee nicht alle Erwartungen erfüllt, trübt die Hochstimmung angesichts der gerade noch geglückten Einkehr kaum.
Die N94 stellt sich als stressfrei heraus. Die hat einen breiten Seitenstreifen, und wir biegen rechts von ihr ab, beides anders und beides besser als gestern auf der Route Napoleon kurz vor Ancelle. Kein Problem also.
Kaum haben wir zweimal das Knie gerade gemacht, schon stehen wir am Kreisverkehr in Guillestre bei Nataschas köstlicher Verpflegung, an der wir natürlich wieder auf Gruppe 3 treffen, die sich darüber freut, heute einmal uns alles weg essen zu können. Wir gönnen ihnen den weiter ausgebauten Vorsprung und machen uns deutlich später auf in die Guil-Schlucht, durch die wir von einem unterstützenden Rückenwind geblasen werden. Julia spielt ihre Zeitfahrqualitäten aus und setzt sich von der Gruppe ab, Uwe setzt ihr hinterher. Da sind Denis und Thomas, die Bergkönige aus Gruppe 2, aber schon außer Reichweite. Thomas wartet sportlich am Abzweig und sorgt sich auch darum, dass auch die weiter hinten Fahrenden noch Pannenunterstützung bekommen, indem er mich ans Ende des Feldes kommandiert (letzteres stimmt nicht, ich habe seinen Hinweis aber entsprechend umgesetzt). Ab hier kommen uns ständig R4s entgegen, die bei der 4alpes2021-Trophy mitfahren. Mindest 170 R4s, das war die höchste von mir gesehene Startnummer. Offensichtlich haben Fahrer und Beifahrer stets Spaß dabei. Verbissen geht es dabei auf jeden Fall nicht zu, auch wenn sich der ein oder andere R4 in der Kurve bedenklich nach außen legt. Vermutlich auch eine vergleichbare Passion wie die unsere, und viel mehr Leistung haben die Piloten auch nicht unter dem Hintern.
Den Col d'Izoard bin ich zuletzt vor 10 Jahren gefahren, bei der ersten Südalpen Tour. Mich hat er damals, nach Colle dei Morti, Colle di Sampeyre, Col Agnel nicht restlos überzeugt, aber die Teilnehmer fanden ihn damals von allen am Schönsten. An den unteren Teil kann ich mich kaum erinnern, aber plötzlich erinnere ich mich an ein Bild, das ich damals von Julia, Jörg und Jan gemacht habe.
Wenn man einmal die drei Siedlungen hinter sich gelassen hat, wird der Izoard wirklich schön. Erst im Wald mit den Blicken zurück ins Tal, dann die Casse déserte, dann der hochalpine Schlussteil. In meine Favoriten schafft er es auch heute nicht, aber schön ist der Izoard wirklich, wie dieses Bild von Robert zeigt:
Leider zieht es sich oben zu, und ein kühler Wind pfeift über die Passhöhe, so dass alle so schnell sie können einzeln abfahren. Versprengt erreichen wir Briançon. Gruppenwiedervereinigung vor dem Gepäcklaster am Hotel, High Ellbows!
Ursprüngliche Etappenbeschreibung
Heute schnuppern wir endgültig an der sich südlich an die Dauphiné anschließenden Hochprovence, haben jedoch schon einen Wendepunkt erreicht und fahren wieder in nördlicher Richtung. Von Ancelle fahren wir zunächst einmal ins Durance-Tal, wo wir auf den malerischen Stausee Lac de Serre-Poncon treffen - bei der zu erwartenden großen Hitze möglicherweise eine willkommene Gelegenheit zur Abkühlung. Doch wir wollen weiter, haben wir doch bis zum Fuß des Col d'Izoard in Guillestre eine lange Anfahrt im Tal vor uns. Leider muss hier auch mit ziemlich starkem Verkehr gerechnet werden. Ganz anders jedoch am Pass selbst - auf dieser Nebenstrecke sind höchstens ein paar Einheimische und Touristen unterwegs. Die Casse déserte, die Felsenlandschaft kurz vor der Passhöhe, bietet uns ein einzigartiges Tageshighlight, bevor es dann in rauschender Abfahrt hinab nach Briançon geht. Hier bleibt am Abend vielleicht noch etwas Zeit, die vom Baumeister Vauban errichteten Festungsanlagen zu besichtigen.
Von Jan – Schon gestern Abend war klar: heute gibt es den ganzen Tag Regen. Und da der Regen in der früh noch weniger stark vorhergesagt war als um 9 Uhr, unserer regulären Abfahrtszeit, wurde im Team-Meeting beschlossen, die Abfahrt auf 8:15 Uhr vorzuverlegen, was uns die frühestmögliche halbwegs stressfreie Abfahrtszeit in Anbetracht des Frühstücksbeginns um 7 Uhr schien.
Natascha fuhr gleich durch nach Alpe d'Huez, um das Gepäck abzuladen, und erst danach wieder runter nach Bourg d'Oisans auf den Parkplatz am Kreisverkehr, wo wir bei diesen Wetteraussichten der beste Platz für eine Pause vermuteten. Bis dahin mussten wir also irgendwie kommen, bevor wir trockene Kleidung und etwas zu essen aufnehmen konnten.
So weit die Theorie. Die Praxis gestaltete sich dann so, dass wir tatsächlich um 8:15 Uhr los kamen, der Regen aber tatsächlich eine kurze Pause machte. So kamen wir noch trocken über die erste kleine Steilstufe zum Lautaret, und erst hinter La-Salle-les-Alpes nahm der Pillepalleregen etwas ab, wie Denis es ausdrückte, oder eben der Sprühregen etwas zu. Kurz darauf sah man überall quäldich-Radler am Straßenrand (oder in Behelfstunneln, die derzeit außer Betrieb waren) stehen, um sich umzuziehen. Denis wartete netterweise drei Kilometer vor der Passhöhe im letzten dieser Tunnels mit mir, bis der letzte nun in das Redenkleid gehüllte Radfahrer (m) an uns vorbei zog, so dass wir den Schlussanstieg durch wabernde Nebelschwaden gemeinsam bestritten.
Von oben grüßte der Galibier durch die Wolken, aber sein verlockender Ruf stieß heute auf taube Ohren. Es wurde noch mehr Kleidung drüber gezogen und dann in die Abfahrt gestürzt. 39 Km Abfahrt bis Natascha. Dort endete die Etappe in meiner Wahrnehmung, denn wir mussten es nur irgendwie heil bis dorthin schaffen, der Rest würde aufgrund innerer Wärme von alleine gehen.
Es wurde ekelhaft, aber es war noch diesseits der Gefahrengrenze. Unten waren dennoch alle erleichtert, Natascha zu sehen, Ingo bekam genau zum richtigen Zeitpunkt seinen Platten. Der war nämlich deutlich leichter unter Nataschas trockenem Dach zu beheben als im Straßengraben im strömenden Regen abseits der Lautaret-Passstraße. Super Timing! Und super Verpflegung.
Dann Aufwärmen in der legendären Auffahrt nach Alpe d'Huez. Die Rumpf-Gruppe 3 abzüglich der Café-Fraktion hatte uns noch an der Verpflegung aufgefahren und startet mit uns in den Berg. Ich schalte aufs große Blatt und verkünde Harry, dass ich dem Cyborg Alex, seinem Guide, mal zeige, wie man Alpe d'Huez hochfährt. Mit letzter Luft schließe ich zu Alex auf, der auch auf dem großen Blatt fährt. Ich grüße nur kleinlaut und lasse mich zurück fallen, wo ich mit Ingo und Denis eine schöne Auffahrt erlebe. Durch die Nebelschwaden ist sie für mich schöner als sonst, ich mag sie ja nicht sonderlich. Aber ein Monument ist sie, die Alpe. Und heute fast meditativ!
Und um 14 Uhr bin ich nun schon trocken gelegt. Glücklicherweise konnten alle schon in die Hotelzimmer, auch Gruppe 1, die vor 12 Uhr da war. Aus meiner Sicht genau der richtige Tag für den Regen, und unsere Strategie ist glücklicherweise aufgegangen. Morgen soll's besser werden, morgen wartet der Croix de Fer! Bis dann!
Ursprüngliche Etappenbeschreibung
Der vierte Tag steht ganz im Zeichen der bekanntesten Bergankunft der Tour de France - Alpe d'Huez mit seinen mythischen 21 Kehren. Wir sind nun endgültig in den Hochalpen angekommen. Von der Vauban-Stadt Briançon wenden wir uns wieder in nordwestlicher Richtung, auf die lange und ziemlich zähe Anfahrt zum Col du Lautaret, womöglich gegen den Wind ankämpfend. Diesen Pass kennt man eigentlich nur als Vorpass zum Col du Galibier, doch dieser steht bei uns erst später auf dem Programm, und wir überqueren die Lautaret-Passhöhe hinüber ins Oisans. Ein weiterer Zweitausender also, den wir dem Palmarès hinzufügen können. Eine überraschend schöne Abfahrt führt uns dann hinab nach Bourg d'Oisans, von wo aus sich die Bergankunft der Bergankünfte anschließt. Purer Mainstream natürlich, aber wenn man mal in der Gegend ist, will man es wohl auch gemacht haben. Über Nacht bleiben wir in der zugegebenermaßen nicht wirklich hübschen Skistation, so dass wir auch eine echte Bergankunft haben.
Von Jan – Heute morgen wache ich auf in Alpe d'Huez... und kein Geräusch eines Regentropfens dringt an mein Ohr. Es ist trocken, und der Wetterbericht bringt die Verheißung auf mehr Trockenheit über den ganzen Tag! Also runter zum Frühstück, das nicht ganz mit den sonstigen Bemühungen des Betreiberpaares mithalten kann. Aber sie haben das Briefing gelesen, und es gibt Kaffee aus Kannen statt ellenlanger Schlangen am Kaffeeautomat!
Es ist noch frisch beim Start, und Thilo opfert sich bzw. seinen Reifen, damit wir Natascha etwas Vorsprung gewähren können. Sie wird am Ende der Abfahrt auf uns warten, und unsere 1-7 Schichten Kleidung aufnehmen, damit wir unbeschwert Richtung Croix de Fer auffahren können. Die Nebelschwaden tauchen die Auffahrt nach Alpe d'Huez wieder in stimmungsvolles Licht, nur deutlich heller, deutlich freundlicher als gestern.
Am Pas de la Confession betrachten wir andächtig das Oisans tief unter uns und stürzen uns in die rasante Abfahrt. Nach dem Ballast-Abwurf bei Natascha beginnt dann der anspruchsvolle Anstieg auf den Croix de Fer. 1300 Höhenmeter an Differenz gilt es zu überwinden, dazu kommen noch einmal 200 Höhenmeter in zwei Zwischenabfahrten. Im unteren Bereich, noch im Wald, geht es sportlich ordentlich zur Sache.
Ich guide heute Gruppe 3, die ohne Mollard in die Maurienne fahren möchte. Das Tempo ist hoch, gar nicht entspannt. Mit wechselnden Gesprächspartnern vergeht der erste Teil des Anstiegs schnell, bevor die erste Zwischenabfahrt den steilsten Teil des Tages einläutet. Meine Beine sind viel besser als vor drei Jahren auf diesem Abschnitt, und es macht mir heute richtig Spaß. Das Steilstück flacht langsam ab und führt zum Stausee, der den schönsten Teil einläutet: ein langgezogenes, saftig grünes Hochtal führt sanft erst zum Glandon, dann weiter zum Croix de Fer. Hier macht Radfahren richtig Spaß! Natürlich lassen wir uns den Glandon nicht nehmen, biegen schnell nach links ab und posieren am Passschild.
Kurz darauf posieren wir am Passschild des Croix de Fer, und damit ist der Scharfrichter des heutigen Tages genommen! Wie schön ist das Radfahren in der Sonne, und wir alle sind uns einig, dass wir das nach dem gestrigen Vollsiff umso mehr wertschätzen können. Ebenfalls wertschätzen wir natürlich die Verpflegung, die uns Natascha am kleinen Teich unterhalb des Croix de Fer bereitet. In diesem See bin ich 1998 geschwommen, auf unserer allerersten Alpentour, der Keimzelle des ganzen quäldich-Wahnsinns.
2018, als ich nach zwanzig Jahren zu den Schauplätzen vergangener Untaten zurückkehrte, sind wir bis hier die gleiche Strecke gefahren, dann aber über den Mollard weiter. Mich interessiert heute die Hauptabfahrt nach St-Jean-de-Maurienne, die wir 1998 auch hochgefahren sind, von La Toussiere kommend, wohlgemerkt. Meine Erinnerungen sind nur noch schemenhaft, aber an die eine lange Brücke kann ich mich noch erinnern, die eine tiefe Schlucht überspannt, in die wir wiederum andächtig herab gucken. Und an den langen dunklen Tunnel, der heutzutage allerdings beleuchtet ist.Ruderschö insgesamt wunderschön!
In St-Jean verpassen wir den Abzweig zur Ortsmitte, obwohl Harry mich eindrücklich darauf hinzuweisen versucht. Schade, den Ortskern kenne ich nämlich gar nicht! Ich entscheide mich stattdessen, dem Track nach rechts zu folgen. Hier kommt aber kein Café mehr vor dem Abzweig auf die Nationalstraße, der wir 12,5 km nach St-Michel-de-Maurienne folgen. Wir folgen der Umleitung durch die Baustelle und sehen, schon auf der Nationalstraße, Gruppe 1 unter uns, die gerade ihre Abfahrt vom Mollard beendet. Großes Hallo!
Obwohl wir bis St-Michel nicht sonderlich schnell unterwegs sind, überholt uns Gruppe 1 nicht. Seltsam! Die Nationalstraße ist weniger schlimm als ich sie von 2018 in Erinnerung hab, wohl weil die Temperaturen erträglich sind. Dennoch bekommen wir einen Eindruck, wie die Sonne hier bei St-Michel drücken kann.
Thomas sucht uns mit sicherer Hand das Café l'Encas, indem wir, etwas schleppend zwar, richtig guten Café und Cola bekommen, Geißel der Menschheit und Wunderwasser des leidenden Radfahrers. Keine Spur von Gruppen 1 und 2, nur ein Anruf von Alex, wie durch die Baustelle zu fahren sei, und eine Nachricht von Christian, der seine Gruppe sucht. Damit aber haben wir nicht zu tun und starten entspannt in den Télégraphe.
Cafè und Cola haben Wunder gewirkt, nie waren meine Beine dieses Jahr so gut wie jetzt, sie wollen nach vorne. 45 Minuten später stehe ich am Passschild des Télégraphe, selten hat mir eine rein sportliche Auffahrt so viel Spaß gemacht. Auch alle anderen scheinen vom Tour-de-France-Fieber gepackt, und nacheinander rollen Julia, Robert, Bernd, Tamara, Jörg, Harry, Thomas, Jana und Christian strahlend über die Ziellinie, während Gruppen 1 und 2 endlich in St-Michel ins Café getroffen haben (die Gründe für die Verzögerung würde einen weiteren Etappenbericht füllen, erwähnt werden soll allerdings die Heldentat des Radhändlers in St-Jean, der Fabians gebrochene Schaltwerkfeder behelfsmäßig durch ein Gummiband ersetzt hat - funktionstüchtig!). Was für ein Tag!
Ursprüngliche Etappenbeschreibung
Auf 1860 m Höhe ist es morgens noch ziemlich frisch, so dass wir heute auf gutes Wetter hoffen, um gleich als erstes die Abfahrt von Alpe d'Huez in Angriff zu nehmen. Wir wählen hierfür jedoch nicht die 21-Kehren-Rampe, die wir gestern herauf gekommen sind, sondern eine kleine Nebenstrecke über Villard-Reculas, die eine schöne Panoramastraße beinhaltet - ein weiterer Beleg dafür, dass die Alpen oft da am schönsten sind, wo die Tour de France nie vorbei kommt. Direkt im Anschluss befinden wir uns im langen Anstieg zum Col de la Croix de Fer, der mit karger hochalpiner Landschaft und hübschen Seen überzeugt. Dieser Pass führt uns hinab ins Maurienne, dem savoyardischen Arc-Tal, wo wir mit einer Transitpassage talaufwärts konfrontiert werden. Von Saint-Michel-de-Maurienne ab heißt es dann wieder klettern, aber es ist ,,nur" noch der sehr schön zu fahrende Col du Télégraphe, der uns von unserem Etappenziel im Skiort Valloire trennt.
Von Jan – Wie also soll ich abends nach elf Uhr noch einen Etappenbericht schreiben von einer Etappe, für die ich aus 356 Bildern 130 für den Etappenbericht ausgewählt habe? Von einer Etappe über Galibier, Les 2 Alpes und Col de Sarenne bei Kaiserwetter, die wir mit einem kaiserlichen Mahl im Montagnard in Alpe d'Huez abgeschlossen haben?
Von einer Etappe, die in mindestens vier Varianten gefahren wurde, von 73 km / 2450 Hm bis 129 km / 4100 Hm? Letztere gefahren von Fabian und Christian inklusive Galibier-non-émasculé!
Man könnte sich fragen, warum man bei einer so schönen Regeletappe über Galibier und Sarenne noch Les 2 Alpes einbaut. Ehrlich gesagt war meine Antwort "+1 in der Passjagd", verkauft habe ich es aber darüber, dass hier Jan Ullrich die 1998er-Tour verloren hat. Und in der Tat muss man die Auffahrt nach Les 2 Alpes nicht unbedingt gesehen haben, kann dann aber halt mitreden! Das ist also Grund 1. Grund 2 ist, dass Christian, nicht ganz freiwillig, jedem ein Bier versprochen hat, der in Les 2 Alpes nicht mehr als 9 Minuten auf ihn verliert, wie Ulle damals auf Marco Pantani. Im Nachhinein hat diese Befahrung der Etappe sogar einen extra Schliff verpasst, weil man erst nach dieser Grenzerfahrung des alpinen Tourismuswahnsinns die Stille am Sarenne so richtig zu schätzen weiß. Welch Kontraste auf so engem Raum! Grund 4!
Grund 5 ist, dass wir von der Galibier-Befahrung allesamt vollständig euphorisiert waren. Heute war ein Tag für Heldentaten. Der Himmel komplett blau, die Auffahrt auf den Galibier ein Traum, oben glasklare Luft, Mont-Blanc-Blick! Und Barre des Ecrins und die Meije grüßen mit frischem Schnee besprengt im Süden. Was für eine unfassbare Erfahrung, was für ein Glück, heute dieses Wetter zu haben, und nicht den Vollsiff von Mittwoch!
Und zum Abschluss also der Col de Sarenne, ein Juwel der Dauphiné, glücklicherweise nur 1999 m hoch, sonst würden ihn mehr kennen. Absolute Einsamkeit, fantastische Blicke, oben sogar auf die Meije!
Wow!
Ursprüngliche Etappenbeschreibung
Ein weiteres Monument steht auf dem Programm: mit 2645 m ist der Col du Galibier das Dach unserer Tour. Ein Großteil der Kletterarbeit zum Galibier ist schon getan, wenn wir in Valloire zur sechsten Etappe starten - bereits gestern sind wir bis auf ca. 1400 m gekommen, so dass noch etwa 1200 Hm übrig bleiben. Der Galibier ist auch landschaftlich einzigartig. Hochalpine Kulisse, felsige Mondlandschaft und sensationelle Blicke ins vergletscherte Ecrins-Massiv mit den südlichsten Viertausendern der Alpen. Auf der Abfahrt treffen wir mit dem Col du Lautaret einen alten Bekannten - bereits vorgestern sind wir von Briançon kommend hier drüber. Wiederum fahren wir Richtung Oisans ab, wählen jedoch schon früher den Abzweig in die Berge. Der Col de Sarenne - einsame, schmale Straße - ist gewissermaßen die Antithese zur mythenumrankten Hauptauffahrt nach Alpe d'Huez, für Conaisseure natürlich die weitaus schönere.
Von Jan – Zwischen 13 und 14 Uhr ist für heute Gewitter in Grenoble angekündigt. Dennoch wagen wir uns auf Tour B, die mit 120 km und drei ausgewachsenen Pässen recht ambitioniert erscheint für diesen engen Zeitplan. Da Alexander und Stefan noch einen weitere Heimreise vor sich haben, komme ich in den Genuss der Verlängerungsoption.
Anders als es gestern noch den Anschein hatte, loggen sich heute morgen aber nur Gruppe-1-Teilnehmer für meine Strecke ein, was mir den Angstschweiß auf die Stirn treibt.
In diesem Moment ruft es "Hallo Jan", und Reinhard steht neben mir. Der ist mit der Familie unverhofft in Bourg d'Oisans gestrandet und hat die Gelegenheit genutzt, nach 16 Jahren noch einmal Alpe d'Huez zu fahren. Schön für mich, und eine willkommene Kraftquelle für meinen Berserker-Tag in Gruppe 1. Danke, Reinhard!
Es ist deutlich wärmer als am Donnerstag, als wir schon einmal in Alpe d'Huez aufgebrochen sind. Dennoch steht Natascha nach einer rauschenden Abfahrt am Kreisverkehr und sammelt die Kleidung ein. Natascha ist immer da, wo man sie braucht, großartig! Denis und ich sind uns einig: über den Col de Sarenne fährt man nach Alpe d'Huez, und über die 21 Kehren runter! Aber auch wir beide wissen: das macht man erst, wenn man vorher einmal richtig rauf gefahren ist.
Der Col d'Ornon ist einer der meistgefahrenen Pässe auf quäldich von denen, die mir noch fehlen, und diese Lücke kann ich heute endlich schließen. Die Scharte, durch die die Straße zum Pass führt, sieht man schon von weit oben in der Abfahrt von Alpe d'Huez. Der Pass entpuppt sich als gut fahrbar, und hat oben sogar einige nette Felsformationen zu bieten. Dennoch ist nicht zu bestreiten, dass wir hier die Hochalpen langsam aber sicher verlassen. Denis gibt den Schongang vor, und Charly, Christian, Fabian und Thilo sind uns weit enteilt. Pass 1 geschafft ohne einzugehen, Zwischenziel erreicht. Es folgt die Schussabfahrt No 2, auf der aber empfindliche Kreuzwinde äußerste Vorsicht verlangen. Der Wind weht scharf von Süden, und um den nun in Sicht kommenden Mont Aiguille kreisen tief dunkle Nebelschwaden. "Dort unten liegt Mordor", sagt Fabian, und tatsächlich jagen kalte Gewitterwinde von Süden heran. Glücklicherweise dreht die Fahrtrichtung nach Norden, zum Col de la Morte, zu dem hin wir den Spinaker auswerfen können. «Solange du das Knacken meiner Kurbel noch hörst, lebe ich noch», sage ich zu Charly. Das ist aber nichts gegen die Schaltgeräusche von Fabian mit seinem per Gummiband notrepariertem Schaltwerk! Ansonsten ist die Auffahrt ist unauffällig, fast langweilig. Und schnell weg gedrückt. Auch Pass 2 geschafft! Oben Schnellstverpflegung mit Baguette und Cola vom Markt am Passschild. Ich denke nichts Böses, und wir stürzen uns in die Abfahrt. Aber was ist das für eine Abfahrt! Nicht enden wollende Abschnitte zwischen den wenigen Kehren, kurvengespickt! Abfahrtsrausch! Immer tiefer fallen wir, langsam muss doch die Talsohle des Romanchetals erreicht sein! Immer weiter Flow, Flow, Flow!
Der wird jäh in Séchillienne gebrochen, als uns eine Baustellenumleitung in den Col Luitel führt. 9 km, 900 Hm. 10 % im Schnitt. Alles im Wald. Und alles andere als rhythmisch. Einige wenige Flachpassagen werden durch 16 %-Rampen kompensiert. Ein spanisches Pärchen sorgt für zusätzliche Motivation. Mehr als sportlich fahren ist hier eh nicht, Ausblicke gibt es keine. Oben in einem kleinen Weiler gehen ein paar Regentropfen runter, und kurz darauf ist endlich die Passhöhe erreicht! Geschafft und nicht gestorben! Der unheilverkündene Südwind mahnt zur Eile, ein letztes Passschildbild ist trotzdem Pflicht. Nach kurzer Fahrt biegen wir auf die neu asphaltierte D 111 ein und leiten den Sturzflug nach Greboble ein. Noch ein drittes und letztes Mal fliegen!
Ein greller Blitz erleuchtet Échirolles, als wir auf den Hotelparkplatz vorfahren. Gruppe 2 unter Stefans Führung ist seit 5 Minuten da, weitere 5 Minuten später rollt Alexander mit Gruppe 3 ein. Alle da, alle heile! Großes Hallo und Abschiedsszenen! Wir gehen ins Hotel um zu duschen, als sich die Gewitterwolken mit voller Kraft über Grenoble entladen. Was für ein Timing!
Ursprüngliche Etappenbeschreibung
Die Aufbruchstimmung wird heute am letzten Tag der Tour sicherlich präsent sein, und wer es eilig hat, nach Hause zu kommen, kann die Etappe auch auf direktem Weg nach Grenoble abkürzen. Um den Verkehrsmassen auf diesem direkten Weg durchs Romanche-Tal zu entkommen, und um gleichzeitig noch ein paar letzte alpine Eindrücke mitzunehmen, können wir jedoch auf der Schlussetappe noch einen Schlenker einstreuen. Der Col d'Ornon, der von Bourg d'Oisans aus nach Südwesten führt, ist wahrlich kein Riese mehr, bietet aber immerhin eine schöne Voralpenkulisse und ist somit ideal, die Highlights der letzten Tage noch einmal Revue passieren zu lassen. Die zweite Etappenhälfte führt uns dann parallel zur Route Napoleon über die sogenannte Corniche du Drac, eine hübsche Höhenstraße oberhalb des Drac-Stausees, die uns immer wieder mal Tiefblicke erlaubt. Eine letzte Abfahrt sind wir noch von den Vororten von Grenoble entfernt, dann schließt sich der Kreis, und nach einer Woche endet unsere Dauphiné-Rundfahrt.