Von Irrer Läufer –
Der Morgen beginnt, wie der Abend geendet hat: Wir achten peinlich genau auf den passenden Nährwert des Frühstücks, das wie folgt (für 3 Personen) aussieht: Eierspeis von 11 Eiern mit 2 Kärntner Hartwürsteln, 20 dag Schinken, 10 dag Speck, 1 Pkg. Rispentomaten, 1 Glas scharfe Pfefferoni, 3 große Paprika, Salz und Pfeffer bis zum Abwinken. Dazu Brot, Striezel, Marmelade, Honig, Nutella und noch mehr Wurst und Schinken, Kaffe, Tee und Apfelsaft nach Wunsch. Das gibt die Kraft für den heutigen Angriff aufs Hochtor, vor welchen der Herrgott aber eine Autofahrt von Feldkirchen nach Döllach gesetzt hat - und das mit diesem Frühstück im Bauch. Permentente leise und laute Methangaseruptionen aller Protagonisten machen den Aufenthalt im Wagen zur Hölle. Irgendwann laufen die Fensterhebermotoren heiß und werden auf Stellung -10 (Fenster ganz unten) eingefroren. Sogar die Polizei ("Fahrzeugkontrolle") hat nicht sehr genau geschaut, einen gewissen Sicherheitsabstand eingehalten und war froh, als wir wieder weg waren. Igitt.
Heute kommt ja die Österreich-Rundfahrt über den Glockner, ab und zu sieht man schon ein Betreuerauto, sonst ist aber wider Erwarten wenig Betrieb. Parken in Döllach, bauen die Räder zusammen und starten nach Heiligenblut, wo wir das letzte Mal zusammenwarten. Herr Perle und ich wollen am Hochtor der auffahrenden Profis ansichtig werden, Herr Ast plant dasselbe am Kasereck nach der Mautstelle zu tun. Klettern raus aus Heiligenblut, Kreisverkehr, Hochtor. Bei der 400-m-Tafel kann ich mich (eigentlich ungewollt) etwas von der Perle absetzen, daraufhin springt ein Fotograf mit seiner Megakamera vor mich hin und beginnt, im Dauerfeuermodus zu fotografieren. Fühle mich wie ein Pro, trotzdem hätt er auch ein schöneres Motiv finden können. Warte, Perle kommt wieder ran und startet bei der 200-m-Marke einen (völlig sinnlosen) Angriff, der bei dem zahlreich anwesenden Fachpublikum großen Anklang findet. Natürlich kann er den Sprint nicht für sich entscheiden, aber 30 m vor dem Ziel muss ich abstellen (er noch früher), weil mir sonst mein Frühstück wieder aus dem Gesicht gefallen wäre. Egal, die Begeisterung ist groß, als wir durchs Ziel schießen. Und sein Rückstand war kleiner, als mir lieb war ;-)
Fahren wieder ein paar Meter runter, setzen uns an den Straßenrand, wo man einen perfekten Ausblick auf die Auffahrt hat und genießen die Sonne. Noch nie bin ich am Hochtor in kurzen Ärmeln gesessen, ohne zu frieren. Dann zieht auch schon die Werbekarawane (2 Autos, davon eines mit einer ziemlich lächerlichen, schrumpeligen Wiesbauer-Wurst auf dem Dach) vorbei. Dann irgendwann die Echtrecken, denen auch unsere Anfeuerungsrufe kein Lächeln mehr ins Gesicht zaubern. Die sind ja fertiger als wir! Bei der Abfahrt sehen wir noch ein Rettungsauto in einer weißen Rauchwolke verglühen, am Kreisverkehr biege ich (und auch der Herr Perle) erstmals auf die Franz-Josefs-Höhe ab. Schaun wir mal. Beginnt flach, wird dann langsam steiler.
Überholen haufenweise Mountainbiker, Verkehr wie immer teuflisch. Man sieht ja schon von unten, wo man hin muss, da gibt es keine Überraschungen. Als wir ohne Sprint oben stehen (diesmal hab ich gleich das Tempo hoch gehalten), springt mir ein Fußgängerweg ins Auge, der steil bergan führt. Wir schauen uns an und klicken wieder in die Pedale. Erste Rampe schön steil, Kehre, 2. Rampe viel steiler, extrem schlechter Asphalt. Perle kämpft Wiege tretend vor mir. Ich denke mir grade noch "Wenn der da jetzt einfach so rauffährt, bin ich im Eimer." Da bleibt er stehen und steigt ab. "Zu steil". Mein eben noch im Sinken begriffener Stern steigt wieder steil, jetzt zeigen wir mal, was alles geht. Kehre, wieder steil zu einem Hotel, dran vorbei extrem steil zur nächsten Kehre, wo ein Schotterweg zu einer Aussichtsplattform führt. Geschafft. Ich glaub, höher geht's hier mit dem Rennrad nicht. Genieße den Ausblick auf den Stausee und die Pasterze, fahre dann zurück zur Perle. Lese ein SMS von dem Herrn Ast: er hat vom Basislager Kasereck aus das Hochtor in Angriff genommen. Fahren warm eingepackt (hier ist es kälter als am Hochtor) ab, beim Kreisverkehr lese ich das nächste SMS: er ist 300 hm unter dem Gipfel. Respekt, denke ich bei mir, der Mann wuchtet da 120 kg rauf. Überlegen noch kurz, ob wir nochmals zu Ast auffahren (fad) oder gleich runter nach Döllach und dort was essen und trinken (yeah!). Ganz lange Abfahrt, rein zum Wirten, wo man des Österreichers liebstes Menü serviert: Wiener Schnitzel, Pommes und kalten Gerstensaft. Das haben wir uns nach den Anstrengungen des Tages auch verdient. SMS: Herr Ast ist oben, muss jetzt aber eine längere Pause machen. Der wahre Glocknerkönig ist heute er. Wir bestellen noch mehr Gerstensaft. Als er dann mit seinem Cervelo anrauscht, gibt das ein ziemliches Hallo, die (wenigen) verbliebenen Gäste schauen sehr befremdet.
Nach einer weiteren Runde isotonischer Sportgetränke verstauen wir die Räder wieder im Auto und wollen fahren - Perles Zug heimwärts geht bald. Das Auto macht keinen Muckser, Herr Ast hat das Licht brennen lassen. Ich klappere alle zufällig Anwesenden ab, tatsächlich hat einer (danke!) Starterkabel dabei und weiß sie auch zu benutzen. Starten also noch rechtzeitig zum EC "Bring-Perle-heim", der um 18:10 in Mallnitz abfahren soll. Gewinnen den Bahnhof um 18:09:56, allein, der Bahnsteig ist leer. Egal, die ÖBB hat ja immer Verspätung, reißen das Rad vom Träger, Perles Zeug aus den Tiefen des Peugeot, noch immer kein Zug. Die Leute auf der Terrasse des Bahnhofscafes schauen so komisch. "Frag halt einmal, Perle." Als er zurückkehrt, ist er um Jahre gealtert, geknickt, nicht mehr derselbe. Abfahrt war um 18:03. Und er war ausnahmsweise pünktlich. Tja, der Mann schulte immerhin alle neuen Ost-Österreich-ÖBBler im richtigen Umgang mit Fahrplänen. Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen. Die weitere Heimfahrt verläuft dann recht einsilbig von Seiten der Perle, ganz im Gegensatz zu Herrn Ast und mir. Dafür hat er den Einkauf im Billa bezahlt. Und für den Zug am nächsten Tag hat er ein ordentliches Spazi (Reservezeit) eingerechnet.
Nach dem Abendessen versuchen wir, der Zusammanfassung der Ö-Tour auf ORF Sport+ (TW1) zu folgen. Im Insert ist der Beginn mit 22:00 annonciert, es gibt Radio Ö3 im Fernsehen. Als die 22-Uhr-Nachrichten beginnen, schauen wir noch verdutzt auf - als sie enden, sind wir befremdet. Kein Sport, dafür Ö3. So verbringen wir die Zeit bis 22:15 mit Chips, Bier und blöd reden, es wird 22:30. Unmut im Volk. Interessanterweise läuft der Fernseher immer noch. Leider geben auch die anderen verfügbaren Sender nichts her. Als ich um 22:45 beschließe, der mühsam angezüchteten Bettschwere sofort nachzugeben, beginnt plötzlich wie von Zauberhand die Signation der Ö-Tour. Nur eine dreiviertel Stunde Verspätung! Keinerlei Entschuldigung. So ist das in Österreich. Schlafe ein, werde aber geweckt, knapp bevor ich mich am Hochtor winken sehen kann. Juchu, ich bin im Fernsehen! Mag nimmer. Gehe jetzt wirklich ins Bett. Schnarch!
Ich bin diese Etappe gefahren und möchte die befahrenen Pässe in mein Palmares eintragen
Ich bin diese Etappe gefahren