Čakor (1849 m)
Auffahrten
Westauffahrt von Murino
23,2 km | 1018 Hm | 4,4 %
Von dort trifft auch die Nebenauffahrt auf unsere ehemalige Hauptstraße. Ab jetzt fahren wir jedes kleine Seitental aus, um nicht aus dem Takt zu geraten oder gar einen Gang zurückschalten zu müssen. Verstreute Höfe, kurze Waldstücke und fantastische Ausblicke auf die westlich liegenden Gebirgsstöcke, man kann sich nicht sattsehen – das ist es, was Renko treffend als Amphitheater beschreibt. Die Landschaft hat hier wenig vom sonst so dominierenden kargen Karstgebirge, vielmehr erinnert sie an alpine Weidelandschaft und Almen. Auch die passenden Kühe findet man, genauso wie die alpine Blumenwelt am Wegesrand.
Zwischen Kilometer 15 und 17 passieren wir einen unruhigen Hang, an zwei Stellen sind hier Teile der Straße abgerutscht (2021), nur noch einspurig sind diese Abschnitte passierbar. Danach bewegen wir uns endgültig in hochalpinem Almengebiet. Zwei Spitzkehren und eine langgezogene Schlussgerade weiter und wir stehen auf der Passhöhe. Eine große Infotafel macht hier Werbung für einen Grenzland-Wanderweg und eine ebensolche MTB-Strecke. Offenbar ist die Grenze zum Kosovo zumindest für diese Arten der Fortbewegung inzwischen wieder überwindbar.
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Südwestauffahrt über Velika
22 km | 1010 Hm | 4,6 %
Ab der Einmündung der vom Stadtzentrum von Plav herführenden Straße in die Hauptstraße müssen wir dieser Richtung Andrijevica noch ca. 5 km folgen. Dann zweigt unser kleines Sträßchen rechts ab und fällt gleich steil hinunter zur Brücke über den Lim. Genauso steil geht es auf der anderen Talseite wieder aufwärts, samt Spitzkehre. Dann folgt das einspurige Sträßchen auf 3 km der Velika rijeka talaufwärts, nur wenig an Höhe gewinnend. Wir passieren dabei ein paar stattliche Gehöfte.
Das böse Ende dieser Idylle kommt kurz nach dem Mini-Brückchen über den Bach: Eine knapp 400 m lange Rampe mit bis zu 20 % baut sich vor uns auf. Erst nach der großen Kirche des nur noch aus ein paar Häusern bestehenden Dorfes Velika flacht die Straße ab. Nach beinahe ebenem Verlauf am Hang entlang erreichen wir einen schönen Laubwald. Es folgt eine weitere, nicht mehr so steile Rampe und nach insgesamt 5 km treffen wir auf die Hauptstraße von Murino herauf.
Spitzwinklig biegen wir auf sie ein und haben noch 17 km Genussradeln bis zur Passhöhe vor uns, identisch mit der Westauffahrt von Murino.
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Schnellste Zeit
Mittlere Zeit
Dolce Vita
Ostauffahrt von Peć
36 km | 1348 Hm | 3,7 %
Von der Fußgängerzone im Zentrum von Peć fährt man weiter in Richtung Westen. Das Einbahnsystem lenkt den Verkehr kurz nach rechts, dann wieder nach links. Auf der linken Straßenseite passiert man die restaurierte katholische Kirche von Peć.
Die Straße gewinnt nur sehr sanft an Höhe. Links und rechts stehen Restaurants, dann ändert sich die Umgebung plötzlich: die Stadt ist zu Ende, ein Wachposten der NATO steht an der Straße. Links befindet sich der Eingang zum Serbisch-Orthodoxen Pećka Patrijaršija. Die Hauptstraße führt gerade aus weiter, eine Mauer trennt sie von der Patrijaršija.
Dann beginnt eines der Highlights des Kosovo: die Rugova-Schlucht. Die Straße schlängelt durch das tief eingeschnittene Tal. Dort wo das Tal zu eng ist, hat man die Straße in den Berg geschlagen: mal mit kurzen Tunneln, mal mit Überhängen. Kehren folgen, der Höhengewinn bleibt im Alpenvergleich moderat.
Weiter oben breitet sich das Tal etwas aus. Familien aus Peć machen Picknick am Fluss, auch gibt es einzelne Restaurants. Wie sonst im Kosovo findet man auch hier Erinnerungen an Menschen, die ihr Leben im Kosovo-Konflikt verloren haben.
Nach ca. 24 km geht die Asphaltierung zu Ende. Eine geschotterte Piste führt geradeaus weiter. Die 2011 nicht ausgeschilderte Route zum Čakor führt nach links weiter, das Tal wird wieder enger. Nun ist die Weiterfahrt nicht mehr rennradtauglich; die Straße ist zudem zum Teil durch Vegetation zugewachsen und dadurch recht eng. Nur die gleiche Stützmauer auf der linken Hangseite wie weiter unten erinnert an eine frühere Bedeutung der Straße.
Nach etwa 2,5 km erreicht man die im Internet viel fotografierten Sperrblöcke, die eine Weiterfahrt per Auto unmöglich machen. Obwohl der Pass noch in weiter Ferne liegt, befindet sich bereits hier die internationale Grenze zwischen dem Kosovo und Montenegro. Zur großen Überraschung ist aber die Straße hinter dem letzten Betonblock neu asphaltiert.
Nun geht die Fahrt weiter im Sattel. Die Straße führt zuerst ein Stück geradeaus, ehe eine Serie von Serpentinen beginnt; die Steigung hier bei 10 %. Nach weiteren 7 Kilometern durch eine malerische, an die Alpen erinnernde Hochgebirgslandschaft ist die Passhöhe endlich erreicht.
Auf dem Pass war 2011 nur ein Straßenunterhaltsgebäude. Ein Denkmal erinnert an Gefallene im Ersten und Zweiten Weltkrieg. Im Ersten war Montenegro ein unabhängiger Staat, im Zweiten Teil des Königreichs Jugoslawien. Ein weiteres Denkmal erinnert an die in der allgemeinen Beschreibung erwähnte Einweihung der Passstraße im Jahr 1925.
Hinter dem Pass ändert sich die Landschaft: Anstatt beklemmender Enge hat man eine Art Amphitheater mit grenzenlosen Ausblicken nach Westen. Zuerst führt die Straße flach, verliert dann später an Höhe. Auch hier ist sie kürzlich asphaltiert worden.
Im Dorf Murino geht die Abfahrt zu Ende. Am Rande des Dorfs ist eine orthodoxe Kirche im Bau. Links führt die Hauptstraße nach Plav mit schönem See. Die Straße geht dann weiter zu einem Dorf namens Gusinje, dann quert sie die Grenze nach Albanien, der Übergang ist erst seit kurzem wieder passierbar. Die lange, extrem anspruchsvolle Fortsetzung durch wildestes Gebiet nach Skodra bzw. Podgorica wurde von einem holländischen Tourenfahrer mit den Wörtern „wie in Pakistan“ beschrieben.
Rechts führt die Straße weiter ins Herz von Montenegro.
Diese Passstraße steht nach Auffassung des Autors eindeutig auf gleicher Höhe mit den Klassikern der Alpen. Viele Kilometer und Höhenmeter, ganz unterschiedliche, ursprüngliche Landschaften, und ein rudimentärer Ausbau. Hinzu kommt der illegale Grenzübertritt, der Kirchenbau und serbisch-nationalistische Graffiti in Murino, der niedergebrannte und in kürzester Zeit wiederaufgebaute Peć mit orientalischem Flair, das Rugova-Tal mit kosovar-albanischen Volkstraditionen und letztlich auch viel Kriegswiderstand, und allem voran die geschlossene, mittelalterliche Welt des Patriarchats von Peć. Der Gegensatz zwischen der harmlos und verletzlich wirkenden Kirche mit ihren einmaligen, unbeschreiblich schönen und imposanten Jahrhunderte alten Fresken, und dem Ausmass der politischen Explosivität als serbische Insel inmitten des albanisch dominierten Kosovo, könnten unterschiedlicher nicht sein. Sie wird vermutlich für viele Jahrzehnte von der NATO überwacht werden, denn ein Angriff auf die Kirche wie beim Dević Kloster im Drenica-Tal 2004 könnte verheerende Folgen haben.
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