Von majortom –
Heftige Gewitter sind in der Nacht über Bagno di Romagna abgegangen (hat mir Paul berichtet, denn ich habe tief und fest geschlafen). Und am Morgen hängen die Berge im Nebel, die Straßen sind noch nass, immer wieder nieselt es. Keine besonders verlockenden Bedingungen zum Radfahren. Aber wir haben ja einen Auftrag: Streckenscouting für Garmisch-Rom 2019. Also brechen wir tapfer auf. Immerhin gibt es einen (zugegebenermaßen recht dekadenten) Ausweichplan, aber dazu später mehr.
Nach nur wenigen Metern das Tal hinauf kramen wir die Regenjacken heraus, aber es ist nur ein kurzer Pillepalle-Schauer, und so entledigen wir uns wieder der Jacken, als es in den (namenlosen) Anstieg hinauf geht, der das Tal verlässt und in Richtung des Valico Monte Fumaiolo führt. Wir haben hier kein detailliertes Höhenprofil und sind so gespannt, was uns erwartet. Leider schonmal keine besondere Aussicht, denn die Berge hängen im Nebel. Irgendwie ein wenig trostlos. Irgendwie aber auch schön, der Apennin in all seiner Einsamkeit.
Kurze Abfahrt, dann der Anstieg zum Monte Fumaiolo. Hier entspringt übrigens der Tiber. Hätten wir ein Schlauchboot dabei, könnten wir also von hier aus recht unkompliziert bis Rom schippern. Aber Paul hat sein Schlauchboot vergessen, also müssen wir mit dem Rad weiter. Der Pass erinnert mich teils an den Jura. Felsige Wiesen, weite Ausblicke (nur heute ins hellgraue Nirgendwo). Ich finde es schön hier, bei Sonne muss es wunderschön sein. Die Abfahrt ist teils rasant, teils erfordert sie aber auch höchste Konzentration bei höchstens mäßigen Asphaltverhältnissen. Auch das eine Erkenntnis dieses Scoutings: Hier muss man immer mit holprigem und rissigem Asphalt rechnen. Kurioserweise sind wir laut der Straßenschilder für ganze 500 Meter in der Toskana unterwegs, bevor wir wieder in die Emilia-Romagna zurückkehren. Aber die Toskana bekommt mir wohl nicht, denn sie beschert mir einen Platten am Hinterrad. Seis drum, Schlauchwechsel und weiter.
Als nächstes steht dann der Passo Cantoniera auf dem Programm. Während es hinter uns nun die ersten Fetzen blauen Himmels zu beobachten gibt, sind wir immer noch teils im unmotivierten Niesel unterwegs. Hochmotiviert gehen wir jedoch den Anstieg an, der zwar sicher wieder nicht seine komplette Schönheit offenbart, aber vor allem die absolute Einsamkeit ist hier überwältigend. Die Autos, denen wir begegnen, können wir heute an einer Hand abzählen. Na ja, fast. Direkt nach der Passhöhe erreichen wir dann Carpegna, wo Pauls bevorzugte Bar zwar leider zu hat, wir dafür pompös im Restaurant gegenüber speisen. Sensationell, dass es in Italien in jedem noch so kleinen Dorf ein Ristorante gibt, das hausgemachte Pasta serviert.
Währenddessen nimmt folgender Weichei-Plan Gestalt an. "Mi basta il Carpegna", soll Local Hero Marco Pantani gesagt haben, wenn er nach bevorzugten Trainingsrevieren gefragt wurde. Statt an den langen Pässen der Alpen zu trainieren, reichte ihm der Monte Carpegna in seiner Heimat. Pantanis Trainingsberg ist laut Paul eine steile, bei Regen verschmutzte Straße, die keinen Spaß macht. Paul ist ihn schonmal gefahren und hat kein Verlangen, das zu wiederholen. Mich reizt er schon, aber die äußeren Bedingungen sind nicht so wirklich reizvoll. Der Berg ist also bekannt, er ist getrackt, und somit beschließe auch ich, dass er nicht auf dem direkten Weg nach Rom liegt, und wir lassen ihn beide aus. 10 Kilometer gespart! Heute also vielleicht endlich mal etwas früher im Ziel.
Eine langezogene Abfahrt, und die nächsten 25 Kilometer vergehen wie im Flug. Dann geht es mit nur ein paar Wellen das Tal weiter hinab. Und schließlich noch 10 Kilometer leicht bergauf nach Urbino. Bei inzwischen abgetrockneten Straßen. Sensationell.
Ich bin diese Etappe gefahren und möchte die befahrenen Pässe in mein Palmares eintragen
Ich bin diese Etappe gefahren