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Lagebericht aus Ligurien


quäldich-Blog » Lagebericht aus Ligurien
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    27.02.2012, helmverweigerer: oder: Freuden und Leiden eines Quäldich-Guides (resp. dessen unermüdlicher und unerschrockenen Frau).

    Auch ein Guide hat technische Defekte, Krisen am Berg und Sitzbeschwerden. Diese sollten einfach tunlichst nicht während einer Reisewoche auftreten.
    Seit Jahren pflegen helmverweigerer und ferdi_k die Gewohnheit, in der «settimana bianca» nicht auf die Bretter zu stehen sondern 4 Tage in Ligurien die Saison vorzubereiten. Das ist sehr praktisch und dient neben dem Spass an der Sache auch dazu, um Rad und Physis auf die bevorstehenden Ligurien-Reisen vorzubereiten.
    Dabei werden nach Möglichkeit neue Strassen rekognosziert, Verpflegungsmöglichkeiten gesucht, der Strassenzustand inspiziert, immer in der Hoffnung, den Teilnehmern eine möglichst attraktive und reibungslose Reisewoche zu bieten.
    Dieses Jahr war das besonders wichtig, denn Ligurien wurde im letzten halben Jahr von ausserordentlich vielen unerfreulichen Naturereignissen heimgesucht. Nach langer Trockenheit regnete es im Herbst so stark, dass es zwei Mal in Folge zu schlimmen Überschwemmungen kam, ein Wirbelsturm tropischen Ausmasses fegte übers Land und zuletzt gab es Unmengen an Schnee und sibirische Kälte.

    Nachdem wir in den letzten 2 Jahren Wetterpech hatten, lachte dieses Jahr im Februar schon beinahe der Frühling.
    Hier in Kürze was wir in den drei Tagen erlebt haben:

    Tag 1
    Der erste Pass des Jahres heisst Colle di Velva. Es fährt sich angenehm hoch nach und nach einer kurzen Abfahrt kurbeln wir etwas steiler hoch nach Tavarone. Hier auf 600 Meter ist ein Swimminpool noch mit einer dicken Eisdecke bedeckt, Zeuge der -20°C die hier herrschten. Die angepeilte Kneipe welche wir ausprobieren wollten macht erst am 1. März auf. Schade. Auf der folgenden Abfahrt in ein kleines Tal sind die Spuren des harten Winters an der Strasse unübersehbar. Über eine vorher noch nie befahrene Strasse erreichen wir Varese Ligure, Mittagessen in der Stammkneipe wie gewohnt gut. Auf der folgende Fahrt zum Passo del Biscia lässt es sich ferdi_k nicht nehmen, das erste Mal im jahr kurzärmlig zu fahren. Auf der Abfahrt ist der obere Teil der Strasse noch recht schmutzig, unten kann man es wie gewohnt laufen lassen. Zum Abschluss noch über Leivi (Leivi geht immer) und am Abend zu Luchin (Luchin geht auch immer).

    Tag 2
    Heute folgt unser Highlight. Eine 160er Runde ins Avetotal mit etwas mehr als 2'000 Höhenmeter. Wir fahren früh los, im schattigen Sturlatal herrschen daher noch Temperaturen um den Gefrierpunkt. Die Fahrt auf den Passo la Forcella läuft gut. Danach wird es im Avetotal spürbar kälter und es liegt noch viel Schnee, die Strasse ist zum Teil vereist. Wir nehmen die kleine Strasse über Cattaragna. Sobald die Strasse im schattigen Teil verläuft müssen wir über schneebedeckte Abschnitte fahren, der Schnitt sackt entsprechend ab. Wir schaffen es aber sturzfrei bis nach Marsaglia, wo ein Pancettapanino in der Frühlingssonne herrlich schmeckt. Man jammert über die Kälteperiode. Nun folgt auf dieser Runde noch die Kür: Die Fahrt hoch durchs Avetotal auf den Forcella. Leivi lassen wir heute weg. Da der Spinakker in Lavagna Betriebsferien hat geht es wieder zu Luchin (Luchin geht immer).

    Tag 3
    Wieder geht es hoch nach Velva, diesal durchs Loch und schwupps ist man im Varatal. In Sesta Godano wollen wir etwas essen, das Kaff nervt aber mit Trattoria-Absenz. Nur eine Kneipe die wenig verlockend aussieht. Also weiter, hoch Richtung Rastrello. Es wird steiler, vor dem Rastrello zweigen wir ab über eine kleine Strasse nach Mangia. Herrliche Kehren mit toller Aussicht in der prallen Sonne. Gelegentlich ziemlich rauher Asphalt, aber hier habe ich geplant beim Saisonauftakt hoch zu fahren, also kein Problem. Ich freue mich, hier hoch zu fahren. Unten im Tal verläuft die Strasse entlang einem kleinen, lieblichen Bach. Der Magen knurrt angesichts der nahenden Zivilsation. Die Strasse wird schlechter, wir müssen sogar absteigen um eine verschüttete Passage hinter uns zu bringen. Erste Zweifel werden wach. Plözlich ist die Strasse weg, weggebrochen, sie endet direkt 4 Meter unterhalb im Bach. Wir haben vorhin 500 Höhenmeter vernichtet. Wo es weitergeht sieht man nicht. Nach etwas Kletterei erspähen wir das andere Ende der Strasse. Also entscheiden wir, durch den Bach zu waten und zur Strasse zu gelangen. Die 100 Meter Strecke kosten uns eine halbe Stunde und kalte Füsse, das Mittagessen können wir abschreiben. Doch das wird zur Nebensache und wir vergessen unseren Hunger als wir Mangia erreichen. das Wort «verwüstet» trifft es sehr gut. Das Ausmass der Zerstörung ist enorm, das Bachbett sieht so aus, als wäre eine monströse Maschine durchgefahren und hätte massnehaft Steine und Bäume liegengelassen. Wir sind ziemlich schockiert. Die Brücke wurde glücklicherweise verschont und so erreichen wir das Varatal und fahren nach Borghetto di Vara. Bereits Am Dorfeingang fahren wir neben einer riesigen Schutthalde vorbei, wo all der Bauschutt und Abfall voller Schlamm zwischengelagert wird. Bereits bei diesen Temperaturen ist der Gestank nicht ohne. Das Dorf selbst hat sich völlig verändert. Die Bar wie wir sie kennen ist weg, ebenso der Dorfplatz davor. Ein kleiner Zufluss zur Vara hat hier alles weggeräumt. Immerhin: Die Bar wurde komplett neu gemacht und wie üblich werden wir sehr zuvorkommend bedient. Wir sind froh, den leidgeplagten Menschen hier 20€ für unser Essen geben zu können. Auf der Fahrt nach Hause begleitet uns die Zerstörung der Überschwemmung. Es sieht ziemlich übel aus. Es wird interessant sein zu beobachten, wieviele Jahre es dauern wird bis sich die Vegetation etwas erholt. In der Bar stand überall «borghetto vive» (Borghetto lebt). Klar müssen sich die Leute Mut zusprechen. Manch einer wird angesichts der zerstörten Existenz dem Hinterland den Rücken kehren und sein Glück an der Küste versuchen. Denn die Gelder aus der Überschwemmungshilfe wandern in erster Linie ins touristisch interessante Gebiet der «Cinque Terre». Etwas bedrückt und auch gezeichnet von den 160km des Vortages fahren wir den Bracco hoch und rollen über die Panoramica nach Chiavari.
    Am Abend gibt es zum Abschluss ein üppiges Antipasto di mare in unserer Fischkneipe und dazu eine Pulle Weisswein.
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