Von majortom –
"Man muss nicht außerhalb von Europa Radfahren, um etwas außergewöhnliches zu sehen", sagt eine Mitfahrerin zu mir, als wir nebeneinander das schöne Glueyre-Tal hinauf fahren. "Allein in Frankreich gibt es so viel zu entdecken!"
Damit bringt sie sehr schön auf den Punkt, was den Charme der heutigen Etappe ausmacht, der ersten Etappe der Auvergne-Rundfahrt 2023 von quäldich. Die Landschaften, durch die wir fahren, mögen auf den ersten Blick zwar nicht so spektakulär sein wie die großen Alpenpässe. Doch eine von bizarr geformten Basaltkegeln geprägte Landschaft wie in den Monts de Vivarais in der nördlichen Ardèche, die findet man sonst einfach nirgendwo.
Heute morgen beim Frühstück läuft - wie so oft in den Frühstückssälen von französichen Hotels - auf einem großen Bildschirm der Nachrichtensender BFMTV. Ohne Ton. Was vielleicht ein Glück ist, denn als es um das Wetter geht, sehen wir einen tiefroten Fleck und die Zahl 36 über dem Rhonetal, wo wir uns gerade befinden. Heißer als auf Korsika. Hätten wir Ton, dann wäre vielleicht so etwas gesagt worden wie: "Vermeiden sie sportliche Betätigung im Freien."
Wir machen es natürlich trotzdem, wohlwissend, dass wir heute keine Rekordleistungen auf den Strava-Segmenten der Pässe in den Monts de Vivarais abliefern werden. Die Abfahrt wird wegen der zu erwartenden Hitze auf 8.30 Uhr vorverlegt, und tatsächlich sind es noch angeheme Temperaturen, als wir in Valence losfahren. Der Stadtverkehr ist kein Problem - am Sonntag früh schlafen die meisten noch. Wir verlassen die Stadt, überqueren die Rhone, sind ein paar Kilometer im Rhonetal unterwegs, dann zweigen wir nach rechts ab, hinein ins Zentralmassiv, zunächst noch recht gemütlich im Eyrieux-Tal. "Wir haben ja gerade mal 80 Höhenmeter", kommentiert jemand bei der ersten Pinkelpause.
Heute sind wir die Gruppe 4. Da sich kein einziger Teilnehmer und keine einzige Teilnehmerin der Reise für die sportive Gruppe eingeschrieben hatte, aber trotzdem in drei Gruppen fahren möchten, gibt es in der Auvergne in diesem Jahr nun einfach nur die Gruppen 2, 3 und 4.
Wir erreichen Saint-Sauveur-de-Montagut. Wie geplant tanken wir am Brunnen Wasser nach, hier trennen sich außerdem die Routen A und B. Als Gruppe 4 machen wir uns natürlich auf die A-Route, auf direktem Weg zum Col de Mézilhac. Dreißig Kilometer sind es von hier aus, erst noch gemütlich durch die idyllische Glueyre-Schlucht, dann jedoch immer steiler anstiegend im letzten Drittel. Inzwischen spüren wir auch die außergewöhnliche Sahara-Hitze. Unser Glück: der Pass liegt mehr als 1000 Meter höher als das Rhonetal, und Begleitfahrer Volker hat uns auf dem Parkplatz einen schönen schattigen Platz unter den Kastanien gesichert. Die Temperatur liegt unter der 30-Grad-Marke. Hier lässt es sich aushalten.
Hier beginnt nach der Mittagspause die sogenannte Route des Sucs, eine Touristenstraße durch das Vulkangebiet. Wir stellen auf dem welligen bis hügeligen Stück über eine traumhafte Höhenstraße ein etwas erhöhtes Aufkommen an Ausflugsverkehr fest. Macht jedoch nichts, das ist ein Luxusproblem bei den fantastischen Aussichten, die sich zeitweise nach links in die Monts d'Ardèche, zeitweise nach rechts ins Vivarais ergeben. Vor uns rückt der markante Basaltkegel des Gerbier de Jonc immer näher.
An diesem stehen wir schließlich, etwas verloren zwischen den Souvenirbuden. Auch die als kulturelles Highlight angepriesene Quelle der Loire, die sich hier befindet, scheint in der Hitze versiegt. Dafür finden wir einen schönen Fotospot mit Passschild und Gerbier de Jonc im Hintergrund. Als kleine Extraschleife geht es dann noch über den Col de la Croix de Boutières, direkt unterhalb des höchsten Berges in der Gegend, des Mont Mézenc. Da die ersten Hitze-Ausfallerscheinungen nun nicht mehr zu übersehen sind, checken wir direkt unterhalb des Passes in Les Estables auf Cola oder Café crème in eine Bar ein.
30 Kilometer trennen uns noch vom Etappenziel Le Puy. 30 Kilometer, die es überwiegend bergab geht. "Kann das sein, dass es in Le Puy regnet?", kommt nun das Gerücht auf. Kaum zu glauben, schließlich ist es hier wieder mehr als sommerlich heiß. Doch schon zu Beginn der Abfahrt sehen wir ein Gewitter vor uns. Wir scheinen mehr Glück als Verstand zu haben (und wir haben jede Menge Verstand), denn das Gewitter zieht nach Norden ab, und die Hoffnung steigt wieder, trocken durchzukommen. Leider erwischt es uns 2,5 km vor dem Ziel, und wir suchen kurzzeitig Unterschlupf auf einem Supermarktparkplatz, überdacht zwischen Einkaufswagen.
Eine tolle Etappe geht dann in Le Puy zuende. Zum Abendessen gibt es natürlich Linsen.
Ich bin diese Etappe gefahren und möchte die befahrenen Pässe in mein Palmares eintragen
Ich bin diese Etappe gefahren