Balneari de Cardó (505 m)
Der Begriff "balneario" dürfte den meisten Spanien-Urlaubern nicht unbekannt sein, dahinter verbergen sich Anlagen, die deutschen Kurbädern ähneln. Jedenfalls ursprünglich. Manche "balnearios" sind mittlerweile zweckentfremdet. Das bekannteste spanische Kurbad trägt unzweifelhaft die Nummer 6 und ist zu einem Sufftempel verkommen. Die hier vorgestellte Anlage ist das genaue Gegenteil vom mallorquinischen Sangriaparadies. Denn das Balneari de Cardó im Hinterland von Tortosa ist einer der verwunschenen Orte Kataloniens, weitab vom Schuß, weitgehend unbekannt, und zu trinken gibts nur Wasser. Gegründet als Kloster Anfang des 17. Jahrhunderts, wurde die spektakulär auf einem Felssporn (dem Salt del Frare) gelegende Anlage in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts als Kurbad umgebaut. Im Spanischen Bügerkrieg deklarierte man das Kurbad als Krankenhaus um, durch weitere Umbauten in den 1940ern erfolgte die Rückverwandelung ins Kurbad. Endgültig stillgelegt wurde es in 1967. In den Siebzigern baute man eine Mineralwasserflaschen-Abfüllanlage in den Komplex ein, die mehrmals den Besitzer wechselte (u.a. Nestlé), und aktuell ebenfalls nicht mehr in Betrieb ist.
Warum man dort in der Serra del Cardó nicht dauerhaft eine solche Anlage, ob Kurbad oder Abfüllstation, betreiben kann, liegt auf der Hand: zu weit weg vom Rest der Welt. Von Rasquera am Nordrand der Serra de Cardó aus führt eine enge, kurvige Straße zum Balneari, die einiges an Kurbelei erfordert und nicht allzuviel Verkehr verträgt. Und Rasquera selbst ist auch alles andere als ein Knotenpunkt. Die nächste größere Stadt ist Tortosa, ein ganzes Stück den Ebro hinab. Einen direkten Weg von Rasquera durch die Serra nach Tortosa gibt es nicht, zu zerklüftet ist das Terrain. Also muß man am Ebro entlang außen herum fahren.
Dafür ist die Straße zum Balneari ein Leckerbissen für Radfahrer und lohnt den langen Umweg. Warum? Weil die letzten drei Kilometer zum Spektakulärsten gehören, was das Straßennetz der Provinz Tarragona hergibt. Wer es nicht glaubt, soll es einfach probieren, er wird nicht enttäuscht werden!
Auffahrten
Nordauffahrt von Rasquera
9,6 km | 388 Hm | 4,0 %
Die Auffahrt beginnt nicht direkt in Rasquera, sondern etwas unterhalb, am Abzweig zum Dorf von der TV-3022, die nach el Perelló in der Nähe des Mittelmeers führt. Nicht weit entfernt befindet sich eine zweite Kreuzung, die mit der breiten C-12. Fährt man über diese Straße von Mora d'Ebre an, hat man bis Rasquera schon ein paar Hm in den Beinen; dieser Anstieg ist aber eigentlich Teil der Nordostseite des Coll de Miravet oberhalb des Ebro, westlich von Rasquera, und fällt deswegen unter den Tisch.
Die Landstraße steigt etwas steiler durch Rasquera an und flacht hinter dem Dorf ab. Die Landschaft ist zunächst unspektakulär: Olivenbäume, Kiefern, Blicke nach Norden zu den Ausläufern der Serralada Prelitoral. Nach vier Kilometern kann man auf einem Gefällstück richtig Gas geben und fährt so zügig ins Innere der Serra de Cardó. Felsige Kuppen tauchen auf, die Hügel verwandeln sich in niedrige Berge, die Straße schlängelt sich durch einen luftigen Kiefern-Steineichen-Mischwald.
So ungefähr bei Kilometer 6 steigt die Straße wieder an und strebt nun eher wellig dem Balneari entgegen. Richtig spektakulär wird es hinter einer markanten Linkskurve etwa einen Kilometer später. Die Landschaft öffnet sich, Felswände ragen links neben der Straße empor, man hat einen freien Blick auf die Felsbänder der Serra, mit einem Tal zur Rechten.
Die letzten drei Kilometer bis zum Balneari sind nun ein einziges Schauradeln durch eine faszinierende Felslandschaft, durchsetzt mit Kiefern und Zypressen. Hinter einem kleinen Tunnel, nicht mehr als ein Durchbruch, sieht man das Balneari wie ein Märchengebäude aus Tausend und einer Nacht auf einem Felsen. Eine Einsiedelei bleibt zurück, und das Balneari rückt näher, so daß man immer mehr Spuren des Verfalls an dem Komplex erkennt.
Der Endpunkt der Auffahrt liegt auf der Rückseite des Komplexes. Dort verbirgt sich hinter einem Zaun eine Wasser-Abfüllstation, der einzige Grund für den Erhalt der Straße. Betreten kann man das Balneari nicht, aber ich vermute, dass sich nicht jeder von der Absperrung aufhalten läßt, und schon so manch einer in den Gebäuden herumgestromert ist.
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