Diagonal durch Frankreich 2003
1170,0 km / 0 Hm
Redaktionell bestätigte Tour von
Eine Tour von Winnenden bei Stuttgart, den Vogesen entlang und durch die Auvergne, über den 1588 m hohen Puy de Peyrol nach Aurillac und dann der Célé folgend nach Cahors am Lot in Süwestfrankreich, gefahren von Jean-Christoph Hannig und seiner Schwester Anne.
Einzelstrecken
Vorbereitung:
Die Idee spukte schon länger durch unsere Köpfe: einmal mit dem Rad nach St. Pierre zu unserer Verwandtschaft ins Burgund. Als ich dann 2002 mit dem Zivigeld die Gelegenheit hatte, mir ein Rennrad zu kaufen, wurde der Traum plötzlich greifbar, und gewann durch die Tatsache, dass inzwischen unsere Tante nach Pau gezogen war, eine neue Dimension, denn wer träumt nicht von seiner persönlichen Tour de France? Also blieben nur noch wenige Hindernisse: meine Schwester brauchte ein Rennrad, die Tour musste durchorganisiert werden und es musste ab sofort systematisch trainiert werden.
Das Problem Rennrad war bis Weihnachten mit vereinten Kräften und Ausgaben gelöst, die Route wurde mit Hilfe einiger Frankreichkenntnisse und der Michelin Straßenkarte (1:200.000) ausgesucht, eingescannt, in Trikottaschenformat ausgedruckt und beim nächsten Kopierladen schweißfest verschweißt. Zudem wurde die Karte auf Höhenangaben unsere Strecke betreffend untersucht und ein Höhenprofil erstellt. Jetzt mussten die Unterkünfte zusammengestellt werden. Letzteres stellte sich als aufwendiger heraus als gedacht, wurde aber mit vielen Mühen von unserer Mutter gelöst, übernachtet wurde ausschließlich in chambres d’hôtes.
Ach ja, das Gepäck: meine Schwester und ich waren Glückspilze, ließen sich doch unsere Eltern überreden, unsere Tour mit dem Auto zu begleiten, was für uns bedeutete, dass wir keinerlei Gepäck auf dem Fahrrad transportieren mussten und lediglich ein casse-croûte und (je nach Wetter) ein Regencape mit uns führten. Für unsere Eltern bedeutete das: tagsüber Sightseeing und je nach Strecke/Absprache, Treffen mit uns Mittags, in jedem Fall aber Abends kurz vor/bei der nächsten Unterkunft.
Und nun begann das Training. Im Winter viel Schwimmen, um den Stoffwechsel und den Kreislauf fit zu bekommen, sobald es wärmer wurde ab aufs Rad, um auch dort einen dauerhaften Druck aufs Pedal zu entwickeln.
Unsicherheitsfaktoren blieben immer noch genug: Ohne die Erfahrung vorheriger Mehrtagestouren wussten wir nicht, wie gut die Regeneration über Nacht klappen kann, was unser Sitzfleisch zu unserer Aktion sagen würde; und, nicht zu vergessen: wie das Wetter ausfallen würde.
Und dann ging es los...
Abfahrt 714 Uhr; der Morgen schien etwas frisch, doch schon nach wenigen km wurden die Ärmlinge in die Trikottaschen verbannt. Das Wetter war als wechselhaft vorrausgesagt, doch wir hofften auf unser Glück. Den Weg durch die Felder nach Marbach am Neckar, weiter an Neckar und Enz, ja selbst durch die Weinberge am (südlichen) Fuße des Strombergs wurden wir durch die morgendlichen Sonne gewärmt, von einem Pfau und kleinen spielenden Katzen begrüßt. Je näher wir jedoch Maulbronn kamen, desto schwarzer wurde der Himmel in Blickrichtung Süden. Um 1015 Uhr in Maulbronn
angekommen wurden die Bananen schnell verschlungen und die geplante kurze Pause schlichtweg verschoben, das Wetter verhieß uns nichts gutes, und tatsächlich - kaum waren wir auf dem Weg ins Pfinztal, erwischte uns auch schon der Regen, anfangs schien es ein Gewitterguss zu sein, nachher stellte es sich als 2stündiger Dauerpiss heraus, kurz: das anfängliche Vergnügen war vorerst dahin. In Durlach hörte der Regen endlich auf, und wir rollten vollends bis Ettlingen, wo wir uns mit unseren Eltern zum Mittagessen verabredet hatten. So wurden also um viertel vor Eins die Trikots und Hosen getauscht, schließlich waren die mehr als nur durch, und das nächste Pasta-Lokal angesteuert. 6 km weiter bei Malsch auf einer Seitenstraße wurde dann eine Regenerholungspause eingelegt und die Schuhe in die Sonne gestellt.
Ja, endlich schien wieder die Sonne, dafür hatten wir jetzt einen Dampf, der uns mächtig an eine Sauna erinnerte; macht nichts, da muss man durch, also weiter über Rastatt und die alte (eigentlich für Radler gesperrte) Iffezheimbrücke nach Frankreich und dort bis La Wantzenau. Ein zähes Stück Arbeit vor allem zur Rushhour, aber doch versöhnlich nach dem morgendlichen Regen. Nun noch was Essen gehen, die Trikots ins Waschbecken und ab ins Bett.
Unser Zeitplan, der eigentlich spätestens 900 Uhr Start beinhaltete, wurde etwas gedehnt, der Start nach dem guten Frühstück erfolgte erst um 945 Uhr. Es folgte die große Überraschung: schon die erste kleine Ortschaft unseres heutigen Weges war einfach wunderschön. Die ausgewählte Route (aus einem Radwanderbuch entnommen) führte uns die gesamte elsässische Weinstraße entlang: zum Rennradeln ideal und allgemein einfach nur ein Traum. Aber, es war der zweite Tag; unser erster zweiter Tag überhaupt, und das machte sich mit einem konditionellen Tiefpunkte bemerkbar. Dass das Thermometer zudem auf 31°C kletterte, machte uns die Sache nicht leichter, und so wurde konsequent jeder Brunnen angesteuert, der in Sicht kam, um sich abzukühlen. Die sich uns bietende Sitzgelegenheit kam zu früh und so ließen wir sie doch rechts liegen.
Wir hatten diese Strecke also unterschätzt (in der Karte waren leider keinerlei Höhenangaben zu finden gewesen) und letzten Endes halfen wir uns mit gegenseitigem schieben (wir sind aber nicht vom Rad gestiegen!) über die noch verbleibenden Hügel um völlig erschöpft in Thann auf unser Eltern-Taxi zu warten. Was uns jedoch von dieser Etappe in Erinnerung blieb, war die umwerfende Landschaft: einfach Klasse.
Nachdem die Übernachtung in Bourbach-le-Haut nahe dem Col du Hunsrück relativ hoch gelegen hatte, durften wir uns zu Anfang dieser auf 150 km taxierten Strecke bergab einrollen. Es folgte eine sehr abwechslungsreiche, weiterhin recht hügelige Strecke auf der Südseite der Vogesen. Erstmals verloren wir den Schwarzwald aus dem Blick, der uns den ganzen Vortag daran erinnert hatte, dass wir doch eigentlich noch nicht weit von good old Germany weggekommen waren. Stattdessen kam das Jura in Sicht. Zu Mittag trafen wir uns in Ronchamp
wo wir beschlossen, die heutige Strecke um 40 km zu kürzen und das Eltern-Taxi zu missbrauchen, um dafür etwas früher bei der nächsten Unterkunft zu sein, wo uns ein Swimming-pool erwartete. Trotz der gekürzten Strecke, war die Etappe durchaus anstrengend, auch wenn man sich konditionell langsam an die Belastung gewöhnte. Was uns aber schwer zusetzte, war ein weiteres Mal die Temperatur von 33°C. Ein anderes Problem war die zum Teil fast schon beklemmende Einsamkeit, in der man hier radelte: km weit ohne einen einzigen Menschen zu begegnen. Aber trotzdem wunderschöne Landschaften. Unterwegs stellte sich auch heraus, dass eines der kleinen in der Karte verzeichneten Sträßchen mittlerweile der Witterung zum Opfer und dem Vergessen anheim gefallen war, es wies nämlich keinen Belag mehr auf und wir waren reichlich irritiert, wohin es nun gehen sollte, doch nach einem kurzes Stück Cross ging es wieder weiter in Richtung Besançon. Welch eine Wohltat sich nun in den Pool zu werfen!
Dachten wir am Vortag bereits, einsame Gegenden zu durchfahren, wurden wir heute Lügen gestraft: in der Saône Ebene war km weit außer Felder wirklich nichts zu sehen.
Eine wahre Einöde in die die Sonne zum Glück nicht so heftig herunterbrannte, wie wir befürchtet hatten, dafür blies uns ein stetiges, steifes Lüftchen ins Gesicht, was bei dieser Landschaft auch an den Nerven zehren kann. Wäre nicht immer irgendwo zwischen den Bäumen am Horizont ein Kirchturm zu sehen gewesen, so hätte man hier das Recht gehabt, von einer gottverlassenen Gegend zu sprechen. Ansonsten war der Tag recht ereignislos und vom Kampf gegen sich selbst geprägt, gegen Hügel konnte man hier nicht ankämpfen.
Das Burgund. Mehr möchte ich eigentlich gar nicht sagen. Für mich persönlich die schönste Etappe unserer Tour. Zuerst 25 km auf einer ehemaligen Bahnstrecke (Voie verte) durch die Hügel und Weinberge
an Taizé vorbei bis nach Cluny, und dann auf den „Départementales“ weiter unseren ersten Col hinauf. Auch hier machte sich die Sonne wieder mächtig bemerkbar, doch irgendwie hatte man sich akklimatisiert. Meine Schwester kämpfte weiter mit der Kondition, ich hatte schon etwas mehr Übung im Pässe fahren und tat mich leichter, konnte mich also umso mehr um ihre Motivation kümmern. Nach dem ersten Col ein Vesper und 30 min. Mittagspause, dann ging es weiter über den Col de la Cépée
und einen dritten Namenlosen (und leider auch Höhenangabelosen) und deshalb unerwarteten Pass in Richtung St. Pierre, unserem heutigen Etappenziel. Als wir erst mal über die Kämme rüber waren, war der Rest eigentlich nur noch Pflichtübung, da leider etwas mehr Verkehr war. Bereits um 1545 Uhr kamen wir an, mussten aber ein Opfer beklagen: bei einer flotten Abfahrt wurde ein Spatz aufgeschreckt, der dem zweiten Radler gegen das Tretlager flog – jetzt ist er unter einem Nussbaum beerdigt.
Sechster und Siebter Tag waren Ruhetage im Schoß der Familie. Mental und visuell ging die Vorbereitung allerdings schon weiter.
Die Monts de la Madeleine in der Ferne erinnerten uns ständig an die Überquerung der Auvergne, die auf dem Plan der übernächsten Etappe stand.
Nach zwei Ruhetagen waren die Beine wieder frisch wie auch die Luft, denn es hatte ausgiebig geregnet, was uns ganz recht war, dann würde uns jetzt kein weiterer Regen erwarten. Schon der erste Anstieg unserer ersten Bergetappe durch das Massif-Central brachte uns ein wundervolles Panorama -
der Tag ließ sich gut an. Leider ging das nicht nahtlos so weiter, nach der Mittagspause in Noirétable bekam meine Schwester Kreislaufprobleme, die sie aber (mit Hilfe von Korodin Tropfen) erfolgreich überwand, so dass wir die weitere Strecke über Cunlhat, mit weiteren wundervollen Ausblicken,
die uns den kommenden Tag erahnen ließen, bis Sauxillanges gut überstanden, trotz wieder aufkeimender Hitze. Übernachtet wurde fürstlich: in einem alten Adelssitz. Das Manko dieser Etappe: ein weiterer Berg, der in der Karte nicht genauer zu identifizieren war (höchste Angabe war 827 m) und sich bis deutlich über 1000 m erhob, was anhand der umgebenden Berge mit Angaben von 1205 m und 1306 m sicher festzustellen war...
Wir wussten, dass uns ca. 1800 Höhenmeter erwarteten und ließen uns bis 20 km vor dem ersten Anstieg bringen, es folgte eine wunderschöne Strecke durch die Gorges de l’Allagnon
bis es schließlich direkt nach Massiac zur Sache ging. Kaum hatten wir diese erste Stufe überwunden, zog sich die Strecke erbärmlich lange über eine Hochebene, die wir hier in der Mitte Frankreichs so nicht erwartet hatten. Die Landschaft wechselte zwar nach jeder größeren Kurve - von Steppe über Weide zur Mondlandschaft
war alles vertreten, aber die Verlassenheit war ein weiteres mal beinahe erschreckend. Auch nervte uns die Tatsache, dass die Berge, durch die unser Weg uns noch auf 1588 m bringen würde, einfach nicht in Sicht kommen wollten. Und wieder spielte uns die Karte einen Streich, bevor wir in Allanche unser Vesper einnehmen konnten, mussten wir auf über 1200 m hinauf, wo wir mit max. 1100 m gerechnet hatten. Dann endlich kamen auch die Berge (die Monts du Cantal) in Sicht, die unseren höchsten Punkt auf unserer Tour quer durch Frankreich enthalten sollten.
In Dienne am Fuße des krönenden Schlussanstiegs gab ich meiner Schwester einen Vorsprung von 15 min. da ich sie nicht hinter mir lassen wollte, aber mein eigenes Tempo brauchte, um den Berg hinauf zu kommen. Am Col d’Eylac 1,5 km und 167 hm vor dem Puy Mary fing ich sie wieder ein und wir machten uns an den Endspurt. Dass meine Anne allerdings nicht ins Pedal kam und stehend auf die Seite kippte wobei sich die Schuhplatte verdrehte, bekam ich leider nicht mit und stürmte nach oben. Dass sie aber nach ca. 5 min. immer noch nicht in Sicht kam, machte mich stutzig und ich rollte zurück, um notfalls noch mal mitzuschieben (Auch wenn ich so schon hart an der Grenze meiner eigenen Kraft war), unten war sie also mit Tränen vor Wut weil ihr so die Möglichkeit die Tour durchzustehen verwehrt blieb und wir unser Eltern-Taxi bemühen mussten. Die anschließende 50 km lange Abfahrt schenkten wir uns, was angesichts der furchtbar kurvigen Wegstrecke ohne gerade Stücke zum rollen lassen und des dichten Tourismusverkehrs nicht die schlechteste Idee war.
Die Mühen des Vortags konnten nun geerntet werden, man blickte zurück auf die Gipfel und genoss die Möglichkeit die vielen Höhenmeter kontinuierlich wieder abzubauen und so Kraft zu sparen. Waren die Temperaturen in der Auvergne auf ständig über 1000 hm sehr moderat gewesen, so waren sie auf dieser Etappe je tiefer man kam umso drückender. Im Tal der Célé
kurz vor Cahors dürfte die 40°C Marke wohl erreicht worden sein. Allein die Wegstrecke ohne Höhenmeter am Fluss entlang ließ uns das überstehen.
Neunte und Zehnte Etappe wurden aufgrund der Temperaturen von bis zu 42°C annuliert. Ich nutzte noch eine Gelegenheit, um die Gegend anzuschauen und fuhr ein 40 km Stück, was mir Lust darauf gemacht hat diese Etappen ein anderes mal nachzuholen, das Terrain ist zwar sehr hügelig, aber die möglichen Blicke auf die sich nähernden Pyrénéen und die wundervolle Landschaft
sind eine Reise wert.
Als I-Tüpfelchen hatte ich 2 Tage später die Möglichkeit, den Col d'Aubisque unter die Räder zu nehmen, was aber angesichts von 37°C in Laruns ein echtes „Quäl-dich-du-Sau“ Unternehmen war.
Abschließende Bemerkungen:
Das nächste Mal werde ich mir Karten mit genaueren Höhenangaben beschaffen, ansonsten hat sich das Format sehr bewährt.
Sehr positiv war die Sportlerbehandlung mit „Sportenine“ einem homöopatischen (arnika-haltigen) Präparat, das in den französischen Apotheken erhältlich ist und die Regeneration beschleunigt sowie dem Muskelkater vorbeugt. (Mit durchschlagenden Erfolg: kein einziges Bischen Muskelkater bei 1200 km!)
Auch das Arnika Massageöl von der Weleda um abends die Muskeln zu lockern, ist sehr zu empfehlen.
Und nun das Wund-Po Heilmittel schlechthin: Calendula Baby-Creme von der Weleda: abends nach der Belastung auf die schmerzende Region und ein wenig einreiben und man merkt am nächsten Tag fast nichts mehr!
Die Photos entstanden mit einer Minox älteren Datums, die aber die Vorgabe des Trikottaschenformats perfekt erfüllt und zudem Einhandbedienung zulässt, was Bilder während der Fahrt (freihändig) ermöglicht. Manche Bilder sind mit einer SR-Kamera aufgenommen, die im Auto mitgeführt wurde, da zu schwer fürs Fahrrad.
Literatur:
Michelin Straßenatlas 1:200000
Cyclotourisme en France von Ulysse – Verlag
Radwanderkarte des Landesvermessungsamt BW für die erste Etappe Blatt 55 und 50
Für die nächste Frankreich Tour nehme ich: Top 25 oder Série bleue von IGN
Guide des Chambres d’hôtes 2003
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