Von majortom –
Ich stehe am Morgen in Porrentruy, Schweizer Jura. Aufmerksame Leser werden nun wohl stutzig, denn unsere Tour en France Freiburg-Bordeaux führt doch gar nicht durch die Schweiz. Richtig, aber die Neuauflage unserer Fernfahrt Freiburg-Nizza tut es, und so wandle ich heute ein wenig auf Abwegen, um auch hier noch ein paar Strecken im Schweizer Jura anzusehen.
Ich fahre also direkt in den Anstieg zum Ciol de Montvoie. Ein schmaler, idyllischer Pass zwischen der Schweiz und Frankreich wurde mir von der Passbeschreibung versprochen, und diese Aussage bewahrheitet sich schnell. Ich bin bei strahlendem Sonnenschein unterwegs, keine Wolke am Himmel, der Jura strahlt in den schönsten Herbstfarben. Könnte es schöner sein? Der Montvoie rollt bei mäßigen Steigungen auch mit meinem Übernachtungsgepäck sehr gut, leider gibt es im tiefen Wald kaum mal schöne Ausblicke in Richtung Vogesen, aber hin und wieder kann man doch zwischen den Bäumen hindurch schauen. Wunderschön.
Ich bleibe nicht lange an der Passhöhe. Es weht ein kalter Wind aus dem Doubs-Tal herauf, und selbst in der Sonne ist es am morgen noch ziemlich frisch. Also WIndjacke über und gleich in die Abfahrt. Bald stelle ich fest, dass im Doubs-Tal noch eine dichte Nebeldecke hängt. Ich stelle mich also auf einen Tempertursturz ein. Tatsächlich ist die Abfahrt sehr kalt, doch unten im Tal komme ich schon bald wieder in Bewegung und produziere genug Wärme, so dass es auch im Nebel angenehm ist. Schade nur, dass ich vom schönen Tal und den Felsen rechts und links nur wenig sehe.
Bis Sainte-Ursanne reißt die Nebeldecke dann auf, wieder strahlt die Sonne. Und wieder fahre ich bergauf durch schönste bunte Herbstlandschaft. Nur ist der Col de la Croix deutlich steiler, und nun merke ich schon das Zusatzgewicht durch meine an der Sattelstütze montierte Tasche. Tapfer quetsche ich hinauf zur Passhöhe, wo ich den tollen Ausblick zu den Vogesen genieße. Wunderbare Sicht heute, das verspricht viel für den Grand Ballon.
Ich fahre ab, zurück nach Porrentruy und mache dort noch eine kurze Vormittagspause. Dann geht es in den Flachteil der Etappe, zunächst die Ajoie hinauf bis Delle, wo ich auch die Grenze nach Frankreich überquere, dann durch die burgundische Pforte, einen Teil davon gemütlich entlang des Rhein-Rhone-Kanals. Es rollt gut in der Herbstsonne.
Doch so langsam kämpfe ich mich auf die Vogesen zu, bis ich schließlich in Lauw das Gebirge erreicht habe. Nun geht es bergauf zum Ballon d'Alsace, erstmal noch mäßig ansteigend auf dem Doller-Radweg, der auch mit dem Rennrad sehr gut zu befahren ist. Kurz hinter Sewen beginnt dann der eigentliche Anstieg. Hier merke ich beinahe sofort, dass die Beine schon recht schwer sind, die Form wohl auch nicht so überragend. Es ist eine sehr schöne Auffahrt, kaum Verkehr, schön trassierte Straße, doch ich muss so richtig kämpfen. Das schiebe ich mal auf die lange Etappe und das ungewöhnte Gepäck.
Am Col du Ballon, wo die Abfahrt nach Giromagny abzweigt, bin ich hin und her gerissen. Soll ich auf die zwei Kilometer zum Gipfel des Ballon verzichten und gleich abfahren? Die Entscheidung ist schnell getroffen. Ich will auf den Ballon und gehe das - zum Glück nicht mehr ganz so steile - Schlussstück an. Die Aussicht in Richtung Schwarzwald und über die südlichen Vogesen hinweg gibt mir die Gelegenheit zu einem Fotostop. Dennoch bin ich völlig alle, als ich schließlich an der Auberge du Ballon stehe. Geschafft.
Dann drehe ich mich um und komme aus dem Staunen nicht mehr heraus. Am Horizont im Süden leuchtet hinter dem Jura das komplette schneebedeckte Berner Oberland in der Sonne. Ich bin überwältigt - das muss doch mehr als hundert Kilometer weit weg sein... Ich kann mich nicht daran erinnern, schonmal so einen phänomenalen Alpenblick gehabt zu haben, vielleicht 2012 am Col de Chasseral. Es war die richtige Entscheidung, hier noch rauf zu fahren!
Die Abfahrt nach Giromagny wird wieder sehr kalt, da es inzwischen zugezogen hat über den Vogesen. Immerhin fahre ich in Richtung meines Etappenortes Belfort wieder auf blauen Himmel zu. Mit sozusagen letzter Kraft erreiche ich das Hotel. Was für eine sensationelle Etappe!
Im Hotel komme ich gerade richtig zum Apéro, der jeden Donnerstag hier gratis serviert wird. Weißwein und Häppchen - genau was ich brauche. Erfreulicherweise ergibt sich ein nettes Gespräch mit anderen Hotelgästen und dem Rezeptionschef, so dass dem Weißwein auch noch ein Rotwein folgt. Bordeauxscouting mit Burgunder. Warum auch nicht. Darauf ist es zurückzuführen, dass auch der Bericht erst zu später Abendstunde fertig ist. Bis morgen!
Ich bin diese Etappe gefahren und möchte die befahrenen Pässe in mein Palmares eintragen
Ich bin diese Etappe gefahren