Von majortom – Der westliche Teil Liguriens steht jedes Jahr beim Frühlings-Klassiker Mailand-San Remo im Fokus der Radsport-Öffentlichkeit. An Cipressa und Poggio teilt sich dabei kurz vor dem Ziel die Spreu vom Weizen. Diese Region wollen wir im Jahr 2019 erstmals mit quäldich.de bereisen und feststellen, dass diese beiden Anstiege nur unbedeutende Hügel im Vergleich zu dem sind, was wir im weiten Hinterland unter die Räder nehmen.
Täglich starten wir im Örtchen Laigueglia an der quirligen Mittelmeerküste zu unseren langen Ausritten in das Hinterland, in dem es schlagartig still und ursprünglich wird. Abseits der Touristenmassen am Meer genießen wir zwischen Savona und San Remo das authentische Italien von seiner besten Seite.
Von majortom – Endlich wieder Ligurien! Die Vorfreude war groß, nachdem ich Anfang des Jahres eine spontane Rochade meiner geplanten Reisen durchgeführt habe und somit den letzten noch vakanten Guide-Posten für unsere Rennradwoche in Laigueglia ergattert hatte. 2010 bin ich zuletzt zum Radfahren in Ligurien gewesen, jetzt also nach langer Pause wieder Sonne, Meer und Berge in Italien.
Und so übernehmen ab heute Henner, Olivier und ich den Staffelstab von Jan, Silvi und Paul aus Chiavari. Es geht nahtlos weiter mit der Ligurien-Berichterstattung. Die Ponente genannte Region westlich von Genua hat von Initiator und Streckenplaner Henner so viele Vorschusslorbeeren bekommen, dass die Messlatte immens hoch liegt. Nach der Einrollrunde bin ich geneigt, ihm prophylaktisch zuzustimmen: und steht eine grandiose Rennradwoche bevor.
Wir reflektieren also, solange im Hotel der Aperitiv serviert wird. Ein gemütlicher Vormittag, ein leckeres Panino am Meer zum Mittag, und dann um 14 Uhr der langersehnte Start in die Woche mit der knapp 70 km langen Einrollrunde. Urlaubsstimmung, als wir die ersten drei Kilometer flach am Meer entlang cruisen, auf der Aurelia nach Norden. Doch schon in Alassio wird es ernst. 400 Höhenmeter hinauf zur Testico-Kammstraße stehen auf dem Programm. Die erste Freigabe unserer Woche. "Freigabe?" vergewissert sich Matthias, der von hinten zu mir heranrollt. "Das heißt nicht, dass du Vollgas fahren musst", sage ich, doch da hat er schon das Tempo erhöht und ist auf und davon. Zuhause hat er nur Flachland, erklärt er mir später, also will er die Berge auch ausnutzen. Das restliche Peloton meiner entspannten Gruppe verspürt deutlich weniger Druck, und wir fahren gemächlich hoch, verlassen den Ort, der sich weit den Hang hinauf zieht, genießen die Ausblicke zum Meer, die schmaler werdende Staße, die beginnende ligurische Bergwelt. Das ist Ligurien: sobald man die Küstenzone verlässt, ist man sofort in völliger Einsamkeit unterwegs. Die uns begegnenden Autos wird man nun bis zum Etappenende an einer Hand abzählen können. Nun ja, fast...
Der Anstieg ist bewältigt, Matthias wieder eingefangen, und wir cruisen nun über die wunderschöne Höhenstraße, die uns tiefer in die Bergwelt hinein führt. Ausblicke rechts, Ausblicke links, blühender Thymian und Salbei am Straßenrand. Eine wunderbare ligurische Idylle, auch wenn inzwischen der Himmel komplett zugezogen ist und es nun doch ein wenig kalt wird. Wir passieren Testico und sind somit im zweiten Anstieg des Tages zum Passo die Genestro, auch dieser sehr gemütlich zu fahren. Es macht Spaß.
Wir haben den höchsten Punkt des Tages erreicht, und alles was die Trikottaschen und Rucksäcke hergeben wird angezogen für die Abfahrt nach Garlenda. Eine schöne Straße durch Olivenhaine, auch wenn der doch recht holprige Asphalt keine Höchstgeschwindigkeiten zulässt. Macht nichts. In Garlenda hat sich Henner vor einem aimentari positioniert und wartet auf uns. Die sportive und die ausdauernde Gruppe wurden zusammengelegt und Olivier anvertraut, und Henner bietet sich an, diejenigen, die den letzten Anstieg zurück zur Kammstraße nicht mehr fahren möchten, höhenmeterneutral über Albenga zurück ins Hotel zu geleiten. Doch er hat die Rechnung ohne den Wirt gemacht, denn Kneifen kommt für die entspannte Gruppe nicht in Frage. Wir sind schließlich zum Radfahren hier.
Der namenlose Pass an der Kammstraße ist der für mich schönste Anstieg des Tages. Eine schön trassierte Straße, tolle Ausblicke bis zum Meer, und vor allem die absolute Einsamkeit des ligurischen Hinterlands. Ein Traum. Henner fährt vor, also schließe ich mich dem Grupetto an und kurbele schön langsam hinauf. Oben kreuzt sich dann die Acht. "Ah, das ist hier, wo wir vorhin nicht abfahren sind...", stellt die Gruppe fest. Stimmt. Wir fahren auf der anderen Seite des Kamms ab, auf steiler holpriger Abfahrt. "Hier können wir Windschatten fahren", sagt Henner unten im Tal. Viel fehlt nicht mehr, und er spannt sich vor das Feld, bricht für uns den Wind, während ich nach hinten absichere.
So erreichen wir Andora und haben nur noch einen letzten Nupsi entlang der Aurelia bis nach Laigueglia zu bewältigen.
Ursprüngliche Etappenbeschreibung:
Wie auf jeder Quäldich-Reise steht am ersten Tag die Einrollrunde auf dem Programm - in unserem Fall wartet schon ein echtes Highlight der ligurischen Küste auf uns: die Kammstrasse von Testico. Zunächst verlassen wir jedoch unser Hotel, um uns auf der Staatsstraße 1, der berühmten Aurelia, dem Meer entlang warmzufahren. Das dauert nicht allzu lange, da es in Alassio schon stramm hoch nach Moglio geht, wo die Kammstrasse nach Testico beginnt. Immer mehr oder weniger eben geht es auf knapp 500m dem scharfen Grat entlang, der die Täler der Wildbäche Merula und Lerrone trennt. Die Straße wurde umsichtigerweise auf der sonnigen Seite gebaut, und es geht es mit viel Flow voran, in regelmässigen Abständen wird der Blick auf die Ebene von Albenga im Osten und dem im Frühjahr meist noch schneebedeckten Alpenhauptkamm im Norden frei. In Testico angekommen beginnt die letzte gemütliche Steigung zum Passo di Ginestro, der angesichts der hier herrschenden Vegetation seinen Namen voll verdient. Geradeaus geht es in das Hinterland von Imperia, wir biegen aber heute rechts ab und geniessen die lange Abfahrt nach Garlenda. Es geht schnell und ohne Gegenanstiege durch die für Ligurien so typischen Olivenhaine hinunter. In Garlenda gibt es eine ebene Fluchtmöglichkeit über Albenga zurück nach Laigueglia, während die Ausdauernden noch eine Zahn ins Höhenprofil einbauen können und die sehr angenehm zu fahrenden Auffahrt zur Kammstrasse nehmen und sich auf der anderen, wesentlich steileren, Seite hinunter nach Stellanello stürzen. Dort angekommen geht die Weiterfahrt nach Andora und von dort auf der Aurelia fast wie von alleine vonstatten....
Von majortom – Das Versprechen von elf Sonnenstunden hatten wir ja schon für den gestrigen Tag gegeben. Und so verwundert es angesichts des gestrigen Nieselregens auf den ersten 3,7 Kilometern auch nicht, dass trotz übereinstimmender Wetterprognosen verschiedenster Apps die ligurische Frühlingssonne erst geglaubt wird, als sie auch beim Start auf eine kleine Ecke des Parkplatzes schaut, auf die sich 14 vor Tatendrang strotzende Rennradfahrer drängen. (Einen erkältungsbedingten Ausfall haben wir leider zu beklagen - Gute Besserung!)
Ein Frühlingstag in den Alpen steht heute auf dem Programm. Mit dem Colle Caprauna geht es auf fast 1400 m Höhe, und das ausgehend vom Meer. 1375 Höhenmeter am Stück also. (Unter der Annahme, dass wir mit der Hinterradnabe in der Brandung starten, was wir natürlich nicht tun. Aber es klingt gut.) Heute gönnt uns Streckenchef und Local Hero Henner immerhin knapp 20 Kilometer einrollen, die entlang des in der Morgensonne strahlenden Mittelmeers natürlich mit vollen Zügen genossen werden. Der Nupsi nach Albenga wird erbarmungslos weggequetscht, die Vespa- und Fiat-Panda-Fahrer im leicht anarchistischen Straßenverkehr Albengas in ihre Schranken verwiesen. Und so sind wir auch schnell wieder aus dem Ort raus und cruisen das Tal hinauf, das uns letztendlich zum Colle Caprauna führen wird.
Bald schon ist es wieder so, wie wir es an Ligurien lieben. Grüne Hänge, die schneebedeckten Alpengipfel am Horizont, eine Straße ohne Verkehr und malerische ligurische Bergdörfer. 28 Kilometer Freigabe ab der Kreuzung; es beginnt ganz harmlos, wird dann aber peu à peu auch mal steiler. Unsere Spitzenfahrer Matthias und Andreas warten hin und wieder mal auf den Rest der Gruppe, zu groß ist wohl der Respekt von einer ausgedehnten Wartezeit auf der Passhöhe. Immer mehr Serpentinen überraschen uns im oberen Teil. Keine Spur mehr von der mediterranen Vegetation der Küstenzone. Hier oben ist es alpin. Noch alpiner ist dann tatsächlich das mehr als fantastische Panorma von der Passhöhe auf die schneebedeckten Alpen. Henner hat nicht zu viel versprochen.
Tatsächlich ist es kalt auf der Passhöhe, und ich gebe die Abfahrt nach Garessio frei, obwohl noch nicht alle oben sind. Eine schöne Abfahrt, zumindest bis zur Einmündung ins Tal, wo sich dann zunehmender Gegenwind anschickt, unsere Laune zu trüben. Natürlich ohne Erfolg, denn die Euphorie ist nach wie vor groß, obwohl sich nun auch die ersten knurrenden Mägen melden. Mittagspause ist in Garessio geplant, und da sich unsere Gruppe in der Abfahrt zersplittert hat, kehren wir nun in zwei verschiedenen Locations ein. Seis drum, alle bekommen leckere Panini, und auch das Timing ist perfekt: Als Teilgruppe zwei Teilgruppe eins abholen möchte, kommen sie in derselben Sekunde gerade aus ihrer Bar heraus.
Sechs Kilometer zum Colle San Bernardo sind dann natürlich keine wirkliche Herausforderung mehr, auch wenn immer mehr Wolken aufziehen, und der Spitzengruppe an der Passhöhe auch der kalte Wind zu schaffen macht. Aber es ist eine schön trassierte Passstraße mit schönen Ausblicken auf die verschneiten Berge ringsum. Noch schöner ist die Abfahrt, kurz hinter der Grenze vom Piemont zurück nach Ligurien sogar auf frisch asphaltierter Straße (eine Wohltat). Trotz mehrerer kleiner Wellen wird die Abfahrt souverän gemeistert, und es stehen nur noch 18 km heimrollen auf dem Programm.
Also nochmal durch Albenga durch, auf die Küstenstraße, über den Nupsi und ab in die liebgewonnene Bar an der Strandpromenade.
Ursprüngliche Etappenbeschreibung
Das Colle Caprauna ist einer der höchsten Übergänge der ligurische Küsten und bietet eine phantastische Aussicht von der Passhöhe auf die letzten Alpenausläufer. Zunächst aber müssen wir den Anfang des eigentlichen Passes erst über Alassio, danach das für Ligurien untypische, topfebene Albenga und schlussendlich durch das gefühlt unendlich lange und heimtückisch leicht ansteigende Tal des Rio Pennavairo erreichen. Wird sind fast erleichtert, als es bei Nasino übergangslos von der Horizontalen in die Vertikale übergeht. Abwechslungsreich geht es nach oben, am aussichtsreichen Dorf Alto vorbei bis zum Panoramablick von der Passhöhe. Nicht umsonst hat man hier eine Rastmöglichkeit eingerichtet, die den müden Radfahrer magnetisch anziehen wird. Die Unentwegten rasen aber gleich die teilweise etwas holprige Abfahrt nach Norden hinunter und am knackigen aber kurzen Gegenanstieg vor Prale zeigt es sich, wer noch Strom in den Beinen hat.
An der Kreuzung von Cantarana angekommen hat man die Wahl der Qual: links kann man für wenig mehr als 100 Höhenmeter einen der bekanntesten und wichtigsten Ligurienübergänge einkaufen und von dort über Pieve di Teco, Albenga und Alassio ins Hotel zurückkehren während es wesentlich anstrengender aber sehr lohnend hinunter nach Garessio und von dort über das Colle San Bernardo die genauso lange wie schöne Abfahrt nach Albenga hinunter geht. Ein Muss ist bei dieser Variante der Abstecher zur Kaffeepause im authentischen mittelalterlichen Borgo von Zuccarello. So gestärkt vergehen die letzten KiIometer über Albenga und Alassio wie im Fluge.
Von Wolfi Ransburg – Der Titel unserer Tour vom Dienstag lautet einfach nur „Passo di Teglia!“. Mit Ausrufezeichen. Ganz wichtig, denn der Passo di Teglia ist eine Marke für sich und braucht keine weitere Erläuterung. Laut unserem local hero Henner zaubert der Klang dieses Passnamens dem kundigen Ligurer sofort ein stolzes Lächeln aufs Gesicht. Rückblickend können wir sagen: Er hatte recht! Ein Hochgenuss von Landschaft, so dass die miserable Straße kaum ins Gewicht fällt. Da wir mit dem Bericht nun schon einen Tag zu spät dran sind, kopieren wir dreisterweise (aber mit Erlaubnis!) einfach den Blog von unserem Mitfahrer Wolfi und bedanken uns sehr für diesen schönen Bericht!
„Auch heuer führt uns die Tour weit ins Landesinnere zum Fuße der Alpen. Zwei Pässe stehen am Plan, von denen jeder einzelne einer eigenen Etappe würdig wäre.
Los gehts mit der vollen Besetzung bei herrlichem Wetter. Nur kurz führt uns der Weg entlang der Küste, dann gehts gleich ins Landesinnere, rauf auf den Passo die Teglia. Sobald die Guides freigegeben haben, kann jeder sein Tempo fahren.
35 Kilometer lang ist der Anstieg auf den knapp 1400 Meter hohen Passo die Teglia und sofort nimmt mich die Faszination langer gleichmäßiger Anstiege in Besitz. Die Stimmen der Gruppe verstummen und machen meinem Atem, den Wind und den feinen Geräuschen der Natur Platz. Manchmal ertönt von der Ferne eine Kirchenglocke von einem der kleinen Dörfer, an denen ich vorbei fahre. Ich lasse meine Gedanken gleiten und bin in völliger Harmonie mit mir und meinem Rennrad. Ich fühle mich als Teil dieser wunderschönen Landschaft.
Manchmal bleibe ich stehen, zücke meine Kamera und fange dieses wunderschöne Panorama ein. Manchmal höre ich am Wegesrand ein leises Rascheln, es sind Eidechsen, die die Sonnenwärme suchen.
Immer höher führt die kaum befahrene Straße, durch Wälder von Edelkastanien (Maroni). Doch plötzlich - ein Absperrband und Menschen ... was ist los?
Eine Rallye - mit ohrenbetäubendem Lärm donnern die Boliden über die Straße, malträtieren das Asphaltband, was sonst fast nur von den zarten Rennrad Reifen gestreichelt wird. Eine Zwangspause - etwa eine halbe Stunde, dann dürfen wir weiter. Die Straße gehört wieder uns. Bald haben wir es geschafft, wir haben den Passo di Teglia erreicht und werden mit einem sagenhaften Blick in die Alpen belohnt.
Nun folgt naturgemäß die Abfahrt, die Ausblicke sind herrlich, die Straße ist es nicht. Henner, einer unserer wirklich hervorragenden Guides, meint trocknen: "das ist keine Hochgeschwindigkeitsabfahrt" - Wie recht er hat. Aber dafür sind die Ausblicke in die Alpen und auf die kleinen verträumten Bergdörfer zu schön, immer wieder hebt sich mein Blick und diese Stimmung in mich aufzusaugen.
Eine Pause steht an und auch eine Entscheidung, denn das Wetter fängt an, umzuschlagen, die meisten entscheiden sich für den direkten Weg zum Meer, doch die Alternative lockt - ein weiterer Pass, verbunden mit einem Anstieg von etwa 1000 Höhenmeter...
Oh, bittersüße Qual. Ich lasse die wirklich top durchtrainierten Leute ziehen, denn der größte Fehler in den Bergen ist, über seine Verhältnisse zu fahren. Ich fahre meine Geschwindigkeit und komme schnell wieder in meinen Rhythmus. Immer höher schraube ich mich und die Luft wird spürbar kühler. Werde ich empfindlicher, liegt es an den 90km, die ich schon hinter mir habe.
Als ich den Pass erreicht habe, weiß ich warum, eine dunkle Wolke hängt am Berg und die Luft ist eiskalt. Henner hat geduldig auf mich gewartet und baut mich mit ermunternden Worten auf - ein echter Pfundskerl...
Nur kurz alles angezogen, was ich mithabe und dann los. Erste Regentropfen kommen runter und dann ... ein Regenguss bei 2° und das bei einer langen Abfahrt.
Von der süßen Qual ist nur die Qual geblieben. Die Straßen sind nass und von oben kommt Starkregen. Stehenbleiben ist keine Option, denn das wäre lebensgefährlich bei diesen Temperaturen. Henners Kommentar: "so ein Mist" - wirklich treffend.
Mich packt ein Schüttelfrost. Mein Gesicht verzerrt sich zu einer Grimasse. Will denn diese Abfahrt nie enden? Mir wird immer kälter und alles ist nass. In meinem Kopf hat nur mehr ein Gedanke Platz ... pass auf, Du bist müde, Schlaglöcher siehst du nicht, weil sie voll Wasser sind, wenn Du nun hinfällst ...
Ein Bild für Götter, die Wolke hat ein Ende und die Sonne kommt hervor . Schlagartig steigt die Temperatur an und der kurze Gegenanstieg von 200 Höhenmeter tut gut. Selten habe ich mich über einen Anstieg so gefreut. Schnell erwärmt sich mein Körper und das unkontrollierte Zittern findet ein Ende.
Eine Passstraße mit schönen Ausblicken auf das Meer leutet das Ende dieser Tour ein. Selten waren Genuss und Qual so nah zusammen. Gemeinsam werden diese Gefühle dafür sorgen, daß ich diese epische Runde so schnell nicht vergessen werde.“
Ursprüngliche Etappenbeschreibung:
Wer sich im Ponente auskennt, wird leuchtende Augen bekommen, wenn er das Wort Teglia hört. Kaum eine Strecke wie diese bietet den typischen Flair Liguriens. Von Albenga aus erreicht man zunächst Pieve di Teco, dann geht es durch sonnige Olivenhaine durch Rezzo hindurch bergauf-hier lässt man die Zivilisation (und leider auch die glattgebügelten Strassen) hinter sich und fährt durch einsame Buchenwälder zum Passo di Teglia hinauf. Auch hier gibt es eine Fluchtmöglichkeit durch die Querverbindung nach San Bernardo di Corio nach Imperia. Die Passhöhe wartet mit einem atemberaubenden Blick auf das Meer und das vom Monte Ceppo dominierte Hinterland auf. Die eigentliche Strecke führt aber von der Passhöhe durch eine steilen und für Ligurien sehr seltenen vegetationslosen Hang hinunter la Molini di Triora. Von oben gesehen erscheint die Abfahrt angesichts der Neigung des Hanges fast unmöglich, löst sich aber dann erstaunlich gut auf. Die Strasse ist sehr schmal und kurvig und erfordert die ganze Konzentration. Die Kapelle San Bernardo lädt zur Fotografierpause ein, danach geht es schnell hinunter nach Molini di Triora.
Der Küstenradweg, auf italienisch ,,Pista ciclabile del Parco Costiero Riviera dei Fiori" und auf englisch "The Cycling Riviera" nutzt die 2001 aufgegebene alte Trasse der Küsteneisenbahn. Die 2014 endlich eingeweihte Strecke (von einem kurzen Stück in Arma di Taggia abgesehen) zwischen San Lorenzo und San Remo ist 24km lang und breit sowohl für Fußgänger als auch Radfahrer zweispurig ausgebaut. Wegen der gemischten Nutzung und vor allem der Geschwindigkeitsunterschiede der Nutzer, unter denen es auch viele Kinder gibt, ist höchste Aufmerksamkeit angesagt. Die ganze Angelegenheit ist aber auch für den ambitionierten Radrennfahrer sehr spaßig und extrem abwechslungsreich. In vielen Abschnitten führt die Strecke direkt am Meer entlang und man kann das türkisfarbene Meer direkt aus dem Sattel von oben genießen. Bei Starkwind und Brandung riskiert man gelegentlich auch nass zu werden. Durch die unmittelbare Nähe zur See und das immer wehende Lüftchen sind die Temperaturen im Winter mild und im Sommer gemäßigt. Die Tunnels sind beleuchtet und zahlreiche Bars entlang der Strecke lassen keinen Hunger oder Durst aufkommen. 2015 fand hier die erste Etappe des Giro d'Italia in Form eines Mannschaftzeitfahren auf einem Radweg statt. Fast unvorstellbar für Otto Normalradfahrer ist die Durchschnittsgeschwindigkeit von knapp 54km/h auf der zum Teil engen und kurvigen Strecke! Wir lassen es etwas ruhiger angehen, vor allem wenn der Wind von der falschen Seite bläst...
Von majortom – Traditionell planen wir bei unseren Standortreisen ja gegen Mitte der Woche einen Ruhetag ein. Die langen Etappen der vergangenen Tage (gestern so lange, dass sogar der Blog auf der Strecke geblieben ist) hätten am heutigen Mittwoch einen Ruhetag auch mehr als gerechtfertigt. Doch genauso hat auch das Hinauszögern des Ruhetags auf quäldich-Reisen Tradition. Für morgen hat sich mal wieder ein Zwischentief angekündigt, also packen wir heute noch drauf was geht und ziehen die Runde nach Finale Ligure vor. Angeblich (und auch vor Ort verifiziert) ein absoluter Hotspot für Mountainbiker.
Wir wollen heute jedoch Rennradfahren. Nach einigem Gruppenshuffling ist die entspannte Gruppe heute auf zwei Personen plus den guidenden Berichterstatter zusammengeschrumpft. Macht jedoch nichts, wir gönnen den Flüchtigen heute einen schnelleren Tag unter den Fittichen von Olivier, und cruisen gemütlich zu dritt über die Aurelia entlang der Küste nach Norden. Bis Borghetto Santo Spirito, dann schlagen wir uns mal wieder in ein Seitental nach Toirano. Ein tief eingeschnittenes Tal, umgeben von steil aufragenden Felswänden. Das hatten wir bislang noch nicht, die Ponente offenbart uns also wieder mal eine neue Facette. Sehr schön, gemütlicher Aufstieg, und die 14 Kilometer bis zur Passhöhe sind überraschend schnell hinter uns gebracht. Oben unterhalten Stefan und ich uns noch mit einem einheimischen Kollegen, doch aufgrund begrenzter sprachlicher Schnittmenge wird es eher ein kurzes Gespräch.
Die Abfahrt ist kurz, und am Sammelpunkt in Bardineto entschließen wir uns gegen eine sofortige Mittagspause, die wir hinausschieben wollen, bis wir wieder an der Küste sind. Also gleich in den zweiten Ansteig, den Colle di Melogno, aufgrund unseres hohen Ausgangspunktes eine überschaubare Schwierigkeit. Es zieht mehr und mehr zu, während wir hinauf fahren, so dass wir an der Passhöhe angelangt kaum die Fortanlagen (oder was auch immer das ist) bestaunen, sondern sofort nach Finale abfahren, das sich am Horizont schon abzeichnet. Was für eine schöne Abfahrt. Da fällt kaum ins Gewicht, das auch unsere Gruppe nun ihren Hagelschauer abbekommt. Doch der ist nicht stark genug, um nass zu werden, und unten an der Küsten sehen wir schon wieder einen sonnenbeschienene Zone. Also nichts wie runter. Tatsächlich wird es mit jedem vernichteten Höhenmeter wieder wärmer, und auch der Niederschlag hört bald schon auf.
Nach einigem Hin und her finden wir in Finale eine schöne Strandbar mit ausgezeichneten Panini, so dass wir die Mittagspause gerne noch etwas ausdehnen. Schließlich fehlen nur noch knapp 30 km auf der Aurelia zurück nach Laigueglia, die in diesem Abschnitt eher flach ausfallen. Inzwischen scheint die Sonne wieder vom strahlend blauen Himmel, so dass dieser letzte Abschnitt unserer Etappe zur Genussfahrt wird. Wie im Flug vergehen die finalen Kilometer, und wir laufen glücklich wieder in Laigueglia ein.
Ursprüngliche Etappenbeschreibung
Finale ist DER Spot für Kletterer und unsere Kollegen, die gerne im MTB abseits des Asphalts Sand und Steine aufwirbeln. Dadurch haben sich in Finale, insbesondere in Finalborgo die Outdoorsportler eingenistet. Die Finale 24 ist das wohl bekannteste 24h MTB-Rennen in Italien und ein unvergessliches Erlebnis für die Teilnehmer.
Wir erreichen Finale natürlich nicht wie die verweichlichten aber durchgestylten italienischen Aureliapiloten sondern haken gleich 2 Pässe im ligurischen Hinterland ab: erst das Giogo di Toirano dann über Calizzano hoch zum Colle di Melogno. Auch wenn der Blick ins Talende hinter Borghetto Santo Spirito Böses ahnen lässt, wartet die Auffahrt zum Giogo di Toriano mit unerwartet humanen Prozentwerten auf dem Display des Radcomputers auf. Vermutlich würde uns ein Besuch der berühmten nahegelegenen Höhlen mit den Resten des Höhlenbärs mehr erschrecken.... Interessant sind die Höhlen auch wegen den Zeugnissen der Besiedlung schon ab der Zeit des Neandertalers bis vor ca. 12.000 Jahren. Der sonnige und windgeschützte Talkessel war sicher angenehmer für die ligurischen Steinzeitler als für deren Kollegen im Norden. Von solchen und anderen tiefgründigen Überlegungen abgelenkt erreichen wir mehr oder weniger schnell die Passhöhe, von der es aber auf der anderen Seite gar nicht so richtig heruntergehen will. Das Landschaftsbild ändert sich komplett und wir fahren fast ohne nennenswertes Gefälle durch das Pilzsucherparadies Bardineto. Ohne viel Höhenverlust kommen wir in Calizzano an, um das Colle di Melogno anzugehen. Befürchtungen bei der Auffahrt werden ab der Durchfahrt durch das vielfotografierte Festungsportal am Colle als unbegründet vom Fahrtwind verstreut: der Asphalt bis hinunter nach Finale ist sehr gut und die Kurven sind zum Teil erhöht was eine rasante Abfahrt erlaubt. Ab Finale schlendern wir auf der Aurelia bis nach Laigueglia.
Von majortom – Für die Nimmersatten bieten sich aber noch je nach Kondition die Abstecher über Balestrino und Zuccarello, oder ab Albenga an der Madonna della Grazia vorbei hoch auf die Kammstraße nach Moglio an.
Von majortom – 365 giorni di sport. So plakatiert unser Nachbarort Andora, plakativ sozusagen, einen durchaus inspirierenden Slogan an seinem Ortseingang. 365 Tage Sport im Jahr. Voraussetzung dafür: du darfst keinen einzigen auslassen!
Und so kommt natürlich nicht in Frage, dass wir heute komplett die Beine hochlegen. Zwar schrumpft das regenfreie Zeitfenster in der Prognose sukzessive zusammen. Gestern Abend wurde uns noch ein Window of Opportunity bis 13 Uhr vorausgesagt, was die reguläre Ruhetagsrunde von 70 km erlaubt hätte. Beim Aufstehen ist die Regendeadline dann auf 11 Uhr vorgerückt, und noch während des Frühstücks sind wir bei 9 Uhr. Das Zwischentief breitet sich von Osten her aus, und es gibt keine Ausweichstrategie. Doch das Zwischentief hat die Rechnung ohne Streckenchef Henner gemacht, der für jedes Zeitfenster eine passende Alternative aus dem Hut zaubert. Der Plan für heute also: Das Colla Michieri-triplo. Club des Cinglés de Colla Michieri sozusagen.
Auf 8.45 Uhr haben wir den Start terminiert, der Kompromiss zwischen rechtzeitig loskommen und stressfrei frühstücken. Bislang geht der Plan auf, denn wir kommen im trockenen los. "Einrollen nach Andora", gibt Henner als Devise aus, wobei sich das recht schwierig gestaltet, als er noch auf der Promenade von Laigueglia das Tempo auf 38 erhöht. Natürlich. Auf kurzen Etappen wird gleich von Anfang an Rennrad gefahren.
Also über den Hügel nach Andora und den Motor auf Betriebstemperatur bringen. Henner und Olivier natürlich vorweg, Wolfi versucht dranzubleiben, Andreas, Martin und ich bilden das Grupetto. Immerhin drei Mitfahrer konnten wir motivieren. Betreuungsschlüssel heute eins zu eins. Auf Trüffelschweinpfaden lotst und Henner dann durch Andora, zielstrebig in die erste Auffahrt nach Colla Michieri. Wir kennen sie inzwischen schon (fast) alle, denn Colla Michieri geht immer! Schon bald darauf ist der Betreuungsschlüssel Geschichte. Henner und Olivier erhöhen das Tempo und bilden eine Spitzengruppe, für uns anderen geht es nur noch um best of the rest. Egal. Schließlich stehen wir alle oben an der Passhöhe (wenn man das denn so nennen kann), inzwischen hat der Regen eingesetzt, die Straßen sind nass und glitschig.
„Die steile Rampe machen wir aber schon noch“ verkünde ich großspurig und ernte keinen Widerspruch. Allerdings Skepsis, als wir schon in der Abfahrt eine unglaublich steile Straße sehen. Wirklich einladend sieht das nicht aus. Traktionsprobleme sind vorauszusehen, um es mal vorsichtig zu formulieren. Aber Henner sticht los, Olivier hinterher, also gibt es kein zurück mehr. Wie hoch mag die Steigung hier sein? Jenseits der 20 Prozent? Egal, jedenfalls heißt es quetschen, was das Zeug hält. Wolfi zieht davon, von hinten drückt Martin vorbei. Eigentlich müsste das ja mein Terrain sein, schließlich ist das Frühjahrsklassiker-Revier ja meine Heimat. Auch nicht schlimmer als der Keutenberg, versuche ich mich zu motivieren. Korrekt wäre (wie mir kurz darauf klar wird): auch nicht schlimmer als Keutenberg, Côte de Stockeu und Mur de Huy direkt hintereinander. Aber ich bin schon am Maximum. Als letzter keuche ich oben an. Colla Michieri doppio schonmal erledigt.
Da der Regen immer stärker wird, entschließen wir uns gegen den Club des Cinglés und wollen direkt zurück ins Hotel. Mit Olivier fahre ich noch über Andora zurück, um dort das „365 giorni“-Schild zu fotografieren. Machen wir auch. Epilog: leider stelle ich erst im Hotel fest, dass keine Speicherkarte im Foto war. Sorry, Olivier!
Inzwischen regnet es richtig. Für heute reicht es. Morgen können wir voraussichtlich nochmal eine lange und schöne Etappe fahren. So oder so, die Ligurien-Woche ist auch jetzt schon ein großartiges Erlebnis.
Ursprüngliche Etappenbeschreibung:
Der Ruhetag führt von Laigueglia über Andora und Stellanello nach Testico und weiter zum Passo di Ginestro und dann panoramareich über Cesio nach Diano Arentino. Mit 70 km und 1000 Höhenmeter verdient diese Etappe den Namen Ruhetag und bietet viele Genuss mit Meeresblick.
Von majortom – Der "Ruhetag" dreht nach dem Passo di Ginestro noch eine Runde im Talkessel von Dolcedo und die kulturell Interessierten können noch eine Variante der Variante nach Valloria, dem "Dorf der bemalten Türen" anhängen. Mit 93 km und im schlimmsten Fall 2250 Höhenmetern verdient dieser Tag allerdings die Vorsilbe "Ruhe" nicht mehr so richtig...
Von majortom – Heute geht es in die Alpen! Gekonntes Windschattenfahren wird die ausdauernde und geniessende Gruppe schnell nach Pieve di Teco bringen, die Sportiven werden an den Hängen des Arrosciatals noch ein paar panoramareiche Zähne ins Höhenprofil zeichnen und dann geht es für alle abseits des Rummels der Haupstraße des Colle di Nava auf der ruhigen Seitenstrasse bergauf ins alpine Monesi. Dort trennen sich die Wege der Gruppen: die einen genießen die schnelle Abfahrt zum Colle di Nava und von dort auf der Passtrasse des Colle di Nava hinunter nach Pieve di Teco und dann über den kurzen aber intensiven Gegenanstieg des Colle San Bernardo nach Imperia.
Von majortom – Die sportive ausdauernde Gruppe fährt die wildromantische Talschlussrunde über Upega, die sich dann in Ponte di Nava in die Runde der vorausgefahrenen Geniesser einklinkt und somit die Marke der 3000 Höhenmeter überschreitet.
Von majortom – Die lange aber lohnende Auffahrt zum Colle di San Bernardo und danach schöne Abfahrten vom Colle della Rionda und Colle Scravaion lassen diese Traumwoche in Ligurien ausklingen. Im Gegensatz zum Colle della Rionda ist die Auffahrt zum Colle Scravaion kein besonderes Highlight, aber der Downhill auf der anderen Seite hinunter nach Zuccarello-das ist wirklich eine der besten Abfahrten Liguriens. Mit viel Flow und schnell zu fahrenden Kurven geht es am strategisch gelegenen Schloss von Castelvecchio di Rocca Barbena vorbei, man sieht hier kaum einmal ein Auto-welch Kontrast zur Aurelia!
Die Aurelia ist eine einzigartigen Besonderheiten Ligurien und eine faszinierende Einrichtung für Radfahrer. Auf der einen Seite stark befahren und auch potentiell gefährlich, ist sie ein nicht wegzudenkendes Element des Radsports in Ligurien. Gerade auf der vor allem in der Hochsaison stark befahrenen Strecke zwischen Finale und San Remo spiegelt sie doch sehr den faszinierenden Lebensstil Liguriens wider. Wer sich einmal durch die den dichten gemischten Verkehr von modernen Fahrzeugen aber auch den mit dem zutreffenden Namen versehenen dreirädrigen Ape (Biene) und den Vespa (Wespen) geschlängelt hat, wird immer wieder zurückkehren wollen...Bemerkenswert ist auch die Rücksichtsname der Automobilisten auf die Radfahrer, welche eine gewohnte und akzeptierte Teilnehmergruppe im Straßenverkehr bilden.
Über dieses und andere Besonderheiten des italienischen Lebensstils lässt es sich endlos bei der letzten Kaffepause in Zuccarello diskutieren.
Von majortom – Die Woche klingt so gemütlich auf der Rückfahrt aus, während die nicht kleinzukriegenden Athleten noch eine Extraschleife über Balestrino drehen wollen werden, bevor es auch für sie auf der Aurelia nach Laigueglia geht.