4 Monumente 166,2 km / 6158 Hm
Redaktionell bestätigte Tour von Uwe
Von Uwe –
01.09.2011
Nachdem ich im Sommer 2010 als Saisonhöhepunkt, oder zumindest als größte Tour in den Alpen, dem Tourenvorschlag von Frank http://mein.quaeldich.de/grumbledook folgend, die „Yeti-Tour“ http://www.quaeldich.de/touren/forumsyeti/ zusammen mit Sohn Benni machte, sollte in diesem Jahr, auch wieder eine Tour von „dunkel bis dunkel“ folgen, wobei Benni http://mein.quaeldich.de/Benni aber leider nicht zur Verfügung stehen konnte.
Vorplanungen
In der gedanklichen Vorbereitung des Sommerurlaubs, das Quartier stand schon lange fest, gab es verschiedene Ideen, die aber alle nicht so richtig meine Motivation wecken konnten. Ein großes Problem sind für mich immer wieder lange, sonnige Anstiege, die in geringen Höhen beginnen. Dann gehe ich schon früh am Berg ein, bevor es richtig steigt. Da ein Teil der Tour in der Dunkelheit stattfinden sollte, konnte auch nicht jeder beliebige Startort in Frage kommen, da eine Autoanfahrt die Sache noch komplizierter machen würde und die vorherige Nacht dadurch unnötig verkürzt würde.
Somit stand der Startort fest: Müstair / Graubünden, unser diesjähriger Urlaubsort.
Eigentlich war die Tour mit einer Übernachtung am Ziel und einer kurzen und einfachen Rückrolletappe geplant, aber im Vorfeld unseres Urlaubs ergab sich schon, dass Sohn Benni doch noch für wenige Tage zusammen mit Freunden, zu uns kommen würde, um in Graubünden verschiedene Bergtouren zu gehen. Also wurde das Bergwanderteam zu einer Tour in der Nähe meines Ziels motiviert und so konnten sie mich nicht nur mit zurück transportieren, sondern auch im Fall des Abbruchs, irgendwo einsammeln.
Ach ja – wohin soll die Tour gehen?
Die Tourenplanung
Etwas angefressen von Renkos http://mein.quaeldich.de/Renko mutiger Tour „Stelvio – Gavia – Mortirolo“ http://www.quaeldich.de/touren/stelvio-gavia-mortirolo/ denke ich, dass man mit einem früheren Start als er, vielleicht einen Pass mehr schaffen könnte, also im Prinzip den ersten Pass „erledigt“ haben könnte, bevor er gestartet ist. Außerdem erwähnt er den Bernina-Pass als logischen Folgepass.
Also stand auch die Tour fest: Müstair – Umbrail – Stelvio – Gavia – Mortirolo – Bernina
Es folgten immer wieder Berechnungen mit dem Tourenplaner, in dem ich auch Verlauf der Saison immer wieder mein Fahrerprofil leicht anpasste, um möglichst genaue Zeiten für meine Berechnung zu haben, Pausen wurden eingebaut, die Startzeit hin und her geschoben und an Sonnenaufgangszeiten angepasst, also so, dass ich die erste Abfahrt bei beginnendem Tageslicht fahren konnte.
Ist Anfang September für eine solche lange Solofahrt noch geeignet? Gut, die Streckenlänge sollte ja wohl kein Problem sein, aber so viele Höhenmeter hatte ich bis dahin noch nie an einem Tag gemacht. Dazu kommt mein Problem, dass ich lange und überlange Touren normalerweise immer zusammen mit Benni gemacht habe und wir ein eingespieltes Team sind, wo der eine so lange für den anderen fährt, bis wir gemeinsam sterben, weil gar nichts mehr geht. Also werde ich mich ohne seine Hilfe und Motivation irgendwie durch eventuell aufkommende Tiefen kämpfen müssen.
Meine streckentechnischen Angstgegner sind mit einem Blick auf die Karte klar: Von Bormio bis Santa Caterina Valfurva, von Ponte di Legno bis zum Abzweig Monno und von Mazzo bis Sfazù im Anstieg zum Bernina-Pass.
Der Projektname „4 Monumente“ ergab sich aus:
Stelvio – DER Pass, wenn auch über den „Seiteneinstieg“ Umbrail
Gavia – Der einsame Riese
Mortirolo – Der Harte, wenn auch von der leichteren Seite
Bernina – Die große Südanfahrt.
Die Tat
Gestern Abend ging nach langem Palaver der Tag erst kurz vor Mitternacht zu Ende, so dass es schon unangenehm war, den Handywecker auf 03:20 Uhr zu stellen, denn ich wollte möglichst 04:00 Uhr oder etwas später starten. Nach einiger Trödelei sitze ich auch um 04:22 Uhr auf dem Rad und fahre im Schein meines kläglichen LED-Lichts und einer Stirnlampe in Müstair los. Außer zwei Autos, die sich gerade in der engen Ortsdurchfahrt begegnen, habe ich gar keinen Verkehr auf der Straße. Noch im Dorf erschrickt mich ein Fuchs, der vor mir plötzlich über die Straße rennt.
Nach wenigen Minuten komme ich nach Sta. Maria und biege in die Straße zum Umbrail-Pass ein und weiß, dass es jetzt wirklich einsam wird. Ich habe noch keine Erfahrung, wie ich wohl mit dem Naturbelag in der Dunkelheit zurechtkommen würde, aber das würde sich bald zeigen. Da heute kein Mond zu sehen ist, da er erst viel später und auch nur als Sichel aufgeht, habe ich außer dem anfänglich noch vorhandenen Blick über das Münstertal keine sichtbaren Objekte außerhalb meines kleinen Scheinwerferkegel. Bald schalte ich mein Frontlicht am Rad aus um Batterien zu sparen, obwohl sich im Rucksack Nachschub befindet, aber ich habe auch keine Lust, in der Dunkelheit mit Taschenlampe bewaffnet, Batterien zu tauschen.
Huch – was erschrecke ich mich, als plötzlich ein Fuchs vor meinem Rad über die Straße huscht.
Oberhalb von Plattatschas höre ich menschliche Stimmen und Kuhglocken in der Dunkelheit und sehe auch Lichter von Taschenlampen dort. Dort sind Bergbauern, die in der Frühe ihre Kühe gemolken haben und sie jetzt auf die Weide treiben.
Bald erreiche ich den Beginn der Naturstraße und schalte mein Licht wieder auf volles Programm. Die Kette geht jetzt ganz nach links, da ich hier noch langsamer fahre, um nichts zu riskieren, denn eine Reifenpanne in der Dunkelheit wäre eine überflüssige Erfahrung.
Unterwegs zähle ich die Kehren, was ich sonst nicht unbedingt tue, aber der Kopf hat sonst Langeweile, da es außer einem kleinen, etwas trüb erleuchteten Flecken Weg, nichts zu sehen gibt. Es begegnet mir auch nur ein einziges Auto und erst an der Straße zum Stilfser Joch werden es mehr. Dort wird es auch allmählich hell und ich kann ohne Licht in den Schlussanstieg gehen.
Oben am Stilfser Joch kommen die ersten Skifahrer aus ihren Quartieren um zu ihrer landschaftsschädigenden Beschäftigung zu starten. Wenn man die kläglichen Reste der dortigen Gletscher sieht und auch die vielen Liftanlagen, ist der Landschaftsgenuss schon sehr getrübt.
Ansonsten ist auf Europas höchstem Rummelplatz noch Totensonntag und ich mache meine erste kurze Pause, in der ich einen Blick in die Gegend Richtung Prad werfe. Von dort kommen entgegen der Wettervorhersage dichte Wolken und man kann fast nichts sehen, aber über den Wolken leuchten König Ortler und die Sonne, die soeben aufgegangen ist.
Schnell ziehe ich eine Jacke über und stürze mich in die eiskalte Abfahrt. Schon sehr bald denke ich, dass ich besser auch noch die Wetterjacke genommen hätte, aber ich halte nur noch einmal kurz an, um einige Fotos zu schießen. Ich hoffe einfach, dass es in geringerer Höhe wärmer wird, aber es tut sich da nicht viel und so erreiche ich Bormio frierend.
In Bormio werfe ich noch etwas Nahrung aus meinem Rucksack ein, ziehe meine Jacke aus und schon geht es weiter Richtung Santa Caterina Valfurva. Inzwischen ist es komplett bewölkt und es sieht verdächtig nach Regen aus, der sich auch im Anstieg zum Gavia-Pass zuerst in gelegentlichem Nieseln einstellt.
Ab Santa Caterina sind etliche MTB-Tourer auf der Straße, die von dort gestartet sind. Mit Einigen komme ich unterwegs ins Gespräch, wenn ich an ihnen langsam vorbei fahre. Es sind überwiegend deutsche Touristen, die eine unter MTB-Fahrern bekannte Alpen-Transitstrecke fahren und dort übliche Etappenorte anfahren. Einige fragen mich nach meinem Woher und Wohin und erschrecken sich, wenn ich sage, dass es meine zweite Passauffahrt für heute ist. Auch mein weiterer Plan ist aus ihrer Sicht bekloppt. Ich sage ihnen dann nur, dass man Rennrad und MTB nicht direkt vergleichen kann, nur dass man bei beiden noch selbst treten muss, um auf den Berg zu kommen.
Ca. eine Viertelstunde vor der Passhöhe regnet es richtig und es wird saukalt, aber ich ziehe zum Rifugio Bonetta durch, um dort einzukehren. Als ich ankomme, sind noch fast keine Gäste dort, aber innerhalb weniger Minuten strömen scharenweise nasse MTB-Kollegen in den Raum und die Stimmung wird besser als sie aussieht. Da es fast nur deutsche Radler sind, nimmt das Palaver fast kein Ende und erst als ich meinen Kuchen aufgegessen habe und meine Regenklamotten usw. anziehe, merken sie, dass ich weiter fahren möchte und lassen mich ziehen. Mein Platz ist schon fast umkämpft, als ich aufstehe ;-)
Die folgende Abfahrt ist grauenhaft! Die Hände schmerzen schon in der ersten Kurve, dass ich in der nassen Kleidung kein Wonnegefühl aufbauen kann, ist auch klar, und dann weiß ich auch um den gefürchteten Tunnel. Im Nebel ist die Sichtweite unter 50 Meter, aber zum Glück ist fast kein Autoverkehr unterwegs und die wenigen Motorradfahrer leiden heute genauso wie ich. Dann erreiche ich den Tunnel und die Durchfahrt gestaltet sich so, wie befürchtet. Mein Licht wirkt im Tunnel so hilflos wie ich selbst und ich fahre im Schritttempo in der Fahrbahnmitte der Fahrbahnmarkierung entlang, die ich mit Mühe im Nebel, der auch drinnen herrscht, erkennen kann. Nach einiger Zeit taucht in der Bildmitte ein ganz schwacher Lichtschein auf, der das baldige Ende des Grauens anzeigt. Wobei aber nur das Grauen des Tunnels zu Ende ist und der größte Teil der Abfahrt noch vor mir liegt.
Die Hoffnung, dass es in Ponte di Legno besser aussieht, trifft nur bedingt ein, aber immerhin regnet es dort etwas wärmer und ich muss nicht mehr ständig bremsen. Nach einer langweiligen, ungeliebten Strecke bis zum Abzweig Monno, führt mein Weg endlich wieder bergauf und ich steige aus meiner Regenkleidung. Da inzwischen alles nass ist, was ich an Kleidung zur Verfügung habe, muss ich mich jetzt wieder langsam warm fahren, was aber im Anstieg zum Passo di Mortirolo kein großes Problem sein sollte. Streckenweise kommt auch mal die Sonne etwas durch, wenn man sie sucht und irgendwann bin ich auch auf der Passhöhe, bzw. im letzten Rifugio davor, wo ich einkehre. Mein Magen meldet schon seit einiger Zeit Nahrungsbedarf an und hier gibt es etwas auf die Gabel und reichlich Getränkenachschub, aber leider kein alkoholfreies Bier.
Die Abfahrt vom Mortirolo nach Mazzo di Valtellina ist immerhin fast trocken, aber infolge der steilen und sehr schmalen Straße sehr anstrengend zu fahren. Die kalten Hände schmerzen schon wieder in der ersten Kurve und es ändert sich auch nichts daran, bis ich im Tal bin. Auf der Straße stehen die Namen vergangener und auch noch aktiver Dopinghelden und ich kann mir nicht richtig vorstellen, wie man solche schmalen Straßen in einem Rennen auch noch teilweise in der Abfahrt bewältigen soll. Dass es dabei riskanteste Fahrmanöver und schlimme Stürze gibt, ist mir selbstverständlich.
Im Valtellina angekommen, ist es endlich etwas wärmer. Sonst fürchte ich diese warmen Täler und die daraus aufsteigenden Pässe, aber heute ist es angenehm hier. Richtung Tirano folge ich zuerst einige Kilometer irgendwelchen Nebenstraßen durch kleine Dörfer an der linken Talseite, die sogar erstaunlicherweise noch nicht im Tourenplaner existierten. Das nervige Städtchen Tirano verlasse ich auf dem schnellsten Weg und genieße den starken Autoverkehr Richtung Bernina-Pass. Zum Glück ist zwar der Gegenverkehr der stärkere Anteil, aber laut ist es trotzdem hier.
In Brusio halte ich am berühmten Spiralviadukt der Rhätischen Bahn an, und schiebe etwas Nahrung nach. Leider kommt aber gerade jetzt kein Zug, aber es ist sowieso dort eine Baustelle eingerichtet und die Sache somit kein besonderes Fotomotiv. Auch eine SMS an meine „Taxigruppe“ setze ich ab, um ihnen die frühste, mögliche Ankunftszeit auf der Passhöhe zu melden.
Die weitere Auffahrt zuerst zur Talstufe von Poschiavo gestaltet sich schon als sehr mühsam, da inzwischen meine Kräfte zu Ende gehen. Auch der starke Verkehr nervt, aber immerhin kann ich am Lago di Poschiavo entlang etwas rollen lassen. In einem der letzten Dörfer kehre ich noch einmal ein und trinke etwas, auch meine Trinkflasche kann ich am Brunnen nachfüllen. Dann geht es mühsam weiter und ich freue mich auf die ersten Kehren, die etwas Abwechslung in die bis Sfazù langweilige Strecke bringen. Dort geht es mir wirklich wieder etwas besser und ich lege gelegentlich kurze Pausen ein, denn noch will der Kopf das Ziel auf dem Rad erreichen. Die Verlockung, eine Meldung abzusetzen, dass mich meine „Taxileute“ abholen, wird immer größer. Immerhin lässt der starke Autoverkehr, der mit inzwischen nur noch entgegen kommt, ab der Abzweigung Livigno nach, da zahllose Leute dort ihre Autos betanken und steuerfrei Alkohol und Tabakwaren einkaufen, um sie nach Italien und sonst wohin zu schaffen. Alles Nepp, aber die Leute wollen über den Tisch gezogen werden. Sie empfinden die Reibungswärme, die dabei entsteht als Nestwärme…
Auf jeden Fall hatte ich von früheren Befahrungen dieser Anfahrt bessere Erinnerungen und war deshalb dieses Mal infolge des Verkehrs sehr enttäuscht, da die Landschaft eigentlich gar nicht so übel ist.
Endlich kann ich das Ziel fast sehen und es ist mir egal, wie lange ich noch für die restliche Strecke benötige. Hauptsache ich muss keine neuen Batterien in mein Rücklicht einbauen. Noch vor der Dunkelheit erreiche ich die Passhöhe und schaffe mein Zeitlimit nur knapp.
Kurz vor der Passhöhe kann ich die jungen Leute sehen, die mich erwarten und völlig platt erreiche ich sie auch bald. Benni nimmt mir wortlos mein Rad ab, um es zu zerlegen und ins Auto zu packen. Er weiß genau, wie ich jetzt drauf bin und dass ich für die einfachsten Dinge zu kaputt bin.
Die folgende Autofahrt als Beifahrer ist auch noch einmal anstrengend, da ich im Auto keine Dehnübungen machen kann und auch keinen trockenen Faden mehr am Leib trage, da alles noch vom Regen nass ist und ich trotzdem stark verschwitzt bin.
Fazit
Die Tour habe ich geschafft, aber sie hat auch mich geschafft. Die rechnerische, reine Fahrtzeit aus dem Quaeldich.de-Tourenplaners habe ich um 1 Minute unterschritten und bin sogar noch vor Einbruch der Dunkelheit am Ziel angekommen.
Ich glaube nicht, dass ich noch einmal eine solche Tour machen werde, aber Ähnliches habe ich nach anderen Touren auch schon gesagt.
Eine nächtliche Passfahrt und die damit verbundene sehr frühe Ankunft auf einer Passhöhe ist ein Erlebnis der besonderen Art. So etwas könnte man ausbauen, indem man in einer Vollmondnacht, eine Pässerunde fährt.
Jetzt weiß ich, dass 6000 Höhenmeter für mich an einem Tag machbar sind, aber mehr muss ich mir nicht mehr beweisen. Das reicht jetzt!
Zumindest solo kommt eine solche To(rto)ur für mich nicht mehr in die Planung, aber zusammen mit Sohn Benni…
Nachdem ich im Sommer 2010 als Saisonhöhepunkt, oder zumindest als größte Tour in den Alpen, dem Tourenvorschlag von Frank http://mein.quaeldich.de/grumbledook folgend, die „Yeti-Tour“ http://www.quaeldich.de/touren/forumsyeti/ zusammen mit Sohn Benni machte, sollte in diesem Jahr, auch wieder eine Tour von „dunkel bis dunkel“ folgen, wobei Benni http://mein.quaeldich.de/Benni aber leider nicht zur Verfügung stehen konnte.
Vorplanungen
In der gedanklichen Vorbereitung des Sommerurlaubs, das Quartier stand schon lange fest, gab es verschiedene Ideen, die aber alle nicht so richtig meine Motivation wecken konnten. Ein großes Problem sind für mich immer wieder lange, sonnige Anstiege, die in geringen Höhen beginnen. Dann gehe ich schon früh am Berg ein, bevor es richtig steigt. Da ein Teil der Tour in der Dunkelheit stattfinden sollte, konnte auch nicht jeder beliebige Startort in Frage kommen, da eine Autoanfahrt die Sache noch komplizierter machen würde und die vorherige Nacht dadurch unnötig verkürzt würde.
Somit stand der Startort fest: Müstair / Graubünden, unser diesjähriger Urlaubsort.
Eigentlich war die Tour mit einer Übernachtung am Ziel und einer kurzen und einfachen Rückrolletappe geplant, aber im Vorfeld unseres Urlaubs ergab sich schon, dass Sohn Benni doch noch für wenige Tage zusammen mit Freunden, zu uns kommen würde, um in Graubünden verschiedene Bergtouren zu gehen. Also wurde das Bergwanderteam zu einer Tour in der Nähe meines Ziels motiviert und so konnten sie mich nicht nur mit zurück transportieren, sondern auch im Fall des Abbruchs, irgendwo einsammeln.
Ach ja – wohin soll die Tour gehen?
Die Tourenplanung
Etwas angefressen von Renkos http://mein.quaeldich.de/Renko mutiger Tour „Stelvio – Gavia – Mortirolo“ http://www.quaeldich.de/touren/stelvio-gavia-mortirolo/ denke ich, dass man mit einem früheren Start als er, vielleicht einen Pass mehr schaffen könnte, also im Prinzip den ersten Pass „erledigt“ haben könnte, bevor er gestartet ist. Außerdem erwähnt er den Bernina-Pass als logischen Folgepass.
Also stand auch die Tour fest: Müstair – Umbrail – Stelvio – Gavia – Mortirolo – Bernina
Es folgten immer wieder Berechnungen mit dem Tourenplaner, in dem ich auch Verlauf der Saison immer wieder mein Fahrerprofil leicht anpasste, um möglichst genaue Zeiten für meine Berechnung zu haben, Pausen wurden eingebaut, die Startzeit hin und her geschoben und an Sonnenaufgangszeiten angepasst, also so, dass ich die erste Abfahrt bei beginnendem Tageslicht fahren konnte.
Ist Anfang September für eine solche lange Solofahrt noch geeignet? Gut, die Streckenlänge sollte ja wohl kein Problem sein, aber so viele Höhenmeter hatte ich bis dahin noch nie an einem Tag gemacht. Dazu kommt mein Problem, dass ich lange und überlange Touren normalerweise immer zusammen mit Benni gemacht habe und wir ein eingespieltes Team sind, wo der eine so lange für den anderen fährt, bis wir gemeinsam sterben, weil gar nichts mehr geht. Also werde ich mich ohne seine Hilfe und Motivation irgendwie durch eventuell aufkommende Tiefen kämpfen müssen.
Meine streckentechnischen Angstgegner sind mit einem Blick auf die Karte klar: Von Bormio bis Santa Caterina Valfurva, von Ponte di Legno bis zum Abzweig Monno und von Mazzo bis Sfazù im Anstieg zum Bernina-Pass.
Der Projektname „4 Monumente“ ergab sich aus:
Stelvio – DER Pass, wenn auch über den „Seiteneinstieg“ Umbrail
Gavia – Der einsame Riese
Mortirolo – Der Harte, wenn auch von der leichteren Seite
Bernina – Die große Südanfahrt.
Die Tat
Gestern Abend ging nach langem Palaver der Tag erst kurz vor Mitternacht zu Ende, so dass es schon unangenehm war, den Handywecker auf 03:20 Uhr zu stellen, denn ich wollte möglichst 04:00 Uhr oder etwas später starten. Nach einiger Trödelei sitze ich auch um 04:22 Uhr auf dem Rad und fahre im Schein meines kläglichen LED-Lichts und einer Stirnlampe in Müstair los. Außer zwei Autos, die sich gerade in der engen Ortsdurchfahrt begegnen, habe ich gar keinen Verkehr auf der Straße. Noch im Dorf erschrickt mich ein Fuchs, der vor mir plötzlich über die Straße rennt.
Nach wenigen Minuten komme ich nach Sta. Maria und biege in die Straße zum Umbrail-Pass ein und weiß, dass es jetzt wirklich einsam wird. Ich habe noch keine Erfahrung, wie ich wohl mit dem Naturbelag in der Dunkelheit zurechtkommen würde, aber das würde sich bald zeigen. Da heute kein Mond zu sehen ist, da er erst viel später und auch nur als Sichel aufgeht, habe ich außer dem anfänglich noch vorhandenen Blick über das Münstertal keine sichtbaren Objekte außerhalb meines kleinen Scheinwerferkegel. Bald schalte ich mein Frontlicht am Rad aus um Batterien zu sparen, obwohl sich im Rucksack Nachschub befindet, aber ich habe auch keine Lust, in der Dunkelheit mit Taschenlampe bewaffnet, Batterien zu tauschen.
Huch – was erschrecke ich mich, als plötzlich ein Fuchs vor meinem Rad über die Straße huscht.
Oberhalb von Plattatschas höre ich menschliche Stimmen und Kuhglocken in der Dunkelheit und sehe auch Lichter von Taschenlampen dort. Dort sind Bergbauern, die in der Frühe ihre Kühe gemolken haben und sie jetzt auf die Weide treiben.
Bald erreiche ich den Beginn der Naturstraße und schalte mein Licht wieder auf volles Programm. Die Kette geht jetzt ganz nach links, da ich hier noch langsamer fahre, um nichts zu riskieren, denn eine Reifenpanne in der Dunkelheit wäre eine überflüssige Erfahrung.
Unterwegs zähle ich die Kehren, was ich sonst nicht unbedingt tue, aber der Kopf hat sonst Langeweile, da es außer einem kleinen, etwas trüb erleuchteten Flecken Weg, nichts zu sehen gibt. Es begegnet mir auch nur ein einziges Auto und erst an der Straße zum Stilfser Joch werden es mehr. Dort wird es auch allmählich hell und ich kann ohne Licht in den Schlussanstieg gehen.
Oben am Stilfser Joch kommen die ersten Skifahrer aus ihren Quartieren um zu ihrer landschaftsschädigenden Beschäftigung zu starten. Wenn man die kläglichen Reste der dortigen Gletscher sieht und auch die vielen Liftanlagen, ist der Landschaftsgenuss schon sehr getrübt.
Ansonsten ist auf Europas höchstem Rummelplatz noch Totensonntag und ich mache meine erste kurze Pause, in der ich einen Blick in die Gegend Richtung Prad werfe. Von dort kommen entgegen der Wettervorhersage dichte Wolken und man kann fast nichts sehen, aber über den Wolken leuchten König Ortler und die Sonne, die soeben aufgegangen ist.
Schnell ziehe ich eine Jacke über und stürze mich in die eiskalte Abfahrt. Schon sehr bald denke ich, dass ich besser auch noch die Wetterjacke genommen hätte, aber ich halte nur noch einmal kurz an, um einige Fotos zu schießen. Ich hoffe einfach, dass es in geringerer Höhe wärmer wird, aber es tut sich da nicht viel und so erreiche ich Bormio frierend.
In Bormio werfe ich noch etwas Nahrung aus meinem Rucksack ein, ziehe meine Jacke aus und schon geht es weiter Richtung Santa Caterina Valfurva. Inzwischen ist es komplett bewölkt und es sieht verdächtig nach Regen aus, der sich auch im Anstieg zum Gavia-Pass zuerst in gelegentlichem Nieseln einstellt.
Ab Santa Caterina sind etliche MTB-Tourer auf der Straße, die von dort gestartet sind. Mit Einigen komme ich unterwegs ins Gespräch, wenn ich an ihnen langsam vorbei fahre. Es sind überwiegend deutsche Touristen, die eine unter MTB-Fahrern bekannte Alpen-Transitstrecke fahren und dort übliche Etappenorte anfahren. Einige fragen mich nach meinem Woher und Wohin und erschrecken sich, wenn ich sage, dass es meine zweite Passauffahrt für heute ist. Auch mein weiterer Plan ist aus ihrer Sicht bekloppt. Ich sage ihnen dann nur, dass man Rennrad und MTB nicht direkt vergleichen kann, nur dass man bei beiden noch selbst treten muss, um auf den Berg zu kommen.
Ca. eine Viertelstunde vor der Passhöhe regnet es richtig und es wird saukalt, aber ich ziehe zum Rifugio Bonetta durch, um dort einzukehren. Als ich ankomme, sind noch fast keine Gäste dort, aber innerhalb weniger Minuten strömen scharenweise nasse MTB-Kollegen in den Raum und die Stimmung wird besser als sie aussieht. Da es fast nur deutsche Radler sind, nimmt das Palaver fast kein Ende und erst als ich meinen Kuchen aufgegessen habe und meine Regenklamotten usw. anziehe, merken sie, dass ich weiter fahren möchte und lassen mich ziehen. Mein Platz ist schon fast umkämpft, als ich aufstehe ;-)
Die folgende Abfahrt ist grauenhaft! Die Hände schmerzen schon in der ersten Kurve, dass ich in der nassen Kleidung kein Wonnegefühl aufbauen kann, ist auch klar, und dann weiß ich auch um den gefürchteten Tunnel. Im Nebel ist die Sichtweite unter 50 Meter, aber zum Glück ist fast kein Autoverkehr unterwegs und die wenigen Motorradfahrer leiden heute genauso wie ich. Dann erreiche ich den Tunnel und die Durchfahrt gestaltet sich so, wie befürchtet. Mein Licht wirkt im Tunnel so hilflos wie ich selbst und ich fahre im Schritttempo in der Fahrbahnmitte der Fahrbahnmarkierung entlang, die ich mit Mühe im Nebel, der auch drinnen herrscht, erkennen kann. Nach einiger Zeit taucht in der Bildmitte ein ganz schwacher Lichtschein auf, der das baldige Ende des Grauens anzeigt. Wobei aber nur das Grauen des Tunnels zu Ende ist und der größte Teil der Abfahrt noch vor mir liegt.
Die Hoffnung, dass es in Ponte di Legno besser aussieht, trifft nur bedingt ein, aber immerhin regnet es dort etwas wärmer und ich muss nicht mehr ständig bremsen. Nach einer langweiligen, ungeliebten Strecke bis zum Abzweig Monno, führt mein Weg endlich wieder bergauf und ich steige aus meiner Regenkleidung. Da inzwischen alles nass ist, was ich an Kleidung zur Verfügung habe, muss ich mich jetzt wieder langsam warm fahren, was aber im Anstieg zum Passo di Mortirolo kein großes Problem sein sollte. Streckenweise kommt auch mal die Sonne etwas durch, wenn man sie sucht und irgendwann bin ich auch auf der Passhöhe, bzw. im letzten Rifugio davor, wo ich einkehre. Mein Magen meldet schon seit einiger Zeit Nahrungsbedarf an und hier gibt es etwas auf die Gabel und reichlich Getränkenachschub, aber leider kein alkoholfreies Bier.
Die Abfahrt vom Mortirolo nach Mazzo di Valtellina ist immerhin fast trocken, aber infolge der steilen und sehr schmalen Straße sehr anstrengend zu fahren. Die kalten Hände schmerzen schon wieder in der ersten Kurve und es ändert sich auch nichts daran, bis ich im Tal bin. Auf der Straße stehen die Namen vergangener und auch noch aktiver Dopinghelden und ich kann mir nicht richtig vorstellen, wie man solche schmalen Straßen in einem Rennen auch noch teilweise in der Abfahrt bewältigen soll. Dass es dabei riskanteste Fahrmanöver und schlimme Stürze gibt, ist mir selbstverständlich.
Im Valtellina angekommen, ist es endlich etwas wärmer. Sonst fürchte ich diese warmen Täler und die daraus aufsteigenden Pässe, aber heute ist es angenehm hier. Richtung Tirano folge ich zuerst einige Kilometer irgendwelchen Nebenstraßen durch kleine Dörfer an der linken Talseite, die sogar erstaunlicherweise noch nicht im Tourenplaner existierten. Das nervige Städtchen Tirano verlasse ich auf dem schnellsten Weg und genieße den starken Autoverkehr Richtung Bernina-Pass. Zum Glück ist zwar der Gegenverkehr der stärkere Anteil, aber laut ist es trotzdem hier.
In Brusio halte ich am berühmten Spiralviadukt der Rhätischen Bahn an, und schiebe etwas Nahrung nach. Leider kommt aber gerade jetzt kein Zug, aber es ist sowieso dort eine Baustelle eingerichtet und die Sache somit kein besonderes Fotomotiv. Auch eine SMS an meine „Taxigruppe“ setze ich ab, um ihnen die frühste, mögliche Ankunftszeit auf der Passhöhe zu melden.
Die weitere Auffahrt zuerst zur Talstufe von Poschiavo gestaltet sich schon als sehr mühsam, da inzwischen meine Kräfte zu Ende gehen. Auch der starke Verkehr nervt, aber immerhin kann ich am Lago di Poschiavo entlang etwas rollen lassen. In einem der letzten Dörfer kehre ich noch einmal ein und trinke etwas, auch meine Trinkflasche kann ich am Brunnen nachfüllen. Dann geht es mühsam weiter und ich freue mich auf die ersten Kehren, die etwas Abwechslung in die bis Sfazù langweilige Strecke bringen. Dort geht es mir wirklich wieder etwas besser und ich lege gelegentlich kurze Pausen ein, denn noch will der Kopf das Ziel auf dem Rad erreichen. Die Verlockung, eine Meldung abzusetzen, dass mich meine „Taxileute“ abholen, wird immer größer. Immerhin lässt der starke Autoverkehr, der mit inzwischen nur noch entgegen kommt, ab der Abzweigung Livigno nach, da zahllose Leute dort ihre Autos betanken und steuerfrei Alkohol und Tabakwaren einkaufen, um sie nach Italien und sonst wohin zu schaffen. Alles Nepp, aber die Leute wollen über den Tisch gezogen werden. Sie empfinden die Reibungswärme, die dabei entsteht als Nestwärme…
Auf jeden Fall hatte ich von früheren Befahrungen dieser Anfahrt bessere Erinnerungen und war deshalb dieses Mal infolge des Verkehrs sehr enttäuscht, da die Landschaft eigentlich gar nicht so übel ist.
Endlich kann ich das Ziel fast sehen und es ist mir egal, wie lange ich noch für die restliche Strecke benötige. Hauptsache ich muss keine neuen Batterien in mein Rücklicht einbauen. Noch vor der Dunkelheit erreiche ich die Passhöhe und schaffe mein Zeitlimit nur knapp.
Kurz vor der Passhöhe kann ich die jungen Leute sehen, die mich erwarten und völlig platt erreiche ich sie auch bald. Benni nimmt mir wortlos mein Rad ab, um es zu zerlegen und ins Auto zu packen. Er weiß genau, wie ich jetzt drauf bin und dass ich für die einfachsten Dinge zu kaputt bin.
Die folgende Autofahrt als Beifahrer ist auch noch einmal anstrengend, da ich im Auto keine Dehnübungen machen kann und auch keinen trockenen Faden mehr am Leib trage, da alles noch vom Regen nass ist und ich trotzdem stark verschwitzt bin.
Fazit
Die Tour habe ich geschafft, aber sie hat auch mich geschafft. Die rechnerische, reine Fahrtzeit aus dem Quaeldich.de-Tourenplaners habe ich um 1 Minute unterschritten und bin sogar noch vor Einbruch der Dunkelheit am Ziel angekommen.
Ich glaube nicht, dass ich noch einmal eine solche Tour machen werde, aber Ähnliches habe ich nach anderen Touren auch schon gesagt.
Eine nächtliche Passfahrt und die damit verbundene sehr frühe Ankunft auf einer Passhöhe ist ein Erlebnis der besonderen Art. So etwas könnte man ausbauen, indem man in einer Vollmondnacht, eine Pässerunde fährt.
Jetzt weiß ich, dass 6000 Höhenmeter für mich an einem Tag machbar sind, aber mehr muss ich mir nicht mehr beweisen. Das reicht jetzt!
Zumindest solo kommt eine solche To(rto)ur für mich nicht mehr in die Planung, aber zusammen mit Sohn Benni…
5 gefahrene Pässe
Stilfser Joch, Berninapass, Umbrailpass, Passo di Gavia, Passo del MortiroloStrecke
Ich bin diese Etappe gefahren und möchte die befahrenen Pässe in mein Palmares eintragen
Ich bin diese Etappe gefahren
am