Von standlicht – Die prestigeträchtigen Alpenriesen der Tour de France – das kann man auch ganz entspannt genießen. Unsere einwöchige Rundtour beginnt und endet in Annemasse bei Genf, führt über sieben Etappen bis zum mythischen Col du Galibier – und die Etappen sind dennoch deutlich kürzer und leichter als bei unseren gewöhnlichen Klassiker-Reisen. In Saint-Jean-de-Maurienne und Annecy bleiben wir jeweils zwei Nächte.
Es soll doch ein bisschen mehr sein? Kein Problem, für Höhenmeterhungrige haben wir noch den ein oder anderen Pfeil im Köcher... man darf überrascht sein!
Von silvi – 2350 auf einer 94km-Tour ist ja quasi eine lockere Einrollrunde auf einer Relaxed-Reise. ;-) Aber die 4 Mitstreiter für die zusammengelegte Gruppe 1 und 2 sind bester Laune und wir rollen pünktlich um. 09:00 in Annemasse vom Hof. Die Gruppe 3 folgt nach einigen Minuten. Es geht ein Stück in die Schweiz, der Grenzübergang ist liebevoll mit schweizer Fähnchen geschmückt. Wann genau wir wieder in Frankreich sind, ist mir entgangen, jedenfalls habe ich keine französischen Fähnchen gesehen. Aber DER Berg der Franzosen, der Mont Blanc ist schon heute Morgen in der Ferne sichtbar und er wird uns den Tag über noch treu begleiten. Es ist warm, das versprochene Hochsommerwetter stellt sich ein, und der erste Anstieg zum Col de Saxel mit Blick auf den Genfer See rollt entspannt dahin. Das war der erste Streich und der zweite folgt zugleich zum Col d‘Ajon. Mittlerweile scheinen die beiden Patricks und Stephen vorne sich ihre Plätzchen in der Herde gesichert zu haben. Ich fahre mit Thomas etwas entspannter. Er hat vor 25 Jahren den Ironman auf Hawaii gemacht! Wow! Oben angekommen genießen wir die Aussicht (na, auf welchen imposanten weißen Riesen wohl...? ;-)) und rollen ein Stückchen wieder runter, wo Heinz mit der Verpflegung wartet, die gleich großes Lob erntet. Mit vollem Bauch und vollen Flaschen fährt es sich auch gleich viel besser bergab. Nun müssen wir „nur noch“ zum Col de la Ramaz, ein Berg, der 2010 wohl Lance Armstrong in die Knie bezwungen haben soll. Vielleicht hatte der damals vorher einfach nicht so eine gute Verpflegung, das wird es gewesen sein. Na ja, ein bisschen steil war er schon, aber oben werden wir mit großartigen Ausblicken belohnt - richtig, da ist er wieder. Imposant sieht der Mont Blanc aus, und irgendwie beschleicht mich das Gefühl, ich müsse da mal hin. Und dann machen wir das, was man auf einer Relaxed-Reise so tut: Kaffeepause! Danach geht es ab in eine rauschende Abfahrt bis zu einer Straßensperrung. Wir lassen uns aber nicht aufhalten, denn wieder ganz hoch fahren wollen wir nun wirklich nicht. Mit ein bisschen klettern und mit Hilfe eines anderen Radfahrers sind am Ende alle Räder über den Zaun gehieft und wir können auf der vorgesehenen Strecke bis ins Ziel nach Cluses rollen. Das war ein gelungener erster Tag!
Von standlicht – Zum Anfang dieses Berichtes über den zweiten Tag blicken wir auf den Abschluss des ersten Tages. Nach einmaligem und dennoch unvergesslichem Blick auf den Genfer See und zweimaligen (jedenfalls für die ausdauernde Gruppe) noch fulminanteren Blick auf den Mont Blanc blickten wir abends in einem von Chef-Planer Tom ganz neu ausgesuchten Restaurant auf ein unvergessliches Essen: Gebratene Barsche aus dem Genfer See in einer durchdachten Rahmsauce und exquisiten Beilagen sowie sehr schöner Vorspeise und Dessert. Der nächsten quäldich-Gruppe, die im beschaulichen Cluses Station machen wird, darf schon mal das Wasser im Munde zusammenlaufen
Der zweite Tag nun folgte den Spuren der Route des Grandes Alpes und brachte mit dem oben heraus wie immer äußerst sperrigen Col de Colombière gleich den ersten richtigen Hochalpenberg. Strahlender Sonnenschein, blauer Himmel und ein überschaubares Verkehrsaufkommen bei Mopeds und Wohnmobilen sorgte für beste Laune.
Während die ausdauernde Gruppe den in der Spitze mit 17 Prozent doch anspruchsvollen Col des Annes erklomm, machte sich die entspannte Gruppe auf den Weg zum Aravis. Auch dieser Pass bot – wie könnte es anders sein? - unvergessliche Blicke auf schneebedeckte Gipel. Und wenig später die Erkenntnis, dass der Satz „Ab jetzt geht’s nur noch runter und danach flach bis ins Ziel“ viel zu häufig von der überaus harten Realität eingeholt wird.
Wegen einer Vollsperrung Richtung Albertville (Murenabgang – was will man da machen? Murren?) mussten sich sowohl die entspannte als auch die ausdauernde Gruppe über die recht straffe Höhenstraße Richtung Ugine quälen. Noch eine Kurve und noch eine Kurve und noch eine Kurve – Hauptsache bergauf. Plötzlich standen in sengender Hitze 300 Höhenmeter mehr auf dem Tacho aller Beteiligten. Immerhin schaffte die entspannte Gruppe auf diese Weise das Kunststück, dreimal an diesem Tag über die 1000-Meter-Marke zu fahren.
Die Abfahrt nach dem anstrengenden Ritt entschädigte dann doch für die Mühen. Und das, obwohl es dabei keinen unvergesslichen Blick auf irgendwas gab. Unvergesslich ist dagegen die Erinnerung an einen tollen Rennrad-Tag in den Alpen. Und morgen geht’s auf den Madeleine!
Von silvi – Die Anfahrt zum Col de la Madeleine rauscht im Tal dahin und wir an der entspannten Gruppe vorbei, die kurz vor uns gestartet sind. Kurzes Stocken im Anstieg, rechts geht es nach „Pussy“ (netterweise entgeht dem scharfen Auge von Patrick nichts) und links weiter den Col de la Madeleine hinauf. Glücklicherweise entscheiden sich die Jungs gegen den verlockenden „Abstecher“ und radeln weiter mit den Col de la Madeleine hinauf.
Schon bald haben wieder ein Stop, diesmal unfreiwillig. Für die bevorstehende Tour de France wird der Straßenbelag erneuert und ein Teil davon offenbar genau heute, also just in dem Moment, als wir den Pass hochfahren wollen. An einer Ampel warten wir eine halbe Stunde, führen hitzige Diskussionen mit der Dame, die uns nicht passieren lassen will, da sie Order hat, die LKWs durchzulassen. Als die entspannte Gruppe und mit ihr Chrissy - selbst Französin und von äußerst lebhaftem, sonnigen Gemüt - an der Baustelle ankommt, hegen wir Hoffnung, dass sie vielleicht den Drachen in orangener Warnweste besänftigen und mehr erfahren kann, wann es denn mal weiter geht. Die Antwort ist ernüchternd: „Es dauert, so lange es dauert.“
Als es dann endlich weitergeht, werden wir sogleich geteert und “gesteinigt” - ok, es sind nur kleine Steinchen vom Splitt. Den Rollwiderstand optimiert das jetzt nicht wirklich. Ich beruhige die Gruppe, dass das später in der Abfahrt wieder von den Reifen ab geht (ich sollte zum Glück Recht behalten).
Wir haben heute Zuwachs, Jörn ist zu uns gestoßen, er macht schon die zweite Woche Quäldich-Reise hintereinander und fährt den Pass in einem respektablen Tempo hoch.
Der Col de la Madeleine ist lang, aber bietet sehr schöne Ausblicke, nicht NUR auf den Mont Blanc. Ich fühle mich langsam verfolgt von diesem Berg.
Oben steht Heinz und wir hauen ordentlich rein. Auch hier treffen wir noch die ersten der entspannten Gruppe, bevor wir uns nach dem obligatorischen Gipfel-Foto in eine 20km lange Abfahrt stürzen. Man munkelt, wir hätten da tatsächlich ein paar Tropfen Regen erwischt, oder war es vielleicht doch nur der Schweiß vom Vordermann? Unten im Tal ist es auch nicht mehr weit bis zu den berühmten „Lacets de Montvernier“. Seitdem hier die Tour de France 2015 mal hochgefahren ist, sind sie bei Rennradfahrern eine Attraktion. So wahnsinnig „knuffig“ (O-Ton Wolfram) finden wir jetzt diese letzten 300 Höhenmeter des Tages bei über 40 Grad allerdings nicht mehr. Wir sind jedenfalls beruhigt, dass die Gruppe 3 entschieden hat, die Schnürsenkel nicht mehr zu fahren. Dafür rollt sie auf den Innenhof unseres Hotels, als wir gerade beim seit Tagen herbeigesehnten Schmutzbier sitzen und gesellen sich dazu. Ein perfekter Tag, der noch abgerundet wird, als die Nachwuchs-Nationalmannschaft aus Frankreich bei uns im Hotel absteigt. Na klar machen wir Fotos - mit Abstand natürlich!
Von silvi – Heute ging es auf zu meinem persönlichen Lieblingsberg. Seit ich den Col du Galibier das erste Mal während meiner ersten Quäldich-Reise gefahren bin, bin ich fasziniert von diesem Pass. Da macht es auch nichts, dass unser Weg erstmal an einer stark gefahrenen Hauptstraße durchs Tal führt. Die 13km fliegen schnell dahin und schon sind wir im Anstieg zum Col du Télégraphe. Auch der rollt so dahin; die Temperaturen sind so früh am Morgen noch angenehm und ein Großteil des Passes liegt im Wald. Oben wartet Heinz mit der ersten Verpflegung.
Mit Orangina in der Trinkflasche geht es dann weiter. Noch kurz durch den Ort Valloire, wo der Shop mit den Galibier-Trikots lockt. - Nix da Jungs, das müssen wir uns erst verdienen! ;-)
Der Galibier ist lang, aber er wird wirklich mit jedem Höhenmeter schöner. Alle sind begeistert, insbesondere als wir all die Namen berühmter Tour de France-Fahrer auf der Straße lesen. Das „Ulle“ auf der Straße wird bestimmt noch regelmäßig nachgepinselt.
Während wir uns die Serpentinen hochschrauben, wird es immer hochalpiner; das Alpenpanorama wird mit jeder Kurve schöner. Oben angekommen sind alle bester Laune. Und nachdem wir Heinz das Buffet fast leer gefuttert haben, machen wir uns wieder auf den Weg bergab - so wie wir hochgekommen sind. Da kommen uns auch die Fahrer der entspannten Gruppe entgegen. Überall strahlende Gesichter, der Gipfel ist in Sichtweite. Und auch Chrissy kämpft sich zu guter Letzt den mächtigen Col du Galibier hinauf und darf diesen Tour de France-Pass in ihr Palmares aufnehmen. Chapeau!
Wir aus der ausdauernden Gruppe entscheiden uns, nun noch in Valloire auf einen Kaffee (und zwei Kugeln Eis für die heute äußerst hungrige Guidin) einzukehren, direkt neben dem Trikotladen. Das Leibchen haben sich die Jungs nun verdient.
Zurück durchs Tal geht es nun auch flott dem heißen Föhn entgegen - das Schmutzbier im Innenhof des Hotels lockt.
Ich glaube, der Galibier ist seit heute nicht nur mein absoluter Lieblingsberg.
Von standlicht – Auch der fünfte Tag unserer Savoyen-Rundfahrt steht unter dem Motto „unvergessliche Blicke“. Unvergesslich etwa der Blick, als wir bereits zum zweiten Mal auf dieser Tour in einer Vollsperrung feststecken: Baustelle. Diesmal aber können wir unsere Räder schultern, stapfen auf dem verbliebenen Bürgerstieg und damit weiter auf dem vorgeschriebenen Track – und erleben, wie am Ende des Weges ein Bauarbeiter herbei eilt und für uns Spaten, Hacke und anderes Baumaterial zur Seite räumt. Und das nur, damit die Rennradgruppe aus Deutschland stolperfrei ihren Weg findet. Mit einem Mal verblassen die Erinnerungen an die gestrenge Baustellenfrau von drei Tagen zuvor. Sie hatte uns im Anstieg zum Madeleine ungefragt gezeigt, was eine Harke ist. Indem man eilfertige Menschen vor willkürlich hin- und herparkenden Lastwagen eine geschlagene dreiviertel Stunde warten lässt. Die Langversion dieser Geschichte ist in den Tagesberichten weiter vorne geschrieben.
Zurück auf die Landstraße: Die heutige Etappe ist in der quäldich-Sprache eine Überführungsetappe. Überführung heißt: viel flach, keine Hammer-Berge, Beine baumeln lassen und Hauptsache zum nächsten Startpunkt gelangen. Die Verbindung von St.-Jean-de-Maurienne durchs Arc-Tal erweist sich als hübscher Mix aus ruhigen Landstraßen und vielen Hubbeln (= kleine, aber unangenehme Zwischensteigungen). Gleich drei Mal fahren wir durch bergige Ableger eines Ortes namens „Argentine“. Und fragen uns,ob den Franzosen unterwegs die Ortsbezeichungen ausgegangen sind. Oder ob die Zweitbedeutung von „Argentine“ etwa „kleiner Bergstich“ lautet. Wir können das vor Ort nicht tiefschürfend klären und machen uns in die Auffahrt zum Col de Tamiè. Zuvor aber erleben wir unvergessliche Blicke rüber auf das Bauges-Massiv.
Inzwischen ist es Mittag geworden, und die Savoyer Sonne knallt mit unbändiger Kraft auf uns Radfahrer hernieder. Die ausdauernde Gruppe versucht, das Dauer-Bescheinen durch einen beherzten Besuch beim Quiche-Imbiss zu verzögern, landet aber wenige Minuten später wie die entspannte Gruppe im Glutofen des Tamiè. Nachdem die Temperatur im Schatten auf 32 Grad angestiegen ist, beschließt auch die ausdauernde Gruppe, den direkten Weg nach Annecy zum gleichnamigen See zu nehmen. Zwar entgeht ihr dadurch der unvergessliche Blick auf See und Stadt auf dem Col de la Forclaz. Wi sich herausstellt, sind unten am Ufer See und Stadt aber auch sehr präsent.
Auf ehemaligen Bahntrassen und im föhnwarmen Dauer-Gegenwind geht es flott nach Annecy und hinein ins Gewusel. Sowohl ausdauernde als auch entspannte Gruppe haben dabei heute locker über 100 Kilometer zurückgelegt. Schöne Tour, tolle Landschaft, lohnendes Ziel – Rennradherz, was willst du mehr?
Morgen ist übrigens quäldich-Ruhetag. Was im Subtext bedeutet: fahren, fahren, fahren! Sollten wir auch tun, denn es lockt ab Cret de Chatillon der unvergessliche Blick auf den gesamten See. Wir werden se’en…!
Von silvi – Bei angekündigten 38 Grad ist Radfahren eine super Idee, jedenfalls wenn man den steilsten Anstieg im Schatten nimmt. Da wir den Col de la Forclaz gestern aufgrund der Hitze ausgelassen hatten, haben wir beschlossen, Kreativität walten zu lassen und die Etappe etwas umzuplanen. Wir müssen ja noch den unvergesslichen Blick auf den See nachholen. Und wir hoffen so, die allzu schlimme Hitzeschlacht zu umgehen bzw. sich dieser dann später mit einer Arschbombe in den See zu begegnen.
Wir nehmen den Radweg am See entlang, bis es nach ein paar Kilometern in den Anstieg zur Nordanfahrt zum Col de la Forclaz geht. Der hat windet sich erst sanft, dann etwas steiler - immer den bunten Gleitschirmfliegern nach, die von dort oben starten und über den See fliegen.
Wenn man das mal ausprobieren möchte, ist das hier sicher einer der schönsten Plätze dafür.
Wir fahren noch ein Stückchen weiter zum Café mit der besten Aussicht und machen Fotos. Ich stehe Schmiere bei den Rädern, die Jungs besorgen Kaffee und kalte Getränke. Unten am Abzweig wartet auch Heinz. Es ist noch etwas früh, so wird ausnahmsweise mal nicht das Buffet komplett geplündert.
Wolfram und Jörn sind heute alleine in der entspannten Gruppe unterwegs und haben unseren Kaffeestop genutzt, uns abzuschütteln.
Auch wir sind heute auf Genusstour und radeln durch zahlreiche kleine Ortschaften. Die Gegend ist wirklich wunderschön! Und wie soll es anders sein, wir sehen auch heute einmal kurz den Mont Blanc in der Ferne - Abgesehen von der Mont Blanc-Umrundung ist dies bestimmt die Quäldich-Reise mit den meisten Mont Blanc-Blicken.
Der zweite eher sanfte Anstieg zum Col du Marais endet an einer Bushaltestelle. Wir entscheiden uns aber, nicht auf den Bus zu warten, sondern doch lieber das Rad zu nehmen und sind vor 14:00 wieder am Hotel - noch genug Zeit für einen ausgedehnten Badestopp, bevor wir abends mit Hitzewallungen bei Tartiflette in der wunderschönen Altstadt von Annecy den letzten Abend genießen. Morgen ist schon die letzte Etappe. Ich glaube, der Mont Blanc wartet nochmal auf uns.
Von standlicht – Von See zu See führt die Abschlussetappe. Nun ja, nicht ganz. Wir starten zwar direkt am Ufer des Lac d'Annecy, aber den Lac Leman (den Genfer See) können wir nur von hoch oben bestaunen. Von hoch oben auf dem Mont Salève, dem Hausberg von Genf, der ein fantastisches Panorama vom Jura bis zum Montblanc bietet. Da lohnt es sich, auch am letzten Tag noch einmal ein paar Höhenmeter auf sich zu nehmen. Bis sich dann in Annemasse der Kreis schließt, und die Rennradwoche relaxed auch schon wieder zuende geht.
Variante: Über das von der Tour de France 2018 bekannte Plateau des Glières führt die Variante und kommt auf 100 km und 2600 Hm.