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AP – Der Passo del Muraglione ist einer der vielen Pässe über den Hauptkamm des Apennin zwischen der Emilia-Romagna und der Toskana. Die Grenze zwischen beiden Regionen verläuft aber anders als zum Beispiel bei den weiter südlich gelegenen Pässen
Calla und
Mandrioli nicht über die Passhöhe, sondern ist ein wenig nördlich derselben zu finden.
Über den Muraglione führt die
strada statale 67 und verbindet den Großraum Forlì mit dem Großraum Florenz, oder detaillierter: San Godenzo im Mugello mit San Benedetto in Alpe im Tal des Montone. Die Passstraße, entstanden aus einem alten Maultierpfad, ist eine der ersten befestigten Bergstraßen des nordöstlichen Apennin und wurde schon in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts ausgebaut. Auf der Passhöhe errichtete man neben einer Raststation auch eine große Mauer als Windschutz, von welcher der Muraglione seinen Namen hat. Heutzutage teilt die Mauer für ein paar Meter die Straßenseiten voneinander.
Um die Passhöhe herum breitet sich die Alpe di San Benedetto aus, nicht wirklich eine Alm, sondern eine kleine Bergkette, die ungefähr vom Monte Lavone im Norden bis zum Monte Falterona im Süden reicht. Der romagnoler Teil der Alpe gehört zum
Nationalpark der Foreste Casentinesi. Die Ortschaft San Benedetto in Alpe, ebenso wie die Alpe nach dem heiligen Benedikt von Norcia benannt, trumpft auf mit dem Nebental des Acquacheta, einem Bach, der von Dante in seiner Göttlichen Komödie erwähnt wird und dessen Wasserfall (
cascata) eins der beliebtesten Ausflugsziele des nördlichen Teils des Nationalparks ist.
Das klingt alles sehr idyllisch und verlockend, aber dennoch hat der Muraglione einen großen Haken, bzw. zwei davon. Haken Nummer eins ist die leichte Erreichbarkeit von den oben erwähnten Großräumen her. Haken Nummer zwei ist die Streckenführung der Passstraße, die von Serpentinen nur so wimmelt. Das ist tatsächlich eine Ausnahme in der Region, nur auf der Südseite des Mandrioli findet man einen ähnlichen Abschnitt mit Serpentinen kurz hintereinander, allerdings im dichten Wald ohne Aussicht.
Diese Ausnahme (Haken numero due) lockt gerade am Wochenende Horden von Motorradfahrern aus den Ballungsgebieten (Haken numero uno) an. Ich bin jetzt niemand, der pauschal auf motorisierte Verkehrsteilnehmer schimpft; Straßen sind nun einmal primär für Autos und Motorräder ausgebaut. Aber die aberwitzigen Fahrmanöver, die ich an einem Samstagnachmittag am Muraglione miterleben durfte, waren schon mehr als grenzwertig. Dementsprechend ist die Passstraße gepflastert mit Gedenkplätzen verunfallter Motorradfahrer (Bild von einem jungen Mann gehüllt in buntes Plastikleder, der mit (zu)viel Wagemut in die Kamera blickt, Blumen und Kreuze drumherum). Am Ende war ich froh, mit heiler Haut vom Muraglione auf die völlig vereinsamte Straße über den
Colla Tre Faggi abzubiegen. Vermutlich ist die Verkehrslage unter der Woche nicht ganz so dramatisch, man sollte den Pass eben am Wochenende meiden.