Von majortom – In acht Etappen fahren wir vom Breisgau an die Côte d'Azur. Nachdem wir Schwarzwald und Jura durchquert haben, wartet mit der Bergankunft auf dem Col du Grand-Saint-Bernard das erste alpine Highlight. Anschließend folgen wir weitgehend der Route des Grandes Alpes und überqueren so prestigeträchtige Pässe der französischen Alpen wie Col de l'Iséran, Col du Galibier, Col d'Izoard und Cime de la Bonette.
Streckenänderungen vorbehalten!
quäldich-Reise Fernfahrt Freiburg-Nizza I
Dies ist die offizielle Strecke der quäldich-Reise Fernfahrt Freiburg-Nizza I vom 23. Juni bis 2. Juli 2023.
Von majortom – Noch ist Nizza weit weg... Wir starten in der hübschen Universitätsstadt Freiburg am Rande des Schwarzwalds. Und wir starten mit dem Hausberg Freiburgs, gleichzeitig dem wohl bekanntesten Anstieg des Schwarzwalds. Dem Schauinsland. Dieser hat mit etwa 1000 Höhenmetern zwar alpine Ausmaße, rollt aber bei gemäßigter Steigung richtig gut und ist so ein toller Auftakt. Wir genießen die Panoramastraße zum Notschrei mit tollen Ausblicken auf das Feldbergmassiv. Die Abfahrt führt uns nach Todtnau im Wiesental, dem wir einige Kilometer folgen, bevor wir über eine wunderschöne, einsame Nebenstrecke nach Tegernau ins kleine Wiesental wechseln - und dabei die einsame Seite des Schwarzwalds kennenlernen. Dieses führt uns fast bis vor die Tore von Basel im Dreiländereck. Wir überqueren den Rhein nach Frankreich und erreichen das Elsass. Zunächst flach, dann deutlich hügeliger fahren wir entlang der französisch-schweizerischen Grenze, die wir erst mit dem finalen Anstieg nach Movelier überschreiten. Danach folgt nur noch die Abfahrt in den Zielort Delémont.
Von B-Schraube – Die Motivation am Samstagmorgen ist unübersehbar – endlich geht es los! Nizza ruft, und damit das Mittelmehr. Das Wetter könnte besser nicht sein. Nach einer an Kohlenhydraten eher bescheidenen Mahlzeit am Vorabend trifft es sich gut, dass die erste Etappe ins schweizerische Delémont vergleichsweise einfach zu fahren ist. Der Schauinsland rollt sich gut weg, und auch die nachfolgenden Steigungen sind angenehm zu fahren. Dabei zeigt sich bereits, was sich durch die beiden ersten Tage ziehen wird - die sportive Gruppe wird von der ausdauernden gnadenlos gejagt, ja mitunter sogar locker überholt. Erste Platten werden geflickt, erste Versuche in der flüssigen Gruppenfahrt zeigen noch Verbesserungspotential.
Der zweite Tag beginnt nicht minder sonnig, aber mit etwas anspruchsvolleren Anstiegen. Nach dem Col de Mont Crosin steht mit dem Chasseral der König des Juras auf dem Programm – immer ein toller Leckerbissen. Ein ebensolcher ist dann die Verpflegung, von Sisa perfekt organisiert, am Gipfel mit sensationeller Aussicht. Der zweite Platten am selben Rad innert 24h ruft erste Zweifel auf den Plan. In bewährter Teamarbeit – ein Teilnehmer hat sogar neues Felgenband dabei – wird das gesamte Laufrad akribisch geprüft und überholt, auf dass es von nun an ewig rolle. Leider wird die entspannte Gruppe von zahlreichen (so gar nicht entspannten) motorisierten Verkehrsteilnehmern gepiesackt, doch auch dieses Intermezzo ist spätestens beim reichhaltigen Abendessen in Bulle ad acta gelegt. Ach ja, nun sind auch die Kohlenhydratspeicher wieder voll – rechtzeitig für die erste Hammeretappe, welche uns auf den Grossen Sankt Bernhard führen wird.
Ursprüngliche Etappenbeschreibung:
Die zweite Etappe ist dem Schweizer Jura gewidmet, dem Mittelgebirge ganz im Westen der Schweiz an der Grenze zu Frankreich. Ein zerklüftetes Mittelgebirge, wo es über die Jurafalten hinweg ständig auf und ab geht. Wir wollen heute natürlich wieder Strecke machen und bis an den Rand der Alpen kommen, aber der Jura hält auch einige landschaftliche Highlights für uns bereit.
Er empfängt uns nach einem flachen Auftakt im Delsberger Becken mit der wildromantischen Pichoux-Schlucht, dann haben wir die hügelige Hochfläche erreicht. Unser Weg führt uns weiter nach Süden, und mit dem Col du Mont Crosin und dem Col du Chasseral folgen die Pässe nun Schlag auf Schlag. Der 1502 m hohe Chasseral ist der wohl bekannteste Pass des Jura, der Anstieg erfolgt auf einer einsamen Bergstraße, auf der uns wohl nur die zahlreichen Kühe mit bimmelnden Glocken beobachten. Der Blick von der Passhöhe in Richtung der Alpen des Berner Oberlands kann bei schönem Wetter absolut atemberaubend sein - mit etwas Glück prangen hier Eiger, Mönch und Jungfrau majestätisch in der Sommersonne am Horizont. Die östlichste Jurafalte fällt steil ins Schweizer Mittelland ab, und so haben wir eine lange Abfahrt in Richtung des Bieler und des Neuenburger Sees vor uns. Auf der zweiten Etappenhälfte ist das Profil zunächst flach, wir fahren entlang des Lac de Neuchâtel. Am Schluss geht es jedoch schon in Richtung der Voralpen, und auf welligem bis hügeligem Terrain ist einiges an Durchhaltevermögen gefragt. Die Etappe endet in Bulle im Kanton Fribourg.
Von majortom – Fast bis nach Italien geht es auf der dritten Etappe, die mit einer Bergankunft auf dem 2473 m hohen Grenzpass Col du Grand Saint Bernard endet. Völlig unbekannt und nicht weniger spektakulär: die idyllische Straße zum Hongrin-Stausee in den Waadtländer Voralpen.
Nach dem Etappenstart in Bulle geht es zunächst durch das Gruyère, der Heimat des vermutlich zweitbekanntesten Schweizer Käses (nach dem Emmentaler). Auf einer herrlich einsamen, abenteuerlichen Nebenstrecke entlang des Hongrin-Stausees steuern wir den Col des Mosses an und haben endgültig alpines Terrain erreicht. Eine lange Abfahrt führt uns nach Aigle im Rhonetal, wo einige Flachkilometer auf uns warten. Zu sehr sollten wir im Flachen jedoch nicht auf die Tube drücken, denn der Schlussanstieg wird uns heute alles abverlangen. Ab Martigny geht es hinauf zum Col du Grand Saint Bernard. 45 km und 2000 Hm bergauf. Es handelt sich um den wohl höhenmeterreichsten Pass der Alpen. Bis zum Nordportal des Tunnels müssen wir uns die gut ausgebaute Straße zwar noch mit vielen motorisierten Verkehrsteilnehmern teilen, dafür ist das felsige Schlussstück der Auffahrt umso ruhiger und spektakulärer.
Die Etappe ist am Pass zuende – wir übernachten heute auf 2473 m Höhe. Sicher ein eindrückliches Erlebnis, wenn die Sonne untergeht, die Sterne herauskommen, und man die Lichter weit unten im Tal nur noch erahnen kann...
Der Respekt war gross. Auf den grossen Sankt Bernhard soll es gehen - eine Etappe mit 3200 Höhenmetern und einem Nettoanstieg von deren 1800. Doch zunächst führt uns die Route auf einer idyllischen Strasse zum unbekannten Lac de l’Hongrin, einem gut versteckten Stausee in den waadtländer Voralpen. Ein wahrer Genuss, zumal in Erwartung der harten zweiten Etappenhälfte eher moderat gefahren. Danach geht es über den von der Tour de Suisse bekannten Col des Mosses ins Rhonetal, wo uns starker Rückenwind zur Verpflegung nach Martigny bläst. Dort wartet nicht nur der schöne Quäldich-Bus auf uns, sondern sogar ein Brunnen. Nun folgt der 40 Kilometer lange Anstieg zum grossen Sankt Bernhard, mit einer Höhendifferenz von 2000 Metern. Zunächst mit viel motorisiertem Begleitverkehr und einer ordentlichen Hitze eher mühsam, aber dank weiterhin starkem Rückenwind mit verhältnismässig schnellem Fortschritt. Und hat man die Galerien erstmal passiert, folgt der Schlussabschnitt, der nicht nur aufgrund der nun anziehenden Steigungsprozenten, sondern auch angesichts der phänomenalen Landschaft, atemberaubend ist. Nach und nach treffen alle, geschafft aber glücklich ein, geniessen das Panorama und das eine oder andere Bier.
Auf den grossen folgt der kleine Sankt Bernhard – es geht (endlich) nach Frankreich. Die am Vortag hart erkämpfte Höhendifferenz ist nun auf unserer Seite, denn um Punkt 9 Uhr geht es gleich in eine schön zu fahrende Abfahrt in Richtung Aostatal. Doch aufgepasst, es gilt, den Abzweig zur Salasses-Höhenstrasse nicht zu verpassen...! Dies gelingt nicht allen, uns so werden einige Zusatzmeter gefahren (bzw. geflucht). Erneut macht ein (anderes) Felgenband von sich reden – selten ein Grund zur Freude. Vier Schläuche und ein Ersatzband später tritt auch die entspannte Gruppe die lange, aber relativ flache Anfahrt zum kleinen Sankt Bernhard an. Der von einigen als Überführungsetappe, von der Schweiz über Italien nach Frankreich, betitelte Tagesabschnitt entpuppt sich als sehr schön – wenn da nicht der Wind wäre, welcher im oberen Bereich des Passes mit voller Kraft von vorne weht. Dennoch lässt sich kaum jemand die Freude nehmen, denn der weniger bekannte kleine Sankt Bernhard zeigt sich landschaftlich von seiner schönen Seite, und die angenehm zu fahrende Abfahrt ins Ziel tut ihr Übriges dazu.
Ursprüngliche Etappenbeschreibung
Eine Etappe, drei Länder. Wir beginnen die Etappe am Pass, gewissermaßen auf der Grenze zwischen Schweiz und Italien. Sie geht durchs italienische Aostatal und endet schon mitten in den Savoyer Alpen in Frankreich.
Nach der schweren Bergankunft gestern ist die heutige Etappe deutlich leichter. Sie ist zwar lang, aber die ersten etwa 25 km sind rauschende Abfahrt - am frühen Morgen natürlich entsprechend warm angezogen. Allzu unaufmerksam sollte man allerdings nicht ins Tal jagen, denn sonst verpasst man den Abzweig auf die Route des Salasses. Dabei handelt es sich um eine spektakuläre Höhenstraße, die oberhalb des Aostatals am Hang entlang führt und uns nicht einige Kilometer auf der viel befahrenen Hauptstraße erspart, sondern vor allem auch hübsche Ausblicke auf die umliegende Bergwelt serviert. Im Süden das mächtige Gran-Paradiso-Massiv, und vor uns im Westen ragt der höchste Berg der Alpen empor, der Montblanc. Über einen schönen Serpentinenhang fahren wir hinab ins Aostatal, dem wir nun für weniger Kilometer im Tal bis Pré-Saint-Didier folgen. Ab hier geht es wieder in die Berge, der kleine Bruder des Grand Saint Bernard steht auf dem Programm. Auch der Col du Petit Saint Bernard ist lang, und man muss sich die Kräfte gut einteilen, dafür scheint oben der Montblanc zum Greifen nahe. Die Abfahrt vom Pass führt uns bis ins savoyardische Bourg-Saint-Maurice.
Von majortom – Mit der fünften Etappe haben wir sie endlich erreicht: die sagenumwobene Route des Grandes Alpes, jener Fernstraße vom Genfer See bis zum Mittelmeer, der wir ab nun mehr oder weniger bis Nizza folgen. Nur ein Pass steht heute auf dem Programm, aber der hat es so richtig in sich, handelt es sich doch beim Col de l'Iséran mit 2764 m Höhe um den höchsten echten Alpenpass. Die Cime de la Bonette, die uns am letzten Tag erwartet, ist zwar nochmal ein paar Meter höher, aber sie ist eben kein echter Pass, und der Superlativ gebührt dem Iséran. Und man spürt auch irgendwie, dass dieser Pass etwas besonderes ist - während man auf anderen Pässen immer noch von höheren Bergen umgeben ist, wähnt man sich hier mit ihnen auf Augenhöhe. Auf einen langen Anstieg folgt eine lange Abfahrt, zunächst nach Bonneval-sur-Arc und dann dem Arc-Tal entlang bis nach Lanslebourg.
Wer am Ende der vergleichsweise kurzen Etappe noch überschüssige Energie hat, kann noch auf den Col du Mont Cenis fahren und nach Italien hinunter winken.
Das Menu der nächsten Tage lässt keine Zweifel aufkommen – wir befinden uns im Herzen der französischen Alpen, dem Mekka des Radsports. Iséran und Galibier an zwei aufeinanderfolgenden Tagen – ein Höhepunkt jagt den nächsten. So ganz nebenbei handelt es sich um zwei der fünf höchsten Alpenpässe, die Luft wird also dünn.
Für die Etappe zum Iséran wollte ein Teilnehmer wohl etwas Gewicht sparen und lies die Flaschen am Start zurück. Kurz vor Val d’Isère konnte dieses Malheur durch einen kurzen Boxenstopp behoben werden. Erst nach dem bekannten Skiort wird die Auffahrt richtig schön, ja regelrecht traumhaft. Die sich weiter vorne in die Höhe schraubenden Gruppen bzw. Grüppchen können dabei immer wieder ihre nachfolgenden Schicksalsgenossinnen und -genossen beobachten. Die Landschaft tut ihr Übriges dazu, und auch das Wetter ist uns einmal mehr gewogen, ein überragender Tag. In Bonneval-sur-Arc nutzen die meisten einen Gasthof für ein kleines Mittagessen, bevor es, je nach Laune, noch an den Col du Mont Cenis oder direkt ins komfortable Hotel mit Bad geht.
Etwas ungewollte Spannung verspricht dann die Galibier-Etappe. Angesichts einer aufkommenden Regenfront wird der Start um eine halbe Stunde vorverlegt. Zeit, welche sich noch als wertvoll erweisen wird. Kälte, Regen und Galibier? Da war doch was... Richtig, Tour de France 1998. Doch zunächst fahren wir bei strahlendem Sonnenschein los. Die 40 Kilometer bis zum Fuss des Col du Télégraphe sind im Nu flüssig weggetreten, und auch der Anstieg ist verhältnismässig gut zu fahren, da er nie allzu steil wird. Auf der Passhöhe und somit bei der Verpflegung angelangt ziehen jedoch die ersten dunklen Wolken auf. Martin wird später beim Abendessen detailliert erklären, wie diese Quellwolken entstehen und innert kurzer Zeit starke Regengüsse produzieren können. Doch noch hält das Wetter, und die Anfahrt in den Galibier, den Pass aller Tour de France-Pässe, beginnt. Landschaftlich etwas vom eindrucksvollsten, was man als Radsportler erleben kann, und im Gegensatz zum gestern bezwungenen Iséran, welcher auch im oberen Bereich nicht zu steil wird, steigt die Strasse ab Kilometer 10 vor der Passhöhe gnadenlos mit 9-10% an. Also Augen auf und durch. Gerüchtehalber hallt ein "Quäl dich, du Sau" von den Wänden des Galibier wider. Die meisten schaffen es zumindest trocken über die Passhöhe und runter bis zum Lautaret, einige sogar bis ins Hotel im Vallée Sèrre Chevalier. Und dann gibt es noch die Wagemutigen. Diese fahren quasi die legendäre Tour-Etappe von 2022 (Einbruch Pogacar) nach, und hängen noch die 1000 Höhenmeter des Col du Granon an. Chapeau.
Ursprüngliche Etappenbeschreibung
Monumental geht es weiter. Mit dem Col du Galibier, 2645 m hoch, dem wohl berühmtesten Alpenpass Frankreichs. Berühmt gemacht hat ihn natürlich die Tour de France, wovon auch das Denkmal zu Ehren des Tour-Gründers Henri Desgrange zeugt.
Die Etappe beginnt mit gemütlichem Einrollen die Maurienne hinab. Bis Saint-Michel-de-Maurienne können wir auf der leicht abfallenden Strecke das Tal hinab hoffentlich ein hohes Tempo treten. Dann geht es als Vorgeschmack auf den Galibier hinauf auf den Col du Télégraphe – der jedoch nicht nur Vorgeplänkel ist, sondern auch landschaftlich zu gefallen weiß. Eine kurze Abfahrt in den Skiort Valloire, und dann wartet der Galibier auf uns. Hochalpin, aussichtsreich, spektakulär. Hier ist Ausdauer und Zähigkeit gefragt, aber die grandiose Alpenkulisse und die Vorfreude auf ein herrliches Alpenpanorama an der Passhöhe - das an schönen Tagen von der Barre des Ecrins im Süden bis zum Montblanc im Norden reicht - sollte schon für ordentlich Motivation sorgen. Vom Galibier geht es dann zunächst bergab auf den Col du Lautaret, den wir sozusagen im Vorbeifliegen mitnehmen. Eine langgezogene Abfahrt später erreichen wir den Etappenort La-Salle-les-Alpes.
Von B-Schraube – Diesen tollen Beitrag aus dem Peloton verdanken wir unserem Sportreporter par excellence, Valentin. Herzlichen Dank!!!
Das erste mal auf unserer Reise scheint uns Petrus nicht wohlgesonnen. Schon bei der obligatorischen Etappenvorstellung am Vorabend zwischen Hauptgang und Dessert wurde daher entschieden: der Col d‘ Izoire fällt aus dem Programm. Bei zu erwartenden Temperaturen um die 5 Grad und allfälligem Starkregen wäre die Abfahrt ein zu heisses, oder eher einfrierendes Unterfangen. Ein Auge weint, doch das vernünftige bleibt trocken.
Und schon am nächsten Morgen zweifelt niemand mehr an dieser Entscheidung. Regen ist angesagt und so werden aus den Tiefen des Reisegepäcks die Wunderwaffen der wärmenden und wasserabweisenden Materialien für die Haut des Sportlers hervorgebracht. Die Stimmung ist trotz des nassen Wetters positiv aufgeladen; irgendwie scheinen alle zu wissen: eine epochale Regenetappe gehört zu einer Grand Tour durch die Alpen auch mal dazu.
Wir rollen die ersten knapp 50 Kilometer, mal leicht bergauf, dann wieder runter, durch Briançon, vorbei an der Abzweigung zum Col d‘ Izoire, in Richtung Guillestre. Die Bremsen also schon mal im Nassen eingebremst, den Körper, nach fast einer Woche Hochsommer, an den Temperatursturz gewohnt und das Material auf Herz und Nieren getestet, gibt es in Guillestre eine kleine Zwischenverpflegung. Eine Banane und eine Hand voll Gummibärchen sogenannter (,,marginal gains“) sollten für den Aufstieg reichen. Wer möchte kann noch Kekse, Salzstangen und weitere Müsliriegel tanken, jedoch immer im Bewusstsein: am Berg zählt jedes Gramm.
So begeben wir uns in den Aufstieg zum Col de Vars. Der Berg liegt im Nebel und die Sicht reicht teilweise nur bis zur nächsten Kehre. Mit 19km Gesamtlänge und 5,8% Steigung im Durchschnitt scheint dieser Pass nicht allzu mächtig wie der z.B. gestern bezwungene Galibier, sollte jedoch nicht unterschätzt werden. Der Nebel und die immer wieder einsetzende Regenfälle tun der aufgeregten Stimmung ihr Übriges bei. Da ist mal eine 12% Rampe, die richtig weh tut und nach der nächsten Kurve ein flacheres Stück, einen Rhythmus zu finden ist schwierig. Durch den Nebel ist kaum etwas vom Bergpanorama zu sehen, gerade diese Ambience macht die Auffahrt aber auch irgendwie episch.
Oben treffen wir uns, die wir einzeln angekommen sind, und bilden spontan Gruppen für die Abfahrt. Schnell wieder rein in die Regenjacke, die langen Handschuhe an und ein kleiner Plausch mit einer anderen Radgruppe aus dem Saarland.
Bei guten Wetterbedingungen eine schnelle und eher einfache Abfahrt auf guten Belag, gestaltet sich das Unterfangen bei strömendem Regen und dichtem Nebel etwas herausfordernder. Dafür ist Radsport wiederum ein Mannschaftssport, und im Tross unserer Reise sind auch gute Abfahrtsspezialisten vertreten. Das Rücklicht des Vorderen immer im Blick, nicht riskant sondern routiniert, führen zwei der eidgenössischen Fahrer die vorderen der Gruppe durch die Abfahrt. Der Radsportler erkennt: diese zwei beherrschen sowohl ihre Maschine, als auch die nasse Straße. Jede Kurve wird in bester Linie genommen, die Erfahrung aus der bergigen Schweiz zahlt sich aus.
Im ersten Teil der Abfahrt kann gut gerollt, im zweiten Teil muss etwas getreten werden, was aber bei einsetzender Kälte an den Gliedmaßen, bedingt durch Starkregen und Wind, als willkommene Herausforderung angenommen wird. Ausserdem verirren sich kaum motorisierte Verkehrsteilnehmer auf den Pass,Wetter zum Vorschein: es ist sehr wenig Verkehr. Das Hotel mit einer warmen Dusche ist unser Sehnsuchtsort und so nähern wir uns in gleichmäßiger, guten Geschwindigkeit über die Straße des Ubaye-Tals unserer Unterkunft in Jausiers, wo Sisa uns sogar mit einem Nachmittagssnack am Bus überrascht. Alle haben es unbeschadet ins Ziel geschafft, lediglich die jetzt rutschige Treppe im Hotel macht einem Teilnehmer noch einen Strich durch die Rechnung: Gerade noch mit blauer Pobacke davongekommen…
So verbringen wir den Abend am Fuß des Col de la Bonette, welcher morgen die letzte grosse Hürde auf unserem Weg nach Nizza darstellt. Doch wer bis hierher gefahren ist, der wird es auch bis ans Mittelmeer schaffen.
Ursprüngliche Etappenbeschreibung:
Weiter folgen wir der Route des Grandes Alpes nach Süden; zwei Pässe müssen dabei heute bezwungen werden. Der Anstieg zum Col d'Izoard beginnt direkt in Briançon, so dass die Beine schnell auf Hochtouren kommen müssen. Dafür können wir nun spüren, dass wir so langsam in den Süden kommen, die Gegend wird trockener und mediterraner. Am Col d'Izoard sollte man sich dann nicht allzu schnell in die Abfahrt stürzen, denn die verwitterte Landschaft auf der Südseite, Casse Déserte genannt, will entsprechend gewürdigt werden. Die Abfahrt führt uns bis nach Guillestre, wo es nahtlos in den zweiten Anstieg des Tages über geht: den Col de Vars. Dieser wird auf der Route des Grandes Alpes immer nur als Übergangspass angesehen, da der Skiort Vars nicht gerade schön ist, doch mehr als 1000 Höhenmeter wollen überwunden werden, so dass man ihn nicht auf die leichte Schulter nehmen sollte. Dann erreichen wir das Ubaye-Tal und können bis zum Etappenort Jausiers gemütlich ausrollen lassen.
Von B-Schraube –
Diesen schönen Bericht über die letzte Etappe aus dem Peloton verdanken wir Thomas - merci beaucoup Monsieur!!
Nach einem kräftezehrenden Regentag wollte keiner der Sonnenprognose für den letzten Tag so richtig trauen. Zu tief hängen die Wolken über Jausiers im Ubaye-Tal und Temperaturen um 12 Grad geben auch keinen Anlass zu größerem Optimismus. Also nach dem eher französischen Frühstück die frisch gefönten Arm- und Beinlinge wieder übergestülpt, die Regenjacke in Griffweite verpackt und noch ein paar Kalorien extra im Fahrradtrikot verstaut, denn zwischen uns und Nizza liegt kein geringerer Berg als der Col de la Bonette und seine Gipelumrundung, die Cime de la Bonette. Die Tour-Nation wollte den höchsten mit dem Fahrrad erreichbaren Punkt der Alpen und hat die eigentliche Passüberquerung mittels einer Schleife nochmals um 100 Höhenmeter auf 2802 m erhöht. Doch soweit sind wir noch lange nicht.
Bei eher herbstlicher Stimmung verlassen wir Jausiers, um auf etwa 1400 Metern Höhe in den Wolken zu versinken. Die Landschaft und die vom Nebel geprägte Stimmung begeistern dennoch: Menschenleere, satt grüne Weiden und ein zunehmend enger werdendes Tal sind die Ouvertüre für diesen letzten Tag. Die einzelnen Motorräder und Autos stören kaum, und ab und an blitzt es bereits azurblau durch die grauen Wolken. Und dann geht plötzlich der Vorhang auf, die Wolkendecke ist durchstoßen und ein traumhaftes Hochtal öffnet sich - ein Anblick zum Niederknien. Der Regen der Vortage und die Kühle erlauben eine beeindruckende Fernsicht, und der Nationalpark Mercantour in den französischen Seealpen zeigt seine Gipfel. Völlig berauscht von soviel Schönheit nehmen wir die 2000 m Marke, verlassen die Almen und überwinden die Baumgrenze, bis die Cime aus hochalpiner Umgebung herausragt. War die Steigung zur Passhöhe auf 2700 m vergleichsweise milde zu uns, muss im Endspurt eine Steigung von bis zu 15 % bewältigt werden. Das tut jedoch nur halb so weh wie es müsste, denn gleichzeitig befinden wir uns auf einer 360 Grad Panoramastrasse und kommen aus dem Staunen nicht mehr heraus.
Nach der kurven- und abwechslungsreichen Abfahrt und einer kurzen, letzten Mittagsverpflegung geht es im Mannschaftszeitfahren in Richtung Mittelmeer. Bei einem Platten erhalten wir, bereits zum zweiten Mal an diesem Tag, Hilfe vom Bus einer anderen Radgruppe. Nochmals ist höchste Konzentration gefordert, der letzte Gegner ist der Gegenwind. Alle verbliebenen Körner werden im Schlussspurt verpulvert. Sie werden nicht mehr gebraucht...
Nizza empfängt uns mit strahlend blauem Himmel, kühlem Panaché und einem Hotel direkt am Strand, unserem aktuellen Bewegungsbedürfnis entsprechend. Dort klingt die Fahrt mit einem (oder auch 2 bis 3) Kir und einigen Kaltgetränken aus, gefolgt von einem Dinner direkt am Strand mit sensationellem Ambiente. Jetzt brauchen wir die Busfahrt und einige Tage mehr, um all die im Schwarzwald, im Jura und in den Alpen auf knapp 950 km gesammelten Erlebnisse zu verarbeiten.
Ursprüngliche Etappenbeschreibung:
Durchatmen, letzte Kräfte mobilisieren, denn heute Abend wartet das Mittelmeer auf uns. Ein Hindernis gilt es jedoch noch zu überwinden, und das ist nicht irgendein Hindernis, sondern der höchste Punkt der Woche. Der Col de la Bonette ist 2715 m hoch, was auf der Rangliste der Alpenpässe immerhin noch zu Platz vier reichen würde, doch das hat den Erbauern der Straße im Mercantour-Nationalpark wohl nicht gereicht. Und so musste es noch eine Panoramaschleife sein, die Cime de la Bonette, die die Marke von 2800 m Höhe überschreitet. Bei all dieser Diskussion um Höhensuperlative darf man jedoch nicht vergessen, was für ein grandioses landschaftliches Erlebnis der Pass ist. Die karge, braune, unwirtliche Hochalpenkulisse, die Ausblicke über die Seealpen des Mercantour. Und dann geht es nur noch bergab. Die lange Abfahrt vom Pass führt uns dann sozusagen direkt bis nach Nizza. Sie führt zunächst ins Tinée-Tal, das ins Var-Tal mündet, und der Var mündet bei Nizza ins Mittelmeer. So können wir wahlweise nochmal richtig Tempo aufnehmen, oder aber unsere Fernfahrt gemütlich ausklingen lassen. So oder so, direkt nach der Ankunft winkt ein Bad im azurblauen Mittelmeer!