Von majortom –
Herzliche Grüße aus dem Speisesaal "Le Pain Sucré", wo inzwischen schon die Vorspeise (Salat) über den Tresen gegangen ist und postwendend von der hungrigen Grand-Saint-Bernard-Bezwinger-Meute vernichtet wurde. Wir harren nun dem Hauptgang (Rindfleisch wahlweise à point oder bien cuit mit Roesti). Unser geschätzter und gutaussehender Chef Jan wäre jetzt der Versuchung erlegen, seiner Berichterstatterpflicht mit ein paar nichtssagenden warmen Worten (Yeah! Sensationell! Episch! Flow! Jetzt Essen!) nachzukommen und ansonsten auf seine verwackelten Poserbilder von seinem potthässlichen Plastikrad zu verweisen. Nicht so wir; wir berichten wie gewohnt ausführlich von der heutigen Königsetappe durch das Gruyère, das Rhonetal und den Grand Saint Bernard hinauf. Mit 130 km und 3200 Hm sicher eine der härtesten Etappen, die wir je bei den quäldich-Reisen aufgelegt haben.
Herrliches Sommerwetter erwartet uns heute morgen in Bulle, und pünktlich um 8 Uhr 30 starten wir mit Respekt und Vorfreude in die Etappe. Während die sportiven (nach dem schnellsten Verfahrer in der Geschichte der quäldich-Reisen) sofort mit Zug auf der Kette lospreschen, rollen wir Entspannten ganz relaxed das Gruyère hinauf, Heimat des gleichnamigen Käses. Die Schaukäsereien lassen wir rechts liegen und cruisen gemütlich bis Montbovon, wo wir auf den unscheinbaren Anstieg zum Lac d'Hongrin abbiegen. Die schmale, nahezu verkehrsfreie Straße findet sofort großen Gefallen, und durch idyllische Voralpenlandschaft geht es auf die Berge zu. Leider ist hinter Allières Schluss mit Schweizer Zuckerasphalt, und wir müssen die steilen Rampen im Wald teils auf kurzen Schotterabschnitten, teils auf mäßigem Asphaltbelag zurücklegen. Immer höher schrauben wir uns hinauf in die Berge und werden Zeuge eines lautstarken Almab-, auf- oder -umtriebs. Dann noch durch den dunklen Tunnel, und wir kommen am blau in der Augustsonne glitzernden Lac de l'Hongrin raus. Herrlich!
Ein paar Kilometer trennen uns noch vom Col des Mosses, dann geht es in rasanter Abfahrt hinab nach Aigle im Rhonetal. Hier ist es nicht nur sommerlich warm, sondern sommerlich heiß, aber wir cruisen gemütlich das Rhonetal gen Süden bis Martigny, wo Erich und Moni mit einem erneut opulenten Buffet auf uns warten. Ein Hoch auf das fränkische Dream-Team!
Und damit bleiben uns nur noch die 42 km und knapp 2000 Hm auf den Grand Saint Bernard. Gehöriger Respekt vor diesem langen Anstieg, doch die prestigeträchtige Bergankunft lockt. Zunächst geht es noch locker bergauf, nur die autobahnartige Straße hier hinauf und das entsprechende Verkehrsaufkommen sind gewöhnungsbedürftig und erfordern mitunter starke Nerven. Doch Kilometer für Kilometer kurbeln wir aufwärts, und ganz langsam weicht die drückende Hitze höhenbedingt auch angenehmen Radfahrtemperaturen. Sehr starke Nerven erfordert dann die etwa 4 Kilometer lange Galerie am Stausee entlang, in der es zu allem Überfluss auch noch eine Baustelle mit Ampelregelung gibt. Alle sind sehr froh, als sie das Ende dieser Galerie und gleichzeitig auch den Beginn der finalen Passstraße erreichen. Hier nimmt der Tunnel durch den Berg einen Großteil des Verkehrs auf, und auch der Pass offenbart mit der felsigen, hochalpinen Landschaft endlich seine schöne Seite. Lustigerweise steht am Tunnelportal eine Kilometerangabe bis Nizza: 323 km. Wir werden noch etwas länger brauchen.
Ich habe mich inzwischen dem Grupetto bestehend aus dem jungen Glück und Bier-Klaus angeschlossen, und zu viert nehmen wir den Schlussanstieg in Angriff. Da es nun auch nochmal deutlich steiler wird, und schon...
(Unterbrechung für den Hauptgang: Steak mit Roesti, perfekt medium gebraten, allerdings hätte es noch fünf Minuten länger ruhen können.)
... und schon einige Körner verbraten sind, geht es jetzt nochmal an die letzten Reserven. Doch die hochalpine herrliche Kulisse gibt natürlich nochmal eine Extra-Motivation, und wir kämpfen uns Kehre um Kehre empor, bis wir schließlich auf die Bernhardiner-Passhöhe zu rollen. Eine harte Etappe, die den einen oder anderen auch an seine Grenzen gebracht hat, aber auch eine wunderschöne Etappe mit dem einsamen Anstieg zum Hongrin-See und dem langen, kräftezehrenden Bernard. Ein Kandidat für die Bergankunft des Jahres.
Weisheit des Tages:
"Immer wenn ich traurig bin, trink ich einen Korn.
Wenn ich dann noch traurig bin, trink ich nochn Korn.
Wenn ich dann noch traurig bin, trink ich nochn Korn.
Und wenn ich dann noch traurig bin, fang ich an von vorn."
(Heinz Ehrhardt)
Ursprüngliche Etappenbeschreibung:
Auf der dritten Etappe erreichen wir die Alpen. Nach dem Col des Mosses wartet die monumentale Bergankunft auf dem Grand Saint Bernard.
Fast bis nach Italien geht es auf der dritten Etappe. Nach dem Etappenstart in Bulle geht es zunächst durch das Gruyère, der Heimat des vermutlich zweitbekanntesten Schweizer Käses (nach dem Emmentaler). Auf einer herrlich einsamen, abenteuerlichen Nebenstrecke entlang des Hongrin-Stausees steuern wir den Col des Mosses an und haben die Waadtländer Voralpen erreicht. Eine lange Abfahrt führt uns nach Aigle im Rhonetal, wo einige Flachkilometer auf uns warten. Zu sehr sollten wir im Flachen jedoch nicht auf die Tube drücken, denn der Schlussanstieg wird uns heute alles abverlangen. Ab Martigny geht es hinauf zum Col du Grand Saint Bernard, 45 km und 2000 Hm bergauf. Es handelt sich um den wohl höhenmeterreichsten Pass der Alpen. Bis zum Nordportal des Tunnels müssen wir uns die gut ausgebaute Straße zwar noch mit vielen motorisierten Verkehrsteilnehmern teilen, dafür gehört das felsige Schlussstück zu den schönsten Eindrücken, die die Alpen zu bieten haben. Die Etappe ist am Pass zuende – wir übernachten heute auf 2473 m Höhe. Sicher ein eindrückliches Erlebnis, wenn die Sonne untergeht, die Sterne herauskommen, und man die Lichter weit unten im Tal nur noch erahnen kann...
Ich bin diese Etappe gefahren und möchte die befahrenen Pässe in mein Palmares eintragen
Ich bin diese Etappe gefahren